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Dresden, dm 20. Oktober. — Se. Maj. der König hat genehmigt, daß der Ober- Pfarrer lw. pkil. Eduard Hermann Dietiich Earl Closter zu Meerane den ikm vom Könige von Hannover verliehenen Guelphenorden vierter Elaste annehme und trage, sowie den Actuar beim Stabskriegsgerichte, Carl Hermann Kotte, zum Auditeur 3. Elaste für die Festung Königstein ernannt. — Vorgestern sollte ein Zimmerpolier mit seiner Braut, der Verwandten eines in Poppitz wohnhaften Kaufmanns, in der Annenkirche getraut werden. Die Wagen, die die Braut leute und Hochzeitsgäste nach der Kirche bringen sollten, stan den vor der Braut Wohnung in Bereitschaft. Es fehlte nur noch an dem Bräutigam. Man wartete eine halbe Stunde über die andere auf sein Eintreffen; er kam aber nicht' und die angesetzte Stunde der Trauung ging vorüber, ohue daß seine Ankunft in der Wohnung der Braut erfolgte. Die eingezogenen Erkundigungen ergaben aber, daß er im Laufe des Vormittags seine auf der Marktgaste gele gene Wohnung in hochzeitlichem Gewände verlassen hatte. Allein auch dahin war er nicht wieder zurückgekehrt. Trotz allen Nachforschungen konnte man über sein plötzliches Verschwinden nichts in Erfahrung bringen, bis sich gestern Abend dasselbe endlich cnträthseln sollte. Am linken Elb ufer unweit des Schusterhauses fand man um diese Zeit die dem Zimmerpolier gehörigen Kleider, mit denen bekleidet er am Vormittag seine Wohnung verkästen hatte. Leider bleibt nach Lage der Sache keine weitere Annahme übrig, als daß er sich in dortiger Gegend in die Elbe gestürzt hat. Bei seinem allgemein anerkannten braven und biederen Charakter läßt sich der vorliegende Selbstmord nur durch die aus meh reren Umständen unterstützte Annahme erklären, daß er an Trübsinn gelitten, der ihn zu diesem Schritt veranlaßt hat. — — Ein Knabe entwendete vorgestern seiner Mutter den Betrag von zehn Neugroschen. Kurze Zeit darauf erfuhr die Mutter, daß ihr Bube in einer in der Nähe ihrer Wohnung gelegenen Restauration sich aufhalte. Sie setzte ganz richtiger Weise voraus, daß er dort das entwendete Geld verkneipen werde, und um ihm nun hierbei einen Strich durch die Rechnung zu machen, versah sie sich mit einem tüchtigen Stock, und eilte in die fragliche Wirthschaft. Dort langte sie sich den ungerathenen Jungen heraus und wichste ihn auf der Straße ordentlich durch. Diese malerische Gruppe umstanden aber in kurzer Zeit zahllose Menschen, die sich bald des Knaben annahmen und unbekannt mit der Veranlassung zu der gerechten Züchtigung gegen die Mutter Partei ergriffen. Der Knabe benutzte diese ihm günstige Stimmung des Pub likums zu seiner schleunigen Flucht. Allein seine Mutter lies sich dadurch nicht irre machen. Den Stock hoch in der Luft schwingend setzte sie dem Jungen nach, so schnell sie nur laufen konnte. Die Hetzjagd ging zum größten Spaß des Publikums über den Markt durch verschiedene Straßen, bis auf den Dippoldiswaldaer Platz, dort endlich mußte sich der Junge seiner Mutter auf Gnade oder Ungnade ergeben. Sie führte ihn im Triumphe zurück in ihre Behausung. — Auf dem Neubau auf der Badergasse ist vorgestern eine im Souterrain befindlichen Breitwand angebrannt. Man bringt den Vorfall damit in Verbindung, daß dort Kalk ge brannt worden ist. — In der Neustadt wurde vorgestern ein zehnjähriges Mädchen von seinen Eltern nach dem Leihhaus geschickt, um dort für 1 Thlr. 10 Ngr., welchen Geldbetrag man ihm mit gegeben, ein Kleidungsstück einzulösen. Unterwegs erkundigte sich das Mädchen bei einer ihr begegnenden unbekannten Frau nach dem Hause, in dem sich das Leihhaus befinde. Letztere war sehr dienstfertig, begleitete das Kind eine Strecke und nahm demselben endlich das Geld mit dem Erbieten ab, daß sie das Einlöscn des Kleidungsstückes besorgen und damit an einen bestimmten Platz auf der Straße auf dem sie das Kind warten hieß, bald zurückkchren würde. Das; jene Frau ensperson eine Schwindlerin gewesen, die sich natürlich weder mit dem Gelde, noch mit dem Kleidungsstücke wieder sehen ließ, werden die Leser jedenfalls errathen haben, wir ge denken aber dieses, schon oft dagewescnen Schwindels nur des halb, um die Eltern aufs Neue zur größeren Vorsicht in Be auftragung ihrer Kinder mit derartigen Commissionen anzu mahnen. — — Königliches Hoftheatc r. Dienstag, d. 18. Okto ber wurde Rossini's Barbier von Sevilla vor dicht gefüllten Räumen gegeben. Es galt in der Hauptsache, eine junge Sän gerin von hier, Fräulein Loßnitzer, im Gesänge von Herrn Kammermusikus Thiele und in der Darstellung von Herrn Hofschauspieler Heine vorgebildct, ihre künstlerische Laufbahn beginnen zu sehen. Beginnen? Nun ja. Wer das nicht gewußt hätte, würde Frl. Loßnitzer viel eher für eine auf den Brettern längst einheimisch gewordene Künstlerin gehalten haben, die? genau weiß, was sie will, und daher auch das Rechte nicht leicht verfehlt. Das war im Allgemeinen der Eindruck, den die junge Sängerin machte. Ihre umfangreiche Stimme, die in den Mitteltönen eine Erinnerung an die Stimme der Trebelli weckt, ist auf einem sehr guten Wege und hat sichere musikalische Stützen. Was ihr an Fülle und Sauberkeit in der Coloratur noch fehlt, wird schon mit der Zeit'durch die Praxis kommen. Denn bei einem so entschie denen Darstellungstalcnte, wie cs die junge Sängerin hat, bleibt eine erfolgreiche Wechselwirkung auf den Gesang selten aus. Der reiche Beifall, den Frl. Loßnitzer fand, möge ihr als Glückwünsch für die Zukunft gelten. Als Almaviva ga- stirte Herr Rebling. Wir haben neulich bei Gelegenheit der Don-Juan-Vorstellung auf die Vorzüge dieses geübten Sän gers und gewandten Darstellers hingewiescn, die nicht zu un terschätzen, da man sie nicht an vielen Tenoristen beisammen findet. In der Parthie des Almaviva hat uns Herr Rebling dagegen weniger befriedigt. Es fehlt der Stimme an Kraft und lebendiger Farbengebung, auch hat die Coloratur manche Oberflächlichkeiten, wogegen der Triller sehr beachtcnswerth ist. Die Herren Degele, Frcny und Eichberger sangen namentlich ihre Arien recht gut und spielten auch nach besten Kräften gewandt; doch mögen die Herren in ihrem eignen Interesse und in dem Interesse der Sache den in Nr. 229 d. Bl. ge gebenen Fingerzeig, der vor Uebcrtreibungen und Corrumpir- ungen des komischen Inhalts einer Oper warnt, noch einmal überlegen. Armin Früh. — Die dießjährige Wandcrvcrsammlung der Gastwirthe in Braunschweig hat die Klagen der Reisenden über die zu hohe Berechnung der Bougies, auf deutsch Wachskerzen, (statt deren die Reisenden aber fast ausschließlich Stearinlichter erhalten) für gerechfertigt erklärt. Daß di: ^ Umstand allerdings ein großer Uebelstand ist, beweist folgende Geschichte, die einem Dresdner vor Kurzem in Glaz in Schlesien passirte. Derselbe ist blind, reiste aber trotzdem immer nur allein und fand sich infolge seines vorzüglich ausgebildeten Ortsinnes. und seiner Combinationsgabc von Bahnhof zu Bahnhof, von Stadt zu Stadt. Als er sich nun jüngst in Glaz früh mor gens die Wirthshausrechnung vorlescn ließ, was mußte er hören? Da waren ihm Ngr. berechnet für Bougies! Daß ein Blinder zum Auskleidcn kein Licht bedarf, das war dem aufschreibelustigen Hotelier durchaus nicht eingefallen. — Wir gehören durchaus yicht zu den Leuten, die stets den Tubus der Empfindsamkeit vor Augen haben und Alles durch eine schwarze Brille sehen. In Dresden jedoch giebt cs ein Ding, das man, ohne anzustoßcn, getrost belächeln, ja bester gesagt, bedauern kann. Das ist offen gesagt: unsere Straßenpslasterung. Wir wollen nicht der dreimaligen Umpslasterung der Lüttichaustraße gedenken, nicht das wahr haft impertinente spitze, schlcußcnrcimersticfelwundschneidende Pflaster auf der Walpurgisstraße in Erwähnung bringen, denn in diesem Punkte bleibt unendlich viel zu wünschen übrig, zumal das Geld aus der Stadtkasse hier wahrlich nicht in kleinen Summen fließt. Ein recht nettes Beispiel zeigt sich dieser Tage wieder aus dem Fahrweg vor dem Dohna- schen Schlag, von der Gartenmauer des Prinzcnpalais an bis zu Anfang des Dammes nach dem Großen Garten. Da hat man eine viertel Elle hoch Kies aufgcfahren und zwar in Steinen, daß die Schinderei für das arme Vieh, vorzüg lich für Pferde, einen Punkt erreicht, der Herz und Gefühl wahrhaft empört. Die Räder bleiben stecken, die Pferde bäu men sich vor der furchtbaren Anstrengung. Die Kutscher stöhnen Flüche über solch böses Aufschütten, das nur zur Qual für Menschen und Vieh geschehen. Wir sahen am Montag, wie ein neuer herrschaftlicher Wagen diese Strecke befuhr. Am Ende derselben angelangt, war in Folge der Einknirschung der Räder in die eckigen schweren Steine von den Rädern der neue glänzende Lack total abgcschunden. Man beobachte z. B. in London einen Straßenbau. Da wird mit der einen Hälfte der Straße begonnen und an ein Aufwersen der Steine, oben auf der Fläche, ist nicht zu den ken. Die Erde wird vier bis sechs Zoll aufgegraben, da hinein werden die Steine gleichmäßig geschüttet und die aus gegrabene Erdmaste wieder darüber gebreitet. Wenn dies geschehen, arbeitet die schwere Walze darüber hinweg und es gestaltet sich ein Weg, den Menschen und Vieh nur mit Freuden betreten. Von Flüchen und Aufstauen mit der Peitsche, wie wir cs am Montag auf obengenannten'. Wege vielfach mit Schmerzen bemerkten, ist dort nicht die Rede. Daber heißt cs bei dem Arbeiter nicht: koilunst du heute, so kommst du morgen! Eile mit Weile u. s. w. In London werden die Arbeiter nach der Quadrat-Elle bezahlt, dcßhalb sind sie fleißig und in Zeit von drei Tagen werden dort Wunder dinge verrichtet. Man betrachte in London die Arbeiter, wenn sie eine Straße der Stadt pflastern Hier in Dresden batteln die Arbeiter die Erde mit dem Hammer auf und legen den Stein hinein. In London wird die Erde durch breite Stampfen erst fest gearbeitet, damit Grund ist, worauf dann die Steine fest neben einander eingelegt werden. Wird dies so in Dresden gemacht? Dann sähe man nicht so viele Vertiefungen und Einsenkungen im Pflaster, dicht vor den Häusern, was von dem Holzmachen auf öffentlicher Straße herrührt, ein Umstand, der auch nur noch in Dres den vorkommt. Dann das Trottoir; engherzig, wie noch so Vieles in der Residenz; man mißt und kargt hier mit einer Aengstlichkeit, die nur Bedauern erweckt. So wird auch in London streng bei Anlegung von Trottoir darauf gesehen, daß es an den Häusern hin höher und nach den Straßen rinnen tiefer zu liegen kommt. Von Schmutz und großen Pfützen ist da nicht die Rede. Jeder Hausbewohner ist in Dresden verpflichtet, das Trottoir vor seinem Haus rein zu halten. Wie aber, wenn eine steinerne Gartenmauer von hun dert Schritten dahinläuft, wie aus der Pragerstraße von dem Hause der Gräfin Rex an bis hin zu Nr. 11? Hier auf dieser regen Straße liegt oft der Schmutz wahrhaft Grauen erregend und macht den Gang schlüpferig. Es thut uns leid, solche Dinge öffentlich zu rügen; das Gesagte be ruht aber aus Wahrheit und die Wahrheit darf das Licht nicht scheuen. — Im Königlichen Hoftheater soll in nächster Woche „Don Carlos" zur Aufführung kommen, und dabei, wie wir vernehmen, ein vieljähriges schweres Unrecht, das Schiller in diese»; Werke erfahren mußte, wieder gut gemacht werden durch Herstellung der großen und bedeutungsvollen Szene zwischen König Philipp und dem Großinquisitor, die zum Ab schluß der Tragödie durchaus nothwendig ist. Der Großin quisitor, der gegenwärtig auf allen andern deutschen Bühnen, soviel uns bekannt, nur als eine stumme klägliche Statisten--' rolle verkommt, soll von Herrn Porth gespielt werden. Diese Wiedereinsetzung Schillers in sein unverjährbares Recht ist als ein Verdienst des Herrn General-Directors v. Könneritz dankbar anzuerkennen. — In der schwierigen Aufgabe des Königs Philipp wird sich Herr Jaffö das erste Mal ver suchen. Da das Publikum überdies wieder Gelegenheit haben wird, Hrn. Emil Devricnt als Posa zu bewundern, so wird es sicherlich an der lebhaftesten Theilnahine nicht fehlen. — — ff Oesfentliche Gerichtsverhandlung vom 19. Oktober. Das Thema des heutigen Prozesses spricht von jener häuslichen Zwistscene, in welcher der Hausschlächter Carl Heinrich Freund am Schluffe seine Frau mit einem Messer in die linke Brust stach, so daß in ungefähr Ick Ta gen der Tod erfolgte. Neun Zeugen, unter denen namentlich viel Frauen sich befinden, setzen sich auf ihre Plätze. Ihnen gegenüber sitzt der Gerichtsarzt Herr llr. Lehmann und der von dem Vertheidigcr Herrn Advokaten Kuntzsch herbeigeladene Herr Professor Iw. Zeis. Später erschien noch Herr General staatsanwalt Iw. Schwarze. Freund wird vom Gerichtsdiener aus der Hast vorgeführt. Er ist ein schwaches Männchen, mager und blaß in dein wenig sagenden Gesicht. Er erscheint im schlichten Bürgersrocke, den Kopf meist gesenkt und nur auf den, Gerichtshof gerichtet und antwortet laut und ver nehmbar. Freund ist ck2 Jahre alt. iin Jahre 1851 heira- thete er seine jetzt verstorbene Frau, eine geborene Ramsch aus Hochkirch bei Bautzen. Aus dieser Ehe gingen acht Kin der hervor, von denen ck noch leben. Vermögen besitz: er nicht. Sein Lebenswandel war bisher kein tadelloser und lobenswcrther; denn die Polizeiakten sprachen von unzähli gen Bestrafungen wegen Excesses, Trunksucht, Straßenunfugs, arbeitslosen Umhertreibcns, Widersetzlichkeit und Unter schlagung. Meist rührten die Bestrafungen wegen Unfriedens mit der Frau her. Zank und Streit und Prügel wechselten in ewiger Aufeinanderfolge ab. Er soll seine Frau in der Trunkenheit oft stark gcmißhandclt haben. Sie machte ihm nämlich wiederholte und gerechte Vorwürfe über seine Lüder- lichkcit, seine Trunkenheit, seine Arbeitsscheu. Das Verbre chen, dessen Freund heut beschuldigt ist, datirt sich von; 5. Juli dieses Jahres her. Schon den Tag vorher gab es Streit und Hader in Menge. Freund wohnte auf der Hecht straße im Hause Nr. 33 o. Am genannten 5. Juli war er früh Morgens zeitig anSgcgangeu. Sein Vater hatte ihn weggeholt, er sollte ihm beim Ausräumen helfen, doch als Freund in der cilften Vormittagsstunde Hein; kam, da war er total betrunken. Als er in die Stube trat, war seine Frau beschäftigt Knackwürste einzupacken. Er setzte sich auf einen alten Koffer, der in der Nähe stand. Die Frau, als sie sah, in welchem Zustande sich heut wieder ihr Mann befand, sing nun an, ihm über sime siwigc Trunksucht und Arbeits scheu bittere Vorwürfe zu machen. Sie soll ihn dabei auch geschimpft, ihn namentlich einen,.S Hund" genannt haNn. Darüber war .er trotz seiner totalen Trunkenheit so