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H. Ur. ^fcheinl: «glich stütz 7 Uhr. Inserate »«rdt» «rgenommr»; »t«Ab«nd»v,Son»- rag« bi« Mittag» 1L Uhr: Marienstraße 13. «Migin dies. Blatt«, da« jetzt >» UMO Uximplareu «rschkint, siuden ein« erfolgreich» Verbreitung, «t ÄÄm«! Jajirg. Montag, IS. Juni 18SL. ß Abonnement: virrreijährttch Lü Ngv bei mientgeldlicherA»i serung in'« Hau«. Durch die LSuigl. Pas virrteljiitzriich -2 «Mi Einzelne Nummer» 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mttredaeteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum »i»«r gespalreuen Zeile: 1 Ngr, Unter „Ewg«<j sandt" die Zeit« 2 Ngr. Druck und Mgtnthum der Herausgeber: Litpslh tzk Nelchardt. - Verantwortlicher Redacteur: ItlliUS Nttchardt. Dresden. de» 19. Juni — In einem Extrablatte veröffentlicht das Dresd, Jour nal folgendes Telegramm: Berlin, Sonnabend. 17. Juni, Nachm. 5 Uhr. Der Landtag ist heute Nachmittag 3 Uhr durch den Ministerpräsidenten mrt folgender Thronrede ge schlossen worden: „Eine Anzahl nützlicher und heilsamer Ge setze ist zwar zu Stande gekommen; volle, durchgreifende Re sultate wären jedoch nur zu erreichen gewesen, wenn deS Va terlandes Wohl oberstes Gesetz und höchste Richtschnur ge blieben wäre. So ist es nicht gewesen. Die deutlich aus gesprochene Absicht der Majorität des Abgeordnetenhauses, dem Ministerium Schwierigkeiten zu bereiten, führt durch Ver werfung mehrer wichtige Gesetze zur Schädigung des ma teriellen Landeswohlrs. „Durch Verwerfung des Militärge setzes sollte die bewährte Nev'ganisation aufs Neue in Frage gestellt werden. Das Abgeordnetenhaus versagte die Mittel zur Herstellung einer Kriegsflotte, versagte den Beistand zur Gewinnung der Früchte der Siege des v.rgangenen Jahres. Ja, es hat sich von den glänzenden Thaten und Erfolgen der Armee losgesagt. indem es die Kriegskostenvorlage verwarf. Das SlaatshauShaltsgesetz. dessen Zustandekommen nach den Verfafsungsartikeln 62 und 99 vom Zusammenwirken aller Faktoren erwartet wird, ist auch diesmal an der Weigerung des Abgeordnetenhauses, die zur Aufrechthaltung des Heer wesens unerläßlichen Mittel zu bewilligen, gescheitert. „Das Abgeordnetenhaus hat Forderungen verweigert, welche die Staatsregierung stellen mußte, hat Beschlüsse ge aßt, welche die Regierung nicht ausführen kann Statt mit ersehnter Verständigung erfolgt der Sessionischluß abermals unter dem Eindrücke gegenseitiger Entfremdung. Die Regierung hat nur ein Ziel: Wahrung der Rechte und der Ehre des Königs und de» Lande-, sowie sie verbrieft find, wie sie nebeneinander bestehen können und müssen. Die Abgeordneten werden ihr Mandat nur erfüllen, wenn sie Mitarbeiten an dem Werke, Preußen unter starken Königen groß und glücklich zu machen „Die Regierung ist bestrebt, das ihr vom Könige ertheilte Mandat auszuführen. Die Regierung wird, unbeirrt durch feindseligen und maßlosen Widerstand in Rede und Schrift., stark im Bewußtsein ihres guten Rechts und guten Willens den geordneten Gang der öffentlichen Angelegenheiten aufrecht erhalten, das Landesinteress« nach außen wie nach innen kräf tigst vertreten. Die Regierung lebt der Zuversicht, daß ihr Weg ein gerechter und heilsamer gewesen, daß der Tag nicht mehr ferne, wo die Nation, wie bereits durch tausende aus freier Bewegung kundgewordene Stimmen geschehen, auch durch den Mund ihrer geordneten Vertreter dem Könige Dank und Anerkennung aussprechen werde. „Ich habe dem Herrenhause im Namen Sr. Majestät des Königs Dank für dessen auch in dieser Session bewiesene Treue und Hingebung zu sagen. „Ich erkiUe hiermit im Aufträge Sr. Majestät des Königs den Landtag für geschloffen." — Im oberen Saale des Belvedere ist der von uns schon früher beschriebene kunstvolle Teppich gegen geringes Entrse zum Besten deS Verfertigers, Herrn Damenschneider Zuckermantel ausgestellt. — Vorgestern Abend in der sechsten Stunde, als die Droschke Nr. 101 an der Neustädter Kirche schnell in die Straße einbiegen und einer entgegenkommenden Droschke aus- weichen wollte, ereignete es sich, daß ein Jahrmarktsmann von solcher ergriffen und zu Boden gerissen wurde, was je doch keine weiteren Folgen hatte. — Die Uebergangsbahn vom Leipziger Bahnhof nach der Marienbrücke hat schon mehrmals in bedenklicher Weise Fuhrwnk und Menschen gefährdet. So fuhr vor einigen Tagen ein Einspänner, worin Mann, Frau und Kind saßen, in demselben Augenblicke bis aufs Schienengleis, als eben ohne für den Kutscher bemerkbar gewesene Warnung mit Blitzes schnelle eine Locomotive au» dem Thore des Leipziger Bahnhofes herauskommend den Platz überfuhr. Nur dem geduldigen Pferde, welches der Kutscher zurückriß, war es zu danken, daß der Einspänner sammt seinen Insassen von der Locomo- live nicht zermalmt wurde. Wären hier nicht größere Vor sichtsmaßregeln am Platze, da der Verkehr nach der Meißner Cbaussee doch ziemlich bedeutend ist? — ff Auch aus der kleinen Frohngasse ertönt ein Hilfe ruf um bifleics Pflaster. So „klein" der Name dieses Pas sagenweges klingt, so ist er doch gerade sehr stark frequentirt und der ruhige Zuschauer wird bald zum Lachen, bald zum Weinen gezwungen, wenn er die armen Erdenmenschen sich dort mühsam dahinwindrn sieht. Also besseres Pflaster in die kleine Frohngasse. — ff Ein Hiefitzer Einwohner, der allerdings dahin be kannt ist. daß er gern sehr starke Farben aufträgt, beab. fichtigt, für das bevorstehende Sängerfest ebenfalls dem Woh- nungSausschuß zu Hilfe zu kommen und einen oder zwei Sän- ger — aber Berliner aufzunehmen. Er beabsichtigt daher im „Berliner Publizisten" eine Aufforderung ergehen zu lassen und zwar folgenden Inhalts: „Ich suche einen Berliner Sän ger frei in mein Quartier für das bevorstehende Fest. Der selbe muß gemüthlich sein, eine geläufige Zunge, so wie ich und einen guten Magen, auch so wie ich, haben!" Wird sich wohl Einer unter den Hunderttausenden auS Berlin finden? Allgemeine Wochenschau. Potemkin und der Landralh auf Rügen. — Persönliche Feindschaft zwischen Krone und Volksvertretung. — Das Duell in Berlin. — Palinerswn. — Gladiateur. — Die beiden kaiserlichen Vellern in Paris und Eugcnie. Als Katharina II., Kaiserin von Rußland, welche ihre Zeitgenossen die „nordische SemiramiS" nannten, ihre süd russischen Provinzen bereiste, wußte ihr Günstling Potemkin ihr durch Täuschungen der allergrößten Art einen blühenden Zustand ihre- Lande- vorzugaukeln, der, obgleich in Wirklich keit gerade das Gegentheil davon bestand, sie mit einer großen Zufriedenheit über den Segen ihrer Herrschaft erfüllte. Mauern und Bretergerüste, in öden Wüstensteppen aufgebaut, wurden der Kaiserin von Weitem als blühende Städte und Dörfer gezeigt; Baumstämme mit wehenden Wimpeln in die Erde gepflanzt, wurden ihr als Mastbäume erklärt von Schiffen, welche auf Staatskanälen segelten. Menschenmengen muhten zur Seite der Landstraßen und an den Mußufrrn unter Ge sängen und Tänzen Festspiele aufführen und wurden in der Nacht weiter geschafft, um am andern Tage anderswo das selbe Gaukelspiel vor der Kaiserin aufzuführen. Als sie end lich nach Petersburg zurückkahm, wußte sie: daß sie über ein glückliches Volk herrsche. Ein ähnliche» Possenspiel, freilich in verjüngtem Maß stabe, hat jetzt der Landrath auf der Insel Rügen bei An wesenheit des preußischen König» aufgrsührt. Er hat durch Gensdarmen und Dorfschulzen den Einwohnern befohlen, daß während dieser Anwesenheit Niemand anders, als im Sonn tagsstaate sich auf der Landstraße sehen lassen dürfe; Holz Pantoffeln, Hemdärmel und ähnliche gemeine WerkeltagStracht deS fleißigen Landmannes wurden verpönt, um nicht die Augen des Herrschers zu beleidigen, und so ist demselben auch der trostlose Zustand, in welchem sich jene armen Fischerdörfer befinden, glücklich entgangen. Das bitterste Elend, die größte Armuthei herrscht dort, weil alle Staatseinnahmen zu den Militär bedürfnissen verwendet werden Kein Thaler ist übrig zu den unentbehrlichsten Wegebauten, kein Groschen zur Er Höhung der Schullehrergehalte (u. a. muß ein Schulmeister in der Mark Brande»burg trotz 60 treuer Jahre Dienstzeit fortdienen, weil er bei 331 Thlr. Pension verhungern müßte), kein Pfennig ist da zur Verbesserung der himmelschreienden Lage der ärmsten aller Staatsangehörigen. — Alles, Alles ver schlingt der Militäretat, die Reorganisation des Heeres, welche angeblich nöthig ist, um Preußens Großmachtsstellung zu er halten. Für diese Reorganisation tritt der König mit Allerhöchst eigner Person ziemlich energisch ein. Auf seiner Reise nach Pommern äußerte er in Anclam zu den ihn auf dem Bahn hofe begrüßenden Bürgern: sie möchten in Zukunft nicht solche liberale Abgeordnete nach Berlin schicken, die von der Reor ganisation nicht« wissen wollten, sie möchten besser wählen. In der Rheinprovinz — dort hatte ihm die katholische Geist lichkeit und der Adel einen ähnlichen Hocuspocus vorgemacht, der ihn verhinderte, des Volkes Meinung zu vernehmen — sei man ihm sehr dankbar gewesen für die Erfolge seines „reorganisirten HeeresDiese persönlichen Beziehungen, in welche sich der König zu einzelnen Oppositionsmännern setzt, gehört mit zu den Zeichen der Zeit. Wir vermögen es aller dings nur schwer mit unfern Begriffen von der erhabenen Majestät eines Königs zu vereinigen, wenn diese Majestät als die persönliche Gegnerin einzelner Abgeordneter auftritt. Den Streit auf das Gebiet der Persönlichkeiten hinüber zuspielen. versteht ganz vorzüglich der preußische Premier. Die Herausforderung des Prof. Virchow durch Herrn von Bis marck ist von ersterem abgelehnt worden. Er erhält dafür von allen Seiten Zustimmungsadreffen Die Aufregung über diese Angelegenheit war in Berlin eine so bedeutende, alle Schichten der Bevölkerung geriethen in eine solche Gährung, daß man für die Ruhe der Stadt hätte fürchten müssen, wenn das Duell wirklich zu Stande gekommen wäre. Auch wir würden eS für eine Widernatürlichkeit halten, wenn im 19. Jahrhundert in einer Hauptstadt deS humanen, gebildeten Deutschlands vor den Augen von ganz Deutschland, da« wider wärtige Zerrbild eines mittelalterlichen Gottesgerichtes aufge- sührt worden wäre. Zu bedauern bleibt freilich, daß der Professor seine Ablehnung des Duells nicht damit begründete, daß der Zweikampf an sich verwerflich sei, den göttlichen Ge boten widerstreite und auf einem widersinnigen Vorurtheil be ruhe, sondern damit, Laß seine angeblich beleidigende Aeußerung durch den Präsidenten Grabow nicht als eine Beleidigun erklärt worden sei. Das mag formell ganz richtig sein; wer aber in einer so ernsten Sache, wo das ganze sittliche Gefühl des Jahrhunderts beleidigt werden sollte, nicht mit sachliche» Gründen antwortet, sondern sich hinter Formelwesen verschanzt, gleicht der nicht jenem Slubengelehrten, der, als er auS seine» Studien durch die Nachricht aufgeschreckt wird, „daS Haus brennt!" ruhig weiter arbeitet nach den Worten: ,daS geht mich nichts an, man melde das dem Hauswirth, ich wohne hier zur Miethe!" Nein! daß es ein wahrer Hausbrand ist, wenn der erste Beamte des Staates die Gesetze so eclatant verletzt, da» be wies die gesammte Entrüstung Deutschlands, welche, mit gänz licher Jgnorirung des formell ganz richtigen Standpunkts des Herrn Virchow, die mittelalterliche Barbarei des Duell- nicht an Stelle von Cultur und Sitte, Recht und Gesetz ge setzt wissen will. Nach preußischem Recht ist derjenige schon strafbar, der zu einem Duell provocirt. Kein Berliner Staatsanwalt aoer hat eS bisher gewagt, sich an den hochgestellten Verhöhner der Landesgesetze zu machen. Wie diese Herren das mit ih rem Eide vereinigen wollen, der ihnen vorschreibt, den Schul digen ohne Ansehen der Person zu verfolgen, mögen sie mit sich abmachen; wir aber fragen: was soll aus einem Land« werden, wo man Recht und Gesetz so unverholen beugt? Wenn die preußischen Excellenzen übrigens einen prakti schen Cursus in der parlamentarischen Geduld dmchmachen wollen (denn der Antrag im Herrenhaus „lieber den Umgang mit Abgeordneten", d. h. über Beschränkung der Redefreiheit, enthält für sie nichts neues) so müssen sie sich nach England begeben. Was hat Palmerfion, der alte Lord Feuerbrand, nicht während seiner langen Verwaltung hören und einstecke» müssen? Jetzt machen sich die Gebrechlichkeiten deS Älter er ist ein 80er) so fühlbar, daß seine Hände das Ruder des Staatsschiffes wohl kaum lange mehr halten können. Ganz England war jetzt aufgeregt über den Sieg de» französischen Rennpferdes „Gladiateur" beim Derby Rennen. Der Besitzer des sieggekrönten Thieres, Graf von LagranaH hat damit ca. 500.000 Thlr. erwettet. Die Engländer trö sten sich in ihrer lächerlichen Wuth, von Frankreich geschla gen zu sein, noch lächerlicher damit, daß sie von den listige» Franzosen betrogen seien. Der Gladiateur sei nicht 3, son dern 4 bis 5 Jahr alt, denn in Frankreich würden keine sogenannten Register über Pferdcgeburten geführt, wie i» England, wo jedes junge Fohlen ebenso genau in die Tabel len eingetragen würde, wie ein junger Erdenbürger. Als ob man nicht wüßte, daß in England die Geburt von Pferdekin dern viel gewissenhafter gebucht würde, als die in Elend und Schande gebornea Menschenkinder. Der Kaiser von Frankreich ist mit großem Jubel in Pa-i ris eingezogen. Der «wöchentliche Aufenthalt in Algier ist ihm Physisch sehr vortrefflich bekommen. Wenn sich die Franzosen auch nicht über die sanfte Herrschaft der Eugeni« beklagen können, die noch in sehr „graziöser" Weise Abschied nahm, indem sie alle Preßvergehen begnadigte, so freuen st« sich doch, daß die „kaiserlose, die schreckliche Zeit" vorüberist. So sehr hat der Napoleonismus bei ihnen Wurzel geschlage», was aber da- wankelmüthige Volk durchaus nicht hindert, zur Abwechselung der Opposition Beifall zu klatschen, wen» dieselbe nur recht geistreich zu parliren versteht. So ist jetzt neben dem Rennpferd Gladiateur der Exminifter Thiers, wel cher die Krebsschäden der französischen Finanzverwaltung in zwei meisterhaften Reden offen legte, der Held des Tages. Ncch von Algier aus hat Napoleon III. an seinen Vetter einen zweiten Brief geschrieben, welcher in noch viel kräftigerer Sprache das Benehmen des Prinzen tadelt und in so bündi gen Ausdrücke abgefaßt ist daß der Prinz Plonplon nicht eiligeres zu thun hatte, als sein schönes römisches HauS, da- im Sommer wegen seiner herrlichen Kühlung einen reizenden Aufenthalt gewährt haben soll, für 800000 Frcs. zu verkau fen, seine Fahne auf dem Palais Royal cinzuziehen und seine Jacht sich zur Abr ise rüsten zu lassen. . j Klug genug hat sich der Kaiser übrigens noch in Algier benommen, wo er dem Platz, auf welchem die Begeisterung der Bevölkerung ihm eine Statue errichten will, den Namen „Platz Karls des X." gab Unter der Herrschaft dieses Kö nigs wurde bekanntlich i I. 1830 der Marschall Baumont nach Algier gesendet, um es zu erobern. Ein anderer Fürst würde es vermieden haben, die Erinnerung an eine entthronte Fürstcnfamilie wachzurufen, der Kaiser aber fühlt sich zu sicher, als daß er nicht gelegentlich einmal den Edelmülhigen und Unparteiischen spielen sollte. Diätetische Schrothsche Heilanstalt v. in. Kadner, Bachstr 8^ trtd «Stevr «vo., Waffe»- j v. Or. 34 hausstr.8,1., tägl. v. 9—11 u. 3—4