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Nr. 161 Ach»tee ghcheß. Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Inserate «»erden angenommen: VWAbendSS.Sonw. tag» bi« Mittag» 1L Uhr: Marirnstraße IS. Uujeig. in dies. Blakt«, da» jetzt i, 11 >>X Errmplaren erscheint, Puden eine erfolgreich« Verbreitung. Sonnabend. 16. Juni 1868. Tageblatt für Unterhaltung und GeschiWvcrlchr. Mitrebacteur: Theodor Drodisch. Abonnement: BierteljLhrlich 20 Ngr. bei unentgeldlicher Li> serung in'« Han». Durch dir Nönigl. P»f vierteljährlich 22 Rgr Einzelne Nummern 1 Rgr. Inseratenpreise: ffür den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" di« Zeile 2 Rgr. Druck und Tigenthum der Herausgeber: Oiepsch 6k Netkhardt. — Verantwortlicher Redacteur: JuttNS Metlhardt. D»--d«e», den 10 Juni — Leipzig, 6. Juni. Wenn auch die Zahl der Fah nen und Flaggen in den deutschen, sächsischen und städtischen Farben bei weitem nicht so groß ist, wie beim Turn- und Peteranrnfeste, so zeigt die Stadt doch auch zur heute begin nenden 15. deutschen Lehrerversammlung, daß sre noch nicht verlernt hat, sich ihren Gästen zu Ehren zu schmücken. Gestern Abend zur Vorversammlung im Schützenhause waren deren 2500 aus der Nähe und Ferne angemeldet, die Herr Direk tor Bornemann von hier freundlich willkommen hieß. Nicht alle waren jedoch schon erschienen, und es wäre auch schwer gewesen, sie alle im großen Saale des genannten Vergnü gungslocales zu empfangen, da einige Tausend Leipziger von der Erlaubniß. gegen ein geringes Eintrittsgeld dasselbe eben falls zu besuchen, erfrigst Gebrauch gemacht hatten Herr Direktor Bornemann zeigte nach der Eröffnung der Versamm lung an, daß die «kleine und unansehnliche) Ncukirche zum Verhandlungslocal erst vorgestern endgültig bestimmt worden. Der Geschäftsführer des botbercitenden Ausschusses l)r. Schulze aus Ohrdrufs ergriff hierauf das Wort, um mit kurzen Wor ten der Arbeiten des Ausschusses zu gedenken, welche zunächst die Aurw.ch! der Vertragsgegenstände, deren 26 angemcldet worden, betrafen. Der Vorschlag des Redners, für den er sten Tag den Vortrag des Ur. Richard Lange in Hamburg: „die Mdeutung der allg.meinen deutschen Lehrerversammlung", dann den des Rectore Fröhlich zu Nastenberg in Weimar: „die Volksschule der Zukunft", endlich den des Oberlehrers Theodor Hvffmann zu Hamburg: „Principien der Schulgesetz gebung für die Jetztzeit" zuzulafseu, ward allgemein gutge heißen. Allgemeines Bedauern sprach sich darüber aus, daß der unermüdliche und zähe Vorkämpfer für die freie Volks schule, Ur. Diesterweg. nicht durch das Alter, nicht durch die Anstrengung, als Abgeordneter den gewaltigen Kammerver- handlungen in Berlin zu folgen, sondern durch die Krankheit des Sohnes, den er in's Bad geleiten muß, verhindert wor den, seinen Vortrag: „der Begriff der deutsch-nationalen Volksschule", zu halten. Die Vorbesprechung über die Vor sitzenden für die heutige Hauptv.r,..:mmlung führte zur Wahl der Herren De. Theodor Hoffmann als ersten, Direktor Bor neman« als zweiten und Nealschuldirector Kaiser aus Wien als dritten Vorsitzenden. Hamburg, Leipzig und Wien, Nord-, Mittel- und Süd-Deutschland find solchergestalt in dem Prä> sidium repräsentirt. Viel Jntereffe erregten die drei von der Wiener Genkeinde abgesandten Communallehrer, denen sich der Redacteur der Wiener „Lehrer-Zeitung" Herr Spitzer und der Professor der Stenographie an der Wiener Universität Herr Max Schreiber zugesellt hatten. — 8. Juni. Gestern Nachmittag wurden außer den Neben versammlungen noch besondere Zusammenkünfte der Turn- und Taubstummenlehrer abgehalten, und des Abends fand zu Ehren der Leyrerveriammlung in der Thomaskirche eine große, Vom Niedel'schen Gcsangvere n veranstaltete geistliche Musil aufführung statt. — Heute fand die 8 und letzte Hauptver sammlung statt. Derselbe war immer noch sehr zahlreich be sucht, obgleich schon gestern viele Lehrer wieder abgereist sind. Im Ganzen sind gegen 2600 in Leipzig anwesend gewesen. Heute sprach zuerst Schulvorsteher Tiedemann aus Hamburg über die interessante Frage: „Wie muß der Religionsunter richt beschaffen sein, wenn er die Schüler wahrhaft religiös machen soll ?" Tiedemann maß einen Theil der Schuld, daß nach den Schuljahren die Religion und ihre Urkunde häufig bei Seite gelegt werde, der Art des Religionsunterrichts bei. Von Kindern könne man keine Religiosität verlangen, diese müsse das Leben bringe», die Schule solle nur den Grund dazu legen. Der Religionsunterricht müsse also nach päda gogischen Grundsätzen ertheilt werden, d. h in einer dem Entwickelung-gang des kindlichen Geistes angemessenen Ab stufung und nach einer anschaulichen Methode, wofür biblische Geschichte und Bibelkunde genüge, und so, daß er den gan zen Geist des Schüler- erfasse, zur Klarheit im Denken führe (nur nichts Langweiliges. Gedankenloses und kein Autoritäts glaube!). das Wollen kräftige und d«S Gefühl läutere und hebe l Gebet, f.stliche Tage der Schule. Kirchenlied. Bibel spruch), aber auch durch die Schulzucht und das Beispiel de- Lehrers bekräftigt werde. Mit Ausnahme de« Rectors Schieck aus Grimma, welcher ergänzend hivzufügte, daß den Reli gionsunterricht nur derjenige Lehrer fruchtbar mache, der vom heiligen Geist durchdrungen sei, erklärten sich alle übrigen Sprecher mit Tiedemann einverstanden Di». Bertolt aus Dresden sprach für eine streng nach dem Alter gesonderte Kirchenfolge des Reli gionsunterrichts vom rein menschlichen b S zum christlichen und confrssionellen, Lehrer Schuster von hier für Ehrlichkeit des selben Die Versammlung sprach im Allgemeinen ihre Zu stimmung und Anerkennung für Tiedemann au». — Di« zweite, von Direktor Budich au- Dresden behandelte Frage lautete: „Was hat die deutsche Erziehung-- und Unterrichts- Weise von den andern gebildeten Nationen noch zu lernen." Budich rühmt es, daß wir Deutschen in elementarer Bildung weit über alle» Nationen stehen, glaubte aber dennoch, daß wir von Franzosen und Engländern im Erziehungs- und Un terrichtsfach noch Vieles lernen könnten. Mit einem Rückblick und mit dem Ausdruck der Freude, daß verschiedene Negie rungen (darunter die russische) und Städte durch Abordnung besonderer Deputaten ihre Theilnahme an den Bestrebungen der allgemeinen deutschen Lehrerversammlung kundgegebrn hätten, mit d>m Ausdruck des Dankes für Rach, Stadtver ordnete und Bürgerschaft Leipzigs, für Sachsens Negierung und König, schloß der Vorsitzende die fünfzehnte deutsche Lehrerversammlung. welche nach einem Schlußgesang in feier licher, gehobener Stimmung auseinanderging. — Die projectirte Extrafahrt der inj Leipzig tagenden allgemeinen Lchrerversammlung nach Dresden ist wegen Man gels an Teilnehmer» unterblieben. Wie wir hören, sind im Ganzen gegen 2600 Lehrer zu dieser Versammlung in Leipzig anwesend gewesen. — Ein auf dem Bischofsweg wohnhafter Handarbeiter nahm gestern Morgen am Elbberg dadurch erheblichen Scha den, daß ihm beim Ausladen von Steinen ein solcher aus die Brust fiel. - — Der 9 Jahre alte Knabe eines auf der Badergasse wohnhaften SchänkwirthS wollte vorgestern auf der Straße mit einem Steine nach einem andern Knaben werfen Der Stein nahm aber eine der Absicht des Knaben nicht entspre chende Richtung und zertrümmerte eine Spiegelscheibe in ei nem dortigen GeschäftSlocale. Die Scheibe kostet, wie wir hö re», 12 Thaler. — Vorgestern Abend sind in Meißen auf der Leipzi ger Straße 6 Häuser niedergcbrannt. Man vermuthrt, daß das Feuer durch Kinder verwahrlost worden ist, die sich wäh rend der Anwesenheit ihrer Eltern auf dem Schießplatz allein überlasten tvTren. — — Vorgestern passirten zwei Wagen mit 120 Centnern Pulver unsere Stadt. Das Pulner kam aus Westphalen und ging nach Bautzen. - — f Einen treuen alten Diener, wnnn auch vierbeinig, hat der hiesige Herr Hofmetzger Meißner. Es ist dies sein Pferd, das bereits 34 Jahr alt ist, also ein hohes und selte nes Alter erreicht hat. Sein letzter Herr besitzt es seit bereits 22 Jahren und der Leser kann cs alle Tage noch rüstig nach den Fleischbänken stolziren und seinen Dienst verrichten sehen. Ein Beweis, daß es bisher in guter Pflege war — Als gestern Morgen nach 3 Uhr der Nachtwächter die Eliasstraße pasfirte, bemerkte er in einer dort befindlichen Gartenlaube einen Menschen, der ihm schon mit Rücksicht auf die noch frühe Morgenstunde verdächtig vorkam. Er wandte sich daher an ihn mit der Frage, was er in der Laube mache, und ob er in dem Hause, zu dem die Laube geArt, wohne. Letzteres behauptete der Unbekannte, als jedoch der Nachwäch ter an des Hausmanns Klingel zyg. um sich hierüber nähere Gewißheit zu verschaffen, war er aus der Laube hinaus und auf die Straße gesprungen und ergriff, ehe dies der Wächter hindern konnte, die Flucht. Zwei Gendarmen die zufällig dazu kamen, setzten ihm zwar sofort nach, allein der Vor sprung des Flüchtlings war zu groß, und so gelang eS ihm im großen Garten, den Blicken seiner Verfolger sich zu ent- ziehen und zu entkommen. Bei näherer Besichtigung der frag lichen Laube fand man darin eine erbrochene Kiste mit ver schiedenen Gegenständen. Dieselbe war mit noch zwei anderen Kisten aus einem Parterrelogis des dortigen Hauses mittelst Eindrückens einer Fensterscheibe und Einsteigens gestohlen wor den. Die beiden andern Kisten wurden später unweit des Hauses im Felde erbrochen aufgefunden. Muihmaßlich haben mehrere Personen diesen Diebstahl ausgeführt, und der vom Nachtwächter entdeckte Unbekannte war Einer der Spitzbuben Derselbe hat sich zu seinem Unglück einige Stunden darauf wieder an Ort und Stelle blicken .kaffen. Wahrscheinlich hat er in der Meinung, daß im Hause noch Alles ruhig, nach der in der Laube im Stiche gelassenen Kiste nachschen, und ihren Inhalt sich nachträglich holen wollen. Allein die HausmannSsrau halte ihn bemerkt, und einen in ihrem Hause wohnbasten Can.didat der Theolo gie auf ihn aufmerksam gemacht. Diesem nun und einem dazu gekommenen Soldat ist die Verhaftung des Menschen gelungen, der, nachdem er sich entdeckt gesehen, zwar wieder die Flucht ergriffen, diesmal aber keinen so großen Vorsprung, wie das erste Mal, gehabt hatte, so daß es seinen Verfol ger« gelungen, ihn in der Nähe deSchgroßcn Garten« ein zuholen. Er soll ei» beurlaubter Soldat sein. t-6 — ß Eine kleine Dvrsschwindelei «achte in Wachwitz dieser Tage Aufsehen. Ein Loschtvitzer Echnittwaarenhändlcr schickte seinen 8jährigen Sohn morgens nach Wachwitz, um I dort Fische zu holen. Er gab ihm die nöthige Summe Geld mit. Nicht weit vom Wachwitzer Gasthofe begegnete ihm ein Mann, den der Kleine nach dem Fischer fragt. Der Man» sagt: „Du höre, das bin ich; wieviel Fischer willst du?' Auf die Antwort: „Für acht Neugroschen!" gehen sie nach dem Gasthofe, der Unbekannte läßt sich einen Nordhäuser und von der Wirthin einen Topf geben und ging mit dem Kleinen an dre Elbe. „Zeig' mal Dein Geld her!" sagte er zu dem Knaben. Der Knabe gab's, und während er der Aufforde rung deS angeblichen Fischers, den Topf erst ein wenig im Wasser anszuspülen, nachkam, „damit kein Staub darin bleibe", machte er sich selbst aus dem Staube — auf Nimmerwieder» I sehen, wie er dachte; aber das ging nicht so leicht, er wurde doch erwischt und der betreffende Gendarm brachte ihn i» Sicherheit . . — An den nach dem Georgenthor und der Helbig'schen Restauration zu gelegenen beiden Thüren der katholische» Hoskirche fand man gestern Morgen eine Menge geschriebener Placate angeschlagen. Sie enthielten unter .ortlaufenden Num mern im Ganzen >68 einzelne Sätze, die theilweise gegen die römisch-katholischeiNeligion gerichtet, in der Hauptsache aber sammt und sonders wirr undtsinnlos waren, und darauf schließen ließen, daß ihr Verfasser wahrscheinlich nicht ganz zurechnungsfähig ist. Als solcher hatte sich auf einem Placat, am Schüsse des 168. Satzes ein Weber aus der Zittauer Gegend genannr. Wie wir hören, ist derselbe noch über dem Anschlägen der Placate betroffen und der Polizei übergeben worden. — s In Radebeul ist ein riesiger Stößer eingefangen und derselbe im Gasthofe einquartirt, der an Liebhaber ver käuflich ist. Es ist ein seltener Riese dieser Art Vögel. Er soll zur Jagd gebraucht werden. SeinmöblirteS Zimmrrchen ist im- Stall angebrackt, wo er die neugierigen Besucher mit Flügelschlag und Schnabelgeklapper begrüßt. — -h Hochzeilsfahrten in Omnibussen zu machen, scheint jetzt in Dresden an der Tagesordnung zu sein. So sah Referent in diesen Tagen einen solchen Koloß mit den fröh lichen Insassen vom Restaurant Bazar mit Musik im Rauch- coupee nach dem weißen Hirsch schwanken und am Tage da rauf eine ähnliche Arche Noah von der Pillnitzer Straß« nach Reustrießen.>j — In Meißen ist am 8 Juni Abend ZU Uhr am Ge wandhausplatze, dem sogenannten „Jahrmarkt", ein Brand entstanden, der in Kurzem 6 Wohn- und einige Hintergebäude in Asche legte. Nettungs- und Löschmannschaften waren lei- devchiicht gleich zur Hand, denn die meisten derselben befanden sich auk dem etwa 30 Minuten von der Stadt entfernten Schießplätze, wo man im Begriff ivar, den neuen Vogclschützen- könig festlich nach der Sladl einzuholen. Abermals ein trauriges Beispiel unvorsichtigen Ge» bahrens mit Schießgewehren hat sich in voriger Woche in Mittweida ereignet Der Oessenbaucr H. batte in der Mit tagsstunde in der G.'schen Schenkwirthschaft nach Sperlingen schießen und sich hierzu eines mit einer Kugel geladenen Ge» Wehns bedienen wollen. Zuvor bat derselbe, wie anzunehme« ist, scherzweise auf eine in der Laube des Garten- sitzende Näherin V aus A. angelegt, das Gewehr geht los und trifft die Kugel die Genannte in den Kopf, glücklicherweise ohne z« tödten. Dieselbe ist sofort der Pflege des Krankenhauses über geben worden. Der Thätcr wurde an das Bezirksgericht abzcliescrt. — f Orffentliche Gerichtsverhandlungen vom 9. Juni Unter den heutigen fünf Emspruchsoerhandlungen ist die erste eine Privatanklage, welche der Maurer und Mu» sikus Cail August Vöhmcrt in Seidnitz Wider den Gastwirth Friedrich August Eben ebendaselbst angcstellt. Es handelt sich hier um thätliche Beleidigung und Körperverletzung, wegen welcher Verbrechen Ebert zu 5 Thaler Geldbuße und in die Kosten verurtheilt worden ist und dies bezahlen muß in dem Falle, wenn Böhmert den Bestärkungserd schwört. Gegen dieses Urtel erhoben Kläger und Beklagter Einspruch. Böhmert erzählt: „Ich kam am 6. Februar d. I. Abends gegen 7 Uhr in das Gasthaus des Ebert in Seidnitz. Ich hatte mit ihm über eme kleine Anforderung zu sprechen und verlangte um 3 Pf. Schnaps, den ich auch erhielt. Ich legte 5 Ngr. hin und verlangte 4 Rgr. 7 Pf zurück. Diese Rückgabe erfolgte aber nicht, im Gegentheil, Ebert kam auf mich zu und rief: Was, Du willst Geld wieder baben? Warle, ich will Dir Geld geben! Und nun ging's los. Ebert holte cmen Haken stock, warf mich zur Thürc hinaus und schlug mich mit dem Stocke unaufbörlick' aus den K»ps, so daß ich zu Boden stürzte und dort halb besinnungslos eine Zeit lang liegen blird. Als ich nicht ausstand, rief Ebert aui's Neue: Stehst Du noch nicht auf, soll ,ch Dich noch mehr hauen? Und «>t diesen Worten schlug er wtiter und verwundete mich dabei noch an der Hand, mit der ich mir den blutigen Kops wegen d«r Schmerzen halten mußte. Dann ging er ,n senir Stube