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Dresden, dm 20. Februar. W — Se. Königliche Majestät hat dem königlich bayrischen TrNtralimpfarzt vr. Reiter zu München das Ritterkreuz dom Albrechtorden verliehen. — Se. K. K. Hoheit der Großherzog von Toscana wird dem Vernehmen nach bis Anfang künftigen Monats sich am königl. Hofe aufhalten. — Wie man hört, hat der Kaiser von Oesterreich am hiesigen Hofe mehrere Ordensdecorationen vertheilen lassen. — Im Einklänge mit dem bereits in die Oeffentlichkeit gedrungenen Wohlthätigkeitssinne der fürstlichen Gäste stehen die kostbaren Merkmale der Freigebigkeit, welche in den Hän den der Dienerschaft unseres königl. Hofes außer von Seiten Ihrer Majestät der Kaiserin von Oesterreich auch von den anderen hohen Herrschaften zurückgelassen worden sind, und dir, wie schon gedacht, theils in Nadeln, Ringen und goldenen Uhren, theils in ansehnlichen Geldgeschenken bestehen. — — Au- Veranlassung eine» Todesfalls in seiner Fami lie ist der am hiesigen Hofe beglaubigte königl. Großbritta nische Gesandte, Honourable Charles Augustus Murray nebst Gemahlin vorgestern von hier nach London gereist. — — Unter dm in Dresdm bestehenden Vereinen dürfte Wohl selten einer eine so schöne Vergangenheit hinter sich haben, als die Gesellschaft „Isis", welche naturwissenschaftliche Zwecke verfolgt, bereits dreißig Jahre besteht und in ihrer Mitte Männer zählt, die zu den geachtrtsten Vertretern der Wissen schaft gehören. Vorgestern Abend feierte dieser Verein in Meinhold's Saale sein Stiftungsfest, dessen Einleitung durch einen Vortrag, vom VereinS-Secretair, Herrn vr. Weinhold, über KrirS'sch« Philosophie geschah, worauf das Gastmahl seinen Anfang nahm. Es hatten sich an 90 Theiluchmer etxgrsunven, unter denen wir dm wirkt. -Geh. Rath, prästd»t vr. von Langmn, geh. Kirchrnrath vr. Käuffer, geh. Hofrath vr. Reichenbach. Ober-Landforflmeister und geh. Finanzrath a. D. Freiherr v. Berlepsch erblickt n. Bei Beginn des Fest mahls gab als erster Vorsitzender der Gesellschaft Isis, Herr geh. Hofrath Or. Reichenbach einen interessanten Rück- und Ueberblick über die bisherige VereinSthätigkeit. Er schilderte, nach Jahrzehnten eingetheilt, Entstehung, Entwickelung. Wir ken und jetzigen Standpunkt der Gesellschaft, wobei er die Hoffnung hegte, daß die hier und da ermattende Theilnahme durch Thätigkeit und anregende Vorträge sich fortan mehr befestigen werde. Im weiteren Verlauf der Rede knüpfte der Sprecher hieran ein Hoch auf Se. Majestät dm König, als dm hohen und edlen Förderer der Wissenschaft. Herr vr. Drechsler gedachte hierauf in einem Trinkspruch der Behörden, als der treuen Vermittler zwischen König und Volk, was dem Herrn geh. Rath vr. v. Langenn Veranlassung gab, als zufällig anwesendm Repräsentanten der Behörden dafür Dank zu spenden. Der hochverehrte Mann lenkte ferner den Blick auf das Streben der Gesellschaft „Isis", die sich zur Aufgabe gestellt, den schöpferischen Geist des Weltalls zu belauschen und zu erforschen. Auf dieses hin formte sich sein Toast in der herrlichsten Gestaltung. Al» hierauf Herr geh. Hofrath vr. Reichrnbach des Vorredners als Mitglied des Leopold.-Carolinischen Accademie und Herr Prof. Sußdorf in schwungvoller Rede der Gäste gedacht, erhob sich da- Ehrmmitglied der Gesellschaft, der Herr Geh. Kirchenrath Vr. Käuffer. Er schilderte in klarer Auseinandersetzung die Beziehungen zwischen Religion und Natur und maäirte be sonders scharf, daß der Lichtstrahl Gottes unverfälscht von Oben komme und nur beim Durchdringen der Erdennebel ander» gedeutet werde. ES sei daher Dank Denen zu brin gen, die Mittel und Wege suchten, Gottes Macht zu erfor schen und zu erkennen, dessen Güte und Weisheit man ja selbst im Leben des Wurms verehren müsse. Der ge ehrte Redner schloß mit Bezugnahme auf die Sage von der Isis und verglich den ssir sein Weib stets besorgten Gatten ÖsiriS und dessen Sohn HoruS mit dem thätigen Vorstande und Secretär deS Vereines. Herr Advokat Judeich trug hie rauf eine von ihm verfaßte humoristische Parabel vor, wäh rend Herr Kunstgärtner Neumann und Herr Redacteur Ssigel sich ebenfalls in gebundener Rede vernehmen ließen und am Schluß drrselbm ihr Hoch der Isis und dem darin waltmden Geiste spendeten. Noch so manches belebende Wort, wie es sich im Kreise solcher Männer erwarten läßt, erklang an die sem Abend und alle Anwesenden schieden freudig aus dm mit Pflanzenschmuck decorirten Räumen, wo Stundm an ihnen vorübergegangm, die den Stempel geistiger Belebung und wahrer Lebensfreude an sich trugen. — Das Titelwesen hat bekanntlich in Dresden eine pyramidable Höhe erreicht und trotz aller Umwälzungen und Reformen im Lauf der Zeit ist hier keine Abnahme zu be merken. Man werfe nur einen Blick auf Briefe und Brief- WM«««, w» noch immer Hochwohlgeborm und Wohlgeborm mit fetter Schrift zu bemerkm. Der Deutsche hat vier böse Feinde und diese sind: Wohlgeboren, Hochedelgeboren, Hoch wohlgeboren und Hochgeboren. Diese sind die vier Grund pfeiler deutscher Pedanterie. So lange die Deutschen noch wohlgeborm sind, wäre ihnen besser, niemals geborm zu sein und man wird sie wie neugeboren finden, wenn sie nicht erst wohlgeboren sind. Die größte Barbarei in Deutschland ist immer noch die Barbarei seiner Gründlichkeit. Man benehme ihm also zuvörderst diese in der That malitiöse Gründlichkeit, auf einem Briefcouvert bis auf die Geburt eines Menschen zurückzugehen, und ihn mit dieser Hebammenängstlichkeit nach gewissen Modifikationen geborm werden zu lassen. Was haben sie davon, ob Einer hoch-, Hochwohl-, hochedel- oder wohlge boren ist, wenn er nur ist? Nur bei den moralisch oder geistig Nichtseienden möchte es nöthig sein, noch in jedem Briefe besonders daran zu erinnern, daß sie auch wirklich ge boren sind. — In nächster Gewerbs-Verein-Versammlung kommen 2 von einer hiesigen renommirtm Bäckerei geschenkte Stollen und einige Dutzend Pfannkuchen zur Versteigerung zum Besten des Hausbaufonds. — In der Hoffnung, daß die verehrte Redaktion der Dresdner Nachrichten einem Schuhmacher das Wort gönnen wird, erlaube ich mir meine Ansicht und Gegenrede in Be treff des Feuilleton-Artikels „Die Schuhmacherei sonst und jetzt" hiermit auszusprechen. Die Schilderung der altm Schuh macher-Werkstatt beruht auf Wahrheit, aber die Fabrikation solcher Stiefel wie bei Bukow ist nichts Neues und zum Theil wieder eingestellt worden, indem sich solche Fabrikation blos für überseäsche Länder eignet, wo es an Arbeitern mangelt. Die Herstellung der Schäfte ist bei unS ebenfalls im Gange und das Walzen des Sohlenleders will ich nicht ganz ver- wiewohl «» nur bei. Hut« /Qualität anwendbar.. Das rechtzeitige und gute Klopfen und Glatten der Sohlen, beson ders bei geringerer Güte, ist eine Hauptsache, sonst zeigt sich bei nasser Witterung der Nachtheil sehr bald Die Leisten sind nicht und können nicht von Eisen sein, blos um die Kante ist ein schmaler Streifen Eisen gelegt, wodurch sich die Eisen- oder Mefsingstifte umnieten. Allerdings geht hierdurch keine Sohle verloren, aber das Umnieten ist unpraktisch, was ich selbst früher erprobt habe, indem dadurch das Besohlen solcher Stiefel unmöglich wird. Daß mit Hilfe der ange gebenen Maschine ein einzelner Arbeiter im Laufe eines Tages zehn bis zwölf Paar Stiefeln liefert, ist möglich. Aber die meisten Arbeiter holen sich hierbei einen Knacks auf Lebens zeit. Wenn Einer täglich nur sechs bis acht Paar Herren stiefel liefert, so wird er bald brustkrank, denn das sogenannte Ab- und Ausputzen greift die Brust außerordentlich an. Im Jahre 1858 bis 1861» wo ich in der Schweiz arbeitete, gab es im Canton Aargau und in Genf eben solche Fabriken, sind aber zum Theil oder ganz wieder eingegangen. Allein praktisch für Herrenstiefel ist und bleibt das Holznageln. E. H. — Die Zeit des Bockbieres ist einmal da und es ist Sache der Biertrinker, den besten Stoff herauszufinden. Aber alle Bockbiere sind jetzt gut und deshalb ist es auch Sache der Unparteilichkeit, des Naumannschen Bockbieres zu erwäh nen, das der Restaurateur Schröder, Breitestraße I, verzapft. Lange hat das Naumannsche Bier seinen Ruf be währt und wir wissen, daß der Bock daselbst am längsten aushält. Trinken wir daher auch einmal bei Schröder Bock — er wird uns munden. — Zum Besten Gutzkow s wird in Wien, wie in Ham burg, eine Vorstellung im Theater an der Wien stattfinden und Dawison selbst geht umher, um Billcts zu verkaufen. Einem Millionär, der ihm zu wenig gab, stellte er das Geld zurück und sagte: „Für 15 Gulden mache ich Ihnen keinen Besuch!" Unter 100 Gulden wird keine Loge zu haben sein. * Eine Geschichte vom Lotto. Die Gattin eines fleißigen Handwerkers in Wien war dem so verderblichen Lottospiele leidenschaftlich ergeben, aus diesem Grunde bestritt der Mann alle häuslichen Ausgaben, er kaufte selbst Viktua- lien rin, kurz, er gab seiner Gattin kein baares Geld in die Hand. Die Lotterieschwestcr war eines Tages ganz außer sich; vergangene Nacht hatten ihr drei so schöne Nummern geträumt — die mußten in die Lotterie gesetzt werden, aber wo Geld hernehmen? Trotz alles Bittens, trotz aller Vor stellungen ferner Ehehälfte, daß die drei Nummern hcraus- kommen müßten, wollte der Mann nicht das nöthige Geld hergeben. Die Frau war resignirt und — schwieg, nahm aber einen bereits übertragenen, schon längst nicht benützten Rock au» dem Kasten ihres Mannes, verkaufte denselben heim lich an eincn Hausirer und setzte nebst vielm anderen Num mern auch die geträumten: das Glück war ihr günstig, die drei Nummern wurden gezogen, die Frau gewann gegen 200 Gulden. Außer sich vor Freude eilte sie zu ihrem Mannes ihm die Glückskunde zu bringen. Auf Befragen des Mannes woher sie denn das Geld zum Einsätze genommen, gestand sie^ daß sie eincn alten Nock verkauft habe. Der Mann eilt zum Kasten, 0 Schrecken, der Nock, worin er seine Ersparnisse im Betrage von 1800 fl. im Futter eingenäht, um sie vor der Spielsucht seiner Gattin zu sichern, war fort. — Die Scene, die jetzt folgte, läßt sich besser denken als beschreiben. * Folgende buchhändlerische Anzeige wurde dieser Tags in einer Stadt Italiens von Haus zu Haus geschickt: „Wahr haftiges Bildniß unser- Herrn Jesu Christi und der selige» Jungfrau Maria. Geehrter Herr! Die zwei Bildnisse, welche wir die Ehre haben. Ihn« hiermit vorzulegen, sind vor Kurzem in einem Theile vom Unterbau des alten Tempels zu Jeru salem gefunden worden, wo sie unbeachtet mehr als achtzeh« Jahrhunderte gelegen haben. Das eine dieser Bilder, unter welchem im alterthümlichen Style die Handzeichen Jesu nebst einigen Details über seine Sitten und Lebensweise sich befin den, wurde von Publius Lentulus, damaligem Statthalter in Judäa, an den römischen Senat geschickt. Das andere Bild stellt die heilige Jungfrau Mkria dar. Man hat aus ver schiedenen alten Schriften erkannt, daß eS dasselbe ist, welche- St. Lucas der heiligen Jungfrau malte und schenkte, als die selbe in Jerusalem wohnte und ihm ihre Heerden anvertraut hatte. Diese zwei bewundernswürdigen Bildnisse sind von einer vollkommenen Ähnlichkeit, da sie gemalt wurden, als Jesus und Maria noch lebten. Wir verdanken ihre Repro duktion dem Stift eines sehr hervorragenden Künstlers, der sie vor wenigen Tagen in Jerusalem treu von den oben ge nannten Originalgemälden copirt hat, welche in einem Zu stande von ganz vorzüglicher Erhaltung, Frische und Schön heit gesunken wurden. Uebrigens haben wir die altm Schrift züge unter beiden Bildern nur wörtlich übersetzt, um sie fU Alle verständlich zu machen. Der Unterzeichnete wagt zu hof fen, daß Sie, geehrter Herr, mit Vergnügm diese Gelegenheit wahrnehmen werden, in den Besitz dieser werthvollen Bildnisse zu gelangen, deren Preis ein sehr gemäßigter genannt werden kann. Empfangen Sie rc. Ihr ergebener Diener M. F. Preis jedes Bildes: schwarz 1 Fr.; colorirt 1 Fr. 25 Cent.; großes Format: schwarz 3 Fr., colorirt 5 Fr. Große Aus wahl von Stichen; allerhand religiöse und historische Gegen stände, alte und neue Bilder zu allen Preisen. Wir haben außerdem die neue Karte von Europa, neue Planisphären mit der Karte der vereinigten Staaten Amerika's. Im Lause de- Tages wird ein damit Beauftragter die Ehre haben, Ew... die Bilder vorzulegen und gegenwärtigen Prospectus abzu holen." * Gutzkow. Seit dem Anfang Februar befindet sich Karl Gutzkow in St Gilgenberg bei Bayreuth, sein ältester Sohn hat ihn dorthin geleitet. Einem Privatbriese entnimmt die „National-Zeitung" Folgendes über den Zustand des Kranken: „Seine Einbildungen beschränken sich jetzt darauf, daß er meint, seine Wunden, die in der besten Heilung be griffen sind, seien tödtlich und mit dem Brand behaftet, der Zustand seines Gehirns sei derart, daß der vollständige Wahnsinn sich nächstens bei ihm einstellen werde." Die Aerzte hegen indeß die feste Hoffnung, diesen krankhaften Zu stand durch sorgsame Pflege zu beruhigen und zu heilen. Was die ökonomischen Verhältnisse Gutzkows betrifft, darüber erfährt die N.-Z. Folgendes: Auf den Antrag des Vor standes der Berliner Zweigstiftung der deutschen Schiller stiftung vom 3. Februar sind bereits am 4. Februar der vorübergehend in Weimar anwesenden Frau llr. Gutzkow 250 Thlr. aus der Ccntralkasse in Weimar übergeben wor den, mit der Eröffnung, daß an den Verwaltungsrath der deutschen Schillerstiftung von dem Vororte Weimar der An trag gestellt worden ist, I>r. Karl Gutzkow eine lebensläng liche Pension von 500 Thlrn. jährlich vom laufenden Jahre ab aus der Centralkassc auszusetzen, verbunden mit dem an die Vorstände der Zweigstiftungen von Dresden und Wien gerichteten Ersuchen, sich einstweilen auf unbestimmte Zeit ebenfalls mit einer Jahrespension, und zwar aus Dresden von 500 Thalern, aus Wien von 200 Thalern, an dieser Vergabung zu betheiligen. Wir freum uns, in der Lage zu sein, diesen Maßregeln eine durch die Satzungen der deutschen Schillerstiftung nicht nur erlaubte, sondern gebotene Oesfent- lichkeit zu geben, für welche sich Weimar der Initiative au« naheliegenden Gründen enthalten zu sollen der Meinung scheint. Zugleich erfahren wir, daß in Dresden eine Samm lung zu Gunsten Gutzkow's im Gange begriffen ist. Air aber möchten alle deutschen Theater — und die Berlins, der Vaterstadt Gutzkow's zuerst — an die Ehrenpflicht mahnen, dießmal den Geburtstag des Dichters, der unserer Bühn«> was man auch sonst von seinem Talente halten möge, drei unvergängliche Schöpfungen geschenkt: „Zopf und Schwert/;