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man sich hier und da abmüht, das Volk auf den Weg der Fin sternis; zurückzufiihren, so ist es ganz absonderlich erfreulich, wenn man auch wieder einmal eine Versammlung von Geistli chen wahrnimmt, die Licht und W a h r helk als den Zeiger ihres Wirkens anfgepflanzt haben. (Linen Fall'der letzter;» Art hatte man vor Kurzem in Dippoldiswalde. Der dortige Su perintendent Kl. v. Zobel, ein in jeder Beziehung ausgezeichne ter geistlicher Oberhirt, feierte sein Amtsjubiläum und auS die se»; Grunde hatten sich eine große Anzahl geistlicher Herren, unter denen auch Oberhofprediger I>. Liebner und Kirchenrath Mev sich befanden, sowie viele Freunde des Jubilars, verschie- nen Ständen angehörend, zu einem Miltagsmahle cingefunden. Die bei de»; letzteren gesprochenen Toaste, so weit sie von dem Jubilar und mehreren anderen Geistlichen gebracht wurden, drückten klar aus, daß man nur auf den; Wege des Lichtes und der Harmonie mit dem praktischen Leben, auch in Sachen der Religion, zu»; wahren Heil gelangen könne, und es alH.das höchste Unrecht angesehen werde» müsse, wenn Jemand sich bei- sallen ließe, der Finsternis; irgendwie Vorschub zu leisten. Vor züglichen Anklang fand zun; Schluß ein vom königl. Revierför ster Herrn Schaal aus Oberfrauendorf ausgebrachter Toast, worin humoristisch Parallele zwischen Pastor und Forstmann gezogen war. Lebte. Berlin, den 28. Nov. Das Central-Wahlcomite der deutschen Fortschrittspartei, U. Tempelteh, erließ vor den Wah len folgenden Aufruf: „Urwähler in Stadt und Land! Lasset uns seslhalten und zusammenstehen, einig in der Treue zum Kö nige und seine»; Hause: denn eS thut noth! Habt Ihr nicht gehört oder gelesen, was einer von den großen Edelleuten da im Herrenhause gesagt hat? „Wir sind eher in der Mark ge wesen als die Hohenzollern." Was? wollen diese Junker etwa schon mehr gelten als der König und sein Haus? Ja, ja, so denken sie, aus solchen Worten da guckt der Fuchs heraus. Freilich sind sie eher dagewesen. In der Mark die Ouitzows und Rochows, die Putlitze und Jtzenplitze; und in Pommern, in Schlesien wie anderwärts hat es nicht an Ihresgleichen ge fehlt. Unsere Urahnen die haben das Wohl verspürt, als ihnen die Dörfer und Städte eingcäschert, die Viehheerden und Gü ter weggenommen, die Söhne und Töchter gemißhandelt wur den von den ritterlichen Räubern. Doch Gott sei Dank, die Hohenzollern: der Burggraf Friedrich und nachher der Joachim, die haben ihnen zuerst ihren Standpunkt angewiesen. Aber sie sind immer »nieder aufgetaucht, diese „Landbeschüdiger". Wo einer unserer Fürsten je eine richtige, zeitgemäße Ordnung der Dinge zun; Heile des Landes einführen wollte, da haben die Funker auch Opposition gemacht. Noch König Friedrich Wil helm I., des alten Fritze Vater, mußte drohen: „er werde die Funkers und ihre Autorität ruiniren", wenn sie nämlich nicht Ordre pariren würden. Freunde, es ist heute nicht anders als in den älteren Zeiten, es sieht nur anders aus. Der feudale Junkergeist ist immer noch im besten Flor. Seht, wir haben eine Verfassung, als ein festes und sicheres Staatsgrundgesetz. König Wilhelm hat beschworen offen, frei, ohne Rückhalt, er will sie ausgebaut wissen im ächten Geiste seines Volkes und danach regieren. Die Feudalen dagegen, die Junker und was derselben Geistes-Kinder sind, mochten sie durchlöchern, am lieb sten ganz wegwerfen. Warum? Weil solche Verfassung ihren Vorrechten, Privilegien und Sonderstellungen, die sie zum Scha den der anderen noch besitzen, ein Ende macht und dagegen die gesammte Volkskraft zur freien Entfaltung bringt. Jene Vor rechte möchten sie nicht lassen, möchten vielmehr andere, die der Strom des unter dem Schutze unserer Könige sich entwickelnden Rechtes schon hinweggespült hat, wieder gewinnen. Männer des Volkes, das dürfen wir nicht dulden. Gelingt cs ihnen, so wird cs schlimm, wir sind ruinirte Leute vor aller Welt, Preu ßen muß gestrichen werden aus der Reihe der civilisirten Staa ten, uns selbst aber geht es an den Kragen, denn ihre Reden klingen schon sehr grimmig und verbittert. Darum auf! ihnen entgegen, nicht mit Gewalt, nein behüte Gott, wir wollen uns ihnen nicht gleichen, die immer flugs den Säbel ziehen oder mit Pistolen schießen, wenn Jemand was sagt oder thut, das ihnen nicht lieb ist, sondern wir wollen streiten auf dem Wege unseres guten Rechtes als ächte ehrliche Preußen. Die Wahlen zum'Landtage stehen vor der Thür. Die Feudalen — Con- servative nenim; sie sich und Revolutionäre sind es — haben sich zum Wahlkampfe in Reih und Glied gestellt; sie wappnen sich bis an die Zähne und schließen allerlei Bündnisse. Den Beamten bis zun; Dorfschulzen hin, deren Auskommen im Staat ihnen doch sonst ein Dorn im Auge war; den Pastoren, deren Predigt, den Schulmeistern, deren Hunger ihnen sonst nicht gerade zu Herzen geht; den Handwerkern, gegen deren auf blühende Wohlfahrt und Bürgerwürde sie sich nie licbsam ge zeigt haben; den Bauern, deren Fluren wie vordem mit ihren Rüden und Nossen auf der Jagd zu zertreten, ihnen auch jetzt noch eine Lust sein würde, ihnen allen geben sie den Bundes kuß: daS mag ein schöner Judaskuß sein! Und doch mancher ehrliche Mann lernt schon nach ihrer Pfeife singen; auf dem Eongreß i»; englischen Hause zu Berlin, da konnte man es hö ren. Das kommt, die hohen Herren sprechen auch die Sprache Eanaans mit ihren; Munde; aber die Herzen sitzen bei den Fleischtöpfen Aegyptens und ihre Hände führen die Stricke Be lials. Sie wissen recht gut, jetzt ist die Entscheidung, jetzt gilt es Sieg oder Tod. Drum setzen sie alles daran, werden so gar fromm oder Gesellen der Schuster-Innung. Männer des Volkes! Wollt Ihr schlafen, wollt Ihr die Hände in den Schooß legen und sie ruhig siegen lassen? Das kann nicht sein, es darf nicht sein, niemals, niemals, niemals! Was ist besser, Freiheit oder Knechtschaft, Gesetz oder Willkür, Recht oder Ge walt, Fortschritt oder Rückschritt, Streit oder Frieden? O! Ihr könnt nicht zweifelhaft sein. Nun, zweifelt Ihr nicht, so macht Euch alle auf zu den Wahlen, Arbeiter, Büdner, Kossä- then, Bauern, Besitzer, Geistliche, die Ihr gesonnen seid, zu ge ben de»; Kaiser, was des Kaisers ist und Gotte, was Gottes ist; Bürger, Lehrer, Beamte und Ihr Edelleutc, die Ihr Kopf und Herz auf dem rechten Fleck habt, denn es sind ja Namen unter Euch, die wir hochhallen und von Herzen ehren, auf und wählet, wählet solche Leute zu Abgeordneten, die wie der Kö nig und seine Minister es ernst meinen mit der Verfassung und ihrem gründlichen Ausbau durch heilsame Gesetze. Denkt Ihr wie wir, so wählet wie wir. — Wir meinen aber, unsere Ab geordneten müssen vor allem dringen auf eine Umgestaltung und Reform des Herrenhauses, denn in diese»; erblicken wir den Heerd und die Burg für die feudale Opposition, die Fessel für alle gesunde Gesetzgebung, den Hemmschuh für die staatliche Entwickelung unseres Vaterlandes. Auch die noch bestehenden feudalen Kreis- und Provinzialstände sind mit einer auf die Gleichberechtigung aller Staatsbürger gegründeten Gesammt- Verfassung nicht vereinbar; es muß eine Kreis-Ordnung durch geführt werden, die auf das verfassungsmäßige Prinzip der ge rechten Vertretung gebaut, auch dem städtischen Bürgerthum und den; nicht rittcrschaftlichen Grundbesitz einen Einfluß sichert, wie er ihrer Bedeutung und ihren Leistungen entspricht. Eine Ordnung der Verhältnisse der Landgemeinden, durch welche auch diese als lebendige Glieder den; Staatsganzen eingefügt werden und ihnen eine genügende Selbstvertretung ihrer Rechte ermög licht wird, erscheint davon unzertrennlich. Die Polizeigewalt kann nicht Zubehör des Gutsbesitzes bleiben, denn darin liegt keine Bürgschaft für ihre kräftige und sachgemäße Handhabung. Wir sind für eine Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaf ten. Wie Jemand in seinem Herzen und Gewissen sich gebun den fühlt, seinem Gott zu dienen, das soll ihn; kein Hinderniß oder Hemmniß werden in seinen bürgerlichen Rechten. Das Heiligthun; des religiösen Glaubens muß unantastbar sein von der Staatsgewalt. Unsere Abgeordneten sollen mit aller Ener gie hinwirken auf die endliche Erledigung der Eherechtsfrage. Jeder Unterthan mus; seinen Ehepact vor der staatlichen Be hörde schließen und welche religiöse Weihe er diesem Act geben will, muß seinem Glauben und Gewissen überlassen bleiben. Ob eine Ehe getrennt oder ein Geschiedener wieder getraut, werden kann, muß von einen; festen Gesetz, nicht von dem Zu fall einer oft wechselnden kirchlichen Ansicht abhangen, also obli gatorische Civilehc. Das weite, wichtige Gebiet des öffentlichen