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Io, . I "Ns, Nr. 1«. . L. Jahrg. Montag, IS. Januar 1865. «Hrschnnt.' «M» früh 7 Utz». Inserate »rrdt» angen»mm«i>: bi»N»endr«.«»nn. 1,,» bi« Mittag» Ifi Uhr: Mn^enfiraß« 18. «n,rig. in dies- Blatt«, ba« jetzt in 11,000 Exemplaren erscheint, finden ein« erfolgreiche Verbreitung. »1 Aßsvnement: vierteljährlich LS Ngk. bei unentgeldlicher Liv« serung in'« Han«. Durch die Königl. Poft vierteljährlich LS Rgr. Einzelne Nummer« 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drastisch. Inseratenpreise: Für den Raum eine» gespaltenen Atile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Rgr. Druck und Eigeuthum der Heraukgeber: Nepslh sr Nelchordt. — Verantwortlicher Redacteur: IUllUS Nelchardt. Dresden, den 16. Januar. — Die in den vorgestrigen Dresdner Nachrichten ge dachte neue Stiftung für Waisen und Wittwen K. S. Staats beamter vom Militär und Civil ist nicht zu verwechseln mit den an vielen Orten des Landes und so auch hier am 12. Deebr. v. I., als dem Geburtstage unseres Königs, be gründeten Sachs Beamtenvereinen zu Rath und That. Beide Bestrebungen unterscheiden sich dadurch, daß die letztgedachten Beamtenvereine eine Vereinigung der gesammten Kräfte de» sächsischen Beamtenstandes erstreben, um durch eigne Kraft, eigne Mittel und durch sich selbst die verwaiste Beamtenfa milien und noch lebende Beamte oft treffenden Nothstände zu beseitigen und ihnen beizustehen, — während die gedachte, von Herrn Hauptmann v. Meerheimb begründete, nach allen zeitherigen öffentlichen Ankündigungen nur für hinterlassene ver waiste Töchter K. S. Staatsbeamter vom Militair und Civil bestimmt gewesene — dem Anschein nach nur erst neuerdings zur Paralisirung der eigenen Bestrebungen des Beamtensiandes auch auf Beamten, Waisen und Wittwen ausgedehnte — Stiftung das öffentliche Mitleid und den Wohlthätigkeitssinn aller Classen für den Beamtenstand in Anspruch nimmt, gleich als ob r- sich um die Unterstützung von Brand- re. Calamitosen oder der Angehörigen solcher Stände handelte, welche sich aus sich selbst und durch sich selbst zu helfen nicht im Stande sind. ES sei hier nur die Frage gestaltet, was daraus werden sollte, wenn irgend Jemand ohne Auftrag für einen ihm fremden achtbaren Stand auf die wie hier geschehene Weise werben und agitiren und ihn dem ganzen Lande als einen fremder Unterstützung bedürftigen hinstellen wollte, und ob irgend ein Stand eine solche Verunglimpfung ruhig dulden kann. Weiter aber unterscheidet sich die sog. Beamtenstiftung von den sächs. Beamtenvereinen dadurch, daß letztere mit einem bestimmten klaren — übrigen» schon lange vor dem v. Merrheimbfchen Auftreten vorhanden gewesenen — Programm vor die Öf fentlichkeit getreten sind,-während bez der ersteren man den, eigentlichen Zweck der Stiftung, die Ausdehnung und Art und Weise ihrer Wirksamkeit u. s. w. noch gar nicht kennt. Der Beamtenstand, der seine Vertreter in allen, ja den höchsten Kreisen zählt, hat sich zeither zur Unterstützung der Seinigen nur an seine Mitglieder gewendet und wird dies gewiß äuS Achtung vor dem eignen Stande auch ferner thun; er wird aber auch am besten wissen, was ihm frommt und was für die Hilfsbedürftigen seines Standes zu thun ist, und warum er, wie Herr v. Meerheimb klagt, dessen Bestrebungen zeither „eine eisige Gleichgültigkeit" entgegen geführt hat. Ein Beamter. — Di« Leser der „Dr. N." erinnern sich wohl noch der in vorjähriger Rr. 848 de« Blattes gebrachten, in Nr. 350 bereits widerrufenen Mittheilung über einen in dec Nähe von Freiberg angeblich vorgekommenen Raubmord. Gutem Bernehmen nach ist der Urheber dieser Lüge vom k. Bezirks- gerichtsamt hier wegen wissentlicher Verbreitung einer falschen und die öffentliche Sicherheit beunruhigenden Nachncht zu 1 Monat Gefängniß verurtheilt worden. — Eine der Hauptkrankheiten großer und insbesondere der Residenzstädte ist bekanntlich dar Bettelwesen. Es sam melt sich in großen Städten nicht nur ein wirklich arbeits- unfichige« und daher der Unterstützung bedürftige» größeres Publikum an, sondern die Hauptplage der Bewohner dieser Städte bilden die in anständiger Kleidung einhergehenden privilegirten Faullenzer. Während nun von den Beamten der Behörde, denen die Aufgabe obliegt, das Bettelwesrn nie der zu halten, die erstere Klaffe der Bettler mehr oder weni ger immer gekannt ,und dadurch, daß sie leichter in üsgrsotj zu ertappen ist, zur Bestrafung gebracht werden kann, ist der - letzteren und eben der gefährlicheren durch die Sicherhritsor- gane fast nie brizukommrn. Es ist dies leicht erklärlich. Man stelle sich nltt selbst vor, wie es möglich wrrden soll, daß Gensdarme Personen, die in anständiger Kleidung einher gehen» wegen vermuthlichrn Bettelns verfolgen sollen. Dabei ist vor allem ja zu berücksichtigen, daß diese Bettler ihr Ge schäft nicht in der Weise betreiben, wie die anderen Bettler» w«il sie eben nicht an den Thüren betteln. Erscheint Je mand dieser Sorte vor einer Thüre, so deklarirt er sich nicht augenblicklich alS Bettler, sondern er fragt nach dem Haus herrn »der NachedV Hausfrau; er erlangt in Folg« sejner besseren Kleidung Eintritt in das Vorhaus und jetzt erst bringt er seine Bitte an. Würde also ein Gensdarm eine -solche Person verfolgen, so würde sein Amt an der Thüre zu . End« fein sind der Bettler trotzdem sein Geschäft foxtsrtzen. Dieses Verfahren ist e» aber nicht allein, welches die gedachte Bettttrkläffe gegen das Einschreiten der Beamten. schützt. "Einen 4ncht minder großen Schutz gewährt ihnen däS Ver halten des Publikums hierbei de» Beamten gegenüber, denk- wie wir uns berichten lassen, sind, wen» die Sicherheitßbe- «mten beim Nachgrhrn solcher Bettler endlich zur Befragung der Angebettelten schreiten, um das Betteln festzustrllrn und den Bettler zur Bestrafung zu bringen, von zehn Fällen je denfalls neun, in denen ihnen das wirklich stattgefundene Betteln verleugnet oder dasselbe wenigstens beschönigt wird. Wenn man dies in das Auge fasset, so muß man wohl den Schluß daraus ziehen, daß, wenn hier nicht das Publikum selbst thätig mitwirkt, diese Bettlerllasse nicht nur nie aus zurotten, sondern im Laufe der Zeit immer mehr anwachsen, in Ausübung ihres Geschäfts immer frecher und dadurch auch immer lästiger werden wird. — Ein hiesiger Bürger theilt uns Folgendes mit: Ver gangenen Freitag Abend in der zehnten Stunde, als ich über die Elbe gehen wollte, hörte ich in der Nähe der Pdnton- schuppen eine Stimme, welche schrie: „Erwürg' mich — mach' mit mir, was Du willst!" Als ich näher dazu trat, fand ich einen fein gekleideten Herrn und eine Dame, welche sich, durch mich verscheucht, nach der Klostergaffe zu zurückzogen. Die Dame hatte den Herrn mit beiden Händen fest am Arm, wobei sie sagte: „Glaube mir, daß ich Dich noch festhalten kann!" Kaum waren sie ein kleines Stück gegangen, so riß sich der Liebhaber los und nahm Reißaus nach der Elbe zu. Sofort schrie die Dame um Hilfe. Ich und ein hinzugekom mener Herr eilten dem Flüchtling nach, an der Elbe faßten wir ihn, um ihn zu seiner angeblichen Braut, mit welcher er sich in 14 Tagen verheiräthen will, zurückzubringen. Diese fanden wir aber im größten Schmuze bewußtlos auf der Straße liegen. Sofort ließ ich von Einem der Umstehenden «ine Droschke holen, um Beide auf die Bezirkspolizei zu schaf fen, damit sie sich dort deutlicher aussprechen könnten. Unter- wegeS fragte mich der Herr, wohin die Fuhre ginge. Auf meine Antwort: nach der Polizei, wollte er nicht mit, zer schlug das Fenster in der Droschke und wollte heraus. End lich, auf vieles Bitten der Dame, ließ ich Beide nach ihrer angeblichen Wohnung-»uf der Marktgasse, «ft der Warnung, sich ruhig zu verhalten, fahren. Im Ganzen war ich von dem erlebten Abenteuer sehr wenig erbaut und schlich nach denklich meiner Wohnung zu. — Die Wiener Zeitung veröffentlicht in ihrem amt lichen Theile den bezüglich des Anschlusses der Voitersreuth- Egeter Eisenbahn an die böhmischen Eisenbahnen zwischen Oesterreich und Sachsen abgeschlossenen und am 18. December v. I. ratificirten Staatsvertrag. Die beiderseitige Ratifieirungs auswechselung erfolgte zu Wien am 30. December v. I. Demnach verpflichtet sich die sächsische Regierung, auf ihre Kosten eine Eisenbahn von dem sächsischen Voigtland: aus in der Richtung über Brombach, Schönberg, Voitersreuth und Franzensbad nach Eger zum Anschluß an die von der daher- schen Ostbahngesellschaft herzustellende Strecke Waldsafsen-Eger zu erbauen und zu betreiben, und die österreichische Negierung ertheilt ihre Einwilligung zum Baue der genannten Eisenbahn, welche spätestens bis zum Schluffe deS Jahres 1866 zu voll enden und ordnungsmäßig in Betrieb zu setzen ist. — Die hier lebenden Russen sind allgemein indignirt und empört über das ehrlose Betragen ihres schon in diesen Blättern erwähnten Landsmannes, welcher von der Polizei behörde aus „Ehrenwort" entlassen wurde, sich aber nichts destoweniger sofort heimlich aus dem Staube machte. — Das Ehrenwort gilt in allen cultivirten Ländern als eine der hei ligsten Versicherungen, besonders aber wird ein Offizier durch den Bruch desselben für seine ganze Lebenszeit gebrandmarkt. Schon im 'Jahre 1756, als der Kaiser Joseph den Obersten von Frohn abschickte, um dm gefürchteten Panduren-Obersten v. d. Trenk vor Gericht nach Wien zu laden, sa.^te der Kaiser zu Frohn: „Sage Er dem Trmk, daß ich mich für ihn bei der Kaiserin mit meinem „Ehrenworte" verbürgt hatte, und baß ihm wenigstens das heilig sein müßte, was jedem ehr liebenden Soldaten heilig sein muß!" — In der neuern Zeit ist die Cultur sehr vorgeschritten!??? — Nach dem Publ. ist am Freitag Nachts der mexika nische Gesandte Sir Murphi von Berlin nach hier gereist. Der mexikanische General Miramon ist ihm gefolgt. — Es dürfte nicht uninteressant sein, unsere Leser aus ein neue» Spiel aufmerksam zu machen, welches unter dem Namen „Prosecticon-Spiel" im Verlage des Herrn Oscar Haupt, Papierhandlung, Marienstraße 4, erschienen und daselbst für 25 Ngr. zu haben ist. Dasselbe ist gleich interessant für Erwachsene und die reifere Jugend und dürste namentlich sich zur Anschaffung für öffentliche Locale und Gesellschaften als sehr anziehend eignen, indem es wohl dem Karten- und Schachspiele zur Seite gestellt werden kann. Der Hauptbe- standtheil desselben sind 100 farbige Karten und die Erklärung liegt in deutscher, französischer und englischer Sprache bei. * Der Jahrmarkt zu Taucha, ein Städtchen, zwei Stunden voa Leipzig gelegen, Wirde noch in den dreißiger Jahren sehr stark von der Leipziger Studentenwelt besucht wo es denn oft nicht ohne Excefse abging. Hören wir, was uns ein jetziger Beamter darüber berichtet. Es war in der ersten Septemberwoche des Jahres 1826 als wir nah« an 300 Studenten nach Taucha gezogen um daselbst, weil der berühmte Jahrmarkt stattfand, unfern „Ulk" zu treiben. Mit Schnurren und Pfeifen versehen, zogen wir durch die Straßen des Städtchens und brachten nicht nur dem dortigen Pastor, sondern auch dem Bürgermeister ein Vivat. Der Letztere, da mals An ehrsamer Tischler, mußte vor sein Haus treten.und eine Dankrrde halten. Auf dem Nachhauseweg sperrten wir, acht bis 10 Mann neben einander schreitend, die Chaussee und alle hinterher folgenden Wagen mußten warten, dursten erst am Gasthaus „zum heitern Blick" vorwärts fahren. Ein Reiter, der Kausmannsdiener W. aus Bautzen, welcher sich durchdrängen wollte, wurde mit Stöcken blutig geschlagen und vom Pferde gerissen. Auf dem „heitern Blick" gab es eine „Hetzerei" mit Buchdruckern, ebenso später auf der „grünen Schänke" und den „drei Mohren." Am innern grimmaischm Thor angelangt, wo der Zug noch nahe an 2 )0 Studenten zählte und sich mit dem Gesang des „Gaudeamus" vorwärts wälzte, wurde von dem Commandirenden den damaligen Stadtsoldaten Ruhe geboten. Als Antwort darauf wurden die Fenstern der Hauptwache eingeschmissen, daß Alles hagelte und Etliche der Mu ensöhn«, mit Ziegenhainern in der Hand, ließen sich Hinreißen, den Rücken etlicher Helden der Stadt miliz für einen öffentlichen Vergnügungsort anzusehen. Unter Gesang und Tumult ging es die Grimmaische Straße hinab, wo am Naschmarkt dis Polizeisoldaten anrückten. Der Pedell Conradi und sein College Ludwig geboten „Ruhe, im Namen Seiner Magnificenz!" Alles vergeblich. Die Stöcke hieben aus die Tzako's der Polizeisoldaten und nun kamen die Raths diener mit den damals bekannten Springstangen, welche unter die Beine der Studenten geworfen wurden. Das half... ES geschahen Verhaftungen und am andern Tag hatte der Actuar Mirus auf dem Universitätsgericht alle Hände voll zu thun. — Dieß geschah also vor 38 Jahren Ist ein solches Treiben von Studenten jetzt denkbar? Mancher, der jetzt in Amt und Würden steht und Vorstehendes lies't, legt vielleicht dieß Blatt ganz ruhig bei Seite und flüstert: es ist wahr, Alle richtig! denn — ich war auch dabei. * Glühende Aufopferung. Eine unlängst zu Leipzig verstorbener allbekannter und hochgeachteter Arzt, der Vr. Carl H d, welcher im Jahre 1813 studirte, unternahm auf Anregung eines russischen Obristen am 19. Oktober 1813 einen Ritt auf das Schlachtfeld, das zu diesen Stunden sich mit allen seinen Schrecken von Leipzig bis über Liebertwolkwitz hinaus ausbreitete. Bei Meusdorf angekommen, erblickt er am Wege zwei schwer verwundete Soldaten, einen Franzosen und einen Oestereicher. Beide flehen um einen Trunk Wasser, die Lippen zittern, die Hände strecken sich empor. Der Reiter steigt ab und findet eine zerbrochene Bierflasche. Den Scher ben füllt er mit Wasser aus der nahen schlammigen Lache und trägt vorsichtig die Gabe zu den mit dem Tode ringenden Kriegern. Beide greifen nach dem Trank, der Oesterreicher rafft sich auf, der Franzose dieß fehend, kommt ihm aber mit zitternder Hand zuvor. Er packt den Scherben, richtet sich auf und mit namenloser Begeisterung ausrufend: Vivs I'kmpereur! schleudert er die Flasche in den Sumpf zurück. Als dieß triumphirend geschehen, rollt sein Auge noch einmal auf, er legt sich auf die Seite und stirbt im Moment. Unser Berichterstatter war von dieser Scene und von dem Schreck lichen, was er sonst gesehen, so erschüttert, daß er weiter nichts thun konnte. Er klammert seine Hand in die Zügel, der * Fieberfrvst durchschauerte seine Glieder, er eilte zurück in s vä terliche Haus, wo ihm sofort das Nervenfieber auf längere Zeit darnieder streckte. * Wer kann da noch selig werden! Der heilige Vater Pius IX. hat in seiner jüngsten Encyclica den ganzen Erdkreis, bis auf 3-4 Millionen Auserwählter, verflucht und zu ewiger Höllenstrafe verdammt. Dazu gehören: 1) alle „Heiden", deren Zahl sich ohngefähr auf 667 Millionen be läuft; 2) alle „Ketzer und Freigeister," die nach eigener Fatzon selig werden wollen; d. i. alle Nazarener, Nikolaiten, Gno stiker, Saturuinianer, Basilidianer, Karpokratianer, Balentini- aner, Morcioniten, Ophiten, Tatianisten, Scverianer, Enkra- titen, Sokophoren, Hydroparastaten, Doketen, Phantasiasten, Manichäer, PriScillianisten, Melchisedekiten, Montanisten, No- vatianer, Donatisten, Meletianer, Quatuordecimanrr, Audianer, Messalianer, Antitrinitarier, Monarchianer, Patripassianrr, Sabellianer, Paulianisten. Arianer, Semiarianer, Macrdonia- ner, Aloger, Antidikomarianiten. Nestorianer, Monophsiten, Tritheisten, Jakobiten, Melchiten, Armenier, Kopten, Maro- niten, Adoptianer, Jkonoklasten, Paulicianer, Separatisten, .katharer, Albingcnser, Waldenser, Bettelsackträger, BeguineH, Lollharden, Apostelbrüder, Adamianer, Flagellanten, Wulefitm, Hussiten, Calixtiner, Horebiten, Taboriten, Böhmischen Brü-