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Abschiede der Frl. Leichsenring ging auch Herr Tech ab — au» Familienrücksichten. Die Direktion verliert an ihm zwar keinen erhabenen Künstler, aber ein sehr brauchbare- Mitglied, da» für jedes Fach fast zu verwenden war und nur selten Anlaß zu einer Correction gab. Frl. Nudolphi, die ich eigentlich von frühester Jugend an schon nur als Tänzerin kenne, versucht sich hier auch als'Schauspielerin, ja neulich sang sie sogar — und mit vielem Geschick Frl. Kern ist noch immer krank und wie ich höre, leider sehr krank, eine Folge des zu öftern Auftretens und das wäre eigentlich nicht nöthig; denn ein Mensch kann nicht Alles machen. In der letzten Zeit wurde noch ein Herr Louis Carlsen engagirt. Ich habe ihn erst in ein Paar werth losen Stücken, wie„Krawutschke" und „Piepmeier" gesehen, be halte mir daher Näheres vor; soviel aber ist mir klar gewor den, daß er mit etwas zu , starken Farben" aufträgt. Sein Bruder Fritz hat sich in unser Publikum bereits glücklich hinein gespielt. Was den Besuch des zweiten Theaters betrifft, so ist er trotz des Turnfestes kein geringer gewesen und namentlich fand sich auf den ersten Plätzen immer ein gebildeteres Publi kum ein. — Da, wie ich höre, recht bald noch einige andere Veränderungen im Personal vor sich gehen werden, so dürfte Wohl die Direktion im Interesse ihrer und deS Publikums für gute Kräfte sorgen, die uns den letzten Winter vergessen lassen. Im Sommer konnte man mit dem zweiten Theater schon zu frieden sein Zuletzt noch etwas Materielles. Können denn dre Kellner nicht größere Quantitäten Vier ans einmal in die Zu hörerräume bringen, damit das Gelaufe nicht immer ist Manch mal läßt sich gar Niemand sehen und das muß doch schon im pekuniären Interesse des Verkäufers liegen. Die Schinkensem meln und Wasserflaschen, die klappern immerfort von Bank zu Bank in Hülle und Fülle, das Bier aber wird nur 4 oder 5 Töpfchenweise hereingebracht, wonach wenigstens 50 Blicke ge richtet sind. Also auch hier Abänderung. — Eine der großartigsten Naturerscheinungen war das am Montag Abend aufsteigende vierfache Gewitter, das seine zuckenden Blitze über den ganzen Himmel, der in die dunkelste Nacht gehüllt war, sandte. Es war ein förmlicher Feldzug, den die pechschwarzen Wolken mit ihren blitzenden Geschossen gegen einander veranstalteten. Wir werden hören, ob nicht diese Geschosse auch wieder den Erdenkindern aufs Dach ge rückt sind. — Wahrhaft gräßlich, roh und den Dresdnern keineswegs ehrend, benahmen sich am Sonntag Abend die von Kötzschen broda Heimkehrenden, so daß selbst aus 2. Classe, ein durch maßloses Umsichschlagen gravirter Mensch arretirt werden mußte, wie auch noch einige andere Arreturen von Dresdnern vorka men, bei welcher Gelegenheit der Gensd'arm mit Recht ent rüstet ausrief: Also auch ein Dresdner, Sie machen der Stadt große Ehre. — Die Leute glauben, sich auf dem Lande jedes mal Viel herausnehmen zu können und betragen sich so flegel- Haft, daß man wirklich Angst bekommen muß, Sonntags in die liebliche Umgegend einen Ausflug zu machen Achnliche Scc- nen passirten selbst in Pillnitz, wo anständige Personen bei der höflichen Bitte, Platz zu machen, auf höchst flegelhafte Weise insultirt wurden und da heißt es immer noch, wenn Polizei posten sichtbar sind, „was die da will"; im Gegentheil Viel zu wenig sinds, denn nach solchen Erfahrungen könnte vo m»8so inhaftirt worden. Wems juckt, der kratze sich. Z. — -s Welch' deprimirende Einflüsse sich in diesem Jahre auf alle Vogelschießen ergießen, bewies jetzt wiederum der volksfestliche Schauplatz zu Kötzschenbroda, von dem Referent Einiges erzählen muß, theils als traurige Nückerinnerung an traurige Situationen, theils zur Warnung für Alle, die sich an solchen Festivitäten ergötzen wollen. Ich sage „wollen" — von „Können" ist und war keine Rede, denn heb: ich ganz kurz nur einige Punkte hervor, die nothwendig zu einem Vo gelschießen gehören, so werden dies keine Lichtpunkte, sondern schwarze Flecke sein. Erstens war nur eine einzige Schaubude ha, nicht einmal der Buschklepper hatte sich eingefunden und das war gescheidt von ihm. Zweitens ist es unbegreiflich, wie Weder in Kötzschenbroda selbst, noch auf dem sogenannten Fest- p'.atze nur ein einziges Töpfchen trinkbares Bier zu finden war. Wer reguläres Warmbier trinken will, der kann eS überall haben, der braucht nicht dahin zu fahren. Drittens ist es noch unbegreiflicher, wie man eine Speise „Bratwurst mit Sauerkraut" nennen kann, die nicht zu genießen ist, wo erst ein Naturforscher herzugezogen werden muß, zur Entscheid, ung, ob das Kraut- oder Nunkelrübenblätter sind. Viertens hätte doch wahrlich die Passage zwischen den Budenreihen et was bearbeitet werden können, wenn Nüchterne dort schon ba- lanciren müssen, um über die Runzeln des alten Stoppelfeldes hinwegzukommen, wie mag es da erst Abends den „Grauen" gegangen sein?! — Schon im vorigen Jahr ertönten Wehrufe auS Kötzschenbroda über das untrinkbare Bier und die desolir- ten Speisen, dies Jahr möchte es schon mehr ein Wehgebrülle sein, das künftiges sJahr wohl verstummen wird, da es Nie mandem einsallen kann, sich noch einmal Wannbier und so sonderbares Sauerkraut zu kaufen. Dies sind also süße und sauere Erinnerungen an das Vogelschießen zu Kötzschenbroda. — K. Mit großer Befriedigung haben wir vernommen, daß in der Schulanstalt des Herrn Direktor Clauß der Unter richt gestern Nachmittag in Anbetracht einer Hitze von 25" R. geschlossen worden ist. Läßt sich voraussehen, daß bei einer sol chen Temperatur der geistige Gewinn, den die Schüler mit nach Hause nehmen, gleich Null ist, so verdienen die Rücksichten auf das physische Wohlbefinden der Kinder um so größere Beacht ung, und wünschen wir nur, daß das lobenswerthe Vorgehen des Herrn Direktor Clauß in den städtischen wie in den Pri vatschulen die rechte Beachtung und Nachahmung finde. — Wir erzählten vor einiger Zeit von einem Dienstmäd chen auf der Zwingerstraße, welcher von einer Zigeunerfamilie verschiedene Kleidungsstücke unter gewissen Zauberformeln abge schwindelt wurden. Der Nachforschung unserer Criminalpolizei ist es in diesen Tagen gelungen, dieser Zigeunerfamilie, beste hend aus Mann, Frau und 5 Kindern, in einer sächsischen Provinzialstadt habhaft zu werden. Das liederliche Ehörchen hatte sich damals längere Zeit hier aufgehalten, der Mann heißt Lajouchte und ist gebürtig aus Frankreich. Sie hatten da mals mit einer Karre die Stadt durchzogen und hier und da durch ihren Kindersegen das Mitleid gutherziger Menschen rege gemacht. Nach dem erzählten letzten Schwindel verließen sie schnell die Stadt — Mit Recht nehmen jetzt bei uns die „Straßeneisenbah« nen" das allgemeine Interesse in Anspruch. Nachdem dieselben bereits in den bedeutenderen Handelsstädten Frankreichs, Eng lands und namentlich der vereinigten nordamerikanischen Staa ten bestehen und sich bewährt haben, hat man bekanntlich in letzterer Zeit diese praktische Idee auch in Deutschland ins Auge gefaßt. Es dürften daher zur Orientirung einige Worte über die bisher darüber gemachten Erfahrungen am Orte sein. Die letzleren haben gezeigt, daß zwei Pferde-Eisenbahnen in jeder Stadt mit Straßen von gewöhnlicher Breite gelegt werden kön nen, die im Stande sind, selbst um die Ecke in kleinen Curven und sogar auf stark abschüssigen Ebenen mit Leichtigkeit zu lau fen. Die Wagen sind von Holz und meistens nach schönen Modellen gebaut ; sie fassen nach Maßgabe der Pferdekraft (1 oder 2 Pferde) 35 bis 80 Personen. Auf der Plattform sind meistens Patent-Gummimatten gelegt, welche das Eindringen irgend einer Art von Schmutz verhindern; ebenso ist der Fuß boden des Wagens mit Patent-Gummiteppichen belegt. Im Winter hält ein Heizapparat den Wagen warm; die größeren derselben sind mit Gas erleuchtet und eine vollständige Venti lation regulirt in ihney die Temperatur. Die amerckanischen Straßeneisenbahnen sind sogar noch mit Trink und Waschwas ser ausgestattet. Das sind denn allerdings Eigenschaften und Vorzüge, die mit unseren Omnibus etwas stark contrastiren — Durch einen merkwürdigen Zufall sollen jetzt auch die beiden Uhrendiebe entdeckt worden sein, welche nach unserer da maligen Erzählung von einem kleinen 10jährigen Mädchen aus der Ostra-Allee so herzhaft verfolgt und im Einnehmerhäuschen bei der Marienbrücke zur Wiederherausgabe der goldenen Uhr gezwungen wurden. Sie sollen sich durch schwindelhaften Piano fortehandel der Polizei verdächtig gemacht und, da der Dieb stahl damals auch bei Gelegenheit eines Pianofortegeschästs ge-