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Kirchthürmen zu, die im Nebellicht ihnen schon von Weitem aus der Residenz entgegenwinken. Unterwegs ladet der Reiheschank oder eine Restauration zur Erquickung ein, und das erste Töpf chen, der erste Hafftmann macht Platz in der Magenkammer für die nachkommenden Gefährten. Und sie haben Recht. Mit bloßen Augen sind die Jahrmarktswaaren nicht halb so schön, und wenn am Abend 10 Töpfchen und 11 Hafftmänner hinunter gefahren sind in die Tiefen des Magens, des ewig thätigen Vater StomachuS, wenn die Augen dann anfangen „doppelt" zu sehen; dann wird die Leichtigkeit des Geldbeutels verschmerzt; denn das Auge sieht dann beim Ueberzählen des Geldbestandes jeden einzelnen Neugroschen doppelt — und so wird kühn und wohlgemuth der Rückweg angetreten. Der Dörfler zieht fröhlich mit der Dörflerin heim — manch zuckersüßer Schmatz wird mit Echo in den Bergen ausgetheilt — die Erinnerung ist schön. — Der Städter aber durchwandert mit dem rothen, unvermeid lichen Familienregenschirm bewaffnet der Buden lange Reihe, prüft mit Kennerblick unter den Rathschlägen der Ehehälfte die aufgehäuften Kleinodien, und wenn der Familienrath seinen Statuten gemäß einen Artikel für zulässig erklärt hat, dann wird der Paragraph 12 des ehelichen Finanzgesetzes citirt — Halt gemacht, gekauft und weiter gepilgert — bis auch diese kleine Caravane am Schluß der Jahrmarktsfahrt von dem Magen erinnert wird, daß auch er etwas vertragen kann, und die Familie verschwindet im Neustädter Rathskeller, um dort des Tages Last und Hitze mit einigen Töpfchen abzuwaschen. Die Jahrmarkts- sreuden sind zwar immer dieselben — es ist die alte Geschichte, die blcs immer neu wird — aber — wer ein wahrer Familien vater ist und hat mit seinen Kleinen nicht die „Messe" durch pilgert, der war in Rom — und hat den Papst nicht gesehen — der war in China — und hat keinen — aufgeschlitzten Bauch gesehen. — Eine fröhliche Kinderschaar bewegte sich am verflosse nen Sonntag Nachmittag auf der ehemaligen oder sogenannten alten Vogelwiese. Die Herren Otto Fröde, Carl Hübner und Gottfr. Zschaler als Unternehmer des gastlichen Festes hatten es versucht, durch Aufstellung von Zelten, Buden, Kegelschüben, Vogelstangen und dergl. Apparat eine Vogelwiese im Kleinen zu etabliren, theils um sich selbst, theilS um einer großen ver wandten und bekannten Kinderwelt ein harmloses Vergnügen zu bereiten. Sackhüpfen, Hahnschlagen, Besuch der Bilder-, Würfel- und Glasbuden, deeorirter Festzug, Lotterie rc. wech selte unter den lustigen Kleinen in bunter Reihe, während die Erwachsenen sich bis zum späten Abend bei Bratwurst und kal ter Küche im aufgeschlagenen Restaurationszelte amüsirten. — Ein halbes Pfund verborgene Naturkraft und noch ein halbes Pfund Einbildung — das zusammengethan und mit dem Löffel der Zufriedenheit umgerührt, nutzt mehr, als alle Apo theken der Welt, ja mehr, als der Hoffsche Malz-Extrct, der von der chinesischen Mauer bis Liverpool, vom Nordcap bis zum Cap Matapan flaschenweise von kranken Zungen verkostet wird. In diesen Tagen ging ein verheiratheter Feinschmecker an die Quelle, wo der Berliner Hoff'sche Extract für Dresden entspringt — und siehe da — die Heilquelle war versiegt — die Kranken der Residenz hatten den ganzen Extract extrahirt. Verzweifelnd stürzt der Gemahl, dessen Gattin schon zu Hause ganz contract auf die Heilung spendende Extractflasche wartet, in das Hauff'sche Hofbrauhaus in der Amalienstraße, um dort, wie gewöhnlich, sein Morgenschnittchen zu trinken. Donnerwetter, war das ein Bier — kräftig, schäumend, leckerhaft, malzig — kurz, der alte König Gambrinus konnte kein besseres gebraut haben. Das reinste Gold blickte aus dem eisigen Töpfchen heraus und lachte den Trostlosen lieblich und fragend an: „Schmeckst du prächtig? — Da fährt dem Trinker ein Blitzstrahl in der leich ten Gestalt eines Gedankens durch den Sinn. „Ja, ich hab's!" rief er und war gerettet Er ließ sich sofort aus dem Hauff- schen Keller eine Flasche dieses Prachtbieres füllen, steckte sie unter die Fittige seines Rockes, ging ab und überreichte sie seiner harrenden, kranken Frau unter der Firma — „Hoffscher Malz- Extract, Neue Wilhelmsstraße 1 in Berlin." Die Frau trank im guten Glauben — der Glaube macht selig und jeden Tag wurde die Frau seliger und seliger; denn jeden Tag trank sie «ine halbe Flasche aus dem Hauff'sschen Brauhaus« — und siehe da — sie wurde nach und nach gesund. Also noch ein- mal — täglich eine halbe Flasche Hauffsches (nicht Hoffsches) Lagerbier mit einer geringen Portion Einbildung im Löffel der Zufriedenheit eingenommen — und wir kuriren uns damit ebenso gut, als wenn wir ganze Feuereimer voll Berliner Ex trakte in dm krankm Leib hinunterfiltrirten. — Am Sonnabmd Mittag gegm 1 Uhr entzündete ein Blitzstrahl das Wohnhaus des Wirthschaftsbesitzers F- C. Flei, scher in Reichenbach bei Nossen und zerstörte das dadurch aus- gebrochene Feuer nicht nur dieses Hau-, sondern auch des Ge nannten Scheune. — Neue, sehr nützliche Verwendung der ganz kranken Kar toffelknollen. Der Ablösungscommissar und Gutsbesitzer Heinrich Graichen zu Leipzig hat dieselben seit vielen Jahren mit großem Erfolge zur Düngung der Früchte im Garten und dem Felde verwendet. Er hat die kranken Kartoffeln mit einer Stein setzerramme zu Brei schlagen, solchen, mit H kurzem Pferde» dünger und 4 guter Gartenerde in einen Haufen bringen und denselben mehrere Tage nach einander mit warmem Wasser begießen lassen. Der Composthaufen wird dann nach einigen Wochen umgestoßen und umgewendet. In der Zeit von 4 bis 6 Wochen giebt dieses Gemisch, welches zugleich ver möge der durch den Pferdedünger hervorgebrachten Wärme und der Luft Salpeter bildet, auch Stickstoff aufsaugt und festhält, einen sehr guten kräftigen Dünger, welcher fast für alle Früchte, hauptsächlich den Weizen, passend ist. Nach der darüber gemachten mehrjährigen Erfahrung giebt ein Scheffel kranker Kartoffeln, die dem Viehe nicht mehr gegeben werden können, einen Dünger, der mindestens eben so viel Werth hat, als ein Centner Guano. — Wir brachten vor einiger Zeit eine Notiz, nach wel cher ein Hamburger Arzt das Mittel gefunden habe, Trunk süchtige ohne ihr Wissen vom SchnapStrinken zu kuriren. Es ergingen an uns viele Anfragen, wo der Arzt zu finden sei. Zur Auskunftsertheilung hierüber geben wir nachstehende An nonce der Hamburger Reform: „Gegen Trunksucht. Wie man diesem Laster auch ohne Wissen des Trinkers abhilft, er fährt man bei Her m. Günther, Altona, Marktstraße Nr. 84." — Gichtfließ heißt ein neues Mittel, von Amerika her übergekommen, mittelst welchem da drüben schon Manchem sein schweres Rheuma und die unerträglichsten Gichtschmerzen gelin dert worden sein sollen. Die heiße Sehnsucht nach Gesundheit läßt es erklärlich finden, daß der Kranke nichts unversucht läßt, und so dürfte für solche Fälle auch das bei Herrn Würgau in der Pragerstraße vorräthige Mittel eines Versuches Werth sein. — Angekündigt« Gerichtsverhandlung: Mor gen, den 10. Sept, Vormittag« 9 Uhr. Hauptverhandlung Wider die Putzmacherin Marie Louise Wittig wegen ausgezeich neten Diebstahls. Vorsitzender Gerichtsrath Ebert. — Am gestrigen Ziehungstage 4. Claffe 62. K. S. Lan des-Lotterie fielen nachstehende größere Gewinne auf beigesetzte Nummern: 20,000 Thlr auf Nr. 14410; 10,000 Thlr. auf Nr 47192; 5000 Thlr. auf Nr. 27052; 2000 Thlr. auf Nr. 6897; 1000 Thlr. auf Nr. 7084 19222; 400 auf Nr. 1718 7430 14811 23426 11903 48484 52960 53608 55264 57202 64293 69860 70889 75777 77605. TageSgeschichte. London, 8. September. Die „ Morning-Post" schreibt: Wie wir vernehmen, ist es definitiv beschlossen, Garibaldi durch den Senat richten zu lassen. Dieser Beschluß ist conform mit den bestehenden Gesetzen. — Der Pariser Correspondent der „Dailv-News" versichert, Garibaldi sei verwundet worden, in dem er bemüht war, einen Conflict mit den königl. Truppen zu verhindern ; er gab Befehl, nicht zu feuern, während Palla- vicini angriff, ohne zu warten. Turin, 6. September. Das neueste Bulletin über den Gesundheitszustand Garibaldi's sagt, daß vergangenen Donnerstag eine ärztliche Consultation stattgefunden habe, in welcher con- statirt worden sei, daß keine Kugel in der Wunde zurückgeblieben