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„ . sch-« früh um V Ahr k» baß -eg«ü!berlte-ende GrrichtSaebäude zu bringen, zu einer Zeit, als die Menge noch nicht höher als auf etwa fünfhundert Köpfe angeschwollen Var. Hätte die Polizei bis neun Uhr gewartet, so würde sie die Straße schon von Lausenden neugierigen und rohen Gesindels verbarrikadirt gefunden haben. Als da» Verhör um elf Uhr begann, war der Gerichtssaal vollständig gefüllt, obwohl außer einigen Bevorzugten, wie Prinz Humbert mit dem italienischen Gesandten und seinem Flügeladjutanten, fast nur Vertreter der Presse, Zeichner und einige in der literarischen Welt bekannte Persönlichkeiten nach vorhergegangener Anmeldung Zutritt er halten halten. Al- Anwalt der Krone fungirte Herr Giffard, als Vertheidiger de- Angeklagten der Sachwalter des deutschen Rechtsschutzvereins Herr Beard. Das Zeugenverhör erstreckte sich der Hauptsache nach auf die bei Müller gefundenen oder ihm angeblich angehörenden Gegenstände, welche Jndieien seiner Schuld sein sollten. Man wird sich erinnern, daß in dem Eisenbahncoupe, welches der Schauplatz de- an Herrn Brigg- verübten MordcS gewesen, ein fremder Hut gefunden wurde, wogegen Herrn Brigg- Hut verschwunden war, daß ferner bei der Leiche Uhr nebst Kette vermißt wurde. Bei Müller'- Vrr Haftung an Bord de- Segelschiffes „Victoria* in der Nähe von Newyork hatte die Polizei unter seinen Effecten einen Hut und eine Uhr vorgefunden, welche nun als stumme Belastungszeugen Vorgebracht wurden. Die Uhr identifieirte der Sohn de- Er mordeten als Eigenthum seines Vaters, den Hut nicht, obwohl derselbe die Adresse de- Fabrikanten trug, bei welchem Herr Briggs 86n. seine Hüte zu kaufen Pflegte. Der Hut seines Vater- sei um etwa 11 Zoll höher gewesen als der vorgelegte, sagte der Zeuge aus; machte jedoch bei genauerer Besichtigung die Bemerkung, daß der vorgelegte Hut neu gefüttert zu sein scheine. Der Juwelier John Death, welcher nun vernommen wurde, sagte aus, daß Müller diejenige Person sei, welche am zweiten Tage nach der Mordthat bei ihm eine (dem Gerichts höfe gleichfalls vorliegende und von Herrn Brigg- jim. als seines Vaters Eigenthum identifieirte) goldene Uh, kette nebst anhängendem Petschaft gegen eine andere Kette und einen Fin gerring eingetauscht habe. Es folgte der Droschkenkutscher John Matthews mit der Aussage, daß der in jenem Eisenbahncoupö Vorgefundene fremde Hut derselbe sei, welchen er für Müller gekauft und den er Müller auch habe tragen sehen. In dem Von Hrrrn Beard angestellten Kreuzverhör gab der letztgenannte Zeuge nicht völlig befriedigende Aufschlüffe und erlaubte siH gelegentlich grobe Antworten. Der Vertheidiger erbat sich schließlich von dem Polizeirichter die Vergünstigung, das Kreuz verhör abzubrechen und in einem späteren Stadium der Unter suchung wieder aufzunehmen. Mrs. Ellen Mythe, in deren Hause Franz Müller bis zu seiner Abreise nach Amerika ge wohnt hatte, stellte dem Angeklagten ein sehr lobendes Beneh mens- und Sittenzeugniß ans. Seine Absicht, nach Amerika auszuwandern, hatte er häufig ausgesprochen und etwa vierzehn Lage vorher definitiv angekündigt. An dem Abende de- 9. Juli (dem Datum der Mordthat) kam er später als elf Uhr nach Hause. An dem folgenden Tage (einem Sonntage) trug er denselben Anzug wie Tag- vorher (ein Umstand) welcher Müller's Anwesenheit in dem über und über mit Blut befleckten Coupö oder einen Kampf auf Tod und Leben mit dem angeblichen Opfer sehr unwah,schein lich macht). Ein anderer Zeuge, John Haffa, sagte aus, daß Müller am Abende des 9. Juli bei ihm gewesen sei und ihn später verlassen habe, um, wie er sagte, zu seiner Geliebten zu gehen, deren Adresse er angab. Dieser Punkt dürfte von Wich tigkeit in der Untersuchung werden. Die fernere Aussage des Zeugen, daß Müller gehinkt habe und an dem verletzten Fuße einen Pantoffel getragen habe, läßt ebenfalls günstige Schluß folgerungen für den Angeklagten zu. Nach Beendigung de- Verhör- wurde die Untersuchung auf den künftigen Montag vertagt. Während der ganzen Proeedur behielt Müller ein ge faßte» und unverändertes Benehmen, wenn er auch meist die Augen niedergeschlagen hatte. Als kurz nach Beginn de- Zeu- genverhör- der Polizeirichter, Hr. Flowers, ihm ungebeten er- sandte, sich zu setzen, stammelte er einige Worte des DankeS «nd es rtthek sich sein Besicht für etn-tt Augenblick; wie kick jede freundliche Ansprache oder Handlung ihn sehr zu rühre» schein», während er bei den am stärksten gegen ihn sprechenden Z.u^t.auSsagen den vollkommensten Gleichmuth bewahrt. Die geheime Sitzung. I. Seenen aus dem deutschen Kammerlebe». Reaktionäre Federn theilm die Mitglieder der deutsch« Kammern in ehrgeizige Stellenjäger und schönrednerische Bieder männer ein. Beiden werfen sie vor, die einzige Triebfeder ihrer Handlungen läge in einem möglichst langen Genüsse der Landtag-diäten. Entziehe man diese ihnen: viele europäische Reden blieben ungeboren, Wochen und Monate eher könnt« die Minister zu ihren Arbeiten, die Volksvertreter zu ihren häuslichen Beschäftigungen zurückkehren, Staats« und Privat geschäfte gediehen besser. Diese hämische Insinuation hat der Witz eines einfachen biedern LandmannS zu Schanden gemacht. Wie man ein guter Abgeordneter und zugleich ein tüchtiger HauSwirth sein, dabei aber seine Diäten nicht in der Residenz verzehren — wohl aber unverzehrt und unversehrt in die La sche stecken könne, bewirk der Vertreter des Bauernstandes T. X. Hütte längst «nt stillem Aerger bemerkt, daß die Miethe einer Wohnung in der Residenz, selbst wenn mehrere Abgeord nete zusammenwohnten, während der kurzen Zeit des Landtag- mehr noch ausmache, als auf seinem Dorfe eine ganze Lage- löhnerfamilie das ganze Jahr über bezahle. Da nun sein Wohnort nur 3 Stunden von der Residenz entfernt war, kam er auf den glücklichen Einfall, sich in der Stadt gar kein Quar tier zu mirthen, sondern zu jeder Sitzung per peäos spostolo- rum von seinem Dorfe aus zu wandern, „kor pecles spoato- loiam" dachte nun zwar unser Landmann nicht, aber „auf Schusters Rappen" dachte er auch nicht, wenigstens nicht im mer, da er manchmal, entfernt von der Residenz, um die Stiefel zu schonen, barfuß ging. Wollte er also noch zum Verlesen de- Protokolls kommen, so brauchte er bloS um 7 Uhr von zu Huise aufzubrechen Dann benutzte er noch, von seiner Ehe hälfte reichlich mit Fourage unterstützt, den Sitzungssaal als Speisezimmer; er biß, den Kopf oft unter seinen Sitz neigend, von seinem Butter brod ab und konnte die- um so ungestörter, als er sich „grundsätzlich", wie er es nannte, nie an der Debatte beteiligte. War dann die Sitzung aus, so eilte er fröhlich seinem Weibe entgegen, die schon mit der dampfenden Eßschüssel auf ihn wartete, und konnte so am Abend die Vorbereitungen für da- morgende Feldbestrllen treffen, sowie seinen Wählern in der Dorfschenke das Neueste vom Landtage berichten Dies ging geraume Zeit so fort und unserm X. bekam die Bewegung nach dem mehrstündigen Sitzen vortrefflich Einst mals nun hatte der Präsident die Sitzung mit den Worten geschloffen, daß morgen der öffentlichen Sitzung noch eine ge heime voranzugehen habe X hatte noch nie einer geheimen Sitzung beigewohnt und freute sich nicht wenig darauf. Un« glücklicherweise trat aber Regenwetter ein, die Wege war« bo denlos und trotzdem, daß X sich beeilend und die Hosen herauf- streifelnd scharf gegangen war, kam er doch um eine ganze halbe Stunde zu spät. Im Vorzimmer, welches zugleich als Garde robe benutzt wurde, traf er zufällig keinen der Kammer-Huissier», wohl aber sah er ringsum an den Wänden und unter den Kleiderhaltern Galoschen und beschmutzte Ueöerschuhe in reicher Anzahl stehen. „Aha!" denkt A, „die heimliche Sitzung ist schon angegangen, da gehr's gewiß recht still her, Niemand darf da mit seinem Geschichte auftappsen, da mußt du schnell auch deine Stiefeln au-ziehen " Er entledigt sich derselben und nimmt sie, wahre Schleu- ßemäumer, in die Hand, um sie unter seinen Platz in der Kammer zu stellen, da er fühlt, sie würden in der Garderobe ihren Eigenthümer verrathen. Er öffnet die Thür, die Kammer lauscht athemlos den Worten eines ihrer Führer: „Frei sein, ist Nichts, sagt Schiller, meine Herren! Frei werden, Alles! Befreien wir den Bauernstand von jeder ^ ihn noch drückenden Last!" " Lnwillig über da- Geräusch und die Störung bei Oeffrmng der Thüre dreht man sich um, — man erblickt L., wie er sich vor- >i- 4 n § §