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Dresden, den 11. Oktober. — Se. Majestät der König hat zu Friedensrichtern er nannt: den Rittergutsbesitzer vonOehlschlägel auf Oberlangenau, im Amtsbezirke Brand; den Gutsbesitzer Gemeindevorstand Mädler zu Bärenwalde, im Amtsbezirke Kirchberg; den Oberst lieutenant a. D. von Bose zu Weißcnborn, im Amtsbezirke Zwickau; den Particulier Richter zu Scheibenberg, im Amts bezirke Scheibenberg; den Hammcrwerksknsitzer Breitfeld sen. zu Erla, im Amtsbezirke Schwarzenberg; den Rittergutsbesitzer Grafen und Edlen Herrn zur Lippe-Weißenfeld auf Thum, im Amtsbezirke Ehrenfriedersdorf; den Rittergutsbesitzer Jahn auf Taltitz, im Amtsbezirke Oelsnitz; den Rittergutsbesitzer Klahre auf Pannewitz a. T.. im Amtsbezirke Bischofswerda. — Se. Majestät der König hat den zeitherigcn Friedens richter, Kammerherrn Leonce Robert von Könneritz auf Erd mannsdorf zum Amtshauptmann in der 1. Amtshauptmann schaft des Regierungsbezirkes Zwickau mit dem Wohnsitze in Chemnitz und die Assistenzärzte im Sanitätscorps, I)r. Klepl und vr. Meißner, zu Bataillonsärzten 2. Klasse ernannt. — Allerhöchster Anordnung zu Folge ist wegen erfolg ten Ablebens Ihrer Hoheit der Prinzessin Anna Amalie Ma rie von Sachsen Weimar-Eisenach am Königlichen Hofe eine Trauer bis mit 15. dieses Monats angelegt worden. — Mit dem auf der Leipzig-Dresdener Bahn vorgestern Abend 10 Uhr hier angekommenen Personenzug traf Se. Hoheit Prinz Friedrich der Niederlande hier ein und ful,2, nachdem c» auf dem Schlesischen Bahnhof soupirt, mit dem dort Abends 11 Uhr abgegangenen Zuge weiter nach Schlesien auf seine dort gelegenen Besitzungen. — Die hiesige Gesellschaft für Botanik und Gartenbau, „Flora", hatte am 8. und 9 Ocwber in dem obern Saale des k. Belvedere auf der Brühl'schen Terrasse eine „Monats ausstellung" arrangirt. Der Ausstellungsraum war durch die Büsten Sr. Majestät des Königs und der Prinzen des könig lichen Hauses, inmitten einer schönen Pflanzengruppe wirkungs reich geschmückt, und der appetitliche Anblick der ausgestellten Früchte konnte dem Ausstellungsbesucher mit dem verflossenen vielgeschmähten Sommer wieder aussöhnen. — Das die Referate über die öffentlichen Gerichtsver handlungen lesende sehr zahlreiche Publicum wird gewiß schon oft bei einem vom Richter gefällten Urtel den Zusatz gelesen haben: „So und soviel Jahre Zuchthaus ^e. mit ein oder zwei Drittel Schärfung." Hier und da ist das Publikum über die Art und Weise dieser Schärfung, über die ganze Bezeichnung nicht im Klaren. Referent gicbt daher folgende Erläuterung. Bei Zuchthausgefangcnen, welche bereits wenig stens einmal Zuchthaus, oder wegen eines vorsätzlichen Ver brechens Arbeitshausstrafe verbüßt haben, wird die Strafe entweder durch hartes Lager auf 30 Tage oder durch Ent ziehung warmer Kost auf 60 Tage geschärft. Uebcr die Wahl des Schärfungsmittels und über die Zeit der Anwendung entscheidet die Anstaltsdirection nach Gutachten des Arztes. Keine der Schärfung darf ununterbrochen länger als 2 Tage hintereinander vollzogen werden. Bei Zuchthausgefangenen, die bereits einmal Zuchthausstrafe verbüßt und deren körper liche Beschaffeuheit es gestattet, kann auch körperliche Züchti gung als Schärfung von 20 bis 60 Hieben, die mit einer am Angriffe nicht über einen Viertelzoll starken Ruthe oder mit einer Ruthe von zusammengebundenen Birkenreisern auf den Rücken oder aus das Gefäß angewendet werden. Diese Art der Schärfung wird gleich bei der Einlieferung vollstreckt. Heber Maß und Art der Hiebe entscheidet der Anstaltsdirec- tor. Männliche Zuchthausgefangene, die bereits zweimal im Zucht- oder Arbeitshause gesessen, tragen während ihrer Straf zeit ein Beineisen, weibliche einen mit der Kette am Fuße befindlichen Klotz. Diese Schärfung soll jedoch, wenn die Strafe länger als 10 Jahre dauert, für den Nest derselben wegfallen. Aber außer in diesen erwähnten Fällen, wo die ««gedrohte Schärfung der Zuchthausstrafe von selbst eintritt, kann diese Strafe auch mittelst richterlichen Erkenntnisses ge schärft werden und zwar durch hartes Lager bis zu 30 Ta gen, durch Entziehung warmer Kost bis zu 60 Tagen und durch Züchtigung bis zu 60 Ruthenhieben. Die Art der Schärfung hat der Richter im Erkenntniß nicht auszudrücken, Wohl aber das Maß, und zwar spricht er hier von einer vollen, oder Zweidritttheils- oder von Eindrittthcilsschärfung. Lebenslängliche Zuchchausstrafe ist durch Urtel nie zu schärfen. Die meisten dieser Schärfungen im Zuchthause finden auch bei der Arbcitshausstrafe Statt. Ebenso kann auch die Ge fängnisstrafe geschärft werden. Schließlich sei noch zu be merken, daß bei Vagabonden und Bettlern Gesängnißstrafe in Hiebe verwandelt werden kann, und da gelten nach dem Ar tikel 24 des Strafgesetzbuchs drei Ruthenstreiche für einen Tag einfache Gesängnißstrafe. — In Folge des gestern kundgegcbencn Wunsches, die Erbauung einer Wartehalle für Omnibusgäste am Schießplatz, bringen wir in Erfahrung, daß bereits seit zwei Jahren der Omnibusverein nicht nur wiederholt um Genehmigung dazu eingekommen, sondern auch Herr Restaurateur Helbig die Sache dadurch unterstützt, daß er die nöthigen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt habe. Bis zur Zeit sei aber aus verschiedenen Gründen die Genehmigung verweigert worden. Wiewohl wir nun nicht die Gründe kennen, welche eine Ab weisung dieses Gesuchs rechtfertigen, so viel steht fest, daß die Errichtung einer solchen Halle sich für das Publikum als ein Bedürfniß herausstellt, zumal jetzt, wo trübe und rauhe Witterung und später Frost wie Kälte im Anzug sind. Des halb aber die Hoffnung nicht sinken lasten, muthig noch ein mal vorgeschritten; dem Muthigcn gehört die Welt, warum also auch eine Wartehalle an der alten Elbbrücke nicht. — Der vorgestern Morgen 6 Uhr von hier nach Leip zig abgegangenc Ertrazug, der Nachts 2 Uhr hierher wieder zurückgekehrt, wurde abermals von einem zahlreichen Publi kum besucht. Namentlich soll aber auf den Zwischenstationen bis Leipzig diesmal ein ganz besonderer Andrang Seiten des Publikums zur Benutzung dieses Extrazuges stattgefunden haben. — Vor mehreren Tagen hatte man eines Morgens in einem hiesigen Gasthause die Wahrnehmung gemacht, daß in einem dortigen Gastzimmer, das aber an keinen Fremden ab gegeben war, ein Unbekannter geschlafen haben müsse. Der selbe hat sich dort jedenfalls Abends zuvor eingcschlichen, sein Nachtschläfchen gehalten uud am anderen Morgen früh Ge legenheit gefunden, das Gasthaus so unbemerkbar, als er ge kommen, wieder zu verkästen. Leider schien sich der Unbe kannte aber nicht damit begnügt zu haben, dort zu schlafen, die Gelegenheit zum Diebstahl mochte ihm zu günstig er schienen sein, als daß er sie unbenutzt hätte können vorüber gehen lasten. In dieser Meinung hatte er denn auch ver schiedene Wäschstücken und Betttücher mitgehen lasten. Wie wir nun hören, ist der saubere Patron in den letztvergangenen Abenden, bei einem ähnlichen Streifzuge, den er in ein an deres hiesiges Gasthaus zu unternehmen versucht, erwischt und nunmehr an die Behörde abgegeben worden. — Das so ungemein zahlreich besuchte und höchst bei fällig aufgenommene große Extra-Concert, am letztverflossenen Dienstag auf dem Belvedere, gegeben von Herrn Stabstrom peter Wagner, macht heute auf vielfachen Wunsch eine Wie derholung nöthig. , — Wir berichteten neulich über einen Brandsall betreffs des Wohnhauses des Windmüllcrs Müller in Zschaiten. Bei diesem Brande war leider der elfjährige Sohn des Hausbe wohners Rostig mitverbrannt, nachdem ihn der Vater vergeb lich, obgleich mit eigner Lebensgefahr, den Flammen entreißen wollte Es entstand einiger Verdacht der Brandstiftung wider den Müller selbst. Bei den sofort angestellten staatsanwalt- schaftlichen Vorerörterungen hat dieser das Verbrechen einge räumt. — Am 2. d. M. wurde die Ehefrau des Bauergutsbe- sitzcrs Haman zu Thränc von Drillingen, drei gesunden Söhn- chen, entbunden. Gerade drei Jahre zuvor wurde sie, wie die „Srb. Now." berichtet, von Zwillingen entbunden. Leider kostete ihr die Geburt dieser Drillinge das Leben. Drei Tage zu vor war ihre Schwester in Großradisch infolge ihrer Nie derkunft ebenfalls verschieden. — In der Gegend von Göda producirte neulich ein Landmann einen Stock mit 92 Halmen und vollen Kornähren, welche aus einem Samenkorn entsprossen waren. — Am 6. d. wollte der Sohn des Gutsbesitzers Munkelt aus Tragis bei Borna mit zwei Frauen, namens Lehmann und Hahnefeld, und einem 4jährigen Kinde der Letzten: nach Grimma auf Besuch fahren. Kurz vor der Stadt, wo die Straße ziemlichen Fall hat, ging das Pferd, vom Peitschen knallen eines Fuhrmanns scheu gemacht, durch, raste in die Stadt hinein und prellte dermaßen an ein Haus, daß es auf der Stelle todt niederstürzte, der Wagen aber mit den Insassen sich sofort umschlug. Hierbei erlitt die Lehmann einen ein fachen und einen doppelten Armbruch, sowie einen Schenkel bruch, die Hahnefeld ebenfalls einen Schcnkclbruch, das Kind mehrere Verletzungen am Kopfe und Munkelt mehrere, jedoch weniger bedenkliche Verletzungen am Unterleibs. — Ein hiesiger Scharwerksmaurcr gericth neulich in Wechselhaft und hatte sich so tief in die Schulden hineinge- rittcn, daß sogar noch seine eigene Frau eines schönen Tages in die Wechselstube kan: und ihm sämmtlichc Kleider ab- und mitnahm, so daß der bis aufs Hemde Entblößte genöthigt war, sich ins Bett zu legen. Wahrscheinlich hatte er sich hier durch eine Erkältung zugezogcn und er sollte nun auf An ordnung des Arztes in das Krankenhaus gebracht werden. Hierzu gehörten jedoch einige Kleider und das Gericht eröff net«: nun seinem Gläubiger, daß er für die Bekleidung des Schuldarrestaten zu sorgen habe. Zufällig war bei der Pu blikation dieses Bescheids ein hiesiger bekannter jovialer Ge schäftsmann zugegen, der sich freiwillig zur Lieferung der er forderlichen Kleider erbot, und auch sofort dem entblößten Wechselschuldner einen Frack, Hosen, Pflanzerhut, Stiefeln, Strümpfe, Haarbürste, Kamm, Glaceehandschuhe, sowie ein Portemonnaie mit 3 Pfennigen zu Schnupftabak lieferte. Diese Garderobe fand aber durchaus nicht den Beifall des Jnhaf- taten, man weiß nicht ob aus Reinlichkeitsgründen, oder weil die Kleider ihm nicht paßten, kurzum er war nicht zu bewegen, die Kleider anzuziehen, der Gläubiger bekam endlich die Ge schichte satt und gab seinem Wechselschuldner die Freiheit, wo mit er diesem natürlich keinen großen Posten spielte. Leider ist derselbe Scharwerksmaurer aber neuerdings schon wieder in Wechselhaft gerathen, das Gericht hat aber angeordnet, daß zur ferneren Vermeidung von dergleichen Unzuträglichkeiten von jetzt an Niemanden: mehr gestattet ist. einem Wechselin-» haftaten die Kleider wegzunehmen. — Der von uns bereits mehrfach gedachte Einbruch-« dicbstahl in ein hiesiges Banquiergeschäft hört, wie natürlich, noch immer Nicht auf, in vielen Kreisen unseres Publikums das Thema des Tagesgesprächs zu bilden. Es laufen freilich dabei Mitthcilungen unter, die rein aus der Luft gegriffen sind. So erzählt man sich unter Anderem, daß die königl. Polizeidircction einen Schlosser in dem Augenblicke verhaftet habe, als derselbe eben im Begriff gestanden, mit den gestoh lenen Werthpapicren per Bahn von hier abzureisen. Ein an deres Gerücht läßt den Dieb ebenfalls in der Person eines hiesigen Schlossers ermittelt erscheinen, und fügt hinzu, daß in dessen hiesiger Wohnung die Gesammtsumme der gestohlenen Werthpapiere und Geldsorten aufgefunden worden sei. Wir können nach den uns aus zuverlässiger Quelle zugegangenen Mittheilungen versichern, Laß alle über die bereits erfolgte Entdeckung des Diebes, insbesondere aber über die Auffindung der gestohlenen Gelder hier verbreiteten Gerüchte zur Zeit noch der Begründung entbehren. — ff Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 10. Oktober. Fünf Gerichtsverhandlungen stehen heute an. Mei stens sind es Pripatanklagen, welche den Richter beschäfti gen, nur kurze Zeit erscheint Herr Staatsanwalt Held. Neh men wir die erste Sache vor, so finden wir eine große An schuldigung, die aber weiter nichts zu bedeuten hat. Sie lautet auf Beleidigung und Körperverletzung. Ernst Ferdi nand Fickler hatte den Ernst Johann Heinrich Stiehler priva tim verklagt und Stiehler war wegen obengenannter Vergehen zu 4 Thaler Geldbuße, im Nichtzahlungsfalle zu 8 Tagen Gefängniß und Tragung der Kosten vcrurtheilt worden. Dagegen erhob er Einspruch, die Strafe erschien ihm zu hoch. Es handelt sich hier um familiäre, ja, wenn man will, um eheliche Verhältnisse, in Folge deren der Eine den Andern gewürgt hat. Beide Parteien waren zum heutigen Einspruchs termine erschienen, hatten nichts Neues mehr anzuführen — und das erste Urtel wurde bestätigt. — Kommen wir zur zweiten Verhandlung, die ist ebenfalls ohne alles Interesse. Das Gerichtsamt Nadcberg hat den Karl August Bellmann wegen Widersetzlichkeit zu 3 Wochen Gefängniß und Tragung der Kosten vcrurtheilt. Die Geschichte spielt am 4. Juli 1864 und zwar Abends 8 Uhr. Der Gensdarm Mun kelt zu Radeburg hat die Sache angezcigt. Auch hier han delt es sich um eine Familicnscene, die noch dazu unumwun den im elterlichen Hause sich zugctragen. Im Hause der Mutter machte Bcllmann Skandal und da er gar nicht auf- I hörte, so wurde der Gensdarm Munkelt geholt und der arre- tirte den Ruhestörer. Freilich soll Bellmann betrunken gewe sen sein. Beim Fortführen leistete er nicht Folge, hielt sich an das sogenannte Thürgewände fest und Polizeidiener und Amtsdicner konnten ihn nicht losreißen. Doch dieArretur ging später vor sich und so saß Bellmann bis zum 12. Juli 1864. Da wurde er entlasten. Er erhob Einspruch, der aber nicht I viel nützt, da seine offenen Geständnisse ein sehr ungünstiges I Zeugniß gegen ihn selbst abgcben. Herr Staatsanwalt I Held bezieht sich selbst auf diese Zugeständnisse und hat in I Bezug auf die Strafzumessung nur das zu Gunsten des An-I geschuldigten anzuführen, daß er eben angetrunken gewesen, I im klebrigen wünscht er die Bestätigung des ersten Urtheils. I Der Gerichtshof zog sich zurück und verkündete, daß der Ein- I spruch nichts geholfen, sondern nur noch mehr Kosten herbei- I geführt hat. — Die dritte Sache spricht über einen verübten I Betrug, besten Julie Tuzendreich Reimann aus Neugiersdorf I bei Löbau beschuldigt und deßhalb zu 4 Tagen Gefängniß I und Tragung eines Theils der Kosten vcrurtheilt ist. Sie I hat immerfort seit ihrer Eonfirmation gedient und zuletzt und D zwar bis zum 16. März 1864 beim hiesigen Stadtwundarzt I Kox. Am 4. Mai 1864 zog sic ab und der Herr Stadt-D Wundarzt gab ihr das empfehlende Zeugniß, daß sie treu und! ehrlich gedient habe. Das war aber nicht wahr. Der Herr D