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— H Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 20 Mai Die heutigen Eiuspruchsverhandlungen bieten nichts Be sonderes von Interesse dar. Die erste Einspruchsverhandlung ist schon einmal dagewesen. Der Leser erinnert sich an den Kohlenfuhrmann Gotthelf August Schtvaar (nicht Schwarz), der seinem Dienstherr«, einem gewissen Kohlen- und Holzhänd- ler Boberwitzsch 1 Thlr. 4 Ngr. unterschlagen haben sollte. Im ersten Termin wurde Schwaar wegen Unterschlagung zu einer Woche Gefängniß vcrurtheilt Er erhob Einspruch da gegen und in diesem Einspruchstermin konnte sich nicht viel gegen ihn Herausstellen; denn es kam da einzig und allein auf das Zeugniß der 12jähriger Tochter des Holzhändler Bober- witzsch an. Er gestand natürlich die Unterschlagung nicht zu, er will daS Geld, das er für die Kohlenablieferungen erhalten, an seinen Herrn abgegeben und nichts für sich behalten haben. Herr Staatsanwalt Held verwendete sich damals sehr warm für den Angeklagten, dessen Sache gar nicht so schlimm stand, als sie Anfangs erschien und es wurde diese erste Verhandlung vertagt, weil über den Leumund Erkundigungen ein gezogen werden sollten. Das geschah auch. Es wurde festgestellt, daß Schwaar gut beleumundet sei und heute wurde er freige sprochen; denn bei seinem Dienstherr» soll die Buchführung nicht richtig im Gange gewesen und deshalb die ganze Sache nicht im Klaren sein. — Eine zweite Verhandlung spielt am Gerichtsamt Radeburg. In jenem Städtchen wohnt der des Fischdiebstahls angeklagte Ernst Gottlieb Wätzold, der auch noch wegen anderer, „ausgezeichneter" Diebstähle sogar bei der Königlichen Staatsanwaltschaft sehr bekannt ist. Wätzold hatte es auf Hechte in den Radeberger Gewässern abgesehen, einige Karpfen waren auch dabei im Spiele. Die Anklageacten sprechen von „Richtschnuren und Hechthaken". Da bissen nun einige in dem Flüßchen Röder unten an, etwa 2 Hechle und 2 Karpfen. Die mußten verkauft werden. Das besorgte Wätzold's Frau und er gesteht nicht blos den Diebstahl selbst, sondern auch noch den Umstand zu, daß er für einen Hecht 15 Pfennige und für die anderen pro Stück 4 Ngr. erhalten habe. Ja er gesteht noch mehr. Schon im November will er sich aus den Radeburger heimathlichen Flüssen einen Karpfen gestohlen haben, der 6 Ngr. Werth gewesen wäre. Auch ein „Bärsch" im Gesammtwerth von 6 Pfennigen soll damals an- gebifsen haben. Die Frau verkaufte diesen Piratenfang eben falls. Das Gerichtsamt zu Radeburg verurtheilte nun in Folge dessen den Ernst Gottlieb Wätzold wegen Fischdiebstahls zu 5 Wochen und 1 Tag Gefängniß. > Wätzold saß lange in Haft Vom Dezember 1863 bis in den Januar 1864 hinein, aber nicht, wie mit Schmerz sein Herr Verteidiger bedauert, wegen des Fischdiebstahls, sondern wegen anderer Verdächtigungen, die ich schon oben erwähnt habe. Gegen das erste Urtel er hob Wätzold Einspruch und zwar im Allgemeinen, er will nicht bestraft sein. Zum heutigen Termin war er selbst erschienen, hatte sich aber den Nadeburger Advokaten Herrn v. Bünau mitg. bracht, der ihn schützen sollte. Letzterer bedauerte die Be strafung seines bisher unbescholtenen Schützlings und behauptet, s liege kein Diebstahl vor. Nach einem alten Gesetz seien nur die Mulde und die Elbe als öffentliche Flüsse anzusehcn, nicht aber die Röder, auf dieses Privatwasser habe dies Gesetz ke ne Anwendung. Der Verthcidiger meint, er habe ehrsame Bürger, ja selbst ein bereits verstorbenes Mitglied des Gerichts in der Röder bei Radeburg angeln sehen und Niemand sei dagegen aufgetreten. Er erwähnt den Nadeburger „Bullen und Bremmol", der der dortigen politischen Gemeinde gehöre und zieht eine Parallele zwischen ihm und den Hechten in der Röder. Wenn das Gericht demnach das Angeln Wätzolds als Diebstahl ansehe, so müsse berücksichtigt werden, daß die genannten Verkaufspreise gar nicht bestimmt zu ermitteln seien; denn „eine Frau" könne gar nicht kompetent sein, um den wahren Werth von Karpfen und Hechten festzustellen. Herr v. Bünau verlangte die Freisprechung seines Hintermannes. Herr Staatsanwalt Held ging sehr schlagend auf die Berthen digungsrede ein. Er verlangt weder eine V:rurtheilung, noch eine Bestrafung des Angeklagten, sondern eine Befragung des Dtadlrath- zu Äadeburg, ob das Angeln in srinrm Stromgr biete erlaubt und ob e- allgemeiner OrtSgckrauch sei. Da aber Herr Advokat v. Bünau nochmals zu Gunsten seine» Klienten sprach und den Artikel 4 der Fisch-, Wild- und Holzgesetze an zog, so erklärte Herr Staatsanwalt Held schließlich: „Ich be antrage die Vertagung der Verhandlung und da die geehrte Vertheidigung dabei beharrt, nur die Hälfte des Artikels 4 immer vorzulesen, so muß ich glauben, daß der Herr Advokat ein Exemplar de» Strafgesetzbuches hat, welches unvollständig ist!" — Hiermit schloß die Verhandlung, deren Ende bis auf Weiteres Vorbehalten wird. — Die Privatanklage des vr. ptril. Neinhold Klose Wider den Literat LeonidaS v. Blummer Hier selbst kam nicht zur Verhandlung, der Einspruch wurde zurück genommen. — Eine fernere Privatanklagesache der verehelichten Johanna Lutz Wider Oswald Gustav Lutz und Genossen nahm die Richter nicht lange in Anspruch. Die Sitzung war eine geheime. Das erste Urtel wurde bestätigt. — Eine Diebstahls sache beschäftigte noch die Richter. Ein alter, kleiner, nach lässig und ärmlich gekleideter Mann tritt auf die Anklagebank Carl Gottlieb Scharfe, ein Handarbeiter. Der soll am 14. März 186 t eine Cigarrenkiste in der Gaflwirthschaft eines ge wissen Pönitz in Nkudorf gestohlen haben. Das Kistche», in welchem sich etwa 100 Stück befanden, wa: auf 1 Thaler taxirt. Scharfe war nämlich am Abend des 13. März dort hin gekommen und nach Abgabe seiner Legitimation über Nacht geblieben. Früh verschwand er, nachdem er sich heimlich die Legitimation wieder verschafft hatte und mit ihm verschwand die Cigarrenkiste. Er ist im Gefängniß und Arbeitshaus schon bekannt und wurde auch wegen dieses letzten Diebstahls wieder zu einjähriger Arbeitshausstrafe verurtheilt, wogegen er Ein spruch erhob. Er will unschuldig sein; indeß die Aussagen des Hausknechts Clemens, des Dienstmädchens Schmorr und des Gensdarmen Böhme sprechen sehr gegen ihn. Herr Staats anwalt Held beantragt ganz kurz die Bestätigung des ersten Urtels. Scharfe, befragt vom Vorsitzenden, ob er noch etwas anzuführen habe, meinte: „Ich muß bitten, mir die Strafe abzunehmen; denn ich habe nichts gestohlen!" ES blieb aber beim Alten aus „vorigen Gründen." — s. Die Vorstellungen des Herrn Professor Henry Smith im Circus finden immer vor einem sehr befriedigten, wenn lei der auch kleinem Publikum statt, das gewiß zahlreicher sich eins zustellen nicht unterlassen würde, wenn das jetzt überaus schöne Wetter nicht den Aufenthalt im Freien so angenehm machte; denn die gebotenen Leistungen sind von einer Vortrefftichkeit, die ihnen einen größeren Zuspruch wobl zu verschaffen geeignet wäre. Die große Auswahl lebender Bilder gewährt eine reiche Abwechselung, während die Productionen der einzelnen Mitglie der in solcher Vorzüglichkeit Wohl selten geboten worden sind, und machen wir nur beispielsweise auf die „schwebenden Grup pen der Semiramis" aufmerksam, die ebenso kühn m der Aus führung als schön in der Erfindung genannt zu werden vrr- dienen. — Gestern Vormittag 10 Uhr ertönten in unserer Stadt die Sturmglocken. Aus ihren zwei Schlägen war zu entnehmen, daß das Feuer in der See- und Pirnaischen Vorstadt stattfin den müsse. Es brannte auf der Bohrwerk-Straße Nr. 4 im Grundstück des Holzhändlers Gaudernack. Dort war eine Par- thie Hobelspähne aus bisher noch unbekannter Ursache in Brand gerathen. Das Feuer hatte sich einem auf den Spähnen steh enden Möbelwagen, der dem gelben Dienstmann Schlegel ge hört, sofort mitgetheilt. Dadurch war nicht nur dieser, sondern auch die in unmittelbarer Nähe aufbewahrten, dem Restaurateur Oehlschlägel gehörigen Bestandrheile des von der Vogelwiese her bekannten Tanzsalons in Brand gerathen. Auf dem Wa gen haben sich Möbel nicht befunden. Mit Hülfe der in dor tiger Gegend arbeitenden Gesellen des Steinmrtzgers Hübner, sowie der in der Nähe exercirenden Jäger gelang es, daß das Feuer nicht weiter um sich griff, insbesondere nicht die dort aufgrspeicherten zahlreichen Holzvorräthe erfaßte. Die dazu kommende Feuerwehr und Spritzenbemannung brachte es in der kürzesten Zeit dahin, das Feuer zu löschen. Wie man hört, soll der verbrannte Tanzsalon mit mehreren Tausend Thalern versichert sein.