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Sonnabend, 1L. Rovbr. L8S4. Nennter Jahr«. Täglich früh 7 «he. Inserate werden angenommen: disÄbe»dSv,Lon«. ragS dis MMag» 12 Uhr: Marienfiraße 18. Abonnement: BicrtrljLhrlich AtNg-. bei unentgeldlicherLie ferung in'« Hau«. Durch die Kvnigl. P»^ vierteljLprlich SS Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Nnzeig. in dies- Blatte, da« jetzt in 1V,OVO Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drotnsch. Inseratenpreise: Fllr den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthnm der Herausgeber: Oikpfch Nellhnrdt. — Verantwortlicher Redacteur: JulittS Neichardt. Dresden, den 12. November: — I. K. K. Hoheit, die verwittwete Frau Großherzo gin von Toscan, ist gestern Mittag jl Uhr nach Brandeis gereist. — Der bekannte Prozeß gegen Herrn Redakteur Siegel wegen angeblicher Beleidigung des Königs von Preußen hat dadurch seine definitive Erledigung gefunden, daß durch Se. Maj. den König die zuerlannte dreiwöchentliche Gefängniß- strafe in 20 Thlr. Geldstrafe verwandelt worden ist. — Wenn uns heute die angenehme Pflicht obliegt, über das vorgestern Abend im Saale des Lincke'schen Bades in Scene gegangene Festspiel zur Jubelfeier des 25jährigen Bestehens der Dresdner Liedertafel zu berichten, so müssen wir den Blick noch einmal auf das an vergangener Mittwoch in der Kreuzkirche abgehaltene geistliche Concert lenken. Ein großes Verdienst um die Ausführung und Leitung desselben hat sich unstreitig der Liedermeister, Herr Friedrich Reichel *) erworben indem er die anerkannt schwierigste Composition Robert Schumann's: die achtstimmige Motette: „Verzweifle nicht!" zur vollen Geltung und zu einer in allen seinen Theilen höchst correcten Aufführung brachte. Nicht zu ver gessen sei dann noch die schöne Conrposition des 23. Psalm von Julius Otto, so wie ein 8alvum luv regem von 3!. Pfetzschner, wie denn auch hier bei allen Ausführungen das Lade'sche Musikchor in der Orchestcrbegleitung sich höchst wacker erwies. — Der vorgestrige Festplatz des zur Aufführung be stimmten Festspiels war, wie oben mitgetheilt, der Saal des Lincke'schen Bades, wo sich an 900 Personen eingefunden hatten, unter denen wir auch Herrn Staatsminister von Beust und Herrn Polizeidirector Schwauß bemerkten. Ein Jnstrumental-Concert der Lade'schen Capelle eröffnet« den ersten Theil, worauf die Vocal-Vorträge mit und ohne Or chester Compositioncn von F. Hiller, Nich. Wagner (frühere Liedermeister der Dresdner Liedertafel), sowie von Carl Krebs, dem jetzigen Dirigenten, zu Gehör brachten. Den zweiten Theil bildete nun das von Herrn Or. F. L. Bösigk gedichtete und von Herrn Cantor und Musikdirektor Julius Otto in Musik gesetzte Festspiel, ein Werk, wo die Muse der Dicht- und Tonkunst trefflich Hand in Hand ging. Ein dramatisch-musikalisches Werk gleicht einem Gemälde; es in das rechte Licht zu setzen, ist Sache der Ausführenden. Dieser Aufgabe, dieser Pflicht unterzogen sch alle die Mit wirkenden trefflich. Alle fühlten, daß die Ehre des Dichters und des Componisten auch die ihrige sein müsse und so ging das dreiactige Werk wahrhaft glänzend tn Scene, was um so höher zu achten, da die Personen des Stückes mit den Chören an siebenzig Personen in Anspruch nahmen. Das Festspiel entwickelt sich wie folgt: Wandernde Minnesänger gerathen mit Einbruch der Nacht in waldige Gegend und nach einem Chor zu Ehren der Frau Minne beschwört Einer die Elfen und Nachtgeister, die Sänger in ihre Huth zu nehmen. Nach Vollendung eines Liedes erscheint der Genius des deutschen Männergesanges. Ihr huldigen die Sänger, sie wünscht zu vernehmen, wie deutsche Sänger es mit dem Lied halten. Schalk tritt vor und erbietet sich zur Dienst barkeit an, er holt die Meistersängcr und durch eine Hymne auf die Tonkunst zeigen sie sich berechtigt, die Schaar der Sangesbrüder zu vermehren. Zum bevorstehenden Liedertafel fest ladet Schalk den Genius mit sämmtlichen Sängern ein. Der Genius stimmt ein, Herbrirufung des Geistes der Lieder tafel, Gesang der nach dem Elbestrande wandernden Sänger. — Zweiter Akt. Dekoration: Im Hintergrund Dresden, im Vordergrund rin Thron. Platzergreifung des Genius umringt von den Sängern. Die Personifikation der Lieder tafel mit Gestalten aus musikalischen Werken tritt auf, die einhrrschreitende Liedertafel verlangt Rede wegen Besitz- ergreifung de» Thrones ErkennungSscene. es formt sich rin langer Zug von Gestalten aus Liedertaselsingspielen der letz ten Jahre, wo Schalk dm Cxpliceur macht Im dritten Auf. zug will der Genius Abschied nehmen. Der Schalk vereitelt dies, damit Erster« noch die Erlebnisse der Liedertafel ver nehme. Ein großes lebendes Bild. Melodram, Ritter, Reisige, Studenten, Künstler, Fischer, Matrosen, Jäger, Llitzvwer Jä ger. Enthüllung der Sängerhalle, wie sie für da» Jrhr 1865 in Aussicht steht. Echlußchor. — Höchst finnig und doll musikalischer Schönheit war schon im ersten Act der Shor der Minnesänger: „Wir fahren dahin durch da» weite Gefild ', sowie da» später darauf folgende Lied: „Zu Thale stieg ein IS- gelsmann" (Tenor), wa» durch Hrn Tempefla sich eine« gediege nen BortrogS erfreute. Nicht minder doll Reiz war das Solo: „So viel Reize al» Dich schmücken re" Eine Hauptmlle in dem Festspiel: der Geniu« de» deutschen Männergesangs«, *), Mit freudigster Aircrkennung wurden daher auch Herrn Rcichel's Verdienste am Mittwoch Abend in einen: Toaste von Herxn Adolph Renner erwähnt. welche rhetorische Kraft und Deelamatiou verlangt, befand sich in de» Händen de» Frl. Helbig und kam durch diese Dame zur schönsten Geltung Gleiche Anerkennung verdient Herr August Renner (Schalk), Fräulein BarteldrS (Vertreterin der Liedertafel) und Herr Hübner. Viel Heiterkeit erregte der schottische Glockenspieler, der auf einem lebmden Ponny an- geritten kam. wie denn der Schattentanz aus Dinorah, von Herrn August Renner auSgrführt, einen Gipfelpunkt humori stischer Darstellung bildete Da» lebende Bild mit Melodram im dritten Aufzuge entzückte Auge wie Ohr, während hierauf der Ehor Lützower Jäger einen wahren Sturm der Begriffe- rung hervorrief. Meister Otto und vr. Bösigk haben mit die- sem Werk sich ein neues Blatt in den Kranz ihre» Ruhme» gewoben und der Beifall und Hervorruf Beider durch die zahlreiche Versammlung war wohlverdient und gerecht. Der an jenem Abend roch folgende Ball war ein höchst glän zender. — Auf dem am 9. in Räcknitz unter dem Vorsitze des Herrn AmtSlandrichterS Grahl aus Boderitz aigehultenen Gcmeindetage, an welchem die Herren AmtShauptmann von Vieth, Hofrath Heink und die Herren Friedensrichter Frhr. von Burgk auf Roßthal und Preußer auf Lockwitz Theil nahmen, waren einige 40 Gemeinden de» Dresdner Amtsbe zirks vertreten, und eS fand der auf einen Anschluß an den BezirkSarmenverein zu Pirna, behufs der Unterbringung ar beitsscheuer, aber arbeitsfähiger Subjrcte in dem, von jenem Vereine begründeten Arbeitshaus« gerichtete Antrag allgemei nen Anklang und Unterstützung. Mehr al» die Hälfte der vertretenen Gemeinden erklärten ihren sofortigen Beitritt, während die übrigen Gemeindebeamten sich bereit zeigten, den Anschluß in ihren Gemeinden zu befürworte». Mehrer« Ort schaften, z. B. Blasewitz, Lockwitz re., habe« schon früher ihren Anschluß erklärt, und so steht «nt Sicherheit zu erwarten, daß der angeregte Plan seiner gedeihlichen Ausführung entgegen- geht. (S. D) — In Bezug auf die in der Berliner Börsenzeitung enthaltene und auch in hiesigen Blättern wiederholte Notiz über das bedeutende Anwachsen der auf ausgelooste und un- erhoben gebliebene k. Preuß. Staatsschuldenverschreibungen bei den Kassen zinslos liegende Beträge, dürfte die Bemerkung als überflüssig nicht erscheinen, daß, soviel Einsender bekannt, die Nummern der unerhoben gebliebenen Scheine unter den nachfolgenden Verloosungslisten nicht verzeichnet werden, wie dies in Sachsen geschieht, sonach aber den Betheiligten die Gelegenheit entgeht, frühere Versehen wieder gut zu machen. Daß diese Wiederholung aber wenigstens bei den vormals k. Sächsischen jetzt k. Preußischen Steuer-Creditkassenscheinen (s. g. Merseburger) nicht geschieht, davon kann man sich alle Halbjahre aus der in der Leipziger Zeitung veröffentlicht werdenden Verloosungsliste überzeugen. Daher widerfuhr es Einsendern, daß er erst nach drei Jahren, als er neuer Coupons bedurfte, von einem ausgeloosten Scheine dieser Gattung, Kenntniß erhielt, und ihm bei der Auszahlung der inmittelst erhobenen Zinsen in Abzug gebracht wurden. — Am 14. November findet das Concert der neun jährigen Pianistin Jda Bloch statt. Die kleine Tausendkünst lerin leistet für ihr zartes Alter wirklich Staunenerregendes und dürfte das sehr manichfache Programm einen ebenso an genehmen als genußreichen Abend versprechen. — In den jüngstverflossenen Tagen hat in Jena zwischen zwei an der dortigen landwirthschaftlichen Lehran stalt studirenden jungen Leuten ein Duell stattgefunden, in dem leider der Eine der beiden Duellanten getödtet worden ist. Derselbe heißt von D. und stammt aus Rußland, seine Mutter ist aber dermalen in Dresden wohnhaft. Sein Geg ner, H., ist ein geborner Dresdner und der Sohn eines hie sigen Staatsbeamten. Er hatte das Unglück, daß während des Duells die Klinge seines Schlägers sprang und der ab gesprungene Theil dem Erstern mchrere Zoll tief in das Herz eindrang und ihn dadurch tödtete. — — Aus Meißen schreibt man der „D. A. Z.": Die diesjährige Weinerte, welche mit Schluß des Oktober beendigt worden ist, hat mit Rücksicht auf den ungünstigen Witterungs- Verlauf des ganzen Jahres und den in der ersten Woche v. M. eingetretenen starken Frost, welcher zwei Dritttheile der Frucht zerstörte, ein sehr unerfreuliches Ergebniß geliefert. Die Quantität, welche ohne den Frost eine sehr bedeutende hätte werden können, erreichte kaum ein Drittheil von der eines Mitteljahres, während die Qualität den geringsten bei zuzählen ist, die wir seit einer langen Reihe von Jahren ge habt haben. — Die königl. Polizeidirektion ersucht das Publikum um Unterstützung bei der Festnahme einer unbekannten Frauensperson, die sich, fälschlich Anna Haupt nennend, für ein Dienstmädchen aUsgiebt, dessen Herrschaft auf kurze Zeit verreist sei, und die Leute, bei denen es ihr gelingt, sich hier inzwischen Unterkommen auszumitteln, bestiehlt und darauf mit den entwendeten Gegenständen alsbald verschwindet. Die Schwindlerin soll geM 26 Jahre alt, von langer Statur und mit schwarzem, mit dunkelgrüner Feder und schwarz- wollenem Schleier verzierten Filzhut, blauem Thibetkleid und mit einem Tuchpaletot bekleidet sein, der einen Perlenbe satz hat. — — 4 Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 11. November. Fünf Einspruchsverhandlungen stehen heut an. Zuerst finden wir ein sogenanntes Brautpaar als Angeklagte, welches des Betrugs beschuldigt, aber heut nicht erschienen ist. Die beiden Beschuldigten heißen Heinrich Otto Jänicke und Anna Marie Winter. Ende Mai 1863 kamen Beide in das Geschäft des hiesigen Schneidermeisters Weilbrenner und be stellten elegante Damenanzüge. Er sollte sie in die Wohnung senden, Neuegaffe 4. Die Winter hieß aber nicht Winter, sondern Amalie Henriette Faulwafser und wohnte bei Jänicke, der Inhaber des Geschäfts C. C. Winter, Landhausstraße Nr. 15 sein soll. Die Faulwasser ist bei Oschatz zu Hause, 22 Jahr alt und im Laden ihrer Schwester Landhausstraße Nr. 15 beschäftigt gewesen. Als die Beiden zu dem Schnei dermeister kamen, erklärten sie, sie würden Nachmittags be zahlen Nachmittags wurde die Rechnung hingesendet, aber nicht angenommen, sie meinten, sie würden selbst hinkommen. Da erfolgte eine zweite Zusenvung der Rechnung, auch diese wurde zurückgewiesen. Da ging er, Jänicke hin, bestellte Proben seidener Stoffe, er wollte mit seiner Braut Marie zu ihren Eltern fahren. Er sagte: „Meine Braut ist eine reiche Gutsbesitzerstochter aus der Gegend von Oschatz, ja, man muß jetzt selbst nur nach Geld gehen!" Nach der Rückkehr von Oschatz wurde ein seidenes Kleid, elegant und mit Spitzen besetzt, bestellt. Das muß allerdings sonderbar erscheinen, wenn wir erfahren, daß Mariens Vater nur noch von Holz- pantoffclmachen lebe. Am 27. Juli wurde das Kleid abge holt und da die Marie das Kleid allein auf ihre Rechnung nehmen wollte, so wurde es nicht verabfolgt. Die ganze Täterschaft war darauf gerichtet, Credit zu erhalten unter falschen Vorspiegelungen, wahrscheinlich nur, um mit den. Spitzenkleidern Staat zu machen. Jänicke und Faulwaffer erhielten jedes 2 Monate Gefängniß und mußte jedes ein Dritttheil der Kosten tragen, wogegen Beide Einspruch erhoben. Der Vertheidiger Herr Advocat Emil Lehmann geht auf die Hauptpunkte ein, um die Sache Jänickes zu mildern. Es handle sich hier nur um einen Civilprozeß. Uebrigens sei noch gar nicht ermittelt, wieviel das Brautkleid Werth sei und ob es überhaupt gepaßt habe. Herr Staatsanwalt Held stellt sich auf den Standpunkt der Verthcidigung und legt das Schuldig oder Nichtschuldig der Angeklagten in das Ermessen des Gerichtshofes. Die Angeklagten werden freigesprochen wegen Mangel an vollständigem Beweise. — Die zweite Ein spruchsverhandlung zieht ein zahlreiches Publikum in den Ge richtssaal namentlich sind die verschiedenen Dicnstmänner und ihre Freunde stark vertreten. Neben dem gewöhnlichen Lo calreferenten nehmen noch zwei besondere Stenographm Platz. Es handelt sich hier um eine Priva'tanklagesache des Kaufmann Adolph Hessel, Direktor des lk. (orange) Dienstmanninstituts wider den Kaufmann Eduard Geucke, Director des l. (rothen) Dicnstmanninstituts zu Dresden, wegen Beleidigung. Der Hergang ist folgender: Am 2. Februar 1864 wurde einer jener Didnstmänner, die lieber Alles nach ihrem Kopfe machen, als sich wohlgemeinten und zur Aufrechterhaltung von Ord nung, Sitte und Anstand dienenden Instructionen fügen wol len, vom l. Dicnstmann-Jnstitut entlassen. Einige Monate später kam der Mann in das Hauptcomptoir, um auf's Neue Anstellung zu suchen und verlangt, da ihm diese verweigert wird, in ziemlich ungebührlichem Tone ein Zeugniß. Auf die von Geucke an ihn gerichtete Frage, wozu er jetzt auf einmal ein Zeugniß brauche, da er sich doch früher keins habe geben lassen, cntgcgnete der Dicnstmann, er wolle zum II. Dienst manninstitut gehen. Geucke sagt hierauf: „Dort brauchen Sic am allerwenigsten ein Zeugniß, Sie sind ja nur wegen einer einfachen Jnstructionsvcrlctzung entlassen worden; Hessel hat schon Spitzbuben und Säufer angestellt, da wird er Sie erst recht annehmen!" Dieser Ausdruck ist der Anlaß zum Prozeß. Mit den Worten: „Das werde ich Herrn Hessel sa gen!" verließ der Dienstmann das Comptoir. Hessel hörte dies auch wirklich und verklagte den Geucke wegen Beleidig ung. Letzterer erhielt nun Weisung, zunächst Beweise für die . Wahrheit seiner Aussage vorzubringen und das that er durch folgende Zuschrift: „Dresden den 8. Juli 1864. An das Königliche Bezirksgericht zu Dresden. Von dem Kaufmann A. Hessel hier wegen der von nur gegen einem Dienstmann gethanen Äußerung, er (Hessel) habe auch Spitzbuben und Trunkenbolde angestellt, es werde also nicht darauf ankommen, ihn (den Dienstmann, der wegen weniger gravirender Sache von mir als Dienstmann entlassen tvurdej) auch noch anzu«