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Leipzig, 18. Februar 1864. Direktion des landwirthschaftlichen Kreisvereins. Fedor v. Schönberg, Vorsitzender, ilr. Udo Schwarzwäller, Secr. — Die im Jahre 1846 ausgegebenen Preußischen Bank noten ü 50 Thlr. (auf gelbem Grunde mit blauen Randzeich nungen) sollen außer Circulation gesetzt werden. Obwohl dies schon längst bekannt gemacht worden, so ist doch ein äußerst beträchtlicher Theil derselben noch nicht eingegangen. In Folge dessen macht die königliche Bank-Direction zu Berlin darauf aufmerksam, daß den Inhabern jener Scheine Weiterungen und Nachtheile drohen, sofern sie die Einreichung nunmehr nicht schleunigst bewirken. — Aufsehen erregt ein Fall in Chemnitz, daß dort vom Bezirksgericht ein Bahnhofsbeamter, welcher 70 Ctr. Roheisen, die er auf dem Bahnhofe gefunden hatte, straffrei gesprochen worden ist. Wie verschieden doch ein und dasselbe Vergehen beurtheilt werden kann. Vor mehreren Jahren fand auf ei nem Güterboden ein Arbeiter ungefähr 1H Pfund Reis, wel cher aus einem zerrissenen Sacke gefallen war. Er hob ihn auf und wollte ihn mit nach Hause nehmen, wurde aber ent- deckt und zur Strafe sofort entlassen. Er hatte drei Kinder und war bis dahin unbescholten. Er bat und flehte, ihn doch auf seinem Posten zu lasten. Nichts da, hieß es, wir wollen ehrliche Leute haben. — Man Vergleichs die beiden Fälle, hier 1j Pfund Reis, dort 70 Ctr. Roheisen, hier ein armer Mann, dort ein reicher angesehener. — Vorgestern ist auf dem hiesigen Schlesischen Bahnhof der hier stationirte Wagenschieber Voigt aus Wallbach bei Leisnig beim Wagenrücken verunglückt. Er hat verschiedene Verletzungen, unter diesen einen Bruch des linken Vorderarms, des Schlüsselbeins, der linken Schulter und außerdem noch eine starke Verletzung der Kopfhaut erlitten und ist deshalb sofort in das Krankenhaus gebracht worden. — Auf dem Schlesischen Bahnhof in Görlitz ist am 1. März der dortige Viceschirrmeister Opitz unter einige Packwa gen gekommen und dadurch in einer Weise überfahren worden, daß thatsächlich die einzelnen Körpertheile stückweise im Bahn hofe herumgelegen haben. — Seit dem 1. März werden in hiesiger Stadt zwei junge Burschen im Alter von 15 und 16 Jahren vermißt, die bei hiesigen Handwerkern in der Lehre stehen. Man glaubt vermuthen zu dürfen, daß sie ihren Weg nach der See ge nommen haben. — Der Hausknecht in einem hiesigen Gasthofe vergriff sich vorgestern an einem dort wohnhaften Handarbeiter, einem alten Manne von einigen 60 Jahren, in einer Weise, daß die Polizei einschreiten mußte. Der alte Mann war vom Haus knecht des Diebstahls einer dem Letzteren gehörigen Uhr be schuldigt worden. Er hatte sich dies nicht gefallen lassen wol len und dem Hausknecht darüber Vorhalt gethan, worauf die ser ihn in seiner eigenen Werkstatt blutig geschlagen hat. — Zwischen Freiberg und Dresden ist vorgestern von einem Eisenbahnzug, der Kohlen geladen hatte, eine Lowry ausgcgleist und von einer anderen die Achse gebrochen. — Auf der Nordstraße entstand vorgestern Nachmittag ein kleiner Auflauf. Ein Hund hatte dort einen 11-jährigen Knaben in den Arm gebissen Wir vermuthen, daß der Knabe, weil er ein kleines Stückchen bei sich trug, vielleicht vorher nach dem Hunde geschlagen hat. Das versammelte Publikum ver langte die Auslieferung des Hundes an den Scharfrichter Später hat der Eigenthümer des Hundes, ein dort wohnhafter Victualienhänbler, den Vorfall auf zufriedenstellende Weise bei gelegt. — Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 3. März. Friedrich Wilhelm Uhlmann, Tischlermeister in Tha randt stand erst im vorigen Jahre vor dem hiesigen Gerichts höfe wegen Diebstahls und Brandstiftung In Bezug auf die Brandstiftung wurde er wegen Mangel an vollständigem Be weise frcigesprochen, wegen der anderen That erhielt er 6 Mo nate Arbeitshaus. Uhlmann ist 34 Jahre alt, Wittwer, Va ter von 2 Kindern und in Tharandt als Tischlermeister etablirt gewesen, spätes aber sehr heruntergekommen, so daß er nicht einmal mehr ein Bett hatte. Zwei Vertreterinnen de- schwä cheren Geschlechts sind durch ihn fast um all' ihr Hab' und Gut gekommen, nämlich die 26jährige Charlotte Friederike Schütze und die 31jährige Julie Ernestine Schmidt. Uhlmann wollte Beide heirathen, zuerst die Schmidt, mit der er schon sehr intime Zusammenkünfte hatte, als seine selige Frau noch lebte und dann die Schütze, bei welcher er zuletzt wohnte. Seine erste Braut, die Schmidt, mußte sich wohl mit ihm im Jahre 1861 veruneinigt haben, denn sie verklagte ihn wegen 2l3 Thalern, die er ihr nach und nach abgeborgt hatte. In Folge des Prozesses kam es soweit, daß bei ihm Auspfändung statt fand und da wurde ihm das ganze Handwerkszeug außer an derem Material weggenommen. Am 29. Juni 1863 schloß er mit der Schmidt einen Vergleichsvertrag ab, der dahin ging, daß sie ihm die abgcpfändeten Sachen zum Gebrauche heraus geben solle. Das that sie, weil sie ihn noch immer liebte/ be hielt sich aber ihr Eigenthumsrecht vor Uhlmann verkaufte nun diese Sachen und behauptete damals und heute, er habe unbeschränktes Eigenthum davon gehabt, das habe sie ihm zu gestanden. Außerdem habe er schon angefangen, von 213 Thlr. abzuzahlen, er habe für sie einmal 12 Thlr. 14 Ngr. Gerichts kosten gezahlt. Im Uebrigen sagt er: „Ich will nur hier wei ter nicht reden, das ist gemeine Rache, die Sie jetzt gegen mich hegen und ich könnte fast hier den Ausschluß der Oeffentlichkeit beantragen!" Uhlmann ist fernerhin beschuldigt, ein Deckbett und ein Kopfkiffen, das ihm seine erste Braut geliehen, weil er nichts zum ,Ludecken" hatte, verkauft zu haben. Sie sagt, sie hätte es ihm blos geliehen, er sagt: „Nein, sie hat mirs als Weihnachtsgeschenk gegeben. Sie sagte noch dabei: Na, damit Du nur auch was zu Weihnachten bekommst!" Nur das In lett des Kopfkiffens ist wieder erlangt und liegt heut auf dem Gerichtstisch. Uhlmann meint, er habe die Betten deshalb ver kauft, weil sie zu unreinlich waren. Er hat 5 Thlr. dafür bekommen. Nachdem nun Uhlmann die erste Braut verlassen, besorgte er sich eine zweite, die Charlotte Schütze. Zu der zog er gleich hin. Sie wurden bald vertraut, das sehen wir da raus, daß sie ihm am 39. December 1863 den Miethzins im Betrage von 11 Thlr. 7 Ngr. 5 Pf. übergab, um ihm dem Hauswirth auszuantworten. Aber daran dachte Uhlmann kei neswegs, im Gegentheil, er machte eine Winterparthie und zwar gleich den Tag darauf, schon am 31. December. Der Weg ging nach Lommatzsch, in seine Heimath. Daß er das Geld unterschlagen, leugnet er, obgleich er zugeben muß, daß er es an den Hauswirth nicht abgeliefert hat. Er. sagt, er wäre auf der genannten Reise in Meißen in einer Wirthschaft übernachtet, deren Firma er vergessen habe. Dort habe noch eine andere Mannsperson mit ihm in demselben Zimmer ge schlafen, es sei möglich, daß dieser Fremde ihm dies Geld ge stohlen, es sei auch möglich, daß er es selbst unterwegs verlo ren. (I?) So windet sich nun Uhlmann scheinbar durch, aber eS gelingt ihm freilich schlecht. Gegen die Zeugin Schütze, seine zweite Braut, benahm er sich heut ruhiger, denn ihr Verhält- niß war noch in gutem Andenken, obgleich eine dritte Braut ihn schon an der Thür des Gerichtssaal s am Schluß der Ver handlung erwartete. Die Schütze wurde vom ihm aber noch in anderer Weise über vortheilt. Als sie eines Tages nicht da heim war, stahl er ihr 2 schwarzseidene Mantillen, 1 Tischdecke, 2 Betttücher, 3 Handtücher, auch ein Schränkchen und 1 schwar zes Tuchmäntelchen. Er schaffte diese Sachen auf dreimal fort. Auch hier will er in seinem vollen Rechte sein, denn er behauptet, die Schütze hätte ihm während ihrer Abwesenheit freie Verfügung über ihr Eigenthum gegeben. Und das mag wohl auch so gewesen sein, denn sie schwankt in ihren Aussa gen sehr und will mit der Sprache nicht recht heraus, er wollte sie ja heirathen! Herr Staatsanwalt Held hält in Bezug auf die Veruntreuungen gegen die Schmidt die Anklage gegen Uhl mann allenthalben aufrecht, in Bezug auf die Schütze tritt er nur hinsichtlich der unterschlagenen 11 Thlr 7 Ngr. 5 Pf. noch als Ankläger auf. Der Gerichtshof sprach ein mildes Ur tel, es kantete auf nur 3 Monate und 2 Wochen Gefängniß.