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^» Dresden, den 27. Oktober. — Se. Majestät der König hat genehmigt, daß der Dirrctor der Staatstelegraphen, Adolph Ballenberger, allhier, das ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge zu Sachsen-Meiningen verliehene Ritterkreuz II. Classe des Herzoglich Sachsen-Erne- stinischen Hausordens annehme und trage, und dem Rector an der Nicolaischule und außerordentlichen Professor an der Univer sität zu Leipzig, vr. Pb. Carl Friedrich August Robbe, das Ritterkreuz des Verdienstordens verliehen. — In gestriger Stadtverordnetensitzung wurden die Herren Handelskammerpräsident Kaufmann Nülke und Kaufmann Her mann Schmidt 8kn. vom Collegium zu Stadträthen gewählt. (Chaisenhaus, dein letztes Ständlein hat nun geschlagen!) — r. Zu unserem neulichen Bericht über die Hergänge bei der Generalversammlung der Schillerstistung in Weimar tragen wir heute noch Folgendes nach. Es wird jetzt offen bar, daß Dingelstedt die öffentliche Meinung durch die metal- lographirte Correspondenz, welche er von Gottschall (auf Ko sten des zu Unterstützungen bestimmten Geldes?) besorgen las sen, geradezu irregeleitet hat. Wahr sind nur die beiden ersten Berichte der Deutschen Allgemeinen Zeitung und der in verschiedenen Blättern, u. A. in der Dienstags-Nummer des Dr. Journals, wörtlich mitgetheilte Protest, den 6 Zweigstis- tungen gegen die rechtswidrige und nur durch Ueberrumpelung möglich gewordene Beschlußfassung über „revidirte" (d. h. neue) Satzungen eingelegt hatten. Dian bewies der stand haft an dem Rechte, dem unzweifelhaft klaren Rechte, festhaltenden Minorität, in welcher besonders die Professoren Dr. Wuttke und Haase sich durch männliche Entschlossenheit auszeichneten, kaum die nötigsten und nothgedrungensten Rück sichten des parlamentarischen Anstandes. Man terrorisirte sie, entzog ihnen das Wort, suchte sie durch Rufe: „Schluß! Schluß!" von der Debatte abzuschneiden, und scheute sich so gar, wie Dr. Braunfels, nicht persönlicher Insulten. Erst am dritten Sitzungstage brachte man ganz unvermuthet „revi dirte Satzungen" ein, von denen bis dahin nur der Verwal- tungsrath gewußt hatte, und "während man die längst spruch reife, sowohl in der öffentlichen Meinung, als auch in den Vorver sammlungen der Zweigvereine längst entschiedene Oeffentlichkeits- frage einen vollen Tag lang und sogar noch am Anfang des nächstfolgenden debattirt hatte, berieth man über die neuen Satzungen ebenfalls nicht länger als einen Tag und am Anfang des vierten etwa noch ein halbes Stündchen. Was das sagen will, wird man begreifen, wenn wir bemerklich machen, daß die neuen Satzungen die 12 ursprünglichen Paragraphen in 31 neue umwandeln, darunter die von uns erwähnte Abänderung des 8 i, welche die rechtliche Existenz der Stiftung vernichtet und ihr Vermögen völlig der Willkür preisgiebt, wenn nicht viel mehr, wie zu erwarten, der abändernde Beschluß selbst für null und nichtig erklärt wird. Der Antrag der protestirenden Stiftungen: die Versammlung nur mit den ausdrücklich an gezeigten Aendcrungsvorschlägen zu beschäftigen, wurde per insjor» abgewiesen. Als Professor Wuttke dem neuen 8 1 entgegentrat und aus den Nechtsbruch aufmerksam machte, wurde er durch Rufe nach Schluß zum Schweigen gezwungen, und der Schluß ward ohne Umstände votirt. Keinem einzi gen der Anträge, welche die Zweigstiftungen eingebracht hat ten, wurde Folge gegeben, kein einziger kam auch nur zur Berathung. Sogar dem Antrag Nürnbergs: eine Liste der mit ihren Unterstützungsgesuchen abgewiesenen Schriftsteller der Versammlung vorzulegen, wurde nicht entsprochen. Auch er wurde nicht einmal zur Abstimmung gebracht. Man pochte vor nehm auf vie „hohe Stellung" des (allerdings meist aus Rittern des Falkenordcns bestehenden) Verwaltungsraths, die keinen Zweifel an der unpartheilichen und gerechten Verwen dung der Stiftungsgelder zulasse. In dieser Weise trieb man es fort, und das Einzige, was zu erreichen war, bestand darin, daß Weimar erst im dritten Wahlgange, nachdem «r Vertreter Leipzigs, erhaltener Instruction gemäß den Sml verlassen hatte, mit 11 von 21 Stimmen gewählt Ivurce, also den schlechtmöglichstcn Sieg errang. Nicht mög lich wäre dieser Sieg gewesen, wenn nicht die Aufhebung des (5jährigen Wechsel des Vororts bestimmenden) 8 11 der Sta tuten durch Annahme der neuen Satzungen vvrhergegangen wäre. Und die meiste Schuld an Annahme dieser neuen Satzungen tragen die Wiener und Dresdner Abgeordneten, deren Zweigstiftungcn das größte Vermögen rcpräsentiren. Zu Abänderung der Satzungen ist nämlich eine Majorität nöthig, welche zwei Dritthcile des gesammten Stiftungscapi- tals repräscntirt. — — Die General-Direktion des Königlichen Hofthcaters hat in dankbarer Erinnerung an frühere erfolgreiche Unter stützung den Gesangverein „Liedertafel" «ungeladen, in der den ^lS. November beginnenden Trilogie: Oedipus Tyrannos, Oedi- Ms auf Kolonos und Antigone mitzuwirken. Die Liedertafel wird dieser ehrenvollen Einladung Folge geben, und, trotzdem die großen Vorbereitungen zu ihrem 25jährigen Stiftungsfeste alle Kräfte in Anspruch nehmen, die gewünschte Einstudirung des Oedipus Tyrannos ermöglichen. — Am Freitag den 21. Oktober wurden die geselligen Zusammenkünfte des „Turn-Vercins zu (Altstadt)-Dresden" für das Winterhalbjahr in dem altgewohnten Lokale, dem Odeum, eröffnet. Das mit gutem Geschmack und jedenfalls nicht unbedeutenden Kosten vollständig restaurirte Lokal mit seinem ebenfalls neuen imposanten Kronleuchter machte auf alle Anwesende, die es zum erstenmale in dieser Gestalt be traten, einen überraschenden Eindruck. Herr Professor vr. Wollen hatte für diesen Abend den Vortrag frcundlichst über nommen und sprach über den Verfasser ldes Robinson Cru soe, Daniel Defoe, auf eine solch fesselnde Weise, daß bis zu Ende des über eine Stunde währenden Vortrags ihm die gespannteste Aufmerksamkeit der Zuhörer des in allen Räumen ge füllten Saales solgteundzum Schlusse rauschender Beifall zuTheil wurde. Der Vortragende entrollte mit klaren, kräftigen Zügen ein lebenswahres, frisches Bild des hochbegabten, viel- bedeutenden Namens, seines rastlosen Wirkens als Schrift steller und Vorkämpfer auf kirchlichem wie politischem und national-ökonomischen Gebiete und seiner wechselvollen, höchst merkwürdigen Schicksale, die ihn „aus der Kerkerhöhle in ein Königs-Kabinet" führten, und den Schandpfahl, zu dem er verurtheilt war, in eine Triumphsäule verwandelten. Desoe war der erste Begründer der öffentlichen englischen Banken, der Hagel- und Feuerassecuranzen und der Sparkassen. Die staatliche Vereinigung von Schottland und England war vorzugsweise sein Werk, das er als Unterhändler der Regie rung der Königin Anna in der Zeit vom Oktober 1706 bis Februar 1707 zu Stande brachte. Von Defoe's „Lsss^ vn krvjocts", das für die Entwickelung der neueren Nolkswirth- schaftslehre den mächtigsten Anstoß gab, bekannte selbst Frank lin ausdrücklich, daß es auf seine moralischen und politischen Ansichten den gewaltigsten Einfluß geübt habe. — Im Jahre 1719, in seinem 59. Lebensjahre, veröffentlichte Defoe seinen „Robinson Crusoe," ein Buch, das fast in alle-Sprachen der Welt übersetzt und in der Wüste von Botany-Bai mit dem selben Entzücken gelesen wurde, wie in dem Gewühls von London und Paris, und das einen ganz neuen Litcraturzweig, die Robisonaden in's Leben rief. — Mit lebendiger eingehen der Kritik besprach der Vortragende in höchst geistreicher Weise das epochemachende Buch und seine vielen Nachahmun gen; unter den letzteren besonders die „Geschichte der Insel Felsenburg", (erschienen 1731), welche er einer Vergleichung mit dem Nobison Crusoe unterzog, und den Unterschied beider in dem Unterschiede der öffentlichen Verhältnisse Englands und Deutschlands fand. Die Grundstimmung der Insel Fclsenburg ist jenes schwärmerische Verlangen nach Friede und Zufriedenheit, das Schiller im besten Sinne des Wortes sentimental genannt hat. Aus dumpfer Kerkerluft ist es der ununterdrückbare Ruf nach Freiheit, der laute Schmerzens schrei nach Natur und llrsprünglichkreit." — Am 24. April 1731 starb Defoe, und damit ihm kein irdisches Leid, selbst nicht der herbste Schmerz erspart werde, förderte der Gram über sein eigenes, undankbares Kind seinen Tod. — Hierbei sei noch erwähnt, daß zur Feier von Schillers Geburtstag, welche der Turn-Verein alljährlich begeht, Freitag den 11. Novbr. von den Sängern des Turn-Vereins ein großes Concert ab gehalten werden wird. Gäste sind, wenn sie durch Mitglie der eingeführt werden, wie immer, willkommen. — Die Direktion des I. Dienstmann-Instituts, immer bereit die Wünsche des Publikums zu befriedigen, hat dem mehrfach gerügten Uebelstand, daß in den Abendstunden so wenig rothe. Dienstmänner in den Vorstädten anzutreffen sind, durch die sehr zweckmäßige Einrichtung abgeholfen, daß die allabendliche Abrechnung nicht mehr ausschließlich auf dem Hauptcomptoir stattfindet. Es habe» vielmehr jetzt die in den einzelnen Distrikten zugewiescnen Mannschaften mit den betr. Vorstadt-Comptoiren abzurechnen, wodurch der bei nahezu Viertehalbhundert Mann unvermeidliche Andrang auf dem Hauptcomptoir vermieden wird und eine gleichmäßige Ver keilung der rothen Dicnstmannschaft in der ganzen Stadt auch in den Abendstunden gesichert bleibt. — In vorgestriger Sitzung des Gewerbcvereins,die so stark besucht war, daß sie einen größeren Saal recht wünschens- werth erscheinen ließ, wurden 31 neue Mitglieder ausgenommen. Einstimmig beschloß man, dem Verwaltungsrathe die ersten Vorarbeiten siir eine im nächsten Jahre zu veranstaltende Gewerbe-Ausstellung zu überfragen und soll derselbe schon in einer der nächsten Sitzungen Weiteres mittheilen. Hierauf hielt Herr Professor Sußdorf einen längern, durch zahlreiche Experimente unterstützten Vortrag, in welchem er die neuereu Erfahrungen über das amerikanische Erdöl, seine Verwendung und seine vermeintliche Ge fährlichkeit besprach. Das Petroleum kommt in allen Erdtheilen vor, besonders häufig in Asien, wo Ostindien allein aus 520 Brunnen 400,000 Oxthoft aussührt und in Amerika, besonders Nordamerika, wo täglich mindestens eine Millionen Pfd. gewonnen werden. Die Entstehung ist nur zu erklären durch eine trockne Destillation von Pflanzenstoffen unter sehr niederen Wärmegraden. Das rohe Petroleum kommt bräunlich, grünlich, selten hellgelb und klar vor. Es ist ohne Raffination nicht zum Brennen zu verwenden. Viele Sorten entwickeln schon bei gewöhnlicher Temperatur ein Gas, welches explodirt, wenn es mit einem lebendigen Lichte in Berührung gebracht wird und die erforderliche Luft zum Brennen erhält. Niemals kann aber das rohe Oel an sich (wie Pulver) explodiren; denn es fehlt ihm der dazu er forderliche Sauerstoff. Bei einer Entzündung an Heller Flamme brennt es aber nicht anders, als Spiritus, d. h. ganz ruhig und ohne zerschmetternde Wirkungen. Letztere könnten nur eintreten, wenn Gasbildung vorausgegangen wäre und das entstandene Gas sich mit einer bestimmten Menge ath- mosphärischer Luft gemischt hätte. — Der Geruch des rohen Petroleums ist unangenehm und lästig. Diese wirklichen und andere vermeintlichen Uebelstände waren Ursache, daß der Transport des Oels auf Schiffen und Eisenbahnen bedeu tende Erschwerungen erfuhr. Diese haben aber wieder neue Transportmittel hervorgerufen, wie sie von den englischen und amerikanischen Erdöl-Gesellschaften angeschafft worden sind: eiserne Transportgcfäße und eiserne Transportschiffe mit luft dichten Verschlüssen. Die Ausfuhr aus Neu-Z)ork betrug 1861 811,000 Ctr., 1862 871,000 Ctr., im ersten Halbjahr 1863 1,370,000 Ctr. — In Amerika ist das rohe Oel so wohlfeil, daß es zum Heizen der Dampfkessel noch vortheil- hafter als Kohlen verwendet wird, ja sogar versuchsweise bei Lokomotiven und Schisfsmaschinen gebraucht worden ist. Mit dem aus Petroleum gewonnenen Gase hält kein anderes den Vergleich aus. Bei der Nafsination ist die größte Sorgfalt auf Entfern ung aller leichtflüchtigen Oele, des sogenannten Petroleum terpentinöls, zu verwenden. Die spätere Destillation giebt ein Schmieröl und einen Rückstand, der sich zur Gas- und Ruß bereitung mit Vortheil verwenden läßt. Die Sicherheit des Publikums verlangt, daß ein Leuchtöl nicht feuerge fährlich ist und unter gewöhnlichen Verhältnissen zu Explo sionen keine Veranlassung giebt. Ersteres erkennt man daran daß es sich mit einem brennenden Spahn nicht anbrennen läßt, wenn es in einem Gefäße ohne Docht ausgegossen ist und letzteres daran, daß es, wenn es bis zu 30" N. erhitzt wird, noch keine brennbaren Dämpfe entwickelt. Es werden vom Vortragenden eine Menge der verkäuflichen Oelsorten in dieser Richtung ge prüft und einige derselben müssen bis zu 62" C erwärmt iverden, che sie mit ruhiger Flamme brennen. Wenn früher Unglücksfälle geschehen, so lag dies daran, daß man die flüchtigen Oele nicht sorgfältig entfernt hatte. Alle Berichte der neueren Zeit über Petroleumscxplosionen haben sich als Enten erwiesen. Einige Mitglieder meinten, daß beim Umfallen und Zerbrechen der LampenUnglück geschehen, das Oel selbst in Brand gc- rathen müsse; deshalb wurde eine Lampe, welche voi,7—H11 Uhr gebrannt hatte, nach der Sitzung in der Hausflur von einem Tische geworfen. Es zerbrach nur der Cylinder, da der Ring, der den Schirm trägt, mit seinen Stäben das Zerbrechen des Ballons hinderte. Nachdem jene Mctalltheile entfernt waren, wurde die Lampe abermals auf die Steine gestürzt. Der Ballon zerbrach, das Oel floß aus und der Docht brannte ganz ruhig fort, bis er so von Oel Überflossen wurde, daß er auslöschte. Das Oel brannte nur am Dochte, nicht allein. — Als billigste Beleuchtung wird Solaröl, als glänzendste das Photogen genannt. Am vortheilhaftesten sind Flachbren ner von 7"' und Nundbrcnner von l«L"; die größeren sind unzweckmäßig. — In Sachsen bestehen für das Lagern in großen Quantitäten sehr strenge Vorschriften, als: Thcilung der Lagerstätten in einzelne abgeschlossene Räume, Verschluß mit eisernen Thüren und Läden, Vermeiden des Rauchens, Umfüllung, Ein- und Ausladen nur bei Tageslicht, nie bei Rampenlicht rc. Dies sind doch sicher Garantien gegen Ge fahren, da die Zusammensetzung des Oels keine Selbstentzün dung zuläßt, sondern nur bei lebendiger Flamme und dabei sehr hoher Temperatur der Luft oder der Flüssigkeit eine Ent zündung erfolgen kann. Wenn daher allen diesen Anordnun gen genügt wird, so können nicht nur die Behörden, sondern auch die Nachbarschaft dabei Beruhigung fassen; denn da je ner Leuchtstoff ein unentbehrliches Bedürfnis: geworden ist, so muß auch ein dem Consum entsprechendes Lager möglich sein. Man möge also den Geschäftsbetrieb nicht wegen vorgefaßter Meinungen erschweren, sondern lieber fördern Helsen. Gegen Ueberschreitungen giebt es ja Gesetze. In jedem Falle ist die l Lagerung von Erdöl nicht gefährlicher, als die von Spiritus, ! Terpentinöl. Heu, Stroh und Höbelspänen. ! — Wie man hört, sollen bei der Artillerie vierpfündig«