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Lbo»ne«nlt: Bnrteljöhrlich 2vRgn bei unentgcldlicher Ä-« serung in'« Haa» Durch die König!. Post vierleljährlich 22 NgL Einzelne Nummer» 1 Ngr. Anscratenpreift:. Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" dir Zeile 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: tlikpsch sr NnchRkdt. — Verantwortlicher Rcdacteur: Julius Reichakdt. Dresden, den 6. December. — Der bei dem ehemaligm Rothen Hause nm angeleg ten Straße soll der Name „Beuststraße" beigrlegt werden. — Dem bisherigen unzweckmäßigen Format der Reise pässe soll nächstens durch Einführung neuer Formulare abge holfen werden. Dieselben sollen die Gestalt kleiner Bücher erhalten, welche in einer Brieftasche bequem unterzubringen find; auf 16 -mit sehr saubrrm, pantographischem Unterdrücke verzierten Seiten enthalten sie in vorzüglicher typographischer Ausführung den gesetzlich vorgeschriebenen Text nebst den Wasserzeichen und Stempeln; ein hellbrauner fester Umschlag, Welcher in schön geprägten Verzierungen das sächsische Wap pen zeigt, giebt dm geschmackvoll ausgeführten Büchlein ein elegantes Ansehen. Zugleich bietet der fein und künstlich aus geführte Druck in Verbindung mit der chemischen Beschaffen heit des Papiers und der Farben möglichste Sicherheit gegen Nachahmungen und Fälschungen. Dem Vernehmen nach ist das typographische Institut von Giesecke und Devrient in Leipzig 'mit dem Drucke der neuen Formulare beauftragt. Amüh di« jetzt schwebenden Verhandlungen mehrer Regier ungen über die Aufhebung des Paßzwanges, welche dem Ver nehmen nach ihrem Abschlüsse nahe sein sollen, werden übri gens diese Paßformulare nicht überflüssig gemacht, denn Reisende, welche zu schätzen wissen, wie viel oft daran gelegen ist, sich auf leichteste und sicherste Art ausweisen zu können, werden sich freiwillig nach wie vor mit Pässen versehen; für Reisende ins Ausland aber wird der Paß als Reisedocument «uch künftig unentbehrlich bleiben. — Auf ergangene Einladung hatte Herr Pianist Tausig vorgestern Abend die Ehre im Palais Se. k. Hoheit des Kron prinzen zu spielen, wo der Virtuos in dem engeren Abend- zirkel des hohen Hause» dir ehrendste Anerkennung fand. ' — Vorgestern Abend beehrte Herr Bischof Forwerk in Begleitung des Herrn Superior Bernert das hiesige kathol. vesellenhaus mit seiner Gegenwart. Derselbe wurde vom Präses des Vereins Herrn Hofprediger suppl. C. Wahl, den Schutz*orständen und den zahlreich versammelten Gesellen ehr- erbietigst empfangen. Darauf hielt der hochwürdige Herr Präses eine Ansprache an die Gesellen, worin er auf die Ehre aufmerksam machte, welche dem Verein durch den Be such des hochwürdigsten Herrn Bischofs zu Theil geworden wäre und ermahnte dieselben, den Unterricht, welcher ihnen in den Abendstunden geboten würde, stets recht zahlreich zu besuchen, der Segen davon würde den Gesellen in späteren Jahren erst recht klar werden u. s. w. Darauf folgte von Seiten der Gesellen zur Unterhaltung Gesang, Declamation und Musik. Dem hochwürdigen Herrn schienen die Vorträge viel Freude zu machen, denn derselbe verweilte bis gegen 10 Uhr im Kreise der Gesellen und hielt am Schluffe eine er hebende Ansprache, ihnen die Segnungen des Vereines in herzlichen Worten zur Beachtung empfehlend. — Ein schöner Tag von Aranjuez ist verflossen und mancher Besucher des Saales der Forker'schen Schloßrestaura tion in Stolpen schwelgt noch heute in der Rückerinnerung an den Kunstgenuß, der ihm durch das vor einigen Tagen von den Zöglingen des Tröstler'schen Conservatoriums in Dresden gegebenen Concertes bereitet wurde. War Dielen das im vorigen Jahre gegebene Concert noch in frischem An denken, so konnte eS denn auch nicht fehlen, daß auch dieses Mal der Saal mehr als gefüllt war, was allerdings die sonst gute Resonnanz des Saales beeinträchtigte; immer hin wurde man vollständig befriedigt, was in Stolpen viel sagen will und für welche Behauptung der kürz lich hier concertirende Gesangverein Anakreon aus Dresden gewiß auch einstehen dürfte. DaS Programm war ein reich haltiges. Herrn Hertel hörten wir nach Jahresfrist zum zwei ten Mal als Violoncellist, er war seinem Instrumente ebenso gewachsen, als Herr Rentsch, der in seinem Violinsolo von Paganini eine mit Sicherheit gepaarte Leichtigkeit und tief empfundene Verständnift zu Tage legte. Auch die Damen sangen recht brav. Beklommenen Herzens sahen wir dm jun gen Paul Böhme /ein Stolpner) die Tasten des Pianofortes berühren. Das Programm zeigte das schwere Concertstück bon Weber an. In der Thal- man war allgemein überrascht über die seit Jahresfrist gemachten Fortschritte dieses jungen Zöglings, was eines Theiles für den auch von Herrn Tröst- ler anerkannten und vom Talent begünstigten Fleiß spricht, andererseits aber auch dem Lehrer desselben alle Ehre macht. Für heute genug, in der Hoffnung, daß uns früher oder später wieder ein Mal jener Kunstgenuß gebotm werde. — Mit Freuden habm wir die endlich erschienene Dampf- fähre, dm drittm Vermittclungsweg zwischen Alt- und Neu- stadt-DreSdm, begrüßt. Sie fährt seit vorgestern, Sonntag, ist also ein Sonntagskind, und dieser Umstand läßt mit Zu versicht erwarten, daß ein hierbei noch vorhandmer sehr gro ßer Uebrlstand sehr bald beseitigt werden und bis dahin keine schlimmen Folgen habm wird. Wir meinen die noch gänzlich fehlende Beleuchtung an den den Landungsplätzen zunächst ge legenen Straßmtractm. — — Am verflossenen Sonntage stürzte, während der heil. Messe in der kathol. Hofkirche vom Hochaltar ein großer Sil berleuchter herab auf einen Kapellknabm; dieser hielt ihn aber noch fest, und erlitt dadurch weiter keinen Schaden. Natür lich ging dieß Alles nicht ohne Störung und Aufsehen vor über, vorzüglich da durch den Fall die unteren Lichter mit herunter fielen und verlöschten. — Der gestern erwähnte, in der Nähe der Bautzner- straße vorgestern aufgefundene Erhängte hatte in seiner We stentasche rinm mit Bleistift geschriebenen Zettel, welcher die Mittheilung enthielt, daß der Erhängte dem hiesigm activm Militärstand angehörte. — — Längst schon wurde der auf der alten Elbbrücke von ruchloser Hand zerstörte Thermometer vermißt, denn so Man cher, der die Brücke passirte, wollte Kmntniß von der Tem peratur haben. Seit gestern, wo die Kälte unterm Gefrier punkt steht und so Mancher wissen will, „wie viel Grad wir heute habm," hat ein hiesiger Bürger aus eigenen Mitteln einen nmen Thermometer herbei gebracht. Es befindet sich solcher am Brückenhäuschen der Altstädter Seite, wo er bei steter Wache doch jedenfalls vor Zerstörung sicher ist. — Am vergangmen Sonnabmd Abend gegm 8 Uhr wurden zwei Pferde, ein Schimmel und ein Brauner, die Amalienstraße mtlang geführt, die einem hiesigm Holzhändlrr gehören und um deswillen allgemeines Aufsehm erregten, be ziehendlich den Zusammenlauf vieler Leute veranlaßten, weil der Schimmel von beiden Seiten yon mehreren handfesten Arbeitern schützt tprrdrn ärußte» 4vtn«-ander« er nicht zu» sammenbrechm sollte. Es hieß, daß das arme Thier krank sei. — — Morgen, Mittwoch dm 7. December, Vormittag 9 Uhr findet bei dem k. Oberappellationsgerichte die zweitin stanzliche Verhandlung in der beim Bezirksgerichte Dresden Wider Amalie Auguste Henriette Noack aus Zitzschewig wegm Mordes anhängigm Untersuchung statt. Die Noack ist in erster Instanz des ihr beigemeffenm Verbrechens für überführt erklärt und zum Tode verurtheilt wordm. Die Staatsan waltschaft wird bei der Verhandlung im Oberappellationsge richte vom Stellvertreter des Generalstaatsanwalts, Herrn Appellationsrath Klemm, die Vertheidigung vom Herrn Ad- vocatm Robert Fränzel hier vertreten werden. — Eine zu große Sparsamkeit in seinen Ausgaben ist auch nicht immer am rechten Platze. Davon hat sich vorge stern Abmd ein Steingutdreher von hier überzeugt, der wäh rend des Tanzes in Stadt Bremen in Neudorf anstatt seinen Uebcrrock in die Garderobe zur Aufbewahrung zu geben, zur Ersparung des Garderobengeldes denselben an einem Fenster des Tanzsaales aufgehangen hatte. Von dort ist er ihm spur los abhanden gekommen und jedenfalls gestohlen worden. — — Nach nun beinahe vierjähriger Abwesenheit wird Herr Ernst Renz mit seiner wohl renommirtrn Kunstreiter-Gesell schaft nebst gut geschulten Pferden, deren er jetzt 104 besitzt, Ende Februar k. I. hier eintreffen und einen Cyclus von Vorstellungen gebm. — In den nächsten Tagm beginnt auch in Dresden die Recrutenaushebung. Es ist sehr erfreulich wahrzunehmen ge wesen, daß in den letzten Jahren das Umherziehen der Re- cruten in der Stadt, das in schreiender Weise und fast immer in trunkenem Zustande erfolgte, gegen früher wesentlich nach gelassen hatte, ja kaum noch wahrzunehmen war, und es ist nur zu hoffen, daß auch in diesem Jahre die Straßen der Stadt die früheren Scenen nicht wieder zu erleben haben werden. — — Vorgestern Morgen gegen 2 Uhr wurden die Be wohner der großen Schießgasse durch einen lauten wiederhol ten Hülferuf in ihrer nächtlichen Ruhe gestört. Er rührte von einem dort wohnhaftn Mädchen her, das mit anderen Hausleuten in Streit und Zank gerathen und dadurch veran laßt worden war, das Fenster ihrer Wohnung.zu öffnen, um auf die Straße hinaus nach Hülfe zu rufen. Diese kam sehr bald in der Person mehrerer Nachtwächter, die sofort Ruhe stifteten. — — In der Gartenlaube eines Grundstücks auf der Mühl hofsgasse wurde vorgestern Abend gegen 9 Uhr ein unbekann ter Mann in total bewußtlosem Zustande aufgefunden und zunächst in einen in der Nähe befindlichen Gasthof gebracht, woselbst er sich nach einiger Zeit wieder soweit erholte, daß er denselben zu Fuß wieder verlassen konnte. — — Angekündigte Gerichtsverhandlung. Mor gen den 7. d. M. Vormittags 9 Uhr wider Christiane Ju liane vereh. Kind geb. Richter wegen Betrugs und Unter schlagung. Vorsitz. Gerichtsrath Gross. Politische Umschau. Herr von Bismarck drängt brüskerweise die Bundestrup pen aus Holstein hinaus — und er hat Recht! Herr von Bismarck hält die Hände auf den Rücken und zieht fein heimlich die Annexions-Handschuhe an, um demnächst ei» möglichst großes Stück der Herzogthümer in die Taschen sei nes Spitzenstaates zu stecken, und er hat Recht! He« von Bismarck hält den Bundesgenossen erklärend die Faust unter die Nase und verfährt mit ihnen mehr kurz als „bündig", und er hat Recht! Herr von Bismarck zerriß keck alle Bande, welche ihm Volkes-Wunschj'und Bundesrücksicht beim Marsch nach Schleswig auferlegte, und er hatte Recht, Herr von Bismarck schlug seiner Landesvertretung frischweg auf den Mund, schlug dem Geldbewilligungsrccht, dem Bud get, der Verfassung und noch vielem Anderen ein tüchtige» Schnippchen, und er hatte auch Recht! Er hat in Allem Recht, so lange er am Ruder ist, — nämlich: das Recht de» Stärkeren gegen den Schwächeren! O, das ist ein großes historisches Recht! Er selbst hat im preußischen Landtage öffentlich die Theorie des Rechtes der Macht als Firmaschild seiner Politik angenagelt; er hat darnach gehandelt bis heut, er hat starke Consequenz darin gezeigt, und wir zweifeln gar nicht, daß seine Consequenz auch noch weiter geht. Muth- maßlich würde er es z. B. für äußerst recht haltm, wenn die Deutschen Mittel- und Kleinstaaten sich vor seiner Alle» überschwemmenden Rechtslogik in die Arche einer Trias unter fremdländischen Schutz retteten, — nicht wahr, Herr von Bismarck? Vorausgesetzt, daß ihre eigene« Heere und ein tüchtiges Contingent fremder Truppen stark genug wären, da» etwa damit nicht zufriedene Sparta und Athen Deutschland» bei einem modernen CHLronea gehörig zur Ruhr zu bringen- müßte man eS doch vollkommen für Recht und für recht hal ten, wenn sie also handelten, — nicht wahr Herr von Bismarck?! Und wie volles Recht hätte Frankreich, sich den hübschen Rhein zuzulegen, wenn es nur die Macht hat, den dreimalhunderttausend Mann Preußens die überwiegende Majorität von fünfmalhunderttausend französischen Bayonet- spitzen Rechtsgründe entgegenzusetzen, — nicht wahr Heiti von Bismarck?! Und wie Unrecht handelt Rußland, daß es sich nicht bequem bis zur Weichsel ausdehnt, und Oestreich, daß es sich die schönen Berge und Thäler Schlesiens wieder nimmt, und England, Schweden und Rußland zusammen- daß sie sich nicht verbünden und dem Dänen Schleswig wie dergeben, wenn sie — was doch beinahe einige Wahrschein- scheinlichkeit für sich hätte — die Macht dazu besitzen, — nicht wahr, Herr von Bismarck?! O, diese Theorie vom Rechte der Macht hat weitgreifmde Consequenzen! Möge es ihrem geistreichen Improvisator nur nicht ergehen, wie dem Göthe'schen Zauberlehrling, der die Wässer nicht zu bannen vermochte, die er selbst beschworen, und der schließlich gar tief in die Patsche gerieth! — Der papperne Wächter über Deutschlands Pseudo-Einheit, den die Großstaaten auf dem grünen Tisch der Eschenheimer Gasse gar lustig an ihrer Strippe tanzen lassen, wird freilich den beiden Koryphäen des Bundes eher Spaß machen, als ihnen den Spaß ver derben! Daher kommt es auch, daß sie es noch immer für angemesseo Hallen, demselben ihren ?rc,-sc>,ms-Respeet zu be weisen: sie füttern ihn mit Etiketten-Schaumconfcct, wie einen altersschwachen Regenten, den man päppelt, um ihn am Le ben zu erhalten, damit er nicht etwa einer jungen rüstigen Kraft Platz mache, mit der sich weniger leicht umspringe»' ließe! Thorheit über Thorheit aber ist es, wenn selbst die liberalen politischen Kinder, besonders in Preußen, jauchzen über die „Thiumphe", über das „energische Vorgehen,'/ d. h. über die Vergewaltigungen, ihres Bismarckianischen Vater landes! Jubeln sie vielleicht, wie ächte Kinder, schadenfroh über die Vergewaltigung, mit der man einem Kleineren zu Leibe geht — haben sie vergessen, daß sie eben dasselbe Prin- cip noch viel härter und als politisches Röhrchen auf dem eigenen Rücken fühlten, daß sie es noch jetzt fühlen und viel härter fühlen werden, je mehr Herr von Bismarcks Hand das Schwingen desselben übt? Hoffen sie national-politisches Ka pital auS der Hand eines Herrn von Bismarck zu empfangen der sie mit solchem um so weniger zu honoriren braucht und honoriren wird, je mehr politisches Kapital für sich er ohne sie herausschlägt? Thorheit, sagen wir, und der Gott der Politik möge ihnen vergeben, sie wissen nicht was sie thun! Mit einem Ministerium Stein an ihrer Spitze könnte man den Jubel Preußisch-Patriotischer Liberaler begreifen: unter der Aegide des Ehren-Säbelrasselnden Herrn von Bismarck, dessen Sporen ihre Verfassung zerfetzten, ehe er auf den hohen Bucephalus stieg, und der sich mit der schwarzrothgoldenen Fahne die Stiefel abstauben wird, wenn er heruntersteigt — als Schildknappen solches Don Quixotes flhen wir in ihnen nur die geprellten Sancho Pansa's! So baut denn Hannover sich die goldene Brücke devoter ^ 1