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,N'Ü 318. Dienstag, 8. Rovvr. 1864. <Mchrmt: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden »»genommen: bis Abend- S,Sonn tags bis Mittags 12 Uhr: Marienfiraße 18. Anzeig, in dies. Blatte, daü jetzt in 10,060 Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. MoniiclnenL: Vierteljährlich 20^'L. bei unentgeldlicherl ,.-" serung in's Haut. Durch die König!. Pos! vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. '1 Tageblatt säe Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: littpsch ^ Neilhardt. — Verantwortlicher Redakteur: JutillS Neilhlirbt» Dresden, dm 8. November. — Se. Majestät der König hat dem zuletzt in Warte field gestandenen Oberstleutnant von Strautvitz von der Infanterie die erbetene Entlastung aus den Kriegsdiensten, mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniß zum Tragen der Armeeuniform bewilligt; desgleichen den Oberleutnant Weber des 16. Infanterie-Bataillons zum Brigade-Adjutanten der Leib-Jnfanterie-Brigade und den Leutnant von Nouvroy des 14. Infanterie-Bataillons zum Oberleutnant ernannt. — Vorgestern Mittag ist Se. K. Hoheit, Prinz Theodor von Bayern, der Bräutigam Ihrer K. Hoheit, der Prinzessin Sophie von Sachsen zum Besuch an unserem K. Hofe hier eingetroffen. — Der erste der ästhetischen Vorträge über deutsche Literatur von Hrn vr. Scmler, fand Sonnabend d. 5. Nov. im Saale des Hotel de Pologne statt und hatte Gottfried v. Straßburg's „Tristan und Isolde" zum Thema. Nach dem der Vortragende, den epistischen Character dieser, aus französischer Urschrift stammenden, romantischen Dichtung genau gezeichnet, schilderte er den Inhalt dieser, von Meister Gottfried um 1220 in vollendeter Sprache und Rhythmik bearbeiteten Sage, theils erzählend, theils Bruchstücke aus Simrock's Uebersetzung vorlesend. Da Herr vr. S. ganz be sonders beabsichtigt, durch seine Vorträge anregend zu wirken und seinem zahlreichen, vorzüglich aus Damen bestehenden Zuhörerkreis größeres Interesse an Dichterwerken cinzuflößen, so kann des rein Literaturgeschichtlichen weniger Erwähnung geschehen. — Wir erfahren nachträglich, daß auf dem hiesigen Leipzig-Dresdner Bahnhof vorgestern Morgen mit dem Wagen- aufschreiber Jährig zugleich noch her Weichensteller Weide! verunglückt ist. Auch er ist von einer Maschine, die er wegen des plötzlich eingetretenen Schneefalls nicht bemerkt, erfaßt, aber glücklicher Weise nur auf die Seite geworfen, und dadurch nicht unbedeutend am Kopse verletzt worden. Weide! wurde in seine auf den Scheunenhöfen gelegene Wohnung, dagegen Jährig in das Krankenhaus gebracht. — — Der gestern begonnene Vichmarkt in hiesiger Fried richstadt war zwar vom Wetter begünstigt, doch schien der selbe — wenigstens bis Mittag — nicht zu den flotten ge zählt werden zu können; die Geschäfte gingen flau und die Preise waren gedrückter als sonst. An Pferden waren zwar viele, doch- weniger als früher am Platze und es be fanden sich etliche schöne Thiere darunter. Hornvieh war wenig zum Verkauf gestellt. Schweine und namentlich Ferkel waren zwar viele am Platze, allein der Absatz war minder stark und die Preise — namentlich der Ferkel — bedeutend niedriger als sonst, wovon der Umstand, daß Mittags solche in der Regel nicht mehr zum Verkauf gestellt sich vorfanden, Zeugniß ablegen dürfte. — Vorgestern fuhr ein hiesiger Droschkenkutscher mit der Deichsel seines Geschirrs in das Ausstellungsfenster des Tho- mas'schen Drstillationsgeschäftes auf der Annenstraße hinein, so daß, abgesehen von der zerbrochenen Fensterscheibe fast sämmtlichc Flaschen zertrümmert wurden, die sich in dem Schau fenster befanden. Das Pferd, das mit seinem Kopfe gleich falls durch die Fensterscheibe durchfuhr, soll keinen Schaden genommen haben. — — Uebcr den von uns schon erwähnten Unfall berichtet das Dr. I.: Am 4. d. M. Abends benutzte der Gutsbesitzer Hensel aus Großdrebnitz den von Dresden aus der schlesischen Bahn abgegangene« Eisenbahnzug und stieg auf dem Haltepunkt Hartha ab. Bald darauf, als der Zug Weickersdorf passirt war, wurde H. vom Bahnwärter unweit des genannten Dorfes mit bedeutender Kopfwunde auf der Strecke liegend aufge funden. Wahrscheinlich ist H. beim Weiterfahren heimlich auf den Wagentritt getreten, um bei Weickersdorf herunterzusprin gen. Der Verunglückte ist gestorben. — Der Wagcnschieber, der am Sonnabend Abend auf dem hiesigen Schlesischen Bahnhofe, zwischen die Puffer von zwei Packwagen gerieth, heißt Schierschmidt. Er hat, wie man hört, dadurch ein Schlüsselbein gebrochen, und wurde zu erst in seine auf der Maschinenhausstraße gelegene Wohnung, später aber von dort in das Krankenhaus gebracht. — — g. Die auch unserm Publikum nicht unbekannte Sou brette Frln. Jda Schiller, welche im Sommer dieses Jahres ein längeres Gastspiel auf dem zweiten Theater gegeben, ist in Berlin, in der Blüthe ihrer Jahre stehend, kürzlich gestor ben, dem Vernehmen nach sollte sie in der Wintersaison bleibend für unser zweites Theater gewonnen werden. — Der Bahnarbeitcr Ulbricht, der vor mehreren Tagen auf dem schlesischen Bahnhofe beim Wagcnrücken das Unglück hatte, mit einem Nockschooß an einem dortigen Gränzpfahle hängen zu bleiben, in dessen Folge er von dem Wagen, an dem er sich angehängt, herabfiel und überfahren wurde, ist, wie man hört, im Krankenhanse an den erhaltenen Verletzun gen gestorben. — — 8. Am Sonntag eröffnet? Herr Böning im Gewand hause seinen Zaubersalon. Wenn es dem Künstler darum zu thun war, den Beweis zu liefern, daß man auch ohne alle Reklame Gutes leisten kann, so ist ihm dieß gelungen. In seinem geschmackvoll und elegant ausgestatteten Zaubertempel führt der junge gewandte Künstler seine Experimente mit Sicherheit ohne alle fremde Hilfe aus, die an die besten seiner Kunst erinnert. Sind seine Zauberkünste auch nicht durchweg neu, so sind sie doch sehr überraschend und werden in so lie benswürdiger Weise vorgetragen, daß es uns anheimelt m seinem Salon. Jeder wird gern ein paar Stündchen ange nehm dort hinbringen. — Das Dienstpferd, auf dem der Fahrer Richter von hier entwichen, ist auf den Fluren bei Moritzburg aufgefan gen und hier bereits wieder cingeliefert worden. Wohin aber Richter gekommen, ist bisher noch ein Näthsel. Man glaubt, daß er sich das Leben genommen hat. Dem Sattelzeug des Pferdes war, als es aufgcfangen wurde, sagar der Säbel des Züchter angeschnallt. — — Einige Herren in der Restauration zum Rheinischen Hof machten am Sonntag Nachts die Wette um 20 Thlr.: Ob Jemand von dem Orte ihres Beisammenseins bis zum Böhmischen Bahnhof in 10 Minuten hin- und herlaufen könne. Ein junger Kaufnzann unternahm diesen Lauf, doch hätte er beinahe die Wette dadurch verloren, daß er, am böhmischen Bahnhof angelangt, einen zufällig Nachts L Uhr dort anwesenden Laternenwärter einen mitgenommenen Cigar renbecher übergeben wvllte, als Beweis, daß er bis dorthin gelaufen. Der Diener des Lichts, überrascht durch die ge flügelten Worte „nehmen Sie, es gilt eine Wette," vermuthete etwas Diebisches f« der Tjache, schrie nach Hilfe und hetzte dem Davoneilenden eine ganze Strecke nach. Dennoch traf der junge Mann noch vor Ablauf der 10 Minuten im Rheini schen Hof wieder ein und nahm seine 20 Thaler in Empfang. — Die feierliche Einsegnung des Hoffmann'schen goldnen Ehejubelpaares erfolgte vorgestern Mittag in der Kreuzkirche, unter sehr zahlreicher Theilnahme. Von bekannter und unbe kannter Hand waren dem Jubelpaar zahlreiche Festgeschenke zu Theil geworden. Seiten des Stadtraths war eine Gckdsumme verwilligt, um den braven Alten einen Festtag zu bereiten, an welchem auch die Angehörigen Hoffmanns, sowie seine 8 Stuben genossen im städtischen Versorghause theilnahmen. — Das dreimalige Anschlagendes Feuersignals vom Kreuz- thurme am gestrigen Morgen ward dadurch veranlaßt, daß der Thürmer das Auflodcrn eines ziemlichen Feuers auf einem Neu baue in der Halbegasse bemerkte. Die Maurer hatten dort einen Haufen Hobelspähne zum Erwärmen des gefrorenen Kalkes an gezündet, der Thürmer hatte dieß aber für ein Schadenfeuer ge halten. — Dieser Tage kam ein Gerichtsamtsdiener in die Woh nung eines Wechselschuldners in D um solchen in die Gefilde der Wechselstube mitzunehmen. Der arme Mann war nämlich außer Stande gewesen, einen fälligen Wechsel einzu- löscn. Krank war er auch dazu und eben kurz vor Eintreffen des gefürchteten Mannes in jene Welt, wo es keine Wechsel und Wechselstuben giebt, gegangen. Mitnehmen konnte ihn also der Gerichtsdiener nicht, er überzeugte sich vom Tode seines Pflegebefohlenen — und ging ab. — Von anderer Seite berichtet man uns aus Stolpen: Die in einer der letzten Nummer dieser Blätter erzählte Räu- bergeschichtc aus den Wäldern der Helmsdorfer Husitten- Schanze und den Schluchten der zwischen Dorbra und Lohmen gelegenen Appeninen, gab auch in Stolpen zu einer großen Heiterkeit Veranlassung; allein die geträumte Unsicherheit un serer Landstraßen könnte leicht in weitern Kreisen besorgniß- erregend wirken, deßhalb lassen wir heute das Lachen sein. Jener aus der Husitten-Schanze gemeldete Raubanfall dürfte sich ebenso in Wohlgefallen auflöscn, wie die zwischen Lauter bach und Drebnitz vor einiger Zeit gemeldete Knebelung eines Dienstjungens, ebenso wie auch der Raubanfall auf der Fisch bach Stolpcner-Chaussee, bei Hellem lichten Tage, an einer Cigarrenarbeiterssrau von Neudörfel, nicht vermögend war die hiesige Landschaft in Schrecken zu setzen. Daß ein „Bissel Polizei", wie der Berichterstatter sich auszudrücken beliebt, nicht die Schuld trägt, wenn die hierauf angestellten Nechcr- ch en zu keinem Resultate führen, das zu erklären, dürfte nicht scklwer halten. Im Interesse der „a bissel Polizei" müssen w ir ein für alle Male jenem Berichterstatter entschieden ent- ge zcntreten, denn wer kennt nicht die aufopfernde Thätigkeit un sereS Gcnsdarmen, wie auch die unserer Gerichtsbehörde? W er bat nicht zu oft die in hiesiger Gegend stereotyp gewor den ic Redensart gehört: „Na, wenn's Perls Karl nich raus bek cmmt, da kommt's nich raus". Gegründet ist es aller- din gs, daß auch in hiesiger Gegend in der neuern Zeit einige Einbruchsdiebstähle vorgekommen sind, allein über eine Unsicherheit der Straßen hört man keine Klagen, höchsten- erfährt man zuweilen, daß ein Benebelter den Chausscegraben für die Straße ansah und einige Flüche der Fuhrleute, wenn frisch die Steine ausgeschüttet wurden. Hoffentlich dürften nun aber erstgenannte Einbruchsdiebstähle ihre Endschaft er reicht haben, nachdem in der Nacht vom Donnerstag zum Frei tag der Gutsbesitzer Klepsch in Bonnewitz den schon seit län gerer Zeit steckbrieflich verfolgten Dieb Judenfeind in dem Augen blick gefangen genommen hat, als derselbe im Begriff stand, als Frauenzimmer verkleidet, in Älepschens Wohnung einzu brechen. Der in Porschendorf in der Pfariwohnung ver übte Embruchsdiebstahl soll geständigcrmatzcn ebenfalls von jenem industriellen Subjekte verübt worden sein. Für heute schließen wir, rathen aber jeden noch in Autorität stehenden Spitzbuben, in Zukunft eine Schulwohnung ungeschoren zu lassen und wenn es nicht zu umgehen ist, wenigstens die stenographischen Manuskripte und das den Baunscheidismus angehörige Instrumentarium unberührt zu lassen, denn sonst setzt ein solcher Herr auf Kosten „a bissel Polizei" alle Klin gelzüge der Gerichtshöfe und Staatsanwaltschaften,in Bewe gung, und dann wehe Euch. Königliches Theater. -^.§*2 Sonntag, den 6. November, wurde zum ersten Male aufgeführt: „Edda", Drama in vier Akten von Jo seph Weilen. Die fast verödeten Plätze des ersten Ranges und des Amphitheaters gaben wieder einen traurigen Beweis der Vernachlässigung des ernsten Schauspiels in den Kreisen des flatternden Hochwilds (baute voloe). Dagegen waren Parterre und Cercle trotz der erhöhten Einlaßpreise (die man billig vermeiden sollte, wo es gilt, einem neuen deutschen Drama die ohnedies spröde Theilnahme des Publikums zu gewinnen) ziemlich dicht besetzt. Auch wohnten in der Hof loge Ihre Königl. HH. der Kronprinz, die Kronprinzessin und Prinzessin Amalie der Vorstellung bei. Das Stück errang nur einen sehr mäßigen Achtungserfolg und dürfte auch kaum , mehr verdienen, selbst abgesehen von seiner Darstellung, die vielleicht in mehrfacher Hinsicht hinter den Intentionen des Dichters zurückblieb. Der Stoff des Dramas ist der Geschichte » des dreißigjährigen Krieges entlehnt. Schauplatz der Handlung ist die Küste Ostfrieslands. Der kräftige Volksstamm der Friesen befreit sich durch kühn entschlossenes Handeln von dem Joche des Obersten von Carpczan, eines Commandanten - Mannsfeldischer Freischaarcn, der in das Land eingefallen ist, t cs mit den Greueln seiner Soldateska verheert und sich zu : seinem Fürsten aufwerfen möchte. An diesem Freiheitskampfe der Friesen nimmt als eine Landsmännin die eigene Gattin Carpezans Theil, nachdem sie in Ersabe, der Schwester des Rathmanns Kienholt, ihre eigene Mutter wieder erkannt hat, der sie in frühester Kindheit durch ein Zusammentreffen der wunderbarsten Umstände entrissen worden. Die Bestrebungen Carpezans ergeben einige matte Anklängc an Schillers Wal- lenstcin, gleichwie das Handeln der zum Freiheitskampfe heim lich verbundenen Friesen einige blasse Rcminisccnzen an „Wilhelm Teil". Beides würde nicht der Fall sein, wenn der Autor mehr Schürfe der Charactcristik und Erfindungsgabe in dm dargestellten Persönlichkeiten und Situationen bewiesen hätte. Dian würde dann jene Aehnlichkeiten als rein zufäl lige und äußerliche hinnchmcn. Aber die Eharacterc sind un klar, des eigenthümlichcn Gehalts und der psychologischen Wahrheit entbehrend. Die Situationen sind unbedeutend, und könnten ebenso gut andere sein, um den Ausgang des Dramas herbeizuführcn, bei welchem wieder dem Zufall eine gar zu großmüthige Nolle angewiesen wird, indem derselbe mitten in einer großartigen Metzelei (bei der freilich Carpezan fallen muß) die Heldin Edda unverletzt stehen läßt. Der Gang der Handlung ist während der beiden ersten Acte , schleppend. Die Erzählung muß zu häufig dazu dimen, die - Situation verständlich zu machen, statt daß sich diese aus " dem Geschehenden selbst erklären sollte. Ueber die Herkunft ^ Eddas werden zwischen dieser und Ersabo langweilige Erörter ungen gepflogen. Störend ist dabei der Parallclismus zwischen der letzten Scene des zweiten und der (sonst eine Glanzstclle bildenden) ersten Scene des dritten Actes. Dort zweifelt Edda, » ob Ersabe ihre Mutter sei. Hier zweifelt wieder Ersabv, ob " Edda, die ihr kindliches Herz so lange verläugnet, ihre Toch- ^ ter sei. Der Widerstreit in den Empfindungen Eddas, die " Theilung ihrer Gefühle zwischen Stolz und Kindesliebe, Kin des- und Gattenliebe, Anhänglichkeit an den Gatten und an die Heimath, ist quälend, weil diese Confliete nicht in ihrem eigenen Thun und Wollen, sondern nur in äußeren Umstän den, an denen sie nicht die geringste Schuld trägt, begründet sind. Ein Mangel, den wir besonders zu rügen haben, ist die schwache, höchst unbedeutende und uninteressante Characte- ristik des friesischen Volksstammcs. Es gehört freilich ein