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Ne 1V1 Zehnter Jahr«. Arschenft: «glich stütz 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bi« Abend« Y.Lonn- tag« bi, Mittag» 1« Uhr: Marienftraß« 18. Unzeig. in dies. Blatte, da« jetzt i» U Uxemplarr» erscheint, finden eine erfolgreich« Verbreitung. Montag 1« Juli 186Z. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredactrur: Theodor Drobisch. Abonnement: vierteljährlich 2üNgv bei unenrgeldlicher Litz- srrung in', Hank Durch dir Lönigl Pos vierteljährlich 22 Ngr Sinjeln« Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" di« Zeit« 2 Rgr- Druck und Etgruthum der Herausgeber: Nepslh bk Nelchardt. — Verantwortlicher Redactrur: JullNS Nelchardt» D*-«ds» de» 10 Juli — Daß dir plastische Kunst in Betreff de« deutschen SLngerfesteS nicht Zurückbleiben und ei» kleine« Denkmal der Erinnerung bieten würde, war in einer Kunststadt wie Dresden um so eher anzunehmen, und so liegen denn von dem Bild hauer und Modelleur Louis Elmendorf zwei kleine in Ghp« geformte Werke vor, welche die Bildnisse der Liedercomponisten Julius Otto und Franz Abt darstellen. Portrait« find än undankbarer Gegenstand der Kunst, wenn nicht ein be rühmter Name solchen eine feste Grundlage giebt, und der Beschauung das Gefühl der Verehrung zur Seite steht, wo durch das Ganze eigentlich erst seinen Werth und Dauer der Erinnerung empfängt. Dieser Gedanke findet Rechtfertigung in dem bekannten Namen beider Tonsetzer, deren Bildnisse sich erhaben auf einer Platte abprägrn, wo da» Etui gleich di« Einrahmung und somit einen Zimmerschmuck bildet. Außer diesen Bildnissen ist aus dem Atelier dieses strebsamen Künst lers noch ein Pokal hervorgegangen, welcher alle Anerkennung verdient, ein Pokal, der in Form an denjenigen erinnert, den Herr Elmendorfs für die Dresdner Liedertafel anfertigte und zu seiner Zeit in der Jllustrirten Zeitung durch eine Abbildung veranschaulicht wurde. Der Pokal, 10 Zoll Höhr, ist aus einer dem Serprntinstein ähnlichen schwarzen harten Thonmafle geformt, während der Deckel aus Eichenholz geschnitzt ist. Die eine Seite de« Pokals präsentirt das Dresdner Stadt wappen, während die andere Seite den bekannten Sängrrspruch zeigt. Dieser Pokal dürfte in Folge seiner Festigkeit eine Er innerung bilden, die dem Zahn der Zeit auf lange widersteht und somit noch ein Erbstück für Kind und Kindeskinder bilden dürfte. — Bei dem in verflossener Nacht im Poppitz auSge- brochenen Brandunglücke, zu dessen Dämpfung und Rettung der Effecten dir nächsten Nachbarn nebst der Turnerfruerwehr ihr Möglichstes beigetragen haben, ist unstreitig der im 3. Stock wohnende Hutmachermeister C. Gst. Ad. Loose am Arrgsten betroffen worden. Denn nicht nur, daß ihm rin Theil seiner geringen beweglichen Habe zerbrochen worden und abhanden gekommen, so ist ihm auch seine baare Kaffe, welche in einem Pappkästchen verwahrt gewesen und in Papiergeld bestanden hat, dabei mit verloren gegangen. Betrübt steht der arme Man« an den Trümmern seiner Habe, seine Werkstatt ist verschüttet und weiß er noch nicht, was er nach dem Weg ränmrn de« Gebälks und Schuttes davon noch vorfinden wird. Zwar hat er wieder in seine Stube einziehen jkönnen, da solche nicht zerstört worden ist, aber betrübt ist er wieder eingezogrn nach einer Nacht voll Schrecken und Gefahr. An'S Versichern hat der arme Mann leider nicht gedacht. — Urber di« Thätigkeit der Turnerfeuerwehr bei dem Brande im Poppitz wird un« berichtet, daß der Erste, welcher die Höhe erklomm, nicht Herr Hase, sondern der Rohrführer Herr Türke gewesen. Erstgenannter habe erst bei dem zwei te» Feuer auf der Landhausstraße seine Thätigkeit enttmckelt. — Gewiß hat manches Dresdner Kind mit Vergnügen die Geschichte des Prinzenraubes gelesen und sich an der schönen Figur, welche der Köhler dabei darbietet, ergötzt Einen solchen Köhler, wenn auch nur als Epigon, von Angesicht zu Angesicht zu sehen, würde vielleicht ein Wunsch manches Dresdners sein Dieser Wunsch läßt sich jetzt leicht erfüllen, indem in unmittel barer Nähe TharandS, (Breite Grund, Seitmthal de« Bade- thal«) eine Meilerpätte errichtet ist zur Instruction für die Akadrmisten, und 2 Köhler im Laufe dieser Woche ihr rußige- Seschäft daselbst betreiben. Roch sei erwähnt, daß rS wirk- lich eine» überraschend schönen, malerischen Anblick gewährt, de» rauchenden Meiler, welcher, umschattet von Fichten, in eine« hübschen Thal liegt, mit der sogenannten Köthe im Hintergrund zu sehen. Köthe ist die aus Rinden gebaute Wohnung der Köhler, welche Tag und Nacht daselbst zu ver weile« haben. — Wir werden um Aufnahme de« Nachstehenden er sucht: „Bei der jetzt eivgetretenen großen Hitze wäre es gewiß höchst wünschen« Werth, daß die Schullrctionen bei einer Hitze von 84 Grad Reaumur im Schatten verkitt zt oder auSgesetzt würden, insofern durch die allgemein eintretrnde Erschöpfung der eigentliche Zweck des Unterrichten« verloren geht, und Lehrer wie Schüler nur abgrquält wrrden. Zwar sind am letzte» Freitag Nachmittag die gewöhnlichen Leetionen in der hiesigen Kreuzschule und Handeltlehr-Anpalt au« oberwähnten Gründe» fistirt worden. Daß dieses nicht auch in anderen Schulen geschieht, scheint unS nicht ganz gerecht zu sein. In preußischen Staaten besteht rin Schulgesetz, nach welchem bei 34 Grad Reaumur Wärme im Schatten die üblichen Lehr stunden frei zu gek,n sind " — Rach zwei Richtungen hi» bemerkte man vorgestern Abend während und nach dem bedeutenden Gewitter am Him mel Feuerscheine, wahrscheinlich durch Blitzschlag entstandene Brände. — Ein Kaufmann Seidel aus Chemnitz, der wegen Wechsel fälschung in Untersuchung gezogen werden sollte, entfloh und entkam nach Newyork. Auf Ansuchen der sächsischen Regier ung ward er aber dort abgefaßt und als Gefangener nach Europa zurückspedirt. Dieser Tage langte er in Hamburg an und wurde kort vorläufig in Arrest gesetzt — Bei Riesa in der Elbe ertrank beim Baden am 4. d. M. Nachmittags der 14 Jahr alte Sohn des dortigen Briefträgers Schubert. Der Leichnam ward erst zwei Tage darauf aufgefunden und gerichtlich aufgehoben. — Beim Be gegnen mit einem andern Fuhrwerke unter dem Bautzner Thore in Zittau ward am 6. d. M. der in einer Brannt weinbrennerei in Zittau dienende Knecht Schröter aus Bisch dorf von seinem Geschi r so mit dem Kopfe an die Mauer gedrängt und verletzt, daß der Tod sofort erfolgte Allgemeine Wochenschau. Englische Zustände. — Verderbniß des englischen Wahlversahrens. — Die Polnische Emigration im Dienste russischer Polizei. — Preußisches. — Die Unterredung Friedrichs des Vlll. mit Hrn. v. Bismarek. — Aus Wien. Da» englische Parlament ist geschloffen worden, nachdem es in der letzten Zeit nur noch ein Scheinleben gefüdrt hatte. DaS Budget für Ostindien — ein Land von 60,000 Meilen, also fünfmal so groß wie Deutschland — wurde m einer kurzen Sitzung von der Regierung vorgelrgt, von zwei Red nern bekrittelt und von dem Unterhause genehmigt. Bei der Schlußabstimmung waren 8 Mitglieder anwesend, und diese 8 gähnenden Herren beschließen nach flüchtiger Berathung über das Wohl und Wehe von 177 Millionen Menschen. Daß Ostindien sich in einem grauenvollen Zustande befindet, daß der vor Kurzem beendigte Krieg der Eingebornen gegen die unterjochenden Engländer schwere, schwere Wunden geschlagen hat, ist gleichgültig — das Budget ist formell richtig ange nommen worden. Man hätte den Ausweg gehabt, baß eines der 8 beantragt hätte, da» Haus „auszählen" zu lassen; da wäre die Sitzung wegen Beschlußunfähigkeit aufgehoben wor den; aber lieber schnell die lästige Session zu Ende bringen, mögen Millionen von Menschen darunter leiden, wenn nur die Abgeordneten nicht mehr in London zu sein brauchen Wenn eine Verfassung solche Ungeheuerlichkeiten begünstigt, wo man unter Wahrung der Form die wichtigsten Fragen über das Knie bricht, so ist sie wahrhaftig für uns Deutsche keine durchaus mustergiltige, wie man uns immer einreden will. Eine weitere und wohl die schwärzeste Schattenseite zeigen die Wahlumtriebe, die unter dem Schutze der Gesetze mit einer wirklich empörenden Frechheit von Seiten der Re gierung wie der Opposition vorgenommen werden. Diese« Parlament war nämlich da» letzte der verflossenen 7jährigen Wahlperiode (diese lange Dauer der Abgeordneten-Mandate pflegen unsere Bewunderer der englischen Verfassung meist auch zu übersehen); jede Partei strebt nun durch Durchdringung von möglichst diel Candidaten auf die nächsten 7 Jahre sich den möglichst großen Einfluß auf die Geschicke des Landes zu verschaffen Die Bestechlichkeit der Wähler, die Bestechung« sucht der Gern-Gewähltrn, die gegenseitigen Verleumdungen, mit denen sich die Parteien überschütten, die schwindelhaften Versprechungen, die sie den Wählern vorspiegeln, die Drohun gen, mit welchen Mächtige die ärmer« Wähler einschüchtern, bilde» die unsaubern Ingredienzen zu einem so echt englischen Wählerbrri, daß ein ehrliebender Deutscher vor einem Unter, Haus, das aus der Gährung solcher Elemente herausdestillirt wird, in moralischer Beziehung keine Hochachtung hegen kan«. Da geht der reiche Adel, der reiche Kaufherr (ein armer Patriot kann eben seiner Arvmth wegen nie Abgeordneter werden) auf's Land und kehrt nun im Verkehr mit dem Wäh, lerpack, das er sonst nicht ansreht, seine liebenswürdigste Seite heraus. Mit Gevatter Schneider und Handschuhmacher kanne gießert er über Amerika und Louis Napoleon, mit dem Päch ter bespricht er Düngungsfragen und den Freihandel, während seine Frau und Tochter die Pächterinnen mit ihrem Besuche beehrt und mit ihnen über Hühner und Gänse parlirt oder mit goldgefüllter Börse die Schulen und Armenhäuser durch wandert. Der Gastwirth darf einflußreiche Trinker nicht an die Zahlung mahnen; Verbrüderungen und Prügeleien erregt das Freibier in der Dorfschenke, vom Gutsherrn gespendet, täglich. Dazu die Bestechungen durch Geld, die vielen Tau sende, welche Drucksachen, Reisen, Versammlungen u. s. w. verschlingen — ist e« dann ei« Wunder, wenn in der engli schen Nationalbank der Vorrath an baarem Gelde schwindet, weil die Candidaten Millionen über Millionen zur flotten Betreibung de» Wahlgeschäftes herausziehen? Und das soll für uns Deutsche ein Vorbild sein? Mag dann auch da« Unterhaus die Macht besitzen, durch einen Ur- theilspruch einen der mächtigsten Regierungsbeamten, den Lord kanzler Westburh von seinem Platze zu verdrängen, weil dieser dir fettesten Posten an seinen mißrathenen Sohn giebt, und den von uns früher schon erwähnten Edmundsscandal wieder holt hat, so ist damit noch nicht der Beweis für die trefflichen englischen Einrichtungen gegeben. Es ist da« wenigste, daß man einem „Hüter des Gewissens der Königin", der so ge wissenlos gehandelt hat, „Mangel an Vorsicht" vorwirft, und den Mann in Deutschland möchten wir sehen, der noch nach solchen schmachvollen Enthüllungen amtlich weiter fungiren könnte. Wir Deutsche muffen unsere freiheitlichen Institutio nen nach unfern Verhältnissen ausbauen und brauchen nicht vor jeder uns noch fehlenden englischen Einrichtung wie vor einem güldenen Kalbe unsre Knie zu beugen. Einen traurigen Einblick in die Schattenseite der mensch lichen Natur gewährt das Treiben eines Theiles der polnischen Emigration. Die aristokratische und die demokratische Partei unter den auSgewanderten Polen befinden sich in heftigster Spannung; kein Mittel ist ihnen zu schlecht, um ihr; persön lichen Gegner zu stürzen, namentlich ist <S wahrhaft beschä mend für einen Menschenfreund, zu sehen wie sich einzelne aus beiden Parteien bei — der russischen Polizei dcmuzieren, die auf diese Weise in die geheimsten Pläne der Polen ein geweiht ist und jede Unternehmung von vornherein überwach»« kann. Man möchte behaupten, daß wenn nach solchen namen losen Leiden, wie Polen jetzt erst eben ausgefianden hat, die dem Tode, dem Kerker und den sibirischen Bergwerken Ent ronnenen sich so gegenseitig zerfleischen und sich dem Henker wechselseitig überliefern, nur um persönliche Rache zu üben, und persönlich Vorthrile zu erlangen, daß dann die Polen selbst nicht politisch lebensfähig find, daß die Aufrichtung eines selbstständigen Polenreichs ein todtgeboreneS Kind ist, daß sie, wie andre Völker, die trotz einzelner guter Charactereigenthüm- lichkriten, ihrenBeruf in derVölkerfamilie nicht verstehen dazu be stimmt sind, begabteren Völkern sich zu unterwerfen und sich gün stigen Falles mit ihnen zu verschmelzen. Gegen die Wichtigkeit, welche den Ministerwechsel in Wien innewohnt, erscheinen die kleinen Teufeleien in Preußen wie harmloses Kinderspiel. Was man da hört, sind nur Varia tionen zu dem Thema: Vergewaltigung des Rechtes, Unter drückung des Volke«." Manchmal find die Nachricht n von dort wirklich amüsant. Wenn z. B. die Gattin eines preu ßischen HauptmannS, welche als Dichterin mehrfach aufgetre ten ist und das jüngste Kind ihrer Muse zum Vortrag in einer Gesellschaft bringen will (eS war dieß eine Verherrlich ung Preußens, ein Stoff, zu dem allerdings etwas Schwär merei und viel weibliche Phantasie gehört), wenn diese Dame daran verhindert wird, weil das Offiziercorps erst das Ma- nusript durchlesen will und den Gatten auffordrrt, dasselbe von seiner Frau einzuholen, was diese aber abgelehnt hat — so ist diese Illustration deS SatzeS: Mann und Weib ein Leib! gewiß originell. Wenn wir ferner hörm, daß gegen die Führer der Abgeordneten Untersuchung wegen ihrer oppo sitionellen Reden eingelritet werden soll z. B. gegen Professor Gneist wegen MajestätSbeleidigung, wornach derselbe nicht nur mit Gefängniß, sondern auch mit Entziehung aller bürgerlichen unpolitischen Ehrenrechte auf Zeit bestraft werden kann, so paßt auf diesen Plan das preußische Volk in seinem Verfas sungskampfe führerlos zu machen, gewiß das Schiller'sche Wort: „Wär der Gedanke nicht verwünscht gescheidt, Man wär versucht ihn herzlich dumm zu nennen." Wenn Herr von Bismarck ein angeblich von ihm sofort nach der Unterredung mit dem Herzog von Holstein niederge schriebenes Protokoll veröffentlicht, um denselb.n als undank bar hinzustellen und das preußische Volk gegen ihn aufzu bringen, so zeiht der Herzog jetzt den Minister der Lüge. Wir gestehen, wir bewundern auch in dem Herzog nicht einen gewiegten Diplomaten oder einen kühnen Fürsten seines Vol ke«; aber gegen seine Ehrenhaftigkeit- und Wahrheitsliebe läßt sich nach unserm Gutdünken nicht« sagen, Wohl aber manches hierüber gegen den Chef des vrrfaflungsbrüchigen preußischen Ministeriums. Sicherlich legt, wenn das Protokoll auch ganz genau wäre, dasselbe kein günstiges Zrugniß für die Fähigkeiten des preußischen Diplomaten ab, denn er hat trotz 3stündigen Re dens und Zuredens nicht da« geringste Zugeständmß von Friedrich VIII. erhalten. Der Ministerwechsel ist in Wien noch nicht zum Abschluß gelangt. Zahllos sind die Namen der Candidaten für die erledigten Ministersessel. Wie in der französischen Armee jeder Soldat den Marschallsstab im Tornister trägt, glaubt jeder Vorstand einer Abtheilung einer österreichischen Behörd« in seinem Bureau das Ministerportefeuille zu beherbergen. Wir wollen abwarten, ob nur eine einzige der Coojrcturen eintrifft, die man jetzt zu Hunderten über ein Ministerium ausstellt, da« noch Niemand kennt. Wichtig, äußerst wichtig ist freilich der Schritt des Kaisers nach jeder Seite hin.