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. 118. Zehnter Jahr-. Erscheint: Täglich snih 7 Uhr. Anserate werden angenommen: bi« Abends 0,Sonn- tags bis Mittag- 12 U!>r: MarirnstraHe 18. slngeig >n dies Blatte, da« jetzt in 11,00ü Lxemplare» erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Freitag. 28 April 1865. Tageblatt sür Uiiterhaltang m«d Gcschästsvcrkehr. Mitredacteur: Theo-or Drotnsch. Abonnement: Vierteljährlich 20 Ngr. bei unentgeldlicherLie-i serung in'S Hau«. Durch die König!. Po? vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Znlcratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. linier „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. Druck und Eigenthum brr Herausgeber: lüepsch Hk Retchardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Neilhardt. DreSd-n, den 28 April — Se. Majestät der König hat genehmigt, daß der Kammerherr von Nostitz-Wallwitz auf Reichenau das von Seiner Majestät dem Könige von Bayern ihm verliehene Comthurkreuz des Königlich Bayerschen Verdienstordens vom heiligen Michael annehme und trage, auch dem auf dem Ritterguts Braunsdorf als Verwalter dienenden Gottlieb Schulze in Rücksicht auf seine langjährige treue Dienstleistung bei einer und derselben Familie die zum Albrcchtorden ge hörige silberne Medaille verliehen. — Ihre Majestät die Königin Marie ist vorgestern Abend N2 Uhr von Charlottenburg wieder hier eingetroffen. — Ihre Kais. Hoheit die Frau Kronprinzessin von Bra silien und deren Gemahl, der Graf von Eu, sind vorgestern Abend 111 Uhr von Coburg hier eingetroffen und auf dem Gartenpalais Se. Kgl. H. des Prinzen Georg abgetreten. — Nächsten Sonntag wird der zoologische Garten gegen das ermäßigte Eintrittsgeld von 3 Ngr. sür Erwachsene und I Ngr. für Kinder unter 12 Jahren geöffnet sein. — Vorgestern starb allhier ivicder ein treuer Bildner der Jugend, Herr Joseph Richter, Lehrer an der katholischen Haupt schule. Seine Beerdigung findet kommenden Sonnabend Nach mittag statt. — Auch für die jetzt beginnende Leipziger Ostermesse finden auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn die schon länger riru,«führten Meßextrazüge in der Weise statt, daß an drei Mcßsonntagen, 30. April. 7. u. 14. Mai, von hier ein Ex trazug mit Wagen aller Klaffen nach Leipzig abgeht und von dort Abends jll Uhr zurückkehrt, wozu ExtrabilletS mit ein fachen Preisen zur Hin- und Rückfahrt giltig ausgegeben werden. — Der vorgerückten Jahreszeit angemessen hat die Dampfschifffahrt den Fahrplan abermals erweitert und zwar durch die Einlegung täglicher Fahrten Nachmittags 1 Uhr bis Königstein und zprück und Abends 6 Uhr bi- Meißen, sowie auch Nachmittags 4 Uhr von Riesa nach Dresden. Ebenso ist dem Publikum Gelegenheit geboten, durch die an Sonn- und Festtagen stattfindende Extrafahrt Vormittags 9 Uhr nach Meißen das reizende Meißner Elbthal zu genießen. — Am Dienstag Abend fand in dem Saale des hiesigen Schnciderinnungshauses in der Webergaffe eine zahlreich be suchte Versammlung hiesiger Schneidergesellen statt, um sich über Mittel und Wege behufs Verbesserung ihrer Lage durch Verdiensterhöhung zu berathen. Man kam schließlich darin überein, die von den Leipziger College» aufgestellten For derungen als maßgebend zu bezeichnen und eine Commission mit weiterer Durchführung der Sache zu betrauen. — Vor einigen Tagen fanden sich zu früher Morgen stunde in der Wohnung eines hiesigen Privatmannes mehrere Dienstleute ein und gratulirten ihm zu seinem Geburtstag. Der Beglückwünschte wußte nicht, wie ihm geschah, denn auf den fraglichen Tag fiel gar nicht sein Geburtstag. Die Dienstleute sagten insgesammt aus, daß sie von einem jungen Mann die Bestellung der Glückwünsche übernommen, der ihnen auf der Straße begegnet war. Die Persönlichkeit desselben war dem vermeintlichen GeburtStagskinde nicht sofort erinner lich. Einige Stunden darauf erschien in dessen Wohnung ein Eisenbahnbeamter und verlangte unter Production eines ge schriebenen Zettels eine Kiste zur Abholung auf die Bahn. Der Zettel war von dem Privatmann nicht geschrieben und die darin enthaltene Bestellung ihm gänzlich unbekannt. Aus den Schriftzügen der Handschrift erkannte er aber den Schrei- ber, der jedenfalls auch mit demjenigen identisch war, der ihm die Dienstleute über den Hals geschickt und ihn somit doppelt gefoppt hatte. — — Das ausgegebene Programm zu der nächsten Montag Abends 7 Uhr stattfindenden fünfundzwanzigjährigen Jubel feier der hiesigen Synagoge lautet folgendermaßen: 1) Ein- lertungsgesang des ChsreS mit Musikbegleitung, 2) Psalm 150, 3) Aushebung einer Torah (Gesetzrolle) aus der heiligen Lade unter Gesang, 4) Gesang einer Lobeshymne aus dem Gebet buche und des 24. Psalmen mit Musikbegleitung, 5) Choral mit Musikbegleitung, 6) Predigt und Gebet für König und Vaterland, 7) Choral, 8) Schlußgesang (Psalm 117) und 9) Abendgottesdirnst. — Bor einigen Abenden ist ein Droschkenkutscher vom Dohnaplatz aus durch den sogen. Nöhrweg und die dort be findlichen Treppenstufen herunter auf die Promenade gefahren. Hrer angelangt, scheint er über die kühne Fahrt, die er jeden falls in etwas schlaftrunkenem Zustande und deshalb willen los ausgesührt, selbst so erschrocken zu sein, daß er nunmehr im Trabe mit seinem Geschirre aus der Promenade wieder herauszukommen suchte. Der beste Weg schien ihm die Rich tung nach ber Mohrenapotheke zu sein. Hier aber wurde er noch auf der Promenade von einigen Gendarmen abgefaßt.— — In dem Dorfe Zadel bei Meißen hat vorgestern Vo>mittag ein Schadenfeuer stattgefunden, dessen Entstehung noch unbekannt ist. Es sollen mehrere Wohnhäuser, unter diesen die Schänke niedergebrannt sein. — — Wie wir hören, conditionirt der Spitzbube, der vor gestern Nachmittag auf der Cchöffergaffe eingefangen wurde, in einer Görlitzer Mühle als Reisender Bei seinem Bildungs grade und seiner gesellschaftlichen Stellung erscheint es ge radezu unbegreiflich, wie derselbe sich hat verleiten lassen kön nen, zu stehlen. Beiläufig sind in seinem Besitz mehrere Porte monnaies, Geldtäschchen und andere Kleinigkeiten vorgefunden worden, die er im Brückner'schen Geschäft entwendet haben soll. — Vorgestern Abend kurz vor Mitternacht ist ein mäch tiger Stein durch das verschlossene Fenster in eine auf der Königsbrückerstraße eine Treppe hoch gelegene Wohnung von ruchloser Hand geworfen worden. Zum Glück hat sich zur Zeit des Vorfalls die Bewohnerin des Logis nicht mehr in dem fraglichen Zimmer anwesend befunden. Der Stein hat im Zimmer mehrere dort befindliche Gegenstände beschädigt und zertrümmert. Der Thätcr ist bisher unbekannt, man ver- mulhct, daß dem Vorfall ein Act der Rache zu Grunde liegt. — Gestern Abend um 6 Uhr wurde im Sicchkorbe unter Begleitung eines Gendarmen ein am Säuferwahnsinn leidender Handarbeiter nach dem Stadtkrankenhause gebracht, was nicht ohne Mühe geschah, denn der Mann tobte ganz entsetzlich; er brach fortwährend in die Worte aus: „Schlagt mich tobt!" — Eine große Hundeverfolgung entspann sich gestern von der Kreuzkirche aus bis zum Böhmischen Bahnhof. Man suchte einen schwarzschcckigen Spitz zu erhaschen, der 6 - 8 andere Hunde bereits gebissen und sich sonst verdächtig gezeigt hatte. Leider hatte man seiner nicht habhaft werden können. — -s Auf der Marienbrücke machte am Montag ein Be trunkener in Holzpantoffeln seine schrägen Exercitien und als ihn einige Vorübergehende anfahen und nur still belächelten, wie er im Zickzack dahinstolperte, so machte er sich über sie her, wurde aber so schwach, daß er zusammenstürzte und eine Weile liegen blieb. Er raffte sich wieder auf, lief den Lachern nochmals nach, diese aber gingen ihm im schnelleren Laufe aus dem Wege. — Die Leipziger Abendpost schreibt in einem Artikel: „Zur Buchdruckerfrage" folgendes Beherzigenswerthe: „Eine Arbeiterstrike ist ein so bedenkliches, von so vielen ökonomischen, socialen und moralischen Nachtheilen, für die Allgemeinheit ebenso wie für das einzelne Individuum, begleitetes Hilfsmit tel, daß es nur im schlimmsten Falle und als Letztes ergriffen werden sollte. Ob die Buchdruckergehilfen in diesem Falle waren, lassen wir hier unberührt; wir haben seiner Zeit einen Theil ihrer Forderungen als billig bezeichnet und eine Ver- ständigung in diesem Sinne ancmpfohlen. Leider aber haben sich unsere und des Publikums Hoffnungen auf eine verstän dige und besonnene Haltung der Gehilfen nicht erfüllt, das Entgegenkommen der Principale, die Bemühungen einsichts voller und wohlwollender Männer sind ohne Wirkung auf sie geblieben, und Hunderte von rüstigen Arbeitern ziehen es vor, sich von dem mit saurem Schweiß ersparten Nolhpfennig und v»n Unterstützungen ihrer Collegen zu nähren, statt mit ihrer Hände Arbeit. Und warum? Nur um die Arbeitgeber zu zwin gen, das zu zahlen, was sie einseitig zu bestimmen für gut fanden. Wo nimmt der Prinzipal die Garantie her, daß ein neuer Strike nicht in Kurzem neue und noch weniger mögliche Bedingungen aufstellt? Aber es ist nicht bloß Das, es sind bereits höchst bedauerliche Erscheinungen einer Auflösung der inneren Ordnung eingetreten, deren weiterer Verlauf den Ar beitgebern zum Mindesten keine andere Wahl lasten würde, als ihre Etablissements zu schließen, oder die Untergebenen ihrer Arbeiter zu werden." — Der im März dieses Jahres in der Lößnitz bei Dres den verstorbene frühere Stadtrichter zu Meißen, Christian Gottfried Schmidt hat dem Dresdner Hauptverein der evan- gelischen Gustav-Adolphstiftung ein Legat von 300 Thalern bestimmt, welches vor einigen Tagen zur Auszahlung gelangt ist. — Am 21. d. Monats brannte das dem Leinweber Kühne in Strauch gehörige, mit Strohschindeln gedeckt ge wesene Wohnhaus nieder. Hierbei ward ein großer Theil seiner und seines Sohnes Habseligkeiten, namentlich auch eine Menge Hanfgarn von den Flammen vernichtet. — Am 25. d. Monats Abends entstand in der massiv gebauten Scheune des Stadtgutsbesitzers Kober in Oberkaine Feuer, welches dieselbe nebst eingebautem Pferdestalle und Schuppen bis auf das Mauerwerk zerstörte. Die Scheune war von Vorräthen ziemlich leer; doch verbrannten 4 Wagen mit. — An dem selben Tage Mittags brach, wie man vermuthet in dem, dem Echuhmachcrmeister Zirgiebel in Lichtenstein gehörigen, nahe an der Kirche und sonst gefährlich gelegenem Hause Feuer aus, welches auch die beiden Nachbarhäuser sammt dazu ge hörigen Hintergebäuden in Asche legte. Ob das Feuer zuerst im Zirgiebel'schen oder Hartmann'schen Hause entstanden ist läßt sich nicht bestimmt sagen. — Am Morgen des 27. April wurde Stolpe" durch mehrere auf den Straßen abgefeuerte Schüsse allarmirr. Ein angeblich toller Hund durchlief die Stadt und hat viele Hunde gebissen. Mehrere sind sofort gelobtet worden. l>. K und Gastwirth H., deren Hunde ebenfalls gebissen worden, haben dieselben sofort zur weiteren Beobachtung in die Königliche Thierarzneischule zu Dresden transportiren lassen. Emp'eh- lungswerth dürfte es in allen vorkommenden Fällen sein, ge bissene Hunde nicht sofort zu tödten, vielmehr dieselben einer thierärztlichcn Beobachtung zu unterstellen, da die Erfahrung nachgewiesen, daß von hundert angeblich tollen Hunden kaum 10 Procent mit der eigentlichen Tollwuth behaftet waren. Der Arzt gewinnt dann auch eine sichere Basis für sein ein» zuschlagendes Heilverfahren, wenn ein Mensch von einem Hunde gebissen wird, der im Verdacht steht, wuthkrank gewe sen zu sein. Für den gewissenhaften Arzt ist es keine leichte Aufgabe, einen Menschen an einer Bißwunde zu behandeln, wo der Hund im Verdacht steht, krank zu sein, da eine der artige Wunde stets als eine vergiftete zu behandeln, und zwar so lange, bis das Gegentheil bewiesen ist. — -p Oefsentlichk Gerichtsverhandlungen vom 27. April. Ein schon oft und schwer bestrafter Dieb, der Handarbeiter Heinrich Eduard Grotzmann aus Wüstenau, stehr heut vor dem Gerichtshöfe, um ein neues, schweres Urtheil zu erwarten; denn es liegen zwei Betrügereien und ein aus gezeichneter Diebstahl vor. Auf dem Gerichtstisch liegt eine Partie Leder, bereits zum Gebrauch der Schuhmacher bear beitet. Auch ein Schurzfell liegt da, ein Ledcrriemcn und verschiedene Kleidungsstücke. Am 7 Decembcr 1864 wurde er zuletzt aus dem Zuchthause entlasten und begann sofort, kaum 10 Tage später, sein verbrecherisches Leben. Er ging zu einer gewissen Frau Kraft nach Hennersdorf, deren Mann zu jener Zeit im Arbeitshause zu Zwickau saß. Das wußte er. Dort gab er sich für den Werkmeister Berger aus Frei berg aus, brachte einen Brief von dem in Zwickau sitzenden Mann mit, den er natürlich selbst fabrizirt und mit den Worten unterschrieben: „Dein treuer Mann und Gatte!" und verlangte von der Frau 4 Thaler, die er dem Gatten über bringen sollte. Die Frau Kraft zu Hennersdorf aber glaubte die Geschichte nicht ganz, gab daher auch nicht das Geld her, ja nicht einmal zwei Thaler, bis aus welchen Betrag er seine Forderung an die Frau nach und nach herabsetzte. Die Frau fertigte ihn kurz mit dm Worten ab: „Ich habe kein Geld!" Am 11. Januar 1865 wandte sich Großmann nach Groß- Dobritz. Dort wohnt in einem bescheidenen Häuschen der schon sehr alte, schwerhörige Schuhmacher Johann Carl Rich- ter und zwar im Parterre. Alles schlief. Großmann brach eine Scheibe entzwei und stahl zwei Stück Sohlenleder vom Vorder- und Hintertheil, eine blaue Leinwandschürze, ein Paar Fingerhandschuh, einen Shawl, ein Dutzend schwarze Schuh schnürsenkel, ein Achtellotterieloos erster Elaste, ein Barbier- mcster, ein Paar Damcnsticfel, ein Paar Militairhalbstiefe (neu besohlt), ein Paar alte Frauentuchschuhe, ein Schurzfel mit Riemen und endlich 22 Ngr in baarem Gelbe aus einen Portemonnaie. Das gesteht Großmann Alles mit einer be wundernswürdigen Offenheit zu, was man, wie Herr vr Schaffrath bemerkt, von einem so oft und schwer bestrafter Menschen kaum erwarten könnte. Er muß in jener Zeit noö mehr Diebstähle begangen haben, denn unter einer Brücke au der Strikßner Straße fand man nicht blos einzelne in Groß Dobritz, sondern auch irgendwo anders gestohlene Sacher Daß er dahin die Gegenstände versteckt, giebt er nicht zu fürchtend, die anderen Sachen würden Verräther andere Diebstähle werden. Noch ein Betrug lag vor, den Großman verübt bei einem Gutsbesitzer, d.ssen Namen und Wehnor nicht zu erfahren war. Er kam zu demselben am 22. Ja nuar 1865, gab sich für einen Fleischer aus Copitz aus, sagte er hätte 3 fette Schweine und eine fette Kuh gekauft und siö dabei an Geld ganz ausgegebcn. Er bat um ein Darleh: von 2 Thaler. Er erkühnte sich deshalb zu dieser ftechei Thal, weil er den Sohn des Gutsbesitzers kannte, der in Co Pitz war. Der Gutsbesitzer gab auch die 2 Thaler her, wei Großmann versicherte, er würde sie dem Sohne in Copü bald selbst wiedcrgeben. Diese vermeintliche Absicht sprich er heut noch aus. Er war aber auch unter falschem Namei zu dem Gutsbesitzer gekommen. Befragt, warum er das ge than, sagt er, weil er steckbrieflich verfolgt gewesen sei. Her Staatsanwalt Held beantragte die Bestrafung des Angcklag ten und Herr Advocat Schaffrath konnte nicht viel thun, d, sein Client ja Alles offen gestanden hatte. Das Urtel lau tete auf Zuchthausstrafe in der Dauer von I Jahr unv i Monaten wegen qualifizirten Diebstahls mit Rücksicht auf sein wiederholte Nückfäüigkeit. Großmann, der nun das dritt Mal nach Waldheim wandert, hörte sich sein Urtel ruhig ar