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Rr. 889. Neuster Jahrg. Sonnabend, IS. Vetbr. 1894. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends «.Sonn tags bis Mittags IS Uhr. Marienflraße 18. Anzeig, in dies. Blatte, da« jetzt in 10,000 Exemplaren erscheint, finden eine ersolgreiche Verbreitung- Tageblatt sitt Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Dr-bisch. Monncmcnt: Vierteljährlich 20 Ngr. bei uncntgcldlicher Lie ferung in's Haus. Durch die Königl. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: tt'iepsch H Nkichardt. — Verantwortlicher Redacteur: JultUS Neilhardt. Dresden, dm 15. Oktober. — Se. Majestät der König hat dem zeithengen Minister- Residenten an den Höfen von München und Stuttgart, Kam merherrn und Legalionsrath von Bose die Erlaubniß ertheilt, das ihm vom König von Württemberg verliehene Großkreuz des Friedrichs-Ordens, sowie das ihm vom Könige von Bayern verliehene Großcomthurkreuz des Verdienstordens der Vayerschcn Krone annehmen und tragen zu dürfen. — Jnglcichen hat der Cantor und Bürgerschullchrer in Schnceberg, Carl Friedrich Immanuel Grössel, bei Gelegenheit seiner Emeritirung, die zun» Verdienstorden gehörige Medaille in Gold empfangen. — Der Stadtrath macht bekannt, daß, um den Stö rungen des Gasbeleuchtungsbctriebcs, welche durch rasch ein tretenden Frost verursacht werden, so viel dies überhaupt möglich zu begegnen, Veranstaltung getroffen worden sei, hin fort die nicht frostsrei ausgestellten Gaszähler der aus den städtischen Gasfabriken versorgten Privateonsumentcn für Rech nung jener Anstalten mit Glyecrin aufgesüllt werden. Die dadurch nothwcndig gewordene Abänderung der Gasablassungs- bcdingungcn ist dieser Bekanntmachung beigcfügt. — Nach einer von dem Nathe und den Stadtverordne ten zu Ocdcran veröffentlichten Danksagung hat der am 2. Februar d. I. verstorbene Fabrikbesitzer Herr Eduard Magnus Fiedler daselbst der dasigcn Stadtgemcinde 10,000 Thlr. als Beitrag zu Erbauung eines neuen Schulhauscs, 1000 Thlr. für die dasige Stadtkrankcnanstalt und eine neue Nathhaus- uhr, dem dasigcn Frauenvercin 800 Thlr. zur Anschaffung von Tuch für Arme, der dasigcn Weberschule 500 Thlr. und der dasigcn Kirche eine neue Altar- und Kanzelbcklcidung te stamentarisch legirt. — Laut öffentlicher Bekanntmachung, resp. Einladung, fanden in dieser Woche die Prüfungen sämmtlicher Zöglinge statt, welche den Turnunterricht in der König!. Turnlehrer- <6oungsanstalt genießen. Wegen Mangel an Zeit war es uns nur vergönnt, dem Turnexamen der oberen Mädchen klassen der I. Bürgerschule beizuwohnen, und wir muffen be kennen, dabei eine recht angenehme, ja erhebende Stunde ver lebt zu haben. Auch der vorurtheilsreichste Lobredner der „guten alten Zeit", die so etwas nicht darbot, auch der ent schiedenste Gegner des Turnens und insbesondre des Mäd chenturnens würde durch das Anschauen dieser so zweckmäßigen, gesundheitsfördernden, die Körpcrkrast ebenso, wie den Schön heitssinn bildenden, trefflich geleiteten und allerliebst ausge führten Hebungen zu dem Bekenntniß gebracht worden sein: „Hier haben wir doch einen Fortschritt unsrer neuen Zeit vor uns." Achnlichcs sprach auch der anwesende geistliche Inspek tor obengenannter Schule, Herr Diaconus Männcl, vor den im großen, schönen Turnsaale zahlreich versammelten Acltern, Lehrern und anderen Jugendfreunden aus, welche alle über das Gesehene und Gehörte — viele Hebungen wurden näm lich in Verbindung mit sehr hübschen Gesängen ausgeführt — sichtbar befriedigt und erfreut waren. Gewiß stimmten auch alle Anwesenden den Worten des Dankes und der lobenden Anerkennung bei, welche der Redner den höchsten und hohen Behörden, wie dem verdienten Leiter der Anstalt, Herrn Ilr. Kloß und seinen Mitarbeitern widmete. — Der Beschluß des Gcmeinderathcs unserer Schwestcr- stadt Wien, auf dem dortigen Grabe der Märzgefallenen ein Denkmal zu errichten, hat auch in unserer Stadt Stimmen für eine bessere Herrichtung der beiden, auf dem hiesigen An nen- und Trinitatiskirchhofe befindlichen Gräber der Maige- fallencn laut werden lassen. Nachdem die überlebenden Mit schuldigen der Strafe für ihr Vergehen entbunden worden sind, dürfte es vielleicht möglich sein, daß, wenn sich eine da hinzielende Absicht in unserer Bevölkerung geltend machen sollte, gegenüber den Todten einer Pflicht der Pietät genügt werde. Denn es ist allerdings zuzugcbcn, daß jene beiden Gräber in einem Zustande sind, der theilnehmcndcn Fricdhof- besuchern zum Bedauern gereichen muß. — * * ^ Eine hiesige Zeitung schreibt: „Pietra", das neue Stück von Mosenthal hat bei seiner zweiten Aufführung im hiesigen Hofthcater zwar kein stärker besetztes Haus, aber wiederum sehr beciferten Beifall gefunden. Namentlich wurde, wie uns berichtet wird, Frl. Langcnhaun in der Titelrolle ausgezeichnet, die, über die Befangenheit der ersten Darstellung hinausgelangt, durch künstlerisch freie und sichere Gestaltung ihren Beruf für die höhere Tragödie in durchgreifendster Art Hethätigt haben soll. Wie wir Horen, hat die General-Direc- tion die Ivbenswerthe Absicht: das Stück nicht fallen zu lassen, sondern will versuchen, dem Publikum Veranlassung zu geben: sich selbst ein Urthcil über die jedenfalls schätzenswerthe Dich tung zu verschaffen." Wir können diese Mittheilung, was das Verhalten des Publikums bei der zweiten Aufführung betrifft, aus eigener Wahrnehmung bestätigen, und freuen uns zu hö ren, daß die aus den jüngsten Erfahrungen leicht erklärliche Zaghaftigkeit des Publikums, das sich bisher der Aufführung fern hielt, von einer Wiederaufnahme der Dichtung nicht ab halten wird. Ist dieses Drama doch während dieses ganzen Jahres unbestritten die einzige Repertoir-Neuigkeit von ern sterem Gehalt und einer größeren dramatischen Anlage. — Ein für Dresden viel Nutzen versprechendes Werk geht in der allernächsten Zeit seiner Vollendung entgegen. Wir meinen die Dampffähre, die die Verbindung derPirnai- schen Vorstadt mit Antonstadt an der Glacisstraßc über die Elbe vermitteln soll. Es verlautet, daß schon mit dem 1. November die Fähre in Gang gesetzt werden soll. Wenn man Gelegenheit gehabt hat, dem Dampfschiffbarl jemals einigermaßen Aufmerksamkeit zu schenken, so kann man sich nur darüber Wundern, in welcher kurzen Zeit die hier zu er wartende Dampffähre hergestellt worden ist. Besonders muß man hierbei hcrvorheben, daß der Erbauer derselben. Herr Schlick aus Leipzig in der fraglichen Fähre das erste derar tige Werk schafft und daß, wie gar nicht anders anzunehmen, dieselbe zweifellos den nämlichen Erfolg in ihrer Leistungs sähigkeit verspricht, wie die von Herrn Schlick bis jetzt ge bauten Dampfschiffe zur Befahrung der Fahrstrecke zwischen Leipzig und Plagwitz, sowie zu Luftfahrten auf der Spree bei Berlin. Diese Dampfschiffe sind nicht Rad- sondern Schraubendampfcr. Es ist schon Manches darüber geschrieben worden, daß die Schraube für Flußdampfcr nicht geeignet sei. Vielfache mißlungene Versuche damit haben dies gründ lich bewiesen. Allein Herr Schlick hat mit seiner ersten Ar^ beit, einem kleinen Schraubendampser, auf dessen Probefahrten auf der Elbe sich gewiß noch viele Dresdner besinnen werden, und der zur Zeit zwischen Leipzig und Plagwitz auf dem dortigen Heine'schen Canal gute Dienste leistet, das Problem gelöst und bewiesen, daß auch die Schraube als Triebwerk zeug für Fluhdampfer zu verwenden ist. — — d Für dic Tage des 15. und 16. Oktober ist in den Räumen der Criunnalabtheilung des Königlichen Bezirksge richts das sogenannte „Scheuerfest" angesetzt, es finden da her dieses „Festes" wegen keine Gerichtsverhandlungen statt. — In den letztvergangenen Tagen sind verschiedene sächsische Officiere und Soldaten aus Holstein aus Urlaub hier eingetroffen. — — 1- Sonntag, den 16. Oktober findet im freundlichen Saale des Körncrgartens ein Concert statt, daß eine Fort sctzung jenes Concertes ist, welches hiesige Schüler, beste Ton künstler hiesiger Institute, ausfüllen. Es geschieht auf den Wunsch des Publikums, das sich am ersten Abende (cs fand zum Besten Schleswig-Holsteins statt) so gut amüsirte. Das Programm läßt nichts zu wünschen übrig und die jugend lichen Acteurs sind von wahrhaft künstlerischer Natur. — Es wird uns mitgetheilt, daß der Unbekannte, der vor einigen Tagen zwar noch lebend, aber in bewußtlosem Zustande in der Wohnung der anscheinend an Gift verstor benen unverehelichten Schulze angctroffen und in das Kran kenhaus gebracht wurde, der Eisenbahnarbeiter Liebusch aus Pließkowitz bei Bautzen gewesen ist. Es hat sich herausge stellt, daß er wirklich der Geliebte der Schulze war, und wenn er auch selbst über deren Todesursache keinen Aufschluß geben kann, da er inzwischen selbst verstorben ist, so läßt doch das uns bisher unbekannte Resultat der gestern Vormittag statt gefundenen gerichtsärztlichen Section des Leichnams der Schulze erhoffen, daß dadurch in den bis jetzt dunklen Vorfall endlich Licht kommt. Behufs der vorzunehmenden Sektion, wurde die Leiche der Schulze vorgestern gegen Abend aus ihrer aus der Münzgasse gelegenen Wohnung in die Todten Halle gebracht. Die Section geschah durch Herrn Gerichtsarzt I)r. Lehmann in Gegenwart des als Gerichtsperson fungiren- den Herr Actuar Rothe. — — -s Geheime Sitzung des König!. Bezirks gerichts vom 11. Octvbcr. Früh morgens um 0 Uhr war eine Hauptverhandlung gegen den llr. juiis Bernhard Mül ler (nicht Miller) eingesetzt. Es handelte sich hier um Verlei tung zu wahrhcitswidrigcr Aussage, Beleidigung und Ver leumdung. So sagt das schwarze Brett. Als Vertheidiger sungirte Herr Advocat Richard Schanz, als Staatsanwalt Herr Held. Obgleich am schwarzen Brett nur zu ersehen war, daß die Hauptvcrhandlung eine öffentliche sein sollte, so fand sie doch unter Ausschluß der Oeffcntlichkeit statt Es mußten daher Hunderte (denn soviel hatten sich als Zuhörer eingc- funden) wieder sortgehcn, freilich mitunter sich wundernd, mit unter murrend; aber sie alle hatten sich merkwürdiger Weise geirrt, man glaubte, cs würden jene Artikel der (weiland) Gerichtszeitung das Fundasent der Anklage bilden, welche über den bekannten Erbschastsprozeß des singirten l)r. Schlurk sich ausließen. Die Menge hatte also die Namen verwechselt. Der Beschuldigte wurde freigesprochen und aus seiner Haft entlasse». — ck Der hiesige Kirchhof der Israeliten wird nunmehr eine andere Situation erhalten. Er wird von der PulSnitzer» straße, wo er sich jetzt befindet, nach jenem Theile der Bla, sewitzer Gegend verlegt, wo sich das romantische Birkenwäld chen befindet. Der alte Kirchhof wird im Jahre 1869 nach dem Ritus der Israeliten für „ewige Zeiten" geschloffen. — Leipziger Meßbericht des Dr. I. Die Messe ist nunmehr beendet und hat im Allgemeinen einen guten Er folg gehabt, der aber noch größer und besser gewesen se» würde, wären während derselben die in unser« vorigen Be richte geschilderten Calamitäten nicht eingetreten. Alle baum wollenen Manufacturwaaren, Callicos, Futterzeuge, khirtingS, sächsische Weißwaaren rc. konnten in den ersten Tagen zu guten Preisen nicht lebhafter gehen, al» sie gegangen find, als aber die Liverpool« Nachrichten vom Abschläge der Baum wolle hier eintrafen, zogen die Käufer sich zurück und eS konnten bis zuletzt nur Abschlüffe zu 10 —15 pCt. niedrigem Preisen gemacht werden. Die großen Kattunfabrikanten haben darum kaum die Hälfte ihrer Lager in's Geld zu setzen ver mocht. Auch gemischte Maaren haben darunter gelitten, wo gegen die Inhaber von wollenen sehr zufrieden sind. Der Pilzhandel nahm keinen weitern Aufschwung, und von ameri» kanischen Maaren wurde nur noch wenig abgesetzt. Bon rus sischen brachten die nun bis auf Kleinigkeiten sämmtlich ange- lanflten Transporte etwas Leben hinein, so deß die begehrteste« Artikel, wie Hermelin und kasansche Fehschweife, rasch und zu hohen Preisen abgesetzt wurden. Mit den übrigen, wie Fe^ Kolinsly und Persianern, geht eS nur langsam und hält es schwer, den Kofienpreis zu erlangen, da der Markt davon- überführt ist. Von Letzteren wurden sogar mehrere Partie« mit Verlust verkauft. Von Landwaaren kommt Michaelis wenig am Markt; es lagern noch einige Posten Marder, Iltisse und Füchse, doch wurde fast gar nichts darin gemacht, Landhasen fehlen und russische werden zu hoch gehalten, um Käufer zu finden. Der hohe DiLcont und die ferner« Verschlechterung der russischen und österreichischen Valuten erschweren das Geschäft ungemein. Dessen ungeachtet fiÄ» Fallimente bis heute noch nicht bekannt, übrigen- fällt der Hauptzahlungstag erst ultimo Oktober. Man kann bei all« Widerwärtigkeiten doch mir voller Befriedigung auf die Messe zurückblicken, und wenn sich auf dar Urtheil unsrer Spedi teure etwas geben läßt, so wäre dieselbe sehr gut und besser als seit Jahren gewesen. Tagesgeschichte. , Vier von den zum Tode vcrurthcilr gewesenen Schles- wigern theilen in der „Eckernf. Ztg." Nachstehendes über ihre Erlebnisse mit: „Der Drang, uns vom lästigen Dänen- joch, unter dem wir unfreiwillig schmachteten, frei zu machen, so wie dic Kunde, daß cs mehreren unserer Kameraden ge lungen sei, durch eine kühne Flucht sich diesem Joche zu ent ziehen, veranlaßt uns -1 Mann, einen ähnlichen Fluchtversuch zu wagen, und wir machten uns in der Nacht vom 28. aus den 20. Juni von Middelfart, unsere Sachen zurücklaffend nach dem Strande, 1 ^ Meilen von letzterem Ort entfernt, und wo wir ein Boot wußten, auf den Weg. Hier ungelangt, be stiegen wir das am Strand liegende Boot und ergriffen mi Muth und in der Hoffnung, bald nun das jenseitige rettend» User, welches zwei Meilen entfernt war, zu erreichen, die Ru der, Hoffnung giebt Mutb, Muth gicbt Kraft; und so glit denn unser Nachen unter kräftigen Ruderschlägen vorwärts näher und näher dem ersehnten Ziele zu; ein weißes Wölk chen am Himmel war unser Leitstern, leider nicht unser Glücks stern. Ein Kanonenboot hatte uns ausgewittert und beganr unsere Verfolgung mit vieler Emsigkeit, und wurden wir end lich, eine halbe Meile vom jenseitigen Ufer noch entfernt, un geachtet aller Anstrengung von demselben überholt. An Wi derstand war hier nicht zu denken, wir mußten uns ergebe: und waren gefangen. Aus dem Kanonenboot trafen wir schm I 5 Unglücksgcfährten, die in derselben Nacht auf der Fluch aufgcgnffen waren. Hieraus wnrdcn wir mit diesen zurück gebracht, bei einem Torfe an's Land gesetzt und dem 11. Ne giment, unter dem Commandeur Oberstlieutnant v. Rist, '.vel eher aber augenblicklich nicht zugegen war, übergeben. Hie schon hatten wir manche Unannehmlichkeiten und Rohheiten vo> den Soldaten zu erdulden. Nachdem der Eommandeur zurück gekehrt und wir von ihm verhört und auSgcschimpft, ging ei mit einem neuen Eommandv weiter nach Miltelfart, wo wi sehr unsanft in einem Kerker geworfen wurden. Ohne das uns Speise und Trank gereicht, legten wir uns, vor Hunge und Durst fast verschmachtend, zur Ruhe. Nachdem wir vm 7 bis 1t Uhr, ohne Schlaf zu finden, an diesem eben nich freundlichen Orte zugebracht hatten, winden wir in Ketter und Banden geschlagen, auf einen Wagen gepackt und zu , größeren Sicherheit noch an denselben festgebundcn. Abend, 7 Uhr, ohne das uns noch irgend eine Erquickung gereich war, fuhren wir unter einer Escorte von Dragonern mit ge