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Rr. «88. Neunter Jahrg. 'MM Mettag, 14. Vctbr. I8S4. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserate ,vcr»t» angenommen: bis Abends 0,Tonn- tags bi« Mittags 12 Uhr: Marienfiraftc 13. Anzeig, in dies. Blatte, da« jetzt in 10.8UU Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitrcdacteur: Theodor Drobisch. Monncn.ent: Vierteljährlich 20 Rgr. bei unentgcldlicher Lie ferung ins Haus. Durch die König!. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern l Ngr. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: I Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Rgr. Druck und Eigenlhuin der Herausgeber: Lsk'P/'ch A Meilhürdt. — Verantwortlicher Redactcur: Julius Neichardt. Dresden, den 14. October. — Se. Exc. der Herr Staatsminister Ur. v. Falken stein ist vorgestern von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte des Ministeriums des Cultus und öffentlichen Unterrichts wieder übernommen. — Wie wir bereits gestern berichtet, erfolgte vorgestern Abend die eigentliche Vorweihe zur Eröffnung der Betkapellc für die hier weilenden russischen Unterthancn gricchisch-kathv lischer Confession, wozu sich nahe an 200 Herren und Frauen eingefunden. Die Feierlichkeit in dem Saal, der durch drei, mit Wachskerzen versehene Kronleuchter erhellt, begann mit Ge sang unter Beistand des Popen Jugnowsky, der sich am In terims-Altar aufgestellt, während das Gesangsquartett zur rechten Seite stand. Hierauf wurden einige Theile des Evange liums verlesen, worauf Gebete für den Kaiser, für die Kirche und das russische Reich folgten. Erhebend und feierlich klan gen sodann die Lobgcsängc, an tausend Jahr alte Hymnen, die später auf Anregung des Kaisers Alexander I. für Quartettgesang eingerichtet wurden. Den Schluß bildete die Feier des Abendmahles. Gestern Vormittag empfing die Ca pelle mit allen Förmlichkeiten ihre Weihe, wobei die am Vor abend noch verschlossenen, ernst-geheiligten Räume geöffnet und nun zum kirchlichen Dienst geweiht wurden. Der Bct- faal ist in bycantinischcm Geschmack von dem Herrn Baumei ster Gärtner erbaut, die Gemälde in der Nähe des AltarS, theils Copieen aus der biblischen Geschichte, sind ein Werk des Herrn Malers Kluge hicrsclbst. — Das morgende Auftreten unseres Lieblings Frl. Ottilie Genoe wird diesmal um so interessanter für das Pu blicum, da wir zum ersten Male einen der in Petersburg von Frl. Genre mit so glänzendem Erfolg gegebenen französischen Soloschcrze sehen werden und die überaus elegante Aussprache und Fertigkeit derselben in dieser Sprache gerühmt wird. Eine Wiederholung dieser Wohlthätigkcitsvorstcllung kann diesmal kcinenfalls stattsinden, da Frl. Genre schon ain Sonntag zu einem längern Gastspiel nach Hamburg reist. — Nicht der Hauptgewinn von 150,000 Thalern, wel cher in die Hauptcollcction von Kind in Strelitz fiel, sondern der 80,000 Thalcr-Gewinn aus der Hauptcollection von C. I. Drescher u. Co. vertheilte sich in der gestern angege benen Weise unter die daselbst erwähnten Cvllccteure, was zu der von vielen der geehrten Leser wohl schon selbst er rarhenen Berichtigung der gestrigen Notiz dienen mag. Die in Herrn A. Hessels Collection gefallenen 100,000 waren dießmal für Dresden der größte Gewinn. — Der Unternehmer des Patti-Concerts Herr Ullmann hat mit dem Omnibus-Verein einen Vertrag abgeschlossen, wornach jedem Besucher des Concerts im Lincke'schen Bade freie Fahrt hin und zurück gewährt ist. Die Omnibusse wer den an fünf verschiedenen Plätzen der Stadt ausgestellt sein. — Gestern Nachmittag in der vierten Stunde entstand im Niederlagsraum eines Hauses auf der Webergasse ein Brand, der sich durch Herausströmen von Rauch im zweiten Stock verkündete. Es brannte und glimmte eine Parthie Wolle, später mit dem Packpapier in vollen Flammen empor züngelnd. Schnelle Hülfe, wobei sich besonders ein grüner Packträger betheiligte, ließ den Brand nicht weiter auf- kommen. — Es ist ein bekanntes Manöver von Schwindlern männlichen und weiblichen Geschlechts, daß sie unter falschen Namen eine Wohnung oder Schlafstellen -nehmen, daraus aber unter Mitnahme von fremden Effekten oder wenigstens vor Berichtigung der bei ihrem Logiswirth aufgelaufenen Rechnung sich nach kurzer Zeit heimlich wieder entfernen. Eine Frauensperson der gedachten Art hat in neuester Zeit diesen Industriezweig hier betrieben und aus diese Weise eine auf der Pirnaischenstraße wohnhafte Familie um diverse Waschstücke bestohlen. — — Oeffcntliche Sitzung der Stadtverordne ten am II. Oktober. — Die heutige Sitzung war sehr zahl reich besucht, die Zahl 50 war weit überschritten. — Wir habeir den Lesern bereits mitgcthcilt, daß in nächster Zeit 4 Stadträthe auf Zeit aus dem Stadtrathskollcgium ausschei den werden. Heute sollten die Stadtverordneten die Neu wahlen vornehmen. Vorschläge der Wahldcputation lagen vor. Stadtverordneter Gerlach spricht sich jedoch gegen das Princip aus, die Wahlen außerhalb des Collegiums ganz und gar der Wahldeputation zu überlasten. Er beantrage: die heutigen Wahlen nicht eher vorzunehmen, als bis die Wahl deputation für jede einzelne Funktion wenigstens drei Candi- datrn, nicht, wie es heute geschehen, bloß einen, vorgeschlagcn. Stellvertreter Walther weist auf die Schwierigkeiten hin, mit welchen die jedesmaligen Vorschläge der Wahldcputation ver bunden seien. Die Deputation stelle nur die Männer als Kandidaten auf, von welchen sie wisse, daß sie nicht bloße Figuranten seien. Urbrigens könne trotzdem Jeder wählen, wie er wolle. Stadtverordneter Ilr. Stübel erblickt in dem bisher befolgten Principe ebenfalls ein Minimum, ja sogar eine Vernichtung der Wahlsreiheit. Auch er wünsche, daß wenigstens für jede Funktion von der Wahldeputation 2 Can- didaten vorgeschlagen werden mögen. Stadtverordneter Ger lach bleibt bei seinem Anträge stehen; dem Collegium müsse wenigstens ein Recht von Wahlsreiheit gewahrt bleiben. Außerdem spricht er sich dagegen aus, daß es Sitte geworden sei, immer dieselben wiederzuwählcn, so daß es fast unmög lich scheine, Einen durchzubringen, der noch nicht im Amte gewesen. Uebrigens wundere er sich, daß Stellvertreter Walther von „Figuranten" spreche. Letzterer verwahrt sich gegen alle Vorwürfe, welche die Wahldeputation treffen könn ten. In Dresden herrsche im Allgemeinen so wenig Bürger sinn und im Vergleiche zu andern Städten ein so großer Jndifscrentismus, daß die Wahldeputation mit gutem Ge wissen primo laen nur Wenige Vorschlägen könne. Uebri- gcns werde es die Wahldcputation dankbar annehmcn, wenn die Wahl ganz freigegeben würde. Letzterer Ansicht schließt sich auch Stadtverordneter llr. Stübel an. Außerdem meint er, daß solche wichtige Wahlen den Stadtverordneten früher bekannt gegeben werden sollten, dainit man sich privatim vor her besprechen könne. Er beantrage daher Folgendes: 1) die Wahl für heute auszusetzen, 2) die Wahl von 4 Stellen nicht an einem Tage vorzunehmen und 3) die Wahldeputation zu beauftragen, mindestens 2 Personen für jede vacante Stelle bei jeder Wahlhandlung vorzuschlagcn. Stadtverordneter Ger lach verwahrt sich dagegen, als habe er damit, daß er gegen die Sitte des Wiederwählens gesprochen, irgendwie die hohen Verdienste der Persönlichkeiten hcrabsetzen wollen, die heute von Neuem zu Stadträthen vorgeschlagen worden seien. Sei nen Antrag zieht er zu Gunsten des Stübel'schen zurück, der schließlich einstimmig zum Beschlüsse erhoben wurde. — Am 1. August 1862 ist ein neues Regulativ für städtische Sub alternbeamte in's Leben getreten. Da entstand aber die Frage wie es mit der Pensionirung der Beamten zu halten sei, welche der Pcnsionskasse nach dein 1. August beigetreten, aber schon lange vorher in städtischen Diensten gewesen seien, ob bei diesen die Dienstzeit vor der Gründung der Pensions kasse mit eingerechnet werden solle. Zu Lösung dieser Frage find verschiedene Stimmen gehört worden. Der Stadtrath, die betreffenden Beamten selbst, die Kreisdirettion, alle haben ihr Urtheil abgegeben. Der Stadtrath hat neuerdings den Vorschlag der Krcisdirektion acccptirt, welcher dahin geht, den früher beschlossenen Zusatz zu dem bezüglichen Z 9, die Ein reichung der Dienstjahre vor dein I. August betreffend, als unnöthig fallen zu lassen. Heute sollten die Stadtverordne ten Beschluß in dieser Angelegenheit fassen. Die vereinigte Verfassungs- und die Finanz-Deputation ist mit der Ansicht der Krcisdirektion nicht einverstanden. Nach ihrer Meinung würde die Pcnsionskasse bei den bedeutenden Bewilligungen, die sie zu gewähren hätte, immer auf die Zuschüße der Stadt kasse angewiesen sein. Daher schlagen die Deputationen vor, dem Stadtrath zu erklären, daß allerdings von der Aufnahme der Zusatzbestimmung zu tz 9 abgesehen werde, daß man aber gegen die Motive der Kreisdirektion remonstrire und den Stadtrath ersuche, sich den Ansichten der Stadtverordneten und der Mitglieder der Pensionskasse zu conformiren. Nach diesen soll zwar bei denjenigen Beamten, welche vor dem 1. August im städtischen Dienste gewesen, die volle Dienstzeit bei Berechnung des Mehraufwandes berücksichtigt, der Mehraufwand der Pension aber für die Zeit vor Erlaß des neuen Regulativs aus der Stadtkasse und sonstigen Stiftungs kaffen gedeckt werden. Diesem Votum der vereinigten Ver fassungs- und Finanz-Deputation giebt das Collegium ein stimmig seine Zustimmung. Unter den Petitionsvorträgen heben wir ein Gesuch des Advokaten Adler, der sich zur Zeit in Melbourne in Australien befindet, hervor. Derselbe bittet um Ausstellung eines Heimathschcines auf 10 Jahre. Wird genehmigt. Ein Gesuch um Dispensation von Gcwcrbsmün- digkcit wird abgelehnt. — Eine große Anzahl Rechnungen wird justificirt. Schließlich ging man nach dreistündiger Dauer der öffentlichen Sitzung zu einer geheimen über. — Auf der Holzhosgasse Nr. 4 hat sich vorgestern Nachmittag der Gartenarbciter Klette in seinem Wohnzimmer erhängt. Das Motiv des Selbstmordes ist bis jetzt unbe kannt. — — In der Nacht des 9. l. Mts. zwischen I I und 12 Uhr sind bei Revision der Eisenbahnstrccke iir der Nähe des Falkenschlag Ucbergangcs mehrere ziemlich große Steine aus den Bahnschienen liegend vorgefunden worden, ohne daß es bis jetzt gelungen ist, eine Spur bezüglich des Thäters zu entdecken. Die König!. Polizeidireetion rracht dies mit der Aufforderung bekannt, alles was zur Ermittelung der Ur heberschaft des Verbrechens irgendwie beitragen könnte, schleu nigst anzeigen zu wollen. — »Es liegt uns der genaue, gestern bereits kurz mitgetheilte Vcrmögensbestand der Stadt Dresden für das Jahr 1863 vor. Nach demselben betrug die Summe der Aktiven am 31. December 1863: 4,607,262 THIr. 11 Ngr. 7 Pfg., die Summe der Passiven zur selben Zeit: 2,545,033 Thlr. 5 Ngr. 5 Pfg. Die Vergleichung ergab also beim Beginn des Jahres 1864 einen Vermögensbestand der Stadt Dresden von: 2.062,229 Thlr. 6 Ngr. 2 Pfg. Das Jahr vorher belief sich das Vermögen unserer Stadt nur auf 1,980,736 Thlr. Unter den Aktien der Stadt erwähnen wir: Grundstücke, theils nach Nutzungs-, Abschätzungs- oder Kauf- werthe berechnet: 814,608 Thlr., kapitalisirte Gerechtsame mit bestimmten oder steigenden und fallenden Nutzungen: 876,947 Thlr., zinsbare Vorschüsse und Aktien. 648.272 Thlr. lim vorigen Jahre, nur 267,730 Thlr.,) Mobiliarge genstände und Jnventarienstücken: 17,313 Thlr., Gasbeleuch tungsanstalt: 564,584 Thlr., Anlagekapital der steinernen Wasserleitung: 403,447 Thlr., unbegebcne Obligationm der dritten Anleihe: 994,900 Thlr. u s. w. Unter den Passi ven seien hervorgehoben: dritte Anleihe 1,500,000 Thaler, Reservefonds aus der Gasbclcuchtungsanstalt: 379,584 Thlr. Darlehne zur Anlage der Gasbclcuchtungsanstalt: 190,000 Thlr., Darlehn zur Anlage der steinernen Wasserleitung: 294,447 Thaler, Ziest der ersten Anleihe 35,250 Thlr., Rest der zwei ten Anleihe 109,000 Thlr. u. s. w. — An Staatsabgaben sind im Jahre 1863 durch die städtischen Einnahmebehörden 291,870 Thlr. erhoben und an die Königlichen Einnahme stellen abgeliefert worden, das sind 13,820 Thlr. mehr als im Vorjahre. — Den kommunlichen Haushalt anlangend, so erwähnen wir, daß infolge der zunehmenden Ausdehnung des Marktvcrkehres von den Wochenmärkten, incl. Marktstellen zinsen beinahe 1000 Thlr. mehr vereinnahmt worden sind als im Vorschlag nach dem Haushaltplan, nämlich'. 16,849 Thalcr. Die Gebühren für Erthcilung des Bürgerrechtes waren im Haushaltsplan mit 20,Ovo Thlr. veranschlagt, wirtlich vereinnahmt wurden: 25,880 Thlr. Die Sporteln bei der I. und 2. Abthcilung und der Steucrcinnahme haben eine Mehrcivnahmc von 2,883 Thlr., die Bürgcrsteuer eine solche von 2037 Thlr., der Malzsteuerzuschlag eine von 1729 Thlr. erzielt. Gegen das Ergebnis; des Jahres 1862 ist zwar der Ertrag der Bürgerrechtsgcbührcn im Jahre 1863 um ca. 5000 Thlr. zurückgcgangen. Dennoch war die Zahl der im letzteren Jahre erfolgten Bürgerrechtsvcrleihungcn eine so erhöhte, daß durch die dafür erlangten Gebühren der er wähnte Mehrantrag gegen den Vorschlag erzielt worden ist. Die bedeutendsten Mehreinnahmen weisen aber jedenfalls nach die Abgaben von Mehl und Backwerk, 14,407 Thlr., die Ab gaben von den Miethzinscn 11,127 Thlr., die Abgaben vom Grundwerth 8589 Thlr. Bei diesen indirekten Abgaben soll namentlich auch die in fortwährender Progression begriffene Einführung des bairischen Bieres von Einfluß gewesen sein. Das Quantum des Einbringens ist seit dem Jahre 1848 von jährlich 376) auf 4729s Faß im Jahre 1863 gestiegen. — Jndeß sind nicht nur bedeutende Mehreinnahmen erzielt, son dern auch gar nicht unbedeutende Mehrausgaben gemacht wor den, z. B. zur Anlage und Unterhaltung von Plätzen u. s. w. 61,081 Thlr. (veranschlagt nur 51,232 Thlr ), Unterhaltung der Araupfannen: 3613 Thlr. »veranschlagt nur 680 Thlr.), Besoldungen beim Stadtrathe: 53,383 Thlr. (veranschlagt 52,222 Thlr.), außerordentliche Ausgaben: 11,093 Thaler (veranschlagt 6000 Thlr.) Bei mehreren Positionen sind auch Ersparnisse gemacht worden. Alles in Allem genommen können die finanziellen Zustände unserer Stadt als die be friedigendsten bizcichnct werden. — Wegen plötzlich eingetrctener Tobsucht mußte vor gestern Nachmittag die Wirthschafterin in einer auf der klei nen Packhosstraßc gelegenen Restauration in das Krankenhaus gebracht werden. — — Bei näherer Untersuchung derjenigen Bahnstrecke der sächsisch baycrschen Linie der westlichen Staatseisenbahnen, auf welcher am 10. October die bereits gemeldete Zugs entgleisung stattgefundcn hat, ist auch in dem Zustande des Bahnkörpers und des Schienengleises irgend eine Ursache für seine Entgleisung nicht zu entdecken gewesen und es muß so nach auch jener Unfall zu denjenigen gezählt werden, deren Ursachen »üt Zuverlässigkeit nicht zu ermitteln sind. — 'Mittelst Eindrückens einer Fensterscheibe wurden aus der Dienstmädchenlammcr eines auf der Königsbrücker- straße gelegenen Logis sieben verschiedene Bettstücken von einem bis jetzt unbekannten Diebe entwendet. — — s Oeffcntliche Gerichtsverhandlung vom 12. Oetbr. Die Ehefrau eines Tagelöhners zu Wilsdruff, Wil helmine Pyrrhuö 38 Jahre alt. steht heute zum ersten Male vor dem Richter. Ihre Vergehen, deren sie beschuldigt ist, zerfallen in vier Theile. Sie entwendete ein einfaches Hemd, vier Ellen Leinwand, einen Thaler, der auf einen; Tische lag