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« Tageblatt für Ersch. tägl. Morg. 7 U. Inserate, d. Spaltzeilc 5 Pf., werden b. Ab. 7 (Sonnt, bis L U.)angenommen in der Expedition: Johannisallce und Waisenhausstraße 6. Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredactcur: Theodor Drobisch. Abonn. vierteljährlich 20 Ngr. bei unentgeldl. Lieferung ins Hau«. Durch die k. Post vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Nr. 147. Molltag, dm 27. Mai 1861. Dresden, den 27. Mai. — 'Am 21. feierte der am 3 Pfingstfeiertag 1811 hier ein- gewanderte Dchuhmachergeselle Anton Luca- Großpietzsch au- Ebers« dorf bei Neurade, geb. 1790, sein 50jährige« Gesellen-Jubiläum. Morgen« 8 Uhr wurde er in seiner Wohnung, gr. Fraueng. 10 (beim Schuhmachermstr. Knobloch) von dem Herrn Schuhmacher« obermeister Birnbaum und den sechs Gesellen-Deputirten beglück wünscht und mit einer silbernen Schnupstabacksdose beschenkt. Mittag- 12 Uhr versammelten sich in der Herberge di« größer« Zahl der Schuhmachergesellrn zu einem Festessen und ließen den Jubilar, der sich der aufrichtigsten Freundschaft seiner Genossen sowohl als der Rüstigkeit seine« Geiste- und Körpers erfreut und noch in größter Thätigkeit befindet, — nach mehreren vom De putaten Heinze u. A. ausgebrachten Toasten hoch leben, was den beliebten Jubilar sichtlich von Herzen erfreute. Nachdem derselbe am Nachmittag« noch vom Herrn 0. Florenz Schulze mit einem sehr kostbaren Cigarren - Etui beschenkt worden war, begab er sich mit den Deputaten und einer große» A»,ahl seiner übrigen Ka meraden nach Zschertnitz, wo die Zubilarfeier mit dem Schluß de« Tage- beendet wurde. — Wie viel Schuhe und Stiefeln mögen während den 50 Jahren durch Großpietzsch'« Hände gegangen sein! — — Vom 21. bi« 24. d. hat in Cöthen die 12. allgemeine deutsche Lehrerversammlung getagt. Die Präsenzliste vom zweiten? Tage wie« 433 Theilnehmec nach (darunter 8 au- Dresden). Den Vorsitz führten Schuivorsteher 0. Theodor Hoffmann au« Hamburg, Schuldirektor Berthelt aus Dresden, Seminardirector Lüben au- Bremen. Di« Vorträge und Verhandlungen übergehen wir. da dieselben demnächst in der „Deutschen allgemeinen Lehrer zeitung" nach den stenographischen Niederschriften de- Oberlehrer- Wagner au« Dresden erscheinen werden und heben au- einem Be richte de- „Dr. I." nur folgende Episode hervor. Nach dem Wunsche «ine- TheileS der Versammlung wurde von dem Sani- tätSrath 0. Lutz« au« Cöthen auch ein Vortrag über Homöopathie gehalten. Derselbe sprach am Schlüsse seine« Bortrag«- gegen kSchutzpockeninipsung nnd erklärte e« für einen Eingriff in die Macht und den Willen Gotte-, wenn man dieselbe anwende. „Man konnte, sagt der Berichterstatter des ,Dr. I/, eS nicht begreifen, wie ein Arzt einen solchen Ausspruch thun, wie er eine solche leußrrung vor einer Versammlung gebildeter Männer Vorbringen tonnte." Professor K. Biedermann gab in einem Proteste den -Empfindungen der Versammlung Ausdruck. Di« nächst« Ver sammlung wird in Gera abgehalten werden. — Zn der letzten Chemnitzer Stadtverordnetenfitzllng wurde »«schlossen: „bei dem Stadlrathe zu beantragen, die nöthigen -chritte zu thun, daß in den hiesigen Schulanpalten anstatt der Bibel ein dem jugendlichen Alter der Schüler entsprechender Aus zug derselben baldmöglichst eingeführt werde". — Aus Böhmen schreibt man der ,C. Z": „Seit Jahr und Tag find unter den Landbewohnern in der Umgebung von Tet- schen zahlreiche Uebertritte au« der katholischen zur protestantischen Kirche vorgekommen und hat die Aufnahme zur evangelischen Kirche theils in der protestantischen Kirche zu Haber bei Auscha, theil- gelegentlich de- von dem dortigen evangelischen Pfarrer in seiner Filialgemeinde Bodenbach zeitweilig abgehaltenen Gottesdienste« in würdigster, erhebendster Weise stattgefunden. Einen solchen feier lichen Act vollzog denn nun neuerding« der evangelische Seelsorger aus Haber auch an 11 Personen beiderlei Geschlechts bei dem von ihm am 12. d. M. in Bodenbach abgehaltenen Gottesdienst, unter so zahlreicher Betheiligung Andächtiger, daß sie zum Theil vor geöffneter Thür de- Betsaales auf dem Corridor dem Gottes dienste beiwohnen mußten. Am Dienstag den 14. d. war derselbe evangelische Pfarrer nach dem benachbarten Rosendorf gerufen wor- den, um da eine evangelische Leiche zur letzten Ruhestätte zu gelei ten und fie nach kirchlicher Sitte einzusegnen. Das Begräbniß sollte, da auf dem dasigen Friedhofe noch kein nach der Bestim mung des ConcordatS abgetheilter Raum sich befindet, mit unter den übrigen katholischen Gräbern stattfinden, was jedoch der ka tholische Pfarrer nur unter der Bedingung gestatten wollte, daß ? «S auf dem für Selbstmörder, Verbrecher rc. bestimmten Platze ge schehe, welcher natürlich unter dem Volke als ein verachteter, ver- sehmter angesehen wird, und weshalb die Angehörigen sowohl als auch der evangelische Pfarrer dagegen proiestirten. Alle bescheiden sten und versönlichsten Vorstellungen Seiten- de« Geistlichen wa ren jedoch fruchtlos, so daß für den Augenblick das Begräbniß, zu dem di« Zeit schon drängte, unterbleiben mußte. Der evange lische Pfarrer sah sich nun genöthigt, persönlich nach Tetschen zu gehen, um sich Rath und Beistand vom dafigen k. k. Bezirksamt zu erholen. Rühmend sei bemerkt, man gab den Bitten de- Herrn Pastor sofort Gehör, und bereitwilligst begab sich einer der ersten Beamten als k. k. Commissär mit ihm an Ort und Stell«, um den unangenehmen Auftritt zu schlichten und einen geeigneten Platz gemeinschaftlich mit dem katholischen Pfarrer auszumitteln. Aber auch da war jede commisfionelle Verhandlung vergeblich (bekannt lich kann in dergleichen Fällen die weltliche Behörde keinen Macht spruch thun), und selbst die Vorstellungen de- k. k. Commissär«, daß bei solcher Unduldsamkeit dem Abfall von der katholischen Kirche nur in die Hand gearbeitet werde, fruchtet« nicht; so daß endlich im Einverständniß der Trauernden, de- k. k. Commissär« und de« protestantischen Pfarrer- die Leiche in dem freundlich ge legenen Garten der Aeltern derselben, zu beerdigen beschlossen ward. Nun weigerte sich aber der Todtengräber, da- Grab daselbst zu