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Rr. 3L4. Neunter Jahrg. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends 6,Sonn tags bis Mittags 12 Uhr: Marienstraße 18. Anzcig. in dies. Blatte, daS jetzt in 10,000 Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Sonnabend, 10. Novbr. 1864. Tageblatt für Unterhaltung nnd Gcschästsvertchr. Mitredacteur: Theodor Arabisch. Abonnement: Vierteljährlich 20 bei uncntgcldlicherL!^ sernng in's HauS. Durch die Königl. Poir vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern l Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum eines gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeiir L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Lltpsch K Nktchardt. - Verantwortlicher Redacteur: IntlUS Ne'lchardt. Dresden, den. 19. November. — I. Hoh. die verwittw. Herzogin von Nnhalt-Bernburg ist am Mittwoch Nachmittag mit zahlreichem Gefolge von Beenburg hier angelangt. — Dem Lehrer der k. polytechnischen Schule, vr. Ernst Hartig in Dresden, ist unter dem 14 November 1864 ein Patent auf einen dynamometrischen Apparat zur Untersuchung und Regulirung veränderlicher Bewegungen auf 5 Jahre er- theilt worden. — Das in der gestrigen Nummer enthaltene Referat über die Verhandlungen der Stadtverordneten am 16. Nov. bedarf hinsichtlich der Kirchen- und Schulbausache für die Pirnaische Vorstadt einer Berichtigung. Der Referent sagt: „Der Stadtrath will nunmehr die Kirche auf Strießener Flur erbauen". Dies beruht auf einem Mißverständniß. Der Stadtrath schlägt vor, die Kirche auf einem an der Strießcnerstraße, ca. 420 Ellen von der Eliasstraße anzule genden freien Platze zu erbauen. Die berichterstattende Depu tation hat ferner nicht vorgeschlagen, das Kirchenbauprojekt, welches zum Ersatz der abgerissenen Johanniskirche und mit dem durch den Verkauf des Johanniskirchhofs gewonnenen Capital ausgeführt werden soll, jetzt ganz fallen zu lassen, sondern nur die Ansicht des Herrn Ephorus vr. Kohlschütter getheilt, daß der vom Stadtrath vorgeschlagene Platz von der Stadt zu weit entfernt, und wie früher dafür sich aus gesprochen, daß die Kirche ebenso wie die Schule auf dem Gartenareal des Ehrlich'schen Gestifts an der Pillnitzer- und Eliasstraße erbaut werde. — Eine höchst interessante Besprechung über die zu Mos kau verstorbene Julia Pa st ra na fand vorgestern Abend vor den versammelten Mitgliedern der Gesellschaft „Isis" und einem Kreis eingeladener Freunde von Seiten des Herrn Hosrath vr. Reichenbach statt. Pastrana, diese abweichende Menschenerscheinung, das Weib mit dem Bart und dem son derbar geformten Antlitz, Pastrana ist todt, sie starb vor mehreren Jahren zu Moskau in Kindesnöthen, aber sie lebt, sie steht vor uns mit ihrem Kinde, eben so in derselben Klei dung, wie sie vor sieben Jahren zu Dresden im Zwinger- Salon von Aerzten und Naturforschern bewundert wurde, wir *sehen Julia Pastrana, wie sie Tausende 'm „Circus Renz" gesehen. Wir sahen sie während dem Vortrag des Herrn Hofrath Reichenbach in einem großen mit schönen, weitge formten Glasscheiben versehenen Gestell vor uns stehen, es fehlte der Figur nur die Sprache. Ihr Dasein, ihre Erhal tung in solcher Vollkommenheit ist ein Triumph der Wissen schaft, das Ganze ist ein Präparat auf chemischem Wege er zeugt, was weit von dem Einbalsamiren der alten Aegypter abweicht. Diese entnahmen dem todten Körper die Eingeweide. Bei der Pastrana ist dieß zu Moskau nicht geschehen, der Profes sor Sokolow daselbst bediente sich meist des arseniksauren Ka li und die Präparirung nahm sechs Monate in Anspruch. Bekanntlich machten die Museen zu Moskau und Petersburg nach dem Tode der Pastrana Ansprüche auf die Ueberreste und man zweifelte, daß Felix Pastrana, ihre Ehegatte, eine gesetzliche Heirath mit der Verstorbenen geschlossen habe. Um sein Anspruchsrecht auf die Todte geltend zu machen, ließ Felix sich aus New-Orleans von der Behörde die rechtmäßig eingegangene Ehe bestätigen. Die Herausgabe erfolgte, gegen Erlegung der Einbalsamirungs-Kosten, die, wie wir aus der russischen, nebenbei ins Deutsche übersetzten Quittung ersehen haben, nicht weniger als 5350 Silberrubel betrugen. Felix Pastrana starb in Rußland bald nachher und ermächtigte Herrn Lent vor seinem Hintritt, das Präparat als Eigenthum in Empfang zu nehmen. Durch die Güte desselben wurde cs vorgestern der Gesellschaft „Isis" ansichtig und wird cs von nun an in Dresden dem Gcsammtpublikum werden, da Herr Lent auf der Seestraße im „rheinischen Hof" zu diesem Zweck ein Zimmer in Bereitschaft hält. Man denke sich den Anblick durchaus nicht abschreckend oder wie Viele glaubten, den Körper in Spiritus gesetzt. Pastrana nebst ihrem Kinde macht den Eindruck einer schöngeformten Wachsfigur; die braunen fleischigen Arme und die hübsche runde Hand sind noch so frisch, als wenn ihnen das volle, fluchende Leben inne wohne. Die gleichsam von den Todten Auferstandene wird für Diejenigen, welche sie im Leben geschaut, doppelt interes sant sein, die Erhaltung eines menschlichen Körpers aber, der nun festhält für Ewigkeiten, unbedingt als einen Triumph der Wissenschaft betrachtet werden müssen. — Eine höchst merkwürdige, einfache und wie versichert wird, auch haltbare Befestigung sumpfigen Bodens für Bauten ist von dem Baurath Kraft in Ravensburg erfunden wor den, der am Bodensee eine Straße über den Moorgrund zu bauen hatte, wo man nur mit einem Pfahlrost hätte durch kommen können. Durch Zufall bemerkte er, daß Sand in Löcher des Moores geschüttet, dieses fester mache. Er ließ deshalb in Entfernungen von 1j Fuß 8' tiefe und 6" breite Löcher mit einem Pfahl schlagen und dieselben rasch mit Sand füllen. Der Erfolg war ein überraschender. Das Moor wurde fest und in den Stand gesetzt, einen ziemlich hohen Straßendamm zu tragen. — Die reichen und frommen Kaufmannsherren im Wup- perthale haben eine unter dem Titel „Daheim" in Leipzig erscheinende Zeitschrift begründet, welche die Gartenlaube ver drängen soll. Aus der ersten Nummer dieses pietistisch ge färbten Blattes erfahren wir, daß nicht etwa Metternich oder der deutsche Bund oder verschiedene reactionäre Regierungen an dem Scheitern der freiheitlichen und einheitlichen Entwickel ung Deutschlands schuld sind, sondern vielmehr, „daß das deutsche Volk sich anklagen muß, daß es Gottes Gabe nicht besser gebraucht hat re." Während dieses Blatt von frommen Pastoren der fraglichen Richtung mit einem Eifer in Thüringen angepriesen wird, als ob von dem Halten desselben die ewige Seligkeit abhänge, schickt die Zeitschrift „Fortuna" von Dresden Colporteure aus, welche jedem Abonnenten dieses Produkts außer Prämien, die jedoch besonders honorirt wer den müssen, auch eventuelle Antheile an Gewinnen von Loos- antheilen der königl. sächs. Landeslotterie zusichern. Glückliche Leser, was wollt ihr noch mehr! — — Vor einigen Tagen stieg ein Herr in hiesiger Stadt in eine Droschke und ließ sich nach irgend einer beliebigen Straße fahren. Dort angekommen, befahl er zu halten und verschwand in einem dort befindlichen Hause, ohne den Kutscher vorher zu bezahlen. Natürlich glaubte der Letztere, daß er mit seinem Geschirr die Rückkehr des Herrn zu erwarten habe. Er wartete eine Stunde nach der anderen, allein sein Fahrgast erschien nicht wieder; endlich dauerte ihm die Zeit zu lange und er begab sich nunmehr selbst in das betreffende Haus, um dort seinen Herrn aufzusuchen und sich zu verge wissern, ob er abfahren dürfe, oder noch länger mit seiner Droschke dessen Rückkehr erwarten solle. Der Fahrgast war sehr bald aufzufinden; nachdem aber der Droschenkutscher die nöthige Anfrage an ihn gestellt, erhob sich zwischen ihm und dem Angeredeten eine überaus unerquickliche Debatte. Der Herr behauptete, daß er den Kutscher nicht geheißen, seine Rückkehr mit dem Geschirr zu erwarten und verweigerte auch dafür, daß dies trotzdem der Kutscher gethan, Zahlung. Der Letztere bestand auf Zahlung von 1 Thlr. 15 Ngr für 3>j stündige Wartezeit einschließlich des Fahrgeldes. Endlich ge lang es dem Herrn, der, wie man sagt, seine ganze Autori tät als Jurist daran gesetzt haben soll, von dieser Forderung los zu kommen, den Droschkenkutscher dahin zu bewegen, daß er mit 20 Ngr vorlieb nahm und damit ruhig abzog. Wer war hier im Recht — wer war im Unrecht? Wir glauben, daß die Beantwortung der Frage jedem Unbetheiligten sehr leicht fallen dürfte! — — Eine Bemerkung über Viehtransport in Dresden. Einsender dieses gehört durchaus nicht zu den weichen Seelen die sich empfindsam über Dinge äußern, die in Folge der Neuzeit von dem Bestehenden abweichen, da aber, wo in dem öffentlichen Verkehr sich Unzulässigkeiten ein schleichen und Gefahr für die Sicherheit der Menschen ein- tritt, ist unbedingt eine freie Meinungsäußerung am Platze. Dieß ist der Fall bei einem Hinblick auf die Königsbrücker straße, wo in neuerer Zeit der Verkehr durch Omnibus-, Kutsch-, Holz- und Baufuhren sich äußerst lebhaft gesteigert hat. Auf dieser Straße findet der Nindviehtransport nach und von dem Grundstücke der Fleischer-Innung genannt „Kammerdieners" in reger Weise statt. Ein Ochs ist kein geduldiges Lämmlcin, vorzüglich wenn er in Gesellschaft seiner Mitbrüder ankommt; da wird er nicht selten rebellisch, er will von einem Leit- und Lenkseil nichts wissen. Wie oft schon trat in solchen Momenten von Seiten der Menschen eine allgemeine Netirade ein, man sah Frauen und Kinder ängst lich in das nächste Haus flüchten. Die stärksten Viehtrans porte bewegen sich des Sonntags Vormittags von den Bahn höfen in Neustadt über die Maschinenhaus- und Hellerstraße nach der Königsbrückerstraße, welch letztere zu einer wahren Dorfgaffe wird. Das ist nun kein feiertäglicher Anblick, zu mal für Leute, die aus der Kirche kommen. Noch erregt von den frommen Gesängen der andächtigen Gemeinde, noch erfüllt von den heiligen Klängen der Orgel, müssen sie sich, die ernste Stimmung durch die Gurgeltöne eines dahcr- kommenden Brummochsen verscheuchen lassen, der in Folge übelcr Laune seine bisher gemüthlichen Schritte in einen schar fen Trab verwandelt. Dann heißt es: flüchte sich wer kann; die Gesangbücher fliegen zur Eide und erst nach Minuten kommen in Furcht und Bangen gejagte Frauen und Mädchen aus ihrem Versteck hervor. Nicht minder unangenehm werden die nächsten Anwohner an den Bahnhöfen durch diesen Viehtransport berührt, der wegen des auf den Montag fallenden Marktes ge rade den Sonntag recht lebhaft ist. In Stunden, wo es heißt: „Das ist der Tag des Herrn!" und der Mensch sich einer feierlichen Stimmung hingeben soll, da quiken Schweine und von den gehörnten Vierfüßlern erklingen Töne, die durch aus nicht an Vater Haydn's „Ochsen-Menuett" erinnern. Außer diesem Viehtransporten von den Bahnhöfen, gehen auch viele dorthin wieder zurück. Dieser Umstand ließe sich dadurch beseitigen, wenn mit der Verwaltung der Schlesischen Eisenbahn ein Abkommen dahin getroffen würde, daß die Aus- und Einladung des Viehes gleich an dem Grundstück der Fleischer-Innung geschähe, welches unmittelbar an der Bahn liegt. Ja, es könnte die Sache sich vereinfachen, wenn ein Schienenstrang bis in das Grundstück hineingelegt würde. Sollen jedoch die Ochsen nach längerer Eisenbahnfahrt noch einen Spaziergang machen, so ist auch abzuhelfen. Es ließe sich hier der einsame, wenig begangene Weg benützen, der die Maschinenhaus- und Hellerstraße mit der Lößnitzstraße ver bindet und von dieser aus den Dammweg bis zur Schön- brunnstraße, welche ebenfalls das Kammerdienersche Grund stück begrenzt. Auf diese Weise würden die hauptsächlichsten Viehtransporte den belebteren Verkehrsstraßen entzogen und Einsender dieses giebt sich der Hoffnung hin, daß sein Wort, seine Bitte, im Namen Vieler gesprochen, gehörigen Ortes ge neigte Berücksichtigung finden werde. Paris, 12. Nov. Als die Minister sich vorgestern nach Compibgne begaben, überfuhren sie einen einer Bäuerin ge hörenden Esel. Die Frau wurde mit 200 Frcs. entschädigt, und Fould ries spöttisch: „Ach, meine Herren, warum können wir nicht alle Esel, die uns im Wege stehen, so wohlfeilen Kaufes los werden?" Die Geldkrise macht auch witzig. Aus Tüffer meldet ein Korrespondent der „W. Pr." einen tragischen Selbstmord. Vor wenigen Tagen fand im dortigen Bezirke- eine Hochzeit statt. Die neunzehnjährige Braut genoß vor der Brautnacht Arsenik und starb daran. Sie liebte einen Mann, der nicht ihr Gatte werden konnte, und deßhalb zog sie es vor, zu sterben. „In Steiermark", setzt der Berichterstatter hinzu, „kommt dieser Heroismus der Liebe sehr selten vor." * Die Schotten sind dem Trünke sehr ergeben, deshalb ist das Bemühen von Menschenfreunden seither dahin gerichtet, Mäßigkeitsvereine unter denselben zu gründen. Auch die Re ligion hat sich hineingemischt, und möchte es von Interesse sein, die Rede kennen zu lernen, welche vor einiger Zeit ein Pfarrer vor seiner Gemeinde hielt: „Meine Brüder," sagte er, „Eure Ausschweifungen werden nach und nach unerträg lich. Gewöhnt Euch doch an die Mäßigkeit in allen Dingen und hütet Euch vor starken Getränken. Wenn ihr aufsteht, dürft Ihr ein Gläschen Branntwein zu Euch nebmcn, um den Mägen zu kräftigen, ein anderes vor dem Frühstück und allen falls eins nachher; aber befaßt Euch nicht mit beständigem Trinken. Wenn Ihr Morgens ausgeht, nun, so könnt Ihr ein Gläschen wegen des Nebels nehmen, vielleicht eins vor dem Mittagessen, was nicht zu verdammen wäre; aber laßt Euch nur nicht fortwährend mit der Flasche in den Händen blicken. Niemand wird etwas einzuwenden haben, wenn Ihr ein Gläschen beim Dessert trinkt und ein anderes beim Auf heben der Tafel, um auf die Gesundheit Eurer Freunde anzu stoßen. Dies Alles ist vernünftig gehandelt, selbst wenn Ihr, um Euch Nachmittags zur Arbeit frisch zu erhalten, Euch mit noch einem bis zwei Gläschen laben solltet. Aber scheußlich ist es, sich mit solchem Getränke übermäßig anzufüllen. Ist daS Tagewerk vollbracht, dann darf man, um sich wieder zu stär ken, ein Gläschen und nach dem Abendessen wieder eins nehmen. Ein weiteres nach dem Thce ist auch nicht zu viel. Endlich, da man eine längere Angewohnheit nicht so schnell ablegeu kann, will ich, wenn Ihr nicht anders wollt, zugeben, daß Ihr noch ein Gläschen vor dem Schlafengehen und in der Nacht beim Aufwachen allenfalls eins oder zwei, um wieder einschlafen zu können, genießt; aber meine lieben Freunde, dabei laßt's bewenden, sonst werdet ihr die Grenzen der Mäßigkeit überschreiten." * Ein Kürschner in Wien, dem ein großer Theil der Damenwelt das Pelzwerk den Sommer über zur Aufbewahr ung giebt, hatte die Gewohnheit, jede Peliffe mit dem Namen der Besitzerin zu versehen und dazu noch verschiedene Anmerk ungen zu machen, die ihn vor Nachtheil schützen sollten. So schrieb er auf einen Zettel die Bemerkung: „Hat drei dcfecte Stellen," auf einen andern: „Ist links ganz abgefreffcn", auf einen dritten: „In der Ecke zerrissen" re. re. Eine Dame, die schon ein gewisses Alter überschritten, aber noch immer als in den besten Jahren stehend geltend will, hatte gleichfalls ihre Peliffe dem vorsichtigen Kürschner übergeben und ließ sie dieser Tage durch ihr Stubenmädchen holen. Kürzlich macht sie Abends einen Besuch in einem befreundeten Hause und als sie sich entfernen wollte, begehrte sie ihre Peliffe. Man bringt sie die Dame hüllt sich in dieselbe ein — und beginnt ihre Ab-