Volltext Seite (XML)
da« j>tz« in IV.OYNErcmpl. rrsollptilbe Verbreitung Mo. S«7 Montaa, den 25. Juli 1864. Dresden, dm 25. Juli. — Oeffentltche Gerichtsverhandlung vom 23 Juli Emilie Johanne Ernestine Psüller aus MooSdorf ist die heutige Angeklagte. Sie ist 24 Jahre alt. evangelisch und noch nicht Lestraft, ihre Eltern sind todt, nach ihrer Corfnmation niihte fie bei Leuten, zuletzt diente sie. Sie spricht sehr weich und langsam, muß auch zümliche Bildung genossen haben. Sie Weint fortwährend und weil das Taschentuch so oft die Thränen au« dem Gesicht trocknet, sind ihre Worte schwer zu verstehen. Eie ist des Diebstahls, deS Betrugs und der Unterschlagung be schuldigt. Nur ein Heua- ist schienen, die 21jährige Frau Rieneck aus dem Bohmerlande. Die zweite Zeugin, das Dienst mädchen Caroline Leonhardt, war nicht mehr auf-ufinden. Di« Psüller lernte die Leonhardt im hiesigen StLdUranrenhause kennen und erfuhr von ihr, daß sie auf der Großen Meißner gaste im „Hüte! de Paus" gedient, krank geworden sei und deshalb ihre Lade mit Wüsche und Kleidern im HLtel habe stehen lasten. Das merkte sich die Psüller. Sie wurde eher gesund, als die Andere und als sie aus dem Stadtkrankenhause entlasten war, ging sie sofort nach „Stadt Paris" und ließ sich vom Hausknecht die Lade der Leonhardt geben, indem sie vor gab, von ihr dazu beauftragt worden zu sein. Sie erhielt di« Lade und ließ sie nach der Scheff-lgafle in jene Gastwirthschaft schaffen, wo der Freiberger Bote einkebrt. Hier wurde ein Schlaffer geholt, der mußte die Lade öffnen. Er öffnete und — ging. Jetzt nahm sich die Psüller aus der Lade 1 Kleid, T Unterröcke, 1 Paar nagelneue Zeugstiefel und 1 Thaler baares Geld heraus, schlug die Lade wieder zu, übergab sie dem Botenfuhrmann und sagte, er solle sie nun an die Eltern der Leonhardt in Freiberg abgeben. DaS Alle- gesteht sie zu. Die Leonhardt sagt zwar, es fehlten ihr noch 15 Thaler Geld- da von weiß aber die Angeklagte nichts. Die Psüller ist nun noch beschuldigt, in Aussig in Böhmen, wo sie bei der heut hier anwesenden Frau Ri-neck diente, aus einer Chiffoniere eine österreichische Fünf-Guldenbanknote gestohlen zu haben Das stellt fie in Abrede, ebenso leugnet sie, als sie mit der Kindcr- wäsche der Frau Rieneck auf die Mandel geschickt wurde, von dieser Wäsche 17 Windeln, einige Leibbinden, einige Jäckchen, Kmderhemdchen, 1 Lätzchen, 1 Häubchen und 6 Ueberzüge un terschlagen zu Hüven. Allerdings fällt eS auf, daß sie am 31. Dezemb«^ (sie war erst am 24. November dahin ge»"^ ' sich "Mittags heimlich aus dem Dienste und aus Aussig"selbst entfernte und zwar, ohne erst ihren Diensten zu fordern. Als Grund dieses GebahrenS giebt sie sie hätte eine Glocke zer- schlagen und die wäre ger^ so viel werth gewesen, als ibre Löhnung betrug; HHer hätte fie dieselbe nicht gefordert. Die Frau Rieneck beschwört ihre Aussage. Die Angeklagte hatte kernen Defensor. Herr Staatsanwalt Heinze hielt sich sehr kurz in seiner Rede. Die That der Psüller in „Stadt Paris" hält er für nur einfachen Betrug, den Diebstahl von 6 Gulden in Aussig für nicht erwiesen; denn auch das dafige Kinder mädchen der Rifneck hatte Zutritt zu -er Stube, wo das Veld! lag. Das Escamotiren der Kinderwäsche a'ier hält er für wahr und beantragt daher die Bestrafung der Angeklagten wegen Un terschlagung und einfachen Betrugs. Sie erhielt 4 Monate Gefängniß. — AuS dem AibeitShause zu Zwickau, wohin sich der Angeklagte Jos. Graab v. Grabenstein schon vor einigen Mo naten zur Abbüßung der ihm hier vom Einzelrichter zuerkann ten Smonatlichen Arbeitshausstrafe absührea ließ, reiste derselbe gestern hierher, um Einspruch gegen eben genanntes Urtel zu erheben. Der Angeklagte, 30 Jahre alt, angeblich auS Königs berg in Ungarn (?) gebürtig, ist schon in Untersuchung gewesen. Alle-, was er über seine Familienverhältnifse aussagt,-kann MM ÄM IMMtthin nur „angeblich" nennen; denn dieses „Alles" bleibt dunkel und unklar. Der Angeklagte war früher am Rhrm an einem Kirchorte Oberwinter dalür engagr-r, «mp ^ langen für den Neubau der Kirche veranstalten sollte. DaS that er auch. Später wurde er entlassen und betrieb trotzdem das Geschäft auf eigene Faust weiter E: sagt heut, er wäre in seinem Recht gewesen, denn er hätte von d<m verstorbenen Bischof Arnoldi von Trier (aus der Zeit Ronge» bekannt) den mündlichen Auftrag dazu erhalten. Ec reiste in ganz Deutsch land herum, ging selbst nach Frankreich. Italien, bis Rom und selbst fürstliche Personen zeichneten namhMe Summen. Teil weise sandte er sie ab nach Trier an den Bischofs, theilweise sogar lebte er davon, weil er glaubte, dazu berechtigt zu sein. Ertrug päbstliche Orden, die er bei Ancona und bei Easteldefiar- do verdient haben und bei welchen Erstürmungen er an der linken Hand verwundet sein will Uebrrhaupt machte er große Ansprüche in Bezug auf seine Familie. Sein 1849 verstorbener Vater soll Gymnasialdirector in Königsberg in Ungarn gewesen sein, in dem Städtchen gibt» aber kein Gymnasium, auch keiM Graab von Grabenstein seit Me.".sch-«^enken. Seine Muttex hieß Vogel von Falkenstein, aber in dem Städtchen wissen sich die Urgroßväter nicht auf einen solchen Nomen zu erinnern. Er giebt vor, katholisch zu sein. Sein Bruder sei General in Preußen, außerdem habe er noch 4 andere hochstehende Ge schwister. Zuerst fludirte er Medizin, dann wurde er Buch- drucket und Schriftsetzer, dann wieder Mediziner. Dann ging'- nach Rom, da nahm er päbstiiche Dienste und er behauptet auch heut noch vom päbstlichen Stuhle Pension für seine Thakn bei Ancona nü'o Casteldefiardo zu beziehen, die aber schon lange auSblieb. Er gerieth in Gefangenschaft, wurde nach Aleffan- dria geschleppt, nachdem er im 1. Schtveizerregimrnt und im 4. Jägeebataillon gefochtm. Ein preußischer Gesandtschafttpaß führte ihn nach Deutschland zurück und zwar 1861. Später gestand er, er sei unehelich geboren, Brüder habe er gar nicht. Der Angeklagte defendirt sich heut selbst, indem er eine bogen lange, gut ausgearbeitete VertheidigungSschrist vorliest. Hrrr Staatsanwalt Heinz« zweifelt nicht an der Schuld de« Ange klagten, höhere Summen ohne Erlaubniß in der weiten Welt für den Kirchenbau zu Oberwinter am Rhein eingesammelt und unterschlage» zu haben. Sein« lügenhaften Angaben, fern Leben und Ssttfttrlen charaAerisirm ihn slS Schwindler., Hm H»"r< Irsch- tikal. Morg. 7 «hr. Inserat, werden dt« Abend« «, Gonntag« ht«^ Mittag« 1- IM angeno«, me« m der Expedition» Marienstraße IT. Abonnement vinteltHrl. HS Eg» btt «nentattdltcher Lieferung in «, »an«. »>nch di»«. Poß vterttt- stitzrlich rr ;6gr. Einzelne St»»« »er« t «gr. Tageblatt für MterhaltiW und Geschäftsverkehr. Mitredaeteur: Theodor Droblfch.