Volltext Seite (XML)
Meißner, einen guten Stoff zum Extemporiren geboten. Als nämlich sein Hund nicht pariren wollte, rief er ihm die ernste Mahnung zu: „Wart', wenn Du nicht folgst, sollst Du keinen Dienstinann kriegen, der Dir einen Jmmortellenkranz ins Grab wirft." Gleicher Weise spielte Herr Nesmüller als Kieselack in passender Weise auf die allbekannte Stadtgeschichte von der miß lungenen Elbfahrt an. Als er nämlich den in seine Eiersuppe gefallenen Handschuh des Cereinonienmeisters von Ritzratzrumdi- bum aus der Patsche herausgezogen hatte, sagte er, ihn be trachtend: „Dem geht's gerade so, wie dem ersten Kanonen- bovte. das unter der Brücke sitzen geblieben ist." Lauter Bei fall folgte seinen Worten. — Welche Ueberwachung oftmals Oefen bedürfen, wurde einem Abonnenten unsers Blattes klar, als er, mit einer pressanten Arbeit betraut, eirea 30 Stunden genöthigt war, fleißig arbeitend in einem Zimmer, dessen Ofen gereinigt wer den sollte, zu verweilen. Gegen Morgen vom heftigsten Un wohlsein befallen, ahnte er nicht den Grund und brachte noch bis um lO Uhr darin zu. Alles Mögliche, das er anwandte, die Eingenommenheit des Kopfes, die Beklemmung der Brust und die Mattigkeit der Glieder zu beseitigen, war vergebens; nur bei einem nöthigen Ausgange ward ihm wieder wohler. Tags darauf zeigte sich nach wiederum mehrstündigem Verwei len in diesem Zimmer ein ähnlicher Anfall bei ihm, und nur der Umstand, daß er zufällig auf den Gedanken kam, daß viel leicht Kohlendämpfe die Ursache seines Unwohlseins sein konn ten, welcher Veranlassung wurde, durch sofortiges Lüften der Fenster und Untersuchung des Ofens sich Gewißheit darüber zu verschaffen, verdankt er vielleicht die Rettung seines Lebens. An einer Stelle des Ofens zunächst der Feuerung — welche jedoch von außen zu bewirken ist — war der Putz und Lehm schadhaft geworden, abgesprungen und zeigte eine kleine Oeff- nung, durch die vielleicht die Spitze einer mittlen Scheere ge steckt werden konnte; durch diese kleine Oeffnung war der ganz geruchfreie Dunst der langsam verglimmenden Kohlen in das im klebrigen gegen die Luft gut verschlossene Zimmer gedrungen. Ein allgemeines Unwohlsein war noch von ihn: den folgenden Tag zu verspüren, von dem auch in jenen Tagen zeitweilig seine Frau, die nur kürzere Zeit in dem Zimmer geweilt hatte, befallen worden war. Mögen diese Zeilen Andere zu größerer Vorsicht mahnen. — Beim Herannahen des Weihnachtsfestes können wir nicht umhin, einer Unsitte zu gedenken, die vorzüglich in Fami lien bürgerlichen Standes anzutreffen ist, und für kleine Kinder infolge eingeflößter Furcht höchst gefährlich werden kann. Wir meinen das Anpochen und Erscheinen des sogenannten Knecht Ruprecht, der in dunkler Abendstunde Aepfel und Nüsse zur Thür hcreinwirft, oder wohl gar in erschreckender Verkleidung in'ö Zimmer tritt und fragt: ob die Kinder gefolgt haben. Der umgestülpte Pelz, die Ruthe in der Hand, das tiefe Murmeln; es gerathen bei solchem Anblick die armen Kinder oft in die größte Angst, stammeln ein Gebetlein, oder klammern sich am ganzen Leibe zitternd, an die Mutter an, wie solches Einsender dieses im vergangenen Jahre in einer mit Kindern gesegneten Familie mit Indignation zu bemerken Gelegenheit hatte. Es gehört wirklich ein wahrer Kinderglaube dazu, in solch einem erschreckenden Popanz den Inbegriff aller Liebe zu erblicken und den Geist herauszuwittern, dessen ganzes Sein auf Wohl thun und Darbringung kindlicher Freuden basirt sein soll. — Lehne daher jeder Verständige diese polternde Nolle ab, sie lei stet nicht nur dem Aberglauben Vorschub, sondern es kann der den Kindern cingejagtc Schreck sogar zur Hervorbringung einer tödtlichen Krankheit führen. — Von den sächsischen Modellircartons ist neu erschienen: Die Kirche zu Oschatz. — Die „D. A. Z." berichtet aus Leipzig, 2. Dec.: Der Stadtrath hat über die Wiederbesetzung der durch Stallbaum's Tod erledigten Stelle eines Rectors der Thomasschule Beschluß gefaßt, und ist seine Wahl auf den bisherigen Rector des Zwickauer Gymnasiums, Kraner, gefallen. — Das hiesige Po lizeiamt hat auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft die Nr. 7l) der „Mitteldeutschen Volkszeitung" in Beschlag genommen, dem Vernehmen nach wegen des in dieser Nummer enthaltenen Leitartikels: „Ein Capitel über die geheime Polizei." Die An ordnung der Beschlagnahme hat auf Grund des Art. 128 des Strafgesetzbuchs (staatsgefährliche Schmähungen) stattgefunden. Gleichzeitig wurde auch eine hier im Verlag von Gust. Pönicke erschienene Schrift: „Was sind die Männer? Von Clara Mitt entzwei", in Beschlag genommen und zwar auf Grund des Art. 232 des Strafgesetzbuchs (Schmähungen in Bezug auf Religion) und des Erläuterungsgesetzes vom 27. Sept. 1861. — Die „L. N. theilen mit: Mehrere in den umliegenden Ortschaften von Leipzig bestehende Turngemeinden hatten be schlossen, in den Wintermonaten an gewissen Tagen Versamm lungen auf dem Felsenkeller in Lindenau abzuhalten, in denen Vorträge über populär-wissenschaftliche, beziehendlich turnerische Gegenstände stattfinden sollten. Wir vernehmen, daß das k. Gerichtsamt Leipzig II. es für bedenklich erachtet haben soll, hierzu die obrigkeitliche Erlaubniß zu ertheilen. — Anr 27. November wurde in Münsa bei Altenberg unter einer allda über die Pleiße führenden Brücke ein neuge- bornes Kind todt und daneben ein Einbindebettchen aufgefunden. Die deshalb sowohl seiten der herzoglich sächsischen altenburgischen als auch in der Folge von der königl. sächsischen Gendarmerie angestellten Recherchen haben auch so weit geführt, daß eine deshalb verhaftete ledige Frauensperson aus Gersdorf das Kind von der Brücke herabgeworfen zu haben vorgegeben hat. Tagesgefchichte. Weimar, 20. November. Eine so eben erschienene Bro- chüre: „Tie Gewerbefreiheit als Mittel gegen die überhandneh mende Ehelosigkeit" findet eine ungewöhnlich schnelle Verbreitung und macht einiges Aufsehen. Der Verfasser erblickt in der Ge werbefreiheit „das sicherste Mittel, welches der Noth der Witt- wen und Waisen abhelfen, die Armenpflege vermindern und den öffentlichen Wohlstand auch durch Hände und Kräfte der Frauenwelt vermehren wird. Tausende von jungen Mädchen, die alle Tugenden besitzen, einen Mann zu beglücken, die aber das Unglück haben, nicht reich zu sein und dadurch von dem harten Loose getroffen werden, unversorgt zu bleiben; sie alle finden Gelegenheit in der Gewerbefreiheit, dem Capital Geldvermögen ein Capital Arbeitsvermögen entgegenzusetzen und das wiegt was bei klugen Staats- und Hausökonomen." „Durch Ein führung der unbedingten Gewerbefreiheit überall in Deutschland vollende man endlich die Stein'sche Gemeindeordnung, die den Frauen durch Gewährung des Bürgerthums städtisches Gewerbe sicherte." Alle diese Gedanken sind nicht neu, zünden aber jetzt bei der schwebenden Gewerbefrage um so leichter. London, 20. November. Das Oberpostamt hat einen Ausweis seiner Thätigkeit und Finanzverwaltung vom Jahre 1860 veröffentlicht, der umso mehr beachtet zu werden verdient, als von allen Instituten Englands sein Postsystem die allge meinste Anerkennung und Verbreitung auf dem Festlande ge funden zu haben scheint. Diesem Ausweise entnehmen wir Folgendes: Die Zahl der im Lande beförderten Briefe ist noch im Steigen begriffen. Die englischen Postämter beförderten im vorigen Jahre 462 Millionen Briefe (22 Briefe per Kopf der gesammten Einwohnerzahl, die irischen 48 Mill. (8 Per Kopf) und die schottischen 54 Mill. (17 per Kopf). Somit wurden im ganzen vereinigten Königreich 564 Mill. Briefe befördert, 19 Mill. mehr als im Jahre 1859 oder eine Zunahme von 34 Procent. Die Localpost in den größeren Städten hat am meisten zugenommen, seitdem sie in höchst anzuerkennender Weise vervollkommnet worden ist. Außer den Briefen waren im vorigen Jahre noch gegen 70 Millionen Zeitungsexemplare und 11,700,000 Bücherpackete im Jnlande durch die Post befördert worden. Wenn wir sagen „befördert", so heißt das nicht im mer an die richtige Adresse abgeliefert", denn nicht weniger als zwei Millionen Briefe konnten wegen mangelhafter Adresse, Wohnungswechsel der betreffenden Personen und dergleichen nicht ausgeliefert werden. In den allermeisten Fällen lag die Schuld an der Nachlässigkeit der Absender, welche ihre Adressen mangelhaft schrieben, und wunderbarer Weise wurden in diesem einztgrn Jahre über 10,000 Briefe aufgegeben, die ganz ohne