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Nr. 26. Zehnter Jahrg. Mcheint: Dlgiich früh 7 Uhr. Inserate werden »«genommen: bi« «Send» S,Sonn- tagS bi» Mittag» IS Uhr: Marienflraße IS. Donnerstag 26. Januar 186L. MsnnemenL: «ieneljLhrlich ANge. bei unentgeldlichrrLitz^ srrung in'« Hem«. Durch die Lönigl. Paff vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummer« 1 Ngr. «nzeig. in dies. Blatte, da« jetzt in 11.000 Exemplaren erscheint, finden eine ersolgrciche Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum eine» gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthnm der Herausgeber: trikpsch Netlhardt. — Verantwortlicher Redakteur: Julius Rellhllrdt» DreSde«, den 26. Januar. -— Sc. Majestät, der König beehrte gestern Vormittag von 10 bis j12 Uhr das Cadettencorps mit Allerhöchstem Besuche und wohnte einer Production desselben im Exerzieren, Tanzen, Fechten uud in der Gymnastik bei. — Das Direktorium der sächs. Hypothekenversicherungs gesellschaft meldet die Eröffnung der von ihr schon seit Jahren beabsichtigten Hypothekentilgungskasse und ladet alle Grundstücksbesitzer zum Beitritt ein — Der Gcwerbeverein versammelte sich diesmal in Braun's Hotel so zahlreich, daß beide Säle vollständig be setzt waren. In Bezug auf einen früher gehaltenen Vortrag wird mitgetheilt, daß die in der Marmor-Altarplatte zu Bockera enthaltene „versteinerte Raupe" eine Säule der vor weltlichen Haarsterne sei (OMKoerinus rugosus Goldfuß oder Uolocriniis lai-vis ölillvr). Es wird darauf hingewiesen, daß diese Art Versteinerungen im Wildenfelser Marmor nicht , selten sind und daß die Säulen im Dresdner Museum und W die Tischplatten im Lato ttsritzsis zu Leipzig sehr schöne Exem plare davon zeigten. Herr Drechslermeister Haubold schenkt einen neuen Hammer „aus des Drechslers edelstem Material, Ebenholz und Elfenbein." Unter den Eingängen zeigte be sonders einer aus Ingolstadt, wie man auch im Auslande die Bestrebungen und Verhandlungen des Vereines verfolgt. In Bezug auf einen Vortrag über Nähmaschinen werden von den Dresdner Nähmaschinensabrikanten Prospekte und Preis courante erbeten. Mitgetheilt wird, daß vom Vorstande der k. Commisiar des Vereins und der Stellvertreter desselben Herr Oberbürgermeister Pfotenhauer und Herr Stadtrath Lehmann am Sonntage begrüßt worden seien, und daß der Erster? seine Theilnahme am diesjährigen Stiftungsfeste freundlichst zugesagt habe. — Herr Partikulier Busolt setzt seinen Reisebericht fort, gedenkt der großartigen Industrie in Mainberg (Tapeten-, Schweinfurter Grün- u. Bleiweißfabri kation). Bei Homburg werden die Mosaikfußböden der Mett lacher Porzellanfabrik, bei Frankfurt die Synagoge und die Denkmäler, bei Wiesbaden die prächtige, große Backsteinkirche, die nur 35' niedriger ist, als der Straßburger Münster, und die russische Kapelle besprochen. Der Vortragende führt die Hörer dann an die Mühlsteinlavabrüche von Niedermendig und auf den Laacher See in der Eifel, erwähnt bei Trier die Porta nigra, das größte römische Bauwerk in Deutsch land, di« Kaiserpaläste, die Bäder, das Amphi.heater und führt «ine Anzahl antike Gegenstände aus den Museen zu Trier, Basel und Karlsruhe im Bilde vor. Besonders inte ressant waren die schönen römischen Glasgesäße. In Heidel berg läßt Redner einen Blick in das Laboratorium Bunsens thun und zeigt das Portrait von S. de Caus, der die Dampfkrast statt der Kraft des Wassers, des Windes und der Menschen und Thiere verwenden wollte, dafür aber von Richelieu für verrückt erklärt und in das kioslrö gesperrt wurde. Interessant war auch die eiserne Hand Götz von Berlichingens mit ihrer Mechanik und das wandelnde Tableau des Neckarlandes von Heilbronn bis Heidelberg. Schließlich wird noch auf die von Herrn Kühnscherf nach einem neuen Systeme hergestellten eisernen Läden im geistlichen Hause auf der Schloßstraße und auf die dem Vernehmen nach aus Köln bezogenen Läden in der ehemaligen Nathsbaderei aufmerksam gemacht. Herr Kühnscherf erklärt sich auf geschehene Anfrage bereit, dem Vereine seine Läden zu zeigen, bevor sie verbaut werden, damit die eigenthümliche Mechanik an denselben ge sehen werden könne. — In Betreff des gestern referirten Unglücksfalles in dem auf der Annenstraße gelegenen Droguengeschäst geht uns Folgendes zu: Der Brunnen, zu dem der verunglückte Lehr ling mit seiner gänzlich zerrissenen, nun amputirten Hand ge laufen, ist nicht verschlossen gewesen. Kaum dort angekommen, ist ihm, wie man sagt in Abwesenheit des Prinzipals, Sei tens der Hausbewohner in Wahrheit die allerschleunigste Handreichung geschehen in Herbeischaffung von Leinwand, Tüchern, Stuhl, Wasserbecken rc. Vom Besitzer des Hauses, dem Spritzenfabrikant Herrn Händel, wurde eiligst zum Arzte, dem erfahrenen, rühmlichst bekannten Stadtchirurg Herrn Matthes geschickt und mit Umsicht dem Andrange unnützer Schreier und Gaffer abgewchrt. Nachdem man die heftige Blutung der Wunden in der Zeit lEn 3—4 Minuten am Brunnen etwas gestillt, trug man den Verunglückten in die im selbigen Hause befindliche Barbierstube; diese Stube ist zwar keine „chirurgische Stelle", wie der Verfasser der gestri gen Darstellung sie nennt, und mußten eigentlich die ausge dehnten Räume des durch die Explosion wunderbarer Weise nicht weiter beschädigten Droguengeschäfts mit einer mäßigen Temperatur zur Aufnahme eines Blutenden viel geeigneter erscheinen, als ein wohlgeheiztes Zimmer; dennoch hat die mehr denn 60jährige Besitzerin der Barbierstube mit größter Bereitwilligkeit und Zuvorkommenheit den Verunglückten aus genommen, abgewaschen, eingepackt, ihm Umschläge aufgelegt rc., und ist von ihrer Seite in keiner Weise die Aufnahme ver weigert worden, wie sie denn bereits seit mehr denn 30 Jahren — die Umwohnenden werden ihr wohl dieses Zeugniß nicht versagen können — dieser Art Diaconissendienstes an armen Verunglückten sich unterzogen hat, ohne meistens auch nur ein Wort des Dankes erhalten oder beansprucht zu haben. — Uebrigens theilt uns Herr Stadtwundarzt Mathes darüber noch Folgendes mit: Nach geschehenem Unglück kam ein Bote nach mir und verlangte Hilfe, welchem Rufe ich auch sogleich folgte. Ich fand den jungen unglücklichen Mann in der Barbicrstube der Madame Weber und schon gethan, was augenblicklich zu thun war. Nach Einsichtnahme der Ver letzungen und ihrer Bedeutungen ward auch sofort von mir die Beschaffung in das Krankenhaus beschlossen und ausge führt. Daß die Verletzung der linken Hand und sämmtlicher Finger eine totale Zerstörung war, ist, wer es gesehen hat, außer allem Zweifel, nicht minder waren die Augen, das Gesicht und zwei Finger der rechten Hand nicht unbedeutend verletzt. Sonach hat es an schneller Hilfe nicht gefehlt, aber auch nicht an vielen Gaffern. — Dankbar müssen wir anerkennen, was der hiesige Omnibus-Verein bereits sür die Bequemlichkeit des Fortkom mens gethan. Das Publikum aber zeigt sich dem gegenüber höchst schwerfällig und unpraktisch, besonders in den Wagen, denen kein Conducteur beigegeben ist, und hemmt so die Schnelligkeit des Fortkommens bedeutend. Wie oft muß man's nicht mit ansehen, wie jeder einzelne Passagier nach seinem Aussteigen erst das Fahrgeld zahlt und dabei oft den übrizen Passagieren zumuthet, so lange halten zu bleiben, bis der Kutscher das Geld gewechselt und wirdergegeben hat. Einfach und praktisch ist es dagegen, wenn einxr der Passagiere während der Fahrt die Gelder eincasstrt üW sie dem Conducteur zu sammen übergiebt. Dadurch wird zugleich das etwa nöthige Wechseln erleichtert und jedweder Aufenthalt vermieden. Manche aber, besonders Damen, sind leider so mißtrauisch, daß sie es nicht wagen, ihr Fahrgeld einem Andern zu über geben als dem Conducteur selbst. Lieber klopfen sie selbst mehrmals an's Fenster, lassen dasselbe öffnen und werden so die Ursache zu einem unangenehmen Luftzuge, der die übrigen Passagiere so lange belästigt, bis der wiederzugebende Fünfer von den starren Händen des Conducteurs gefunden worden ist und nach einer Wanderung durch mehrere Hände an den befriedigten Passagier gelangt. — Dem öffentlichen Verkehr in unsrer Stadt alle mög lichen Erleichterungen zu verschaffen, ist ein Erforderniß der Zeit. Vieles ist schon geschehen, viel bleibt aber noch zu thun übrig, und wollen wir da nur an die mancherlei den Verkehr plötzlich unterbrechenden sogen. Sackgassen erinnern. Mit großem Vortheil wären in manchen Straßen durch einz lne Häuser Durchgänge anzulegen, wie deren z. B. Leipzig in Masse bietet. Die Herren Hauswirthe könnten damit manchen Raum recht nutzbar machen und zugleich für das allgemeine Beste Etwas thun. Jedenfalls ist es anerkennenswerth, wenn da und dort in solcher Weise vorgegangen wird; so z. B. in dem Winkel viertel, welches die Seilergasse, Liliengasie und Röhrhofsgasse bildet. Dort hat bereits seit Jahresfrist ein Hausbesitzer am See seine Pforten geöffnet und damit den Bewohnern der Lilien- und Seilergasse einen angenehmen Durchgang gewährt; neuerdings ist aber auch die noch nöthigere Verbindung der Röhrhofsgasse mit der Annenstraße hergestellt worden, indem der neue Besitzer des bctr. Grundstückes nach Durchbrechung der abschließenden Mauer einen schön gepflasterten Durchgang hat anleg«a lassen. — Morgen Freitag findet in den noch glänzend dcco- rirten Sälen von Braun's Hotel ein großer Ball zum Besten des unter dem Protcctorate Ihrer Majestät der Königin Maria stehenden Hilfsvercines Statt, und verspricht derselbe durch di« getroffenen Arrangements ein sehr glänzender zu werden, dem auch schon wegen des guten Zweckes die regste Theil nahme nicht fehlen wird. — Die Administratoren der Ammon'schen Stiftung machen bekannt, daß folgende Lehrer diesmal den Preis er halten haben: Albert Richter an der Leipziger Rathssreischule, s Carl Fr. Richter an der 5. Leipziger Bürgerschule, Rector Kellner in Sebnitz und Lehrer Kühn in Kleinstruppen, Cantor ' Alöder in Georgenstadt (voriges Mal prämiirts und Gust. - Wold. Beier in Dresden erhielten rühmende Anerkennung, i Die nächste Preisaufgabe ist: Wie vermag gerade das Amt den Lehrer noch fortzubilden? — Hinter dem böhmischen Bahnhof befindet sich ein Platz, auf dem Schutt und anderer Abfall von einem in der Nähe befindlichen Neubaue abzeladen wird. Derselbe wird twn Sammlern von altem Eisen und anderen Industriellen, Lie in gleicher Branche arbeiten, stark frequcntirt. Insbeson dere aber sind es einige Frauen, die da« Ikech d» zu suchen, gewissermaßen als ihr Mon»p»k bamspnechm» Seit einiger Zeit hatte sich auf diesem Platz «mch ei» „Fried richstädter" eingefunden, der sich das Recht anmaßte, »n de« Privilegium dieser Weiber participiren zu dürfe». Natürlich wurde er von diesen als frecher Eindringli»g in ihre >« rechtsame angesehen, und sein Erscheinen erregte ihr«» Brot neid. Sie beschlossen deshalb, ihm seine Wiederkehr z» ver» leiden. Als er daher vorgestern Vormittag wieder auf dem Platze erschien, empfingen sie ihn mit einigen nichts weniger als verbindlichen Titulaturen, und als er sich dadurch in seiner Arbeit nicht stören ließ und trotzdem emsig fortsuchte, so drangen sie förmlich auf ihn ein, um ihn gewaltsam zu vertreiben. Unserm Friedrichstädter blieb, da er nicht gut willig weichen wollte, nichts anderes übrig, als sich zur Wehre zu setzen. Er bediente sich dazu einer kleinen Hacke, die er zum Betriebe seines Geschäfts bei sich führte. Mit derselbe« schlug er tapfer um sich. Wohin er traf, konnte er nicht be messen, und so fügte es ein unglücklicher Zufall, daß er der einen Frau plötzlich in das Gesicht schlug, und ihr dadurch die Oberlippe spaltete. Der Verlust eines Zahnes war für sie nebenbei noch damit verbunden. Die Bataille hatte damit plötzlich ihr Ende gefunden, und nunmehr wurde ein Wund arzt aufgesucht, um den Schaden wieder möglichst auszu gleichen. — Gestern Mittag halb 12 Uhr erschoß sich mit einem Terzerol der Tambour Schreiber vom 8. Infanterie-Bataillon 2. Compagnie. Die That geschah im Schlafsaale der großen Infanterie-Caserne Flügel ö, und es erfolgte augenblicklich der Tod. — In der Nacht vom 24. zum 25. d. Mls. sind auS zwei Privatkellern des Hauses Prager Straße Nr. 12 mehrere Flaschen Wein ^und eine Partie Kohlen mittelst Dietrich rc. entwendet worden. — Eine wahre Winterlust herrscht jetzt auf unfern Eis bahnen im Großen Garten, auf dem Zwingerteich und auf der Elbe. Besondere Anziehungskraft üben die Concerte aus und kaum vermag ein Wintervergnügen im Freim mehr Amüsement zu bieten als ein Schlittschuhlauf nach den Klän gen eines frischen Walzers oder einer heitern Polka. Das letzte Eisbahn-Concert im Großen Garten war wieder überaus stark besucht, u. A. auch von Ihren König!. Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, welche sich in leutseligster Weise an dem allgemeinen Vergnügen betheiligten. Die ge- sammte schlittschuhlaufende Elite der Stadt war vertreten, darunter besonders viel Töchter und Söhne Albions, welche meist sogar in besonderem Eisbahn-Costüme erschienen. Ganz ballmäßig wurde auch eine Franyaise nach den Klängen der Pick-pocket Quadrille exekutirt. Möge diesem Wintervergnügen noch einige Dauer vergönnt sein. — Frühlingslüfte taugen uns ohnehin noch nichts. — 1- Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 85. Januar. Die heutige Angeklagte wird aus der Haft vorge führt und begrüßt den Gerichtshof mit einem schüchternen „Guten Morgen!" Ihrem Stande nach ist sie sehr reinlich und fast nett gekleidet. Emilie Auguste Sonntag, 22 Jahre kaum alt, evangelisch, Toch er des bereits verstorbenen Tage löhners Sonntag zu Nieder-Gorbitz, vermögenslos und vor einigen Jahren schon eininal vom Gerichtsamt Dresden we gen Diebstahls mit 10 Tagen Gcfängniß bestraft, »st zweier verschiedener Diebstähle beschuldigt Nach erfolgter Confir- mation diente die Sonntag schon in frühester Jugend bei verschiednen Leuten, zuletzt trieb sie Handarbeit. Ihre erste Thätigkeit in fast frecher Dieberei entwickelte sie in der Nähe des Dorfes Mobschatz, da lag auf einer Bleiche eine Partie Wäsche. Wohl war ein Mädchen, die Tochter der Eigen- thümerin, als Hüterin dabei, aber sie schlief. Diesen Mo ment benutzte die Diebin und stahl dort 13 Frauenhemden, zwei Bettücher, zwei Ueberzüge, drei verschiedene Handtücher und noch Andres mehr. Sie gesteht es zu. Das Ganze ist auf 10 Thlr. 1 Ngr. taxirt. Diesen Diebstahl verübte sie schon am 21. August 1862. Es hieß Anfangs, daS dort als Hüterin hingestellte Mädchen habe nicht geschlafen, son dern sei nur auf ein Paar Minuten weggegangen, um Was ser zu holen zum Begießen der Wäsche. Die Verletzte giebt heute aber selbst zu, daß ihre Tochter geschlafen Früher wälzte die Sonntag den Diebstahl von sich ab, wenigstens versuchte sie es und beschuldigte dabei eine gewisse Ziegen balg, deren Unschuld sich aber später glänzend herausstellte. Niemand bemerkte am Tage der That den Diebstahl und so geschah cs, daß die Diebin ruhig mit der gestohlnen Wäsche abgehen, sich nach Dresden begeben und dort ihre Schätze auf dem Leihhause versetzen konnte. Sie versetzte die Sachen für 1 Thlr. 10 Ngr Sie weiß eS nicht genau, sie schwankt zwischen 40 bis 45 Ngr. Die als Zeugin erschienene Ver letzte Christiane Juliane Ludwig aus Mobschatz erhält ihr«