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vr»L »!M> WWW^Uß»^ /lr'-. > >. ' ' - ,k)N5,^ -,^. . . Nr. 88. Zehnter Jahrg. Mcheinl: Täglich MH 7 Uhr. Anserate w»rden angenommen: »teLVendSS,Sonn tag- bis Mittag» 18 Uhr: Marienstraße 18. Montag, 87. Febr. 1888. 4 «nzeig in dies. Blatt«, da« jetzt in U,VOÜ Uxemplaren erscheint, linden eine erfolgreich» Brrdreitung. Zbonnment: vietteljLhrlich 20NgS- bei micritgcldUcherLie«! serung in'« HauS. Durch die Königl. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mktredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpretse: Für den Raum rin« gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zril» 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Oikpfch A Reichllldt. — Verantwortlicher Redacleur: JullUS NcichlUldt. DreSde«, den 27. Februar. — Die königl. Polizeidirection hat in diesen Tagen be kannt gemacht, daß die Persönlichkeit derjenigen Mannsperson, die am 16- December vorigen Jahres in einem hiesigen Hotel durch einen Schuß sich entleibt hatte, ermittelt worden sei. Es dürfte die Leser der Nachrichten interessiren, zu erfah ren, daß jener Mann ein Eisenbahnbeamter aus Potsdam war, der im 30. Lebensjahre stand. Ueber das Motiv des Selbstmordes ist uns nichts bekannt geworden. — In der Sitzung des Vereins Gewerbtreibender Dres dens am 22. d. M. sprach Herr vr. W. Schäfer, nachdem der Vorsitzende, Herr Tirnstein, die neu Angemeldeten zur Kenntniß der Mitglieder gebracht, über Dresdens Vorzeit. Er begann zuvörderst mit den verschiedenen Sagen, ging ferner auf das geognostische und topographische Gebiet über, wobei zur Erläuterung kam, daß der Elbstrom ehemals ein anderes Bett gehabt habe Durch Urkunden wurde gezeigt, daß früher ein Arm der Elbe bei der jetzigen Vogelwiese vorüber gegangen und die Weißeritz am Feldschlößchen vorbei geflossen. Der Redner sprach sodann über die Goldwäschereien der Prießnitz und erklärte die slavischen Namen der umliegenden Dörfer, al» Burgstädtel, Räcknitz, Zschertnitz, Leuben, Blasewitz, Losch- witz u. f. w. Der Vortrag erstreckte sich bis in die Tage der Neuzeit und fesselte die Zuhörer ungemein. Nach Voll endung desselben folgte ein Vortrag über Majolica-Geschirr, welches wegen seiner hübschen Form sehr beliebt ist. Herr Müller sprach zunächst über die Masse, deren poröse Beschaf fenheit, die Verfertigung, über Malerei auf dasselbe u. s. w. Bei einer späteren Discussion über Maschinrnschuhmacherei be iheiligten sich die Herren Klingner, Scheibe, Heinze und Fried rich, wie denn auch die so häufig verfälschten Gewürze zur Sprache kamen, wobei nicht selten der Pfeffer eine gewichtige Rolle spiele. Herr vr. Rüdiger verfehlte bei dieser Gelegen heit nicht, die Schädlichkeit der ausländischen Gewürze vom mrdicinischen Standpunkte zu betrachten. — Der Herr Stabstrompeter Wagner giebt heute Abend auf dem König! Belvedere rin Extra-Concert, welches insofern interessant ist, als das Eoncert-Programm fast aus lauter neuen Piecen von Herrn Wagner und anderen Tonsetzern besteht. Wer Herrn Wagners volksthümliche Melodiken und fein Virtuosenthum auf der Trompetine kennt, wird sich diesen Genuß gewiß nicht versagen. — Wir haben schon Manches zur Sprache bringen müssen, das uns als rin durch die Größe der Stadt herbei geführter Uebelstand belästigt und dessen Abstellung doch nach menschlichen Begriffen sehr leicht möglich erscheint. Wir wollen uns heute wieder mit einer solchen Sache beschäftigen, die, leider schwer in einem öffentlichen Blatte besprechbar, nicht länger mit Stillschweigen übergangen werden kann, da sie wirklich anfängt, unerträglich zu werden. Es dürfte wenig Personen in Dresden geben, denen es nicht allabendlich nach Eintreten der Dunkelheit begegnet sei, daß sie vor öffentlichen Schanketablissements oder größeren Bierrestaurationen auf Personen gestoßen wären, die häufig in einer den Gesetzen der Sittlichkeit Hohn sprechenden Stellung die Straße verunreini gen. Wie skandalös dies an und für sich ist, bedarf einer weiteren Auseinandersetzung nicht. Man sollte zwar meinen, daß alle gesitteien Menschen einen Abscheu davor haben müßten, auf einer öffentlichen Straße sich in einer derartigen Weise zu expectoriren, allein die Zahl dieser Personen scheint nur gering zu sein. Man sehe nur an einem Morgen den Straßenraum vor dm meisten Schanketablissements an und man wird an dem Zustande der Straße bez. ihrer Ausdün stung nicht mehr im Zweifel sein, daß eine ziemliche Zahl Personen dort vergessen hatten, daß sie sich auf einer öffent lichen Straße befanden. Abgesehen nun noch von diesem Un- gebührniß, so sollte man bedenken, daß in gegenwärtiger Frostzeit gleichzeitig eine große Gefahr für die Passanten der betr. Straßcntracte herbeigrführt wird, denn, sind nur einige Grade Kälte in der Nacht, so sind Trottoirs und ein großer Straßenraum vorden besuchten Schankwirthschaften mit spiegel glatten Eisflächen bedeckt; Niemand dmkt daran, dieselben mit Sand oder Asche zu bestreuen (wie dies in diesem Winter leider nur zu häufig auch vor anderen Etablissements und Häusern häufig zu bemerken war, und natürlich das Hinstür zen auf solchen Flächen ist unvermeidlich. Es bleibt die Frage, wer kann hier wohl einschreiten. und wer hat wohl die Verpflichtung einzuschreiten, dmn die Dringlichkeit der Abstellung dieses Ungebührnisses dürfte wohl keinem Zweifel mehr unterliegen. — Eine Frau, ihrer Kleidung nach den Mittlern Ständen angehörig, begab sich vorgestern Nachmittag in mehrere Verkaufs läden der Wallstraße, frug nach dem Preise der Waare und brach in auffälliges Raisonnement aus über zu hohen Pc>.is, wenn ihr solcher genannt wurde. Die Sache machte einiges Aufsehen und eine Kinderschaar folgte der Frau von Haus zu Haus auf dem Fuße. Sie begab sich dann in das Polizei- Bureau auf der Zahnsgasse, um hierüber Beschwerde zu führen, doch soll sich dort aus ihren Reden ergeben haben, daß man es mit einer geistig Gestörten zu thun hatte. — Die Eisdecke der Elbe ist bekanntlich in der Gegend von Helbigs Restauration in Folge der starken Strömung un sicher und ungangbar. Dennoch war vorgestern eine deutliche Fußspur auf der Schneedecke des Eises zu sehen, welche von der Seite des Blockhauses herüber in verschiedenen Windungen und mit Ausweichung der offenen Stellen bis zum Ufer bei Helbigs führte. Ein Tollkühner hatte sich sonach wahrscheinlich Nachts einen Weg über die Elbe gesucht und scheint sein gefahrvolles Ziel auch glücklich erreicht zu haben. — Ueber den Brand des Residenzschlosses zu Braunschweig bringt die „N. Hann. Z." folgenden ausführ lichen Bericht: Braunschweig, 24. Februar. Das schöne herzog liche Residenzschloß, seit mehr als dreißig Jahren die Zierde Braunschweigs, ist ein Raub der Flammen geworden. Ganz Braunschweig ist von diesem Verluste getroffen, und es läßt sich noch nicht absehen, wie tief derselbe in seinen Folgen empfunden werden wird. Es war gestern Abend um 8 Uhr, als der Hof ball — das einzige alljährlich stattfindende Hoffest — seinen Anfang nahm. Etwa um halb 9 Uhr begab sich Se. Hoheit aus den Wohngemächern in den Ballsaal, und kurze Zeit darauf entstand im Arbeitszimmer des Herzogs der Brand. Man hielt den selben nicht für gefährlich, und der Herzog selbst wünschte nicht, daß der Ball unterbrochen werde. Eine halbe Stunde nachher glaubte man des Feuers Herr geworden zu sein, und ein großer Theil der vor dem Schlosse versammelten Menge verlor sich in der Ueberzeugung, daß es bei einem kleinen Zimmerbrande sein Bewenden habe. Inzwischen verbreitete sich jedoch der Rauch in den Corridoren und drang bis zum Ballsaale vor, während die Flamme plötzlich aus mehreren Fenstern des von Sr. Hoheit bewohnten rechten Flügels des Schlosses schlug. Nun erkannte man den Ernst der Lage. Die Ballgäste verließen das Schloß. Man sah die Damen in ihren leichten Balltoiletten zu Fuße, in Begleitung der Offiziere und übrigen Herrn eilig den Bohlweg passiren, und einzeln rasch herbeigeeilte Equipagen suchten ihren Weg durch die Menge. Die Löschmannschaft eilte herbei, aber noch immer hatte Niemand eine Ahnung, wie weit sich das Un glück ausdehnen werde. Es fehlte an Wasser; denn der kleine Arm der Oker, welche hinter dem Schlosse sich hinzieht, warz «ge froren, und im Gebäude selbst befand sich keine Wasserleitung. Bald stellten sich auch einzelne Mängel in den Löschapparaten heraus; Schläuche rissen oder reichten nicht aus, und in sehr kurzer Zeit zeigte der ganze rechte Flügel ein Meer von Flammen. Man suchte den Fortgang zu hemmen. Das Feuer fand jedoch seinen Weg durch das Gebälke unter dem Dach und verbreitete sich bis zur mittleren Rotunde. In wenig Zeit stand der Ballsaal in Flammen, das Orchester und die Gallerten stürzten zusammen, und alle Blicke richteten sich auf die schöne herrliche Quadriga, das Meisterwerk Rietschel's und unsers Howald's, welche hoch oben auf der Mitte des Schlosses erst seit § Jahren prangte. Schon sah man Flammen in allen Farben um das erhabene Standbild züngeln; das schmelzende Kupfer und andere Metalle gaben blaue, violette und hellgelbe Flammen. Inzwischen prasselte da., Feuer, rasselte das zusammenstürzende Gebälk und donnerten die großen Quadern, die von der Glühhitze zersprengt wurden. Und jetzt — ein Angstruf entfuhr den Zuschauern — jetzt begann die Quadriga sich langsam zu senken, man sah sie tiefer und tiefer versinken, und dann plötzlich in der Milte der Rotunde Hinabstürzen. Dies alles geschah etwa uin IN Uhr Die kolossale Gruppe versank majestätisch und allmählig bis zuletzt das ganze Dach mit ihr zusammenbrach. Vielweiter ver breitete sich dann das Feuer nicht mehr, aber es wüthete furchtbar im Innern der ergriffenen Theile. Der linke Flügel des Schlosses, der jedoch nie ganz ausgebaut wurde und zum großm Theile im Innern aus rohen Mauern besteht, ist ver schont geblieben — wenn man es so nennen kann. Alles, was von Löschmannschaften in Brannschweig und der Umgegend sich befand, war herbeigeilt; die Wolfenbütteler kamen ziemlich früh zeitig, und gegen Mittag brachte ein Extrazug auch von Han nover die Turnerfeuerwehr. Unser Militär ist die ganze Nacht ohne Ablösung bei dem Brande gewesen. Noch jetzt brennt es, und die Flammen schlagen oft lichterloh aus den ausgebrannten Fensteröffnungen heraus. Der rechte Flügel und der Mittelbau ist nur noch eine leere Ruine. Bei der furchtbaren Schnelligkeit, mit dex das Feuer überhand nahm, konnte nicht viel gerettet werden. Was von Möbeln, Spiegeln u. s. w. im Schloßhofe steht, was von Bildern und Papieren in die nächstgelegenen Häuser gebracht wurde, ist nicht von Bedeutung. Mit dem tiefstem Schmerz aber erfüllt der Verlust der herrlichen Quadriga das Herz jedes Braunschweigers. Aus dm zertrümmerten und geschmolzenen Nestm dieses edlen Kunstwerks ragt der obere Theil der Brunonia noch jetzt zwischen Schutt und Trümmern hervor, und das vom übergeneigte erhabene Gesicht scheint zu trauern über das herbe Schicksal des Schlosses, dessen letzte schönste Zierde es war. — Se. Hoheit der Herzog befand sich bis nach 12 Uhr an dein Orte des Unglücks und begab sich dann nach dem Schlosse Richmond vor den: Augustthore.—- Noch befinden wir uns hier so unter dem unmittelbaren Ein druck des erschütternden Ereignisses, daß weitere' Details nicht genau anzugeben sind. Was Se. Hoheit, unser allbeliebter Herzog, beim Anblicke des Brandes gelitten haben mag, läßt sich er messen, und ihn vor allen trifft die Theilnahme des ganzen Landes. Aber auch der verehrte Meister Hoivald, der sein Meisterwerk, an den, er zehn Jahr gearbeitet hatte, zu Grunde gehen sah, ist tief zu bedauern. Der Erbauer des Schlosses, Othmer, ist todt, ebenso Rietschel, der Schöpfer der Quadriga. — So ebm, Vormittags 12 Uhr, bcgiebt sich eine Deputation der Stadt verordneten nach Richmond, um Sr. Hoheit die Antheilnahme der Stadt an den: erschütternden Ereigniß zu bezeugen. — Von Seiten des Hrn. Advocat Michael erhalten wir folgende Zuschrift: In dem Referat über die Gerichtsverhand lungen in dem Dienstagsblatte der Dresdner Nachrichten Nr. 52 ist eine entschieden irrige Darstellung der Thatsachen in Sachen des hiesigen Stadtrathes gegen Herrn Wildpret- händler Gebler zu lesen. Zur Berichtigung dieser Darstellung lasse ich Nachstehendes in möglichster Kürze auf Grund der mir zur Einsicht vorgelegenen Acten folgen: Am 30. Juli 1864 erhielt Herr Gebler mittelst Dampfschiff von der Königl. Forstmeisterei Schandau nicht einen Hirsch, sondern ein Stück Wild nebst von der Königl. Forstmeisterei Schandau ausge stellten Lieferschein zugesendct In dem Lieferschein war der Gegenstand der Lieferung ausdrücklich amtlich als ein Stück Wild bezeichnet. Sowohl in der Waidmannsfprache als auch im Regulativ für die Erhebung der Wildpretsteuer ist eine Hirschkuh mit dem Namen „ein Stück Wild" bezeichnet. Nie mals nennt man aber einen Hirsch „ein Stück Wild", sondern eben im Gegensatz zum Stück Wild, sowie zum Schmalthiere „einen Hirsch". Der städtische Steuer-Einnchmer-Asfistent, Herr Vollbrecht, hat im diametralen Widerspruche mit den technischen Ausdrücken des Regulativs, wie der Waidmanns sprache, desgleichen im Widerspruch mit dem amtlich ausge stellten Lieferschein, endlich auch im Widerspruch mit de., leicht wahrnehmbaren Erkennungs- beziehendlich Unterscheidungsmerk malen das Lieferungsobject für einen Hirsch angesehen, auf Grund dessen aber dem Hrn. Gebler 25 Ngr., statt 20 Ngr. Steuer abzesordert oder vielmehr abfordern lassen. Nicht also hat Herr Gebler zu wenig zahlen wollen, sondern Herr Vollbrecht hat zu viel haben wollen. In Folge dieser Mei nungsdifferenz und weil trotz Seiten des Herrn Gebler ange botener Belehrung Herr Vollbrecht aus unbekannten Gründen fest auf dem Steuersätze und seiner Forderung bestanden, ja schließlich mit Confiscation des Lieferungsobjectes gedroht hat, ist es zu den in dem Referate erwähnten ausfälligen Redm des Herrn Gebler gekommen. Königliche- Hofthealer. A Am 26. Febr. Wenn ein dramatischer Künstler von der Größe eines Dawison eine Rolle wie Narciß Ramea« gleichsam erschaffen hat, so hat er ihrer Darstellung für lange Zeiten hinaus den Stempel seines individuellen Geistes so aus gedrückt, daß alle nachfolgenden Künstler, die nicht so origi nelle Schöpfungskraft haben, ihrer Aufgabe damit gerecht zu werden suchen, daß sie eine möglichst getreue Copie des ur sprünglichen Originals geben. Solch eine Rolle gleicht einer Goldmünze, die der erste Künstler mit seinem Bildniß schlägt, die folgenden werden einfach diese Münze nachprägen und es wird sich nur darum handeln, ob die Legirung von gleichen Verhältnissen, der Gehalt von gleichem Werthe und die Form von gleicher Schönheit ist Daß das Dresdener Publikum den Narciß des Herrn Fallenbach nicht gern als Zahlung annahm, bewies das gestern nur sehr dürftig besuchte Haus; daß aber Herr Fallenbach cs verstand, die kühle Aufnahme, die man ihm entgegenbrachte, allmählig zu erwärmen, wollen wir nicht verschweigen. In der That ist der Narciß gar keine üble Leistung Hrn. Fallenbachs; das Vorbild Dawisons merkt man überall durch, er hatte das Totalbild dieses sentimenta len GaminS richtig aufgefaßt. Auf die Ausführung und Ver besserung mancher Einzelheiten wird sich sein nächstes Augen merk richten. Wir aber möchten die hiesigen Theaterbesucher aufsordern, den Leistungen dieses Künstlers mehr Theilnahme zuzuwenden, damit nicht dessen Strebefreudigkeit an der Kälte des Publikums erlahme. Die übrige Besetzung ist bekannt. * Dankschreiben der Frau vr. Gutzkow. Die Direction des Leipziger Stadttheaters hat kürzlich zu Gunsten des Dichters Karl Gutzkow eine Vorstellung des „Uriel Acosta" veranstaltet und den Reinertrag der Frau vr. Gutzkow über mittelt. Die „Leipziger Nachrichten" glauben keine Indiskretion