Volltext Seite (XML)
Nr. 1V8. Zehnter Jahrg. Erscheint.' «glich MH 7 Uhr- Hnserate Werden angenommen: bi« Abend»»,Sonn- ka,s bi- Mittag» 18 Uhr: «artenssraße 18. ß t Dienstag, 18. April 1885 A5o«ueme»t: riettrljähriich LONgN. bei unentgrldlicher Np« senmg in'« Han». Durch dt« Köni-l Paß »irrtel'Ltzrllch -2 Ngr Sin,«ln« Nummer» 1 Ngr. slo^t,. in dies. Blatt«, da« jetzt in 11 .E txemplart« erscheint, stnden «ine rrsolgreich« Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mttredacteurr Theodor Drodisch. Druck und Tigeuthum der Herau-grber: jkiepfth stk stlekchordt. — Verantwortlicher Redakteur: JullUS Nelchorbt. Snseratenpretse: Für den Raum ein« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Sing«- , saudt" dir Zeile r Ngr. ^ Drcksbck«, de« 18 April. — Am ersten Osterfeiertag früh verschied in hohem Nl'er der Staatsminister a. D von Wietersheim. Im Jahre 1789 in der Festung Luxemburg geboren, trat der Verewigte im Jahre 1815 als Kreishauptmann des voigtländischen lind später der etzgebirgischen Kreises in den sächs. Staats dienst. 1840 bis 1848 war von Wietersheim bekanntlich Minister des Culkür u. öffentl. Unterrichts. Es ist hier nicht der Ort, auf seine Verdienste um den Staat und die Wissenscha' t hinzuweisen, der er sich seit seinem Rücktritt aus dem Staatsdienst als historischer und publicistischer Schriftsteller vorzugsweise ge widmet hatte. Denn dergleichen Auszeichnung bedeutender Menschen ist doch Gott sei Dank nicht so gar selten. Aber seltener in der bedeutenden Stellung und bei dem hohen Alter des Verschiedenen ist eine Eigenschaft, die »hn bi» zum Sterbelager zierte, der weite, freie Blick, mit dem er die Bewegungen der Geschichte der Vergangenheit und Gegenwart, auch wenn sie ihm nicht gefielen, zu verstehen und zu würdigen vermochte, der weite, freie Blick, mit dem er den Geist, das Wissen und den Charakter jedes tüchtigen Mannes ohne Rücksicht auf Stellung, politische Ansichten und Verhält nisse achtete, sowie die daraus entspringende Anspruchslosigkeit des liebenswürdigen bis zur letzten Krankheit geistig frischen Greises im Verkehr mit Gelehrter. Alle, die ihn näher kannten, werden ihn lange Zeit schmerzlich vermissen. — Im hiesigen Hoftheatrr kommt heute abermals Mozart'S „Zauberflöte^ zur Aufführung, jenes klassische Werk, das jetzt in Paris mit großem Enthusiasmus ausgenommen worden ist und noch immer durch wiederholte Aufführungen den Laien, jvir den Musikkenner in Begeisterung versetzt. Und dennoch ist in Zweifel zu ziehen, ob sich Paris einer solch vollendeten Aufführung erfreuen kann, wie sie dem Meisterwerke in Dresden zu Theil wird, das eine so vortreffliche musikalische Capelle und gerade für diese Oper paffende Gesangskräfte besitzt. Mozart'S Zauberflöte; mit Recht könnte man fragen: wo ist jemals AehnlicheS geschaffen worden? Die Stellen, wo Mozart den Styl anwandte, welchen man als altheidnisch-religiöS be zeichnen kann, finden sich im zweiten Akt, und da tauchen fünf Wunder auf, für welche die Sprache der Bewunderung nur unzulängliche Ausdrücke besitzt. Diese Stücke sind der Marsch, Sarastro's Arie mit Chorbegleitung („o Isis und OsiriS"), seine zweite Arie in zwei Strophen, die Sittenlehren der zwei Wächter in einem Choral mit fugirter Instrumental begleitung und endlich zwei Priesterchöre. Dieß Alles ist von unvergleichlicher Schönheit, unermeßlich erhaben in Styl Und Gedanken. Aller ist hier schön: Ausdruck, Melodie, Harmonie, Rhythmus, Instrumentation und Modulation. Vor Mozart ist Niemand in dieser Art der Vollkommenheit so nahe ge kommen, und der Erbe seines Ruhmes weilt wohl noch nicht unter dm jetzt Lebenden und Wirkenden. Diese Musik ist, wie die ägyptischen Pyramiden selbst, unvergänglich. Was ganz vorzüglich Bewunderung verdimt, ist die erhabene Hoheit, die gebieterische Ruhe jenes Sarastro, dem Alles im Jsistrmpel gehorcht. N.e ist ein Hoherpriester des AlterthumS in seiner Größe, Heiterkeit, Kraft und Sanftmuth zugleich ihm ähnlich gewesen. Er singt von der Güte der Götter und dem Reiz der Tugend, und seine Töne klingen überall nach; der ge- heimnißvolle Wiederhall des Tempels scheint darauf zu ant worten; der Hörer glaubt mit ihm auf gleichem Boden zu stehen, unbekannte Düfte einzuathmen, umgebm von einem neuen milden Tageslicht; die Erde und ihre traurigm Leiden schaften find vergessen. Er selbst geräth singend in eine er habene Verzückung Seine Betonung wird immer großartiger rn ihrer heitern Würde; die Stimme sinkt und erlischt; tiefes Schweigen tritt geheimnißvoll ein, Alles ruht in stummer Be trachtung, wir stehen an der Schwelle der Unendlichkeit. — — Ueber den bevorstehenden Austritt des General v. Mantruffel auS dem preußischen Militaircabinet schreibt die lib. „Eorr.": Der General hat immer und wohl mit Recht als der Vertreter der östreichischen und mittelstaatlichen Par tei an unserem Hofe gegolten, wozu ihn außer seinen politi schen Gesinnungen auch Wohl noch Familienerinnerungen be- stimmt haben mögen. Sein Vater ist erst auS dem sächsischen Untrrthanenverbande in-preußischen Staatsdienst übergetreten, und in der Familie sollen die Erinnerungen an die früheren Verhältnisse noch lange lebendig geblieben sein. Speciell wurde der General v. Mantruffel immer als das Organ derjenigen Beziehungen betrachtet» welche zwischen den vier bayerischen Prinzessinnen, der jetzt verwittweten Königin von Preußen, der regierenden und resp. der verwittweten Königin von Sachsen und der Erzherzogin Sophie, der Mutter de» Kaisers dm Orstreich, immer bestanden haben, und welchen lange ein so großer Einfluß auf die preußische und deutsche Politik zu- gxschriebr« ist. Jetzt nun. wo das „herzliche Einverpändniß" Höflichen Preußen und Orstreich auch dem Scheine «ach nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, scheint die Stellung des Herrn v. Mantruffel im Militairkabinet mit unserer auswär tigen Politik nicht mehr vereinbar gewesen zu sein. Seine Entfernung au» der Nahe d«S Königs wird deshalb a'. in politisches Ereigniß ersten Ranges und als bezeichnend f die Richtung angesehen, welche Preußen für die nächste Zeit in der deutschen und vielleicht auch in der europäischen Politik einhalten wird. — Die Blumen- und PflanzenauSstellung auf der Brühl- schen Terrasse, welche nun ihrem Ende entgegen eilt, erfreute sich dießmal eines regm Besuches. Bemerkt sei, daß dieser Besuch einen ganz eigenen, tiefernsten Charakter hat. Da ist kein laute» Plaudern und Demonstriren zu vernehmen, Jeder denkt und fühlt, Jeder empfindet, daß diese zarten Gebilde der Natur durch die Hand der Allmacht in gefällige Formen gedrängt und mit lieblichen Wohlgerüchen versehen worden sind. Der denkende Mensch empfindet, daß die Fortschritte des Gartenbaues erfreuliche Beweise für die fortschreitende Bildung des Menschengeschlechtes sind, denn womit kann sich der Mensch wohl angenehmer beschäftigen und vergnügen als mit dem Anbaue eines Erdbeetes, das nach allen Seiten hin an den großen Garten Gottes stößt? Dem Lieblosen könnte man rathen, daß er ein Gärtner würde; da müßte ja gewiß die Liebe in sein erkaltete» Herz kommen. Denn die Liebe zu den Pflanzen, die er baut, und die Liebe zu den Menschen, für die er sie zieht: lehrt ihm seine tägliche Pflicht. Voll Liebe ist er, wenn er die Beete umgräbt und die Hügel auf- lockert; voll Liebe, wenn er Augen einsetzt und veredelt; voll Lieb', wenn er die umgebogenen Stengel anbindet und die niederhangenden Neste stützt. Indem er seine Pflanzen unter hält und besorgt, de.nktz.ex -n seinen Nutzen sowohl, als an die Erheiterung Anderer. — Die N. fr. Pr. meldet auS Dresdm, 12-April: Auf Veran lassung deS Baron Seebach in Paris ist General-ConsulLesser auS Warschau hier eingetroffen, um über die preußisch-russisch-pol nische GränzregulirungS-Angelegenheit (?) Vortrag zu halten. Baron Seebach meldete Herrn v. Neust, daß diese bisher ab geleugnete Angelegenheit in Paris Gegenstand diplomatischer Interpellationen sei. — Die L. N. bringen folgende Epistel über das be kannte Osterwasierschöpfen: Wenn die Nacht mit süßer Ruh' längst den Müden lohnet, schleicht die Maid dem Wasser zu, ob sie weit auch wohnet; schöpfet dort voll Schweigsamkeit, was ihr Reiz und Anmuth beut, weicht voll Vorsicht Jedem aus, bis sie beinah' ist zu Haus. Aber ach, mit tausend Schrecken, sieht sie da aus allen Ecken düstere Gestalten nah'n, die sie rechts und links umfah'n, die sie stoßen, die sie drängeln, ihren Glauben frech bemängeln, sie verhöhnen fürchterlich, bis sie kommt ganz außer sich. Hoch in kühngeschwungnen Bogen, rauschen kalte Wasserwogen auf der Frechen Haupt hernieder, die mit Lachen dann entflieh». Doch die Maid ist tief betrübet; was sie gar so selten übet: Schweigsamkeit, Ergebenheit, hat in heil'ger Osternacht Wasser ihr nicht heimgebracht; böser Buben schlechten Streichen hat sie endlich müssen weichen! Seht sie drum aufs Neue zieh» zu dem Osterwasser hin, diesmal aber ohne Trutz fleht sie an Grsctzesschutz, schöpft da» Wasser, trägt's in Ruh' ihrer engen Kammer zu, taucht hinein ihr Angesicht, aber schöner — wird sie nicht! — Das beste Osterwasser wird allein ein heitrer Sinn, ein gutes Herze sein! . — In verflossener Woche sind in Leipzig wiederum zwe Damen beim K. Telegraphen-Bureau, durch den K. Staats trlegraphendirector, welcher zu diesem Behufs von Dresden dort anwesend war, verpflichtet worden und werden in nächster Zeit ihren Dienst antreten. Allem Vermuthen nach werden dieselbrn in die Bureaux nach Dresden und Chemnitz ver setzt werden. — Der seit mehr als 20 Jahren bei der Leipzig-Dresd. Eisenbahn angrstellte Maschinenmeister L. Nagel ist seitens des DirectoriumS der Eisenbahn-Compagnie in Anerkennung seiner Verdienste um die Bahn zum Maschinen-Direktor ernannt. — 8. CircuS Renz. Während die Kerntruppen der Renz'schen Künfllergesellschaft noch Sturm laufen auf den Beifall de» Berliner Publikum», versuchen es die Reserven derselben mit nicht weniger glücklichem Erfolge bei uns, und wenn wir uns an den Feiertagen auch mit den minimeren Leistungen begnügen mußten, so fanden sie doch immer ein dankbarer Publikum, das zwar in seiner Fefllaune den gänz lichen Mangel an Komikern schmerzlich empfand, aber doch schließlich mit Beifall nicht kargte. Immerhin bleibt es zu bewundern, daß r« einer Gesellschaft möglich wird, das Pu blikum zweier Residenzen gleichzeitig zu befriedigen; am Mitt woch ist die Gesellschaft wieder complet. — In Reichenau bei Zittau hat nach einem Inserat, in dm „Zitt. Nachr.", der concessionirte Roßschlächtrr Franz Ludwig im Jahre 1864 überhaupt 86 Stück Pferde zu» Schlachten erhalten und hiervon, außer Fleisch und vükze, 4054 Pfund Schwrißwurst, 7780 Paar Bratwürste, 1060 Stück Leberwürste und 220 Stück Epritzwürstchen geliefert. — Der Dresdner Pfrifenklub, der mit seinm nunmehr 104 Mitgliedern allwöchentlich seine Versammlungen zweimal hält, wird sich von nun an, um alle Mißverständnisse mtt anderen kleinen Rauchvereinrn zu vermeiden, „sächsischer Central-Pfeifenklub" nennen, da sich die auswärtigen Clubs ihm als Zweigvereine angeschlossen haben. Da» bevor stehende Sängerfest wird auch die Mitglieder der sächsischen Pfeifenklubs zum ersten Male in DreSdm vereinigen. Das hiesige Präsidium wird die nöthigen Anordnungen treffen. — Der bekannte Schauspieler Ascher am Wiener Carl- thratrr ist, weil er neulich in dem Stück „vajus und 8«mxro> Hins" in der Maske des Minister» v. Schmerling erschienen war, zu 8 Tage Arrest verurtheilt worden. * In Hongkong sind in der letzten Zeit schon vielfache Verbrechen gegen da» Eigenthum vorgekommen; der letzte große Diebstahl geht aber noch etwas über die gewöhnliche^ Grenzen hinaus. Das Opfer war diesmal die Westindische Centralbank. Die Diebe hatten einen unterirdischen Kanal von mehr als 60 Fuß Länge gebaut. Unter dem Getyölbe der Schatzkammer angekommen, machten sie ein Loch mittels des Hammers in die Decke, drangen so ein und rapbtrn 160,000 Thlr. Zum Glück ist man dm Dieben auf der Spur, mehrere von ihnm schon verhaftet z^töfler anderen, wie man gleich vermuthen konnte, der „Comprechor", d. h. das „Faktotum" der Bank selbst und mehre seiner un mittelbaren Diener. Man hofft sämmtlicher Genossen diese», Verbrechens habhaft zu werden und vielleicht auch da» Geld wieder zu erlangen. * Ein seltener Fund. Es soll, nach der „Schl.- Holst. Ztg." in diesen Tagen von Blankeneser Fischern vor, der Elbe ein Butt gefangen sein, in welchem sich bei der Zw bereitung ein goldener Ring mit werthvollem Stein fand Der Ring soll mit den Buchstaben 6. und der Jahreszahl 1856 gezeichnet sein. * AuS Baden, 3. April. Die „Fr. Postz" erzählt „Vor einiger Zeit sah sich das Kreisgericht in Baden-Baden veranlaßt, in einer Sache, die halb als oauso o614dr«, hall als Curiosum galt, ein Erkenntniß zu fällen, welche» größeres Aussrhn erregte. ES handelte sich um die Untersuchung dei berüchtigten Scandalscene im Conversationshause im vorigrp Herbste, an welcher sich selbst Damen der baute vo14v wie bei ^ äemi-iuouäe betheiligt hatten. Eine derselben, Miß Hamilton, Bradwood, welche sich so weit vergaß, einen Polizeidimer z» schlagen und ihm einen Fußtritt zu versetzen, wurde in von tumaciam zu dreimonatigem Gefängnisse verurtheilt." * Ein Fürst, der nur ein Hemd besitzt. Der Her 1 zog von Braunschweig soll in der Nacht, als das herrliche Schlos f und mit demselben seine ganze Garderobe in Flammen aufging 4 geäußert haben: „Fürsten ohne Land hat es schon öfter gegebei i und giebt es auch noch jetzt, aber Fürsten mit Land ufld nu 1 einem einzigen Hemde gab es wohl noch nicht, davon bin iö ^ gewiß das erste Beispiel. * Ein vierfüßiger Doktor. Der „Courier der Vflt einigten Staaten" erzählt folgende Geschichte, der wir volle,' Glauben schenken können; denn bekanntlich erzählen die Amerika« ^ nur glaubhafte Dinge: Ein alter Bewohner von PhiladAphi,' s hat ein Pferd, das schon mehr als zwanzig Jahre lang der Fa,' I milie treue Dienste geleistet. Seit einiger Zeit war das arm' 1 Thier kurzsi-htig geworden, so daß es oft stolperte. Sein Hel' k hat ihm also nun eine Brille machen lassen, die ihm sehr gp' ! steht, und worauf es sehr stolz scheint. Seitdem das Pferd d" I Brille trägt, geht es mit hoch erhobenem Kopfe, wie in sein«? H Jugend, und mit so sicherem Schritt, wie nur irgend ein andere Pferd im Lande. In der Stadt nennt man es den „Doctor' * Silberne Crinolinen werden jetzt in Pari» i? einem Magazin der kov klonlesquieu verkauft. Die billigste * * kosten 2000 Franken. Arme Ehemänner! * Friedrich Hecker ist zum amerikanischen Consul i?'« Zürich ernannt und wird Ende d. I. dort rintrrffen. H 'U war seit >849 nicht in Europa. ^ * Wie man in den Schuldthur« lockt. Ein G«^n' richtsdiener in Paris hatte einen Schuldner zu arrrtireis Mit dem Verhaftsbe,ehle ausgerüstet, ka« er bi« zu desse? Ladkn, dessen Schwelle er aber nicht überschreiten durste, d," dieS gegen das HauSrecht verstößt. Der schlaue GerichtSdoh, miethete sich zwei Burschen, die ein vor dem Laden de» sS»jst,H migen Schuldner hängendes Stück Waare vom Haken hob«,., und davonliefen. Der Eigenthümer de» Laden» war lich gleich hinter den Dieben auf der Gasse, wo ihn d4 Vollstrecker de» VerhaftSbefehleS in Empfang nah« ««' absührte.