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Freitag, S. Deebe. 1864. Föonnemnll: vierteljährlich 26 bei unrntgeldlicherAf- strunz in's HauS. Durch die König!. Pas! vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern l Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. Anzeig. in dies. Blatte, das jetzt in 1V,WO Exemplare« erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Erscheint: Täglich srfih 7 Uhr. Inserate werde» angenommen: dis Abend-S,Sonn- tagS bis Mittag- 12 Uhr: Marirnstraße 18. Druck und Eigeuthum der Herausgeber: Mkpslh H Nkichardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Neichardt. Dresden, den 2. December. — Oeffentliche Sitzung der Stadtverordne ten am 30. November. Unter den zahlreichen Registranden- eingängen der heutigen Sitzung erwähnen wir ein Danksa gungsschreiben des Ausschusses für das große Bundessänger fest, in welchem die volle Uebereinstimmung desselben mit den Ansichten und Vorschlägen der Stadtverordneten erklärt wird. Außerdem ist ein Verzeichniß der Mitglieder des Finanz- und Bauausschusses beigegeben. Wir ersehen daraus, daß viele Mitglieder der städtischen Kollegien denselben angchören. Dann folgen Petitionsvorträge, denen sich als wichtigster Gegenstand der heutigen Tagesordnung die Berathung über die Begründung eines deutschen Städtetages und die Bethei ligung der Stadt Dresden an demselben anschloß. Die An regung dazu hat bekanntlich die Jubiläumsfeier der Leipziger Schlacht in Leipzig gegeben. In Weimar hat die Berathung der vom Herrn Bürgermeister vr Koch entworfenen Statuten stattgefunden und hatten sich hierzu sechs Bürgermeister deut scher Städte, darunter unser Herr Oberbürgermeister Pfoten hauer, eingefunden. Jndeß führte diese Versammlung zu kei nem einmüthigen Beschlüsse. Einige Vertreter deutscher Städte waren nicht mit dem Statut einverstanden und glaubten des halb dem Städtetag nicht beitreten zu können. So auch Dresden. Die Stadtverordneten sollten nun heute entschei den, ob die Bethriligung Dresdens noch am Städtetage er folgen solle oder nicht. Die Verfassungsdeputation schlug konform mit dem Beschlüsse des Stadtrathes vor, nicht beizu treten. Darüber entspinnt sich eine längere Debatte, in wel cher für und wider das Deputationsgutachten gesprochen wird. Stellvertreter Walther bringt den Antrag ein: den Stadtrath zu ersuchen, die vorliegende Angelegenheit einer weiteren Prüfung zu unterziehen, um zunächst daS Zustandekommen des StädtetätzeS zu fördern, die Frage wegen Abänderung der Statuten aber sich vorzubehalten. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen, das Deputationsgutachten aber gegen wenige Stimmen abgelehnt. — Schließlich folgt noch eine Sitzung des angesessenen Theiles der Mitglieder des Colle giums. — Gegenüber dem Säbelgerassel des preußischen Mini sterium Bismark scheint es erlaubt zu fragen, was das Kö- utv*-ich Sachsen zu fürchten habe? — Soviel man auch da von sprtHs, paß die Mittelstaaten von Preußen „annectirt" werden könnten, so würde doch ein solches Ereigniß ganz an dere Voraussetzungen h»h-n müssen, als jetzt vorliegen. Ein solches Annectiren wäre nur denkbar, wenn ein allgemeiner Umsturz vorausgegangen wäre, oder wenn die Bevölkerungen mit ihren Negierungen ganz verfeindet, oder wenn die Zu stände in Preußen so glücklicher Natur wären, daß Jeder sich sehnen müßte, unter preußischem Scepter zu stehen. Das Alles ist nicht der Fall. Namentlich ist grade Sachsen seinem Könige mit Liebe zugethan, während in Preußen der Zwie tracht mit den Kammern, sowie die sonstigen Vorgänge Jeden abschrecken müssen, sich preußische Zustände zu wünschen. — Läßt sich sonach ein Annectiren der Mit telstaaten nicht denken, so fragt sich nur, ob ein Vor gehen Preußens gegen Sachsen allein erfolgreich sein kann? Auch dies muß verneint werden. Denn ganz abge sehen davon, daß die anderen Mittelstaaten ihrer eigenen Existenz wegen gezwungen wären, Sachsen beizuspringen, so würde, selbst wenn dies nicht geschähe, Sachsen doch für Preußen immer nur eine unrechtmäßig eroberte Provinz bleiben, deren Behauptung für Preußen gewiß schwie riger sein würde, als die von Polen für Rußland oder von Venedig für Oesterreich. — Wird es aber über haupt Preußen gelingen können, Sachsen zu erobern? Zählt man die regulären! Truppen, welche gegen ei nander ausgestellt werden können, so müßte diese Frage bejaht werden. Sachsen stellt zwar mit Leichtigkeit 30,000 Mann Kerntruppcn. Cs bedarf auch nur eines Wortes unseres Königs, um die ganze Bevölkerung unter Waffen zu bringen und eine Armee von 100,000 Mann auf zustellen. Dennoch wirg Preußen leicht dreimal so viel Trup pen aufstellen und damit Sachsen nicderwerfen können. Allein ganz Europa würde entrüstet sein über einen mit Haaren herbeige zogenen Krieg, und die Hilfe von ganz Deutschland würde sich dem schwächeren, aber gerechteren Theile zuwenden. — Ganz abge sehen hiervon und von fremden Mächten, fragt sich, was Sachsen thun muß? Es gicbt eine Grenze, bis wieweit man sich des lieben Friedens wegen eine Unbill mag gefallen lassen. Sachsen hat dies schon in Rendsburg erfahren. Aber noch weiter gehn und jeder ungerechten Forderung sich unterwer fen, heißt sich selbst aufgeben. So lange Sachsen Anspruch machen will, unter den deutschen Uruderstämmen Achtung zu genießen, muß eS sich jetzt vor Vergewaltigung schützen und es hat dabei den Trost der Geschichte für sich: Kein Volk der Erde ist ja dauernd unterworfen worden, wenn es nicht selbst sich aufgegeben hat! — — Den größer» Vortrag in vorletzter Gewerbevercins- sitzung hatte Herr Kaufmann R. Walter übernommen und sprach derselbe über Fischerei und künstliche Fischzucht. Der Vortragende gedenkt der Zeiten, in denen auch in unserer Gegend die Fische noch als Nahrungsmittel galten, während sie jetzt nur als Delikatessen zu betrachten sind und erwähnt dabei eines Kontraktes vom Rittergute Ehrenberg, in welchem das dortige Gesinde sich ausbedung, daß ihnen nicht mehr als 3 mal in der Woche Lachs vorgesetzt werden dürfte. Die Fische haben in den Flüssen bedeutend ab- und auch im Meere nicht zugenommen. Ursache davon ist, daß man sie besonders in der Laichzeit nicht geschont hat, und daß viele Fische gerade dann am liebsten gegessen werden, wenn sie noch nicht gelaicht haben. In der Viehzucht und selbst beim Wild wird Schonung geübt, nur bei Fischen geschieht davon nichts. Mit dem Fischfang ging bei den Küstenvölkern auch die Ent wickelung der Schifffahrt und die Hebung des Wohlstandes Hand in Hand. Im 13. und 14. Jahrhundert hatten sich besonders die Holländer auf Fischfang gelegt, so daß man spottweise sagte: Amsterdam sei auf Fischgräten gebaut. 800,000 Holländer nährten sich damals vom Heringsfange. Noch und zum Theil neben den Holländern excellirten die Nordamerikaner, die Franzosen und die Norweger im Fisch fänge. Alle diese Staaten haben ungeheure Summen aus dem Wasser geholt. Eine deutsche Fischerflotte exisürt jedoch nicht, obgleich wir fischreiche Küsten haben, obgleich man von den Deutschen sagt, daß sie die mühsamsten Menschen und dabei die abgehärtetsten Matrosen seien. Es liegt dies zum Theil an dem politischen Zustande unseres Vaterlandes, das keine die Fischer schützende Kriegsflotte besitzt, zum Theil an dem deutschen JndifferentiSmus, zutn Theil an der Armuth der deutschen Fischer, die mit Fischern anderer Nationen nicht zu konkurriren im Stande sind, da sie den Fischfang nicht im Großen betreiben können, die sogar, anstatt daß man sie fördert und unterstützt, mit Abgaben und Pacht geldern vom Fischfänge beschwert werden. Das kleine Nor wegen rüstet 3—4000 Böte mit 16—18,000 Mann aus und führt für 1,300,000 Thlr. Kabeljau, für 5—600,000 Thaler Heringe aus. Von 16,000 Familien werden jährlich für 9 Millionen Thaler Fische aus dem Meere geholt. Hol lands Fischerei ist zurückgegangen, England rivalisirt mit Amerika uni den ersten Rang in diesem Fache. Hauptsäch lich ist es der Fang des Herings und des Kabeljaues, die die reichste Ausbeute geben. Und gerade der Hering kommt in dem deutschen Meere, in der Nordsee am meisten vor. Der Deutsche sucht in der ganzen Welt nach Geldverdienst, aber das ungeheuere Kapital, welches ihm das Meer in seinen Be wohnern liefert, will er nicht sehen. Jahrhunderte lang hat die Nordsee für den Fischteich Europa's gegolten; nur wir haben keinen Vortheil daraus gezogen. Die Fremden fangen vor unserer Thür die Schätze des Meeres weg, um sie uns gegen unser gutes Geld wieder zu verkaufen. — Heringe werden jährlich 4000 Millionen Stück in den Handel ge bracht. Im Februar kommen die Heringe aus der Tiefe des Meeres herauf, um zu laichen und ziehen in 5—6 Meilen langen Zügen, die mehrere Meilen breit und bis 600" tief sind, nach den Küsten, um die Eier dort abzusetzen und zu befruchten. Im Jahre 1860 kamen in London für Billings gate, den Hauptfischmarkt, wöchentlich nicht unter 400, oft aber bis zu 600 Eisenbahnwagen mit Fischen und sonstigen Meerthieren an. Jeder Wagen hatte 69—70 Ctr. geladen. Es wurden in London verkauft 1225 Millionen frische Heringe, also 3 mal so viel als der ganze deutsche Zollverein frisch und gesalzen importirt oder selbst aus der See holt. Dane ben verkaufte man in London 34 Millionen Plattfische, jeder durchschnittlich 1 Pfd. schwer. 98 Millionen Solen, 18 Millionen Schellfische, 2 z Millionen Dorsche, j Millionen Stockfische, im Durchschnitt von 10 Pfd., 10 Millionen Seeaale, 24,000 Ma krelen und 7j Million andere Fische, im Werthe von circa 10 Millionen Thaler. — Von getrockneten und geräucherten Fischen: 197 Millionen Heringe, 2 Millionen Stockfische, 20 Millionen Dorsche und kleinere Stockfische. Außerdem 496 Mill. Austern, 114 Mill. Hummern, 1 Millionen Krabben und 800 Mill. kleinere Seemuscheln. Das Alles hat einen Werth von 20 Millionen Thalern. London selbst verbraucht per Kopf 6—7 Loth Fisch täglich, das ist so viel, wie in Berlin Fleisch auf den Kopf kommt. London ißt in 14 Ta gen so viel Fisch, als das ganze 10 Meilen von den nor dischen Küsten entfernte Deutschland das ganze Jahr verzehrt. Im Binnenlande hat sich die Fischzucht vermindert, seitdem Fabriken der verschiedensten Art, an Flüssen angelegt, das Wasser verdarben, seitdem die Wellen der Dampfschiffe den Laich an's Ufer werfen, daß er vertrocknet und seitdem man bei Gradlegung der Flüsse die besten Laichplätze vernichtet hat. Eine Fürsorge für die Fische existirt nicht, ebenso sor gen aber auch die Fische selbst nicht für ihre Jungen, mit Ausnahme des Stichlings, der ein förmliches Nest baut, wie ein solches beim Herrn Mechanikus Gnauck im Zeughause in einem Aquarium kürzlich zu sehen war. Obgleich die Fische eine Anzahl Eier haben, der Lachs z. B. 25—40,000, die Barbe 200,000, der Kabeljau 9 Millionen, so kommen doch im natürlichen Zustande nur sehr wenige derselben aus. Deshalb ist die von den Chinesen schon seit alter Zeit be triebene künstliche Fichzucht sehr zu empfehlen. Redner giebt das Verfahren derselben, die Geschichte und die Statistik der selben, sowie ihre Resultate an, und theilt hierauf mit, wie Herr Mechaniker Gnauck hier die künstliche Fischzucht betreibe. Er schließt mit einer Aufforderung, besonders an Grundbe sitzer, sich dieser höchst interessanten und dabei sehr lohnenden künstlichen Fischzucht anzunehmen. — Bei der morgen Abends 7 Uhr in Brauns Hotel stattsindenden theatralischen Vorstellung, deren Ertrag den ältesten und hilfsbedürftigsten Invaliden der königl. sächsischen Armee (der älteste ist 96 Jahre) am Geburtsfeste Sr. Maje stät des Königs zufließen soll kommt ein neues Lustspiel der „Kosmos" des Herrn v. Humboldt von Feodor Wehl eine Operette mit der stimmbegabten Frl. Mel. Stein zur Auf führung, außerdem wird Herr Weiß, kaiserl. russischer Hof opernsänger a. D. 2 Lieder vortragen. Möge der zu diesem kleinen Feste eigens mit Waffen geschmückte Saal, ein zahl reiches Auditorium fassen, um das Ziel recht vollständig zu erreichen. Biklcts sind in der Hofbuchhandlung des Herrn Burdach, Nosmarinstr. und der Musikalienhandlung des Hrn. Friedel, Schloßstraße zu haben. — Am 30. November wurde von den Studirenden der Forst- und Landwirthschaftlichen Akademie zu Tharand, dem verdienstvollen Direktor genannter Anstalt, Hern; Oberforstralh Freiherr von Berg, Großkreuz Ritter rc. auf Anlaß seines 65. Geburtstages ein solenner Fackelzug gebracht. Der Zug, ca. 100 Fackeln, bewegte sich vom Gerichtsamtsplatze unter Vortritt von Chargirten beider Tharander studentischen Verbindungen und mit dem Artilleriemusikcorps an der Spitze durch Obertharand nach dem Akademiegebäude zu, woselbst in einem Halbkreis Aufstellung genommen und von einem der Akademisten ein Hoch ausgebracht wurde, in welches sämmtliche Studirende mit Begeisterung einstimmten. Herr Oberforstrath von Berg tief ergriffen von der Feierlichkeit des Augenblicks, sprach seinen Dank für das ihm gebrachte Zeichen der Liebe und Anerkennung in herzlichen Worten aus und schloß mit einem Hoch auf die Studirenden. Nach Ab- singung des Liedes: „Es lebe was auf Erden stolzirt in grüner Tracht" bewegte sich der Zug den Berg hinauf nach der Ruine. Kurz vor derselben wurde ein kurzes Halt ge macht und einem in großer Achtung stehenden allgemein ge liebten Leherer, Hern. Hofrath Stöckhardt ein Hoch gewidmet. Auf der Ruine wurden unter Absingung des alten schönen Liedes: „(inuäesmns i^iiiir" die Fackeln zusammcngeworfen. Wer die Lage Tharands kennt, wie ein großer Theil der Häuser, zwischen Bäumen an den Bergwänden liegt, wird sich den Reiz einer Erleuchtung ausmalen können, welchen impo santen Anblick vom Thale aus die Ruine gewährte, in deren Innern die Flammen hoch auflodcrtcn und durch die Fenster und offenen Stellen der Gemäuer einen Lichtschein weit hin- warsen. Zum Schluffe der Feier fand im „Bade" ein aka demischer Festcommers statt, wo manch kräftiger Salamander gerieben wurde und die Freude die Mehrzahl der Studiren-- den bis tief in die Nacht vereinigt hielt. — Die Militärvereine Sachsens, deren es säst in jeder Stadt und in jedem Dorfe giebt, zählen jetzt nahe an 40,000 Mitglieder. — 0- — Vor einer zahlreichen Versammlung setzte am 29. Nov. Herr Ilr. Drechsler seine äußerst anziehenden und belehrenden astronomischen Vorträge fort. Wie man sich in alten Zeiten ohne Fernröhrc mit den einfachsten Mitteln zu helfen gewußt, wie dann mit Erfindung und Verbesserung des Fernrohres der Mensch dem Himmel gleichsam näher ge rückt ward, wie und zu welchen Zwecken man der verschie densten Instrumente auf Sternwarten sich bedient, — alles dies zeigte Herr 0r. Drechsler an den vorhandene« Modellen und Instrumenten selbst mit einer Klarheit und Lebendigkeit des Vortrages, die den Hörer fesseln und belehren und selbst dem Unkundigsten faßlich sein muß. — Die Reparaturarbeiten an den Pfeilern der alten Elbbrücke sind — soweit sie den dritten Bogen von Altstadt aus betreffen — nun ziemlich beendet. — a. „Viel Vergnügen" ging vorgestern Hand in Hand mit einem höchst bedauerlichen Unfälle. In der genanntm Posse verunglückte nämlich bei der vorgestrigen Aufführung auf dem zweiten Theater eine junge Schauspielerin, Frl. Hobel- mann, dadurch, daß sie auf der Bühne bei einem darin vor-