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«rsch. tägl. Mora. 7 U. Inserat«, d.Gpaltzeil« l Pf., werden b.Ab.7 <Vo«nt. bl-LN.) angenommen in der Expedition: Jobannes-Ulle» nnd Watsenhausstraße S. Tageblatt für Unterhaltung md Geschäftsverkehr. Mitkedaeteur: Theodor Arodisch. M. 53. Freitag, den 22. Februar «dann, vierteljährlich »0 Rg«. -ei unentgeldl. Lieferung in'« -an«. Durch dt» -gl. Post vkettetjahrltch «gr. Einzelne Rnmmern 1 Rg» 1861. Dresden, den 22. Februar. — Die Erste Kammer ist gegenwärtig mit der Berathung des Gewerbegesetzes beschäftigt und wird dieselbe jedenfalls im Lause dieser Woche zu Ende führen. Bis jetzt sind bedeuten» dere principielle Abweichungen von den Beschlüssen der Zweiten Kammer nicht zu Tag« getreten und dürften solch« auch nicht zu erwarten stehen. Ob jedoch dem Anträge der Zweiten Kam» mer, die Gewerbefreiheit schon am 1. Juli d. I. (statt wie cS der RegierungSentwurf will am 1. Jan. 1862) ins Leben treten zu lassen, auch wenn die Erste Kammer beitritt, von Seiten der Regierung noch stattgegeben wird, möchte bei der vorgerückten Zeit zu bezweifeln sein. Die Zweite Kammer be» räth das Militärbudget, und es ist anzunehmen, daß dasselbe nach dem Vorschlag der Finanzdeputation in der postulirten Höhe von 2.099,638 Thlr. per Jahr (d. i. ein Drittel deS gesammten Ausgabebudgets) von der Kammer bewilligt werden wird. — Die Regierungsvorlage wegen Aufhebung der Durch gangszölle, welche dem Einnahmebudget einen jährlichen Aus fall von 34.00V Thlrn. bringt, ist von der Kammer einstim mig genehmigt worden — In Bezug auf die von der Er sten Kammer abgeworfene Kirchenordnung hört man, daß die Regierung ihren Entwurf ganz zurückzuziehen gedenkt, der» selbe mithin in der Zweiten Kammer gar nicht zur Berathung kommen wird. — In der Ersten Kammer kam gestern rin königliches Decret zum Vortrag, durch welches der Entwurf der Kirchen» ordnung zurückgezogen wird. Die Berathung des Gewerbege» sctzes ist gestern bis zu 8. 106 der Entwurfs vorgerückt. — Sitzung der l. Kammer am 22. Febr. Vorm.llUhr. Fortgesetzte Berathung der Berichte über den Entwurf des Ge werbegesetzes. — Orffentliche Gerichtsverhandlungen: Beleidigung, Störung des Hausfriedens, Bedrohung mit Mord und Diebstahl — das war das Konglomerat von Verbrechen, wegen deren an voriger Mittwoch der Tagarbeiter I. G. Richter aus Rochlitz bet Pillnitz vor den Schranken des Bezirksgerichts stand. Wir er kannten in ihm eines jener omineusen Subjecte, welche die Unholde in ihrer Gemeinde sind und trunksüchtig und rechthaberisch ihre nächste Umgebung auf die anmaßendste und gemeinste Weise zu terrorifiren pflegen. Gewöhnlich besitzen solche Leute ein treffliches Mundwerk, lügen das Blaue vom Himmel, spielen die Verkannten und Verfolgten und brüsten sich mit einem über sie verhängten Märtyrrrthum. Alle dies« Merkmale fanden sich auf das Ge naueste bei Richtern vor. Er war zwar wiederholt wegen Wi dersetzlichkeit, Tätlichkeiten, Diebstahl u. dgl. mit Gesängniß be straft worden, aber allemal .unschuldig". Seine öftere und wohl fast unausgesetzte Trunkenheit hatte in seiner vor 15 Jahren be« gonnenen und Anfangs friedlichen Ehe bald die größten Zerwürf nisse herbeigeführt, er mißhandelte Frau und Kinder, namentlich wenn er am Abend tobend und brüllend nach Hause kam; aber niemals war auf seiner Seite das Unrecht, Andere trugen von Allem die Schuld. In der Hauptverhandlung sprach er mit einer solchen Zungenfertigkeit, daß der Herr Vorsitzende ihn wiederholt zu langsamerer und verständlicherer Rede ermahnen mußte; aber man konnte darauf rechnen, daß das dritte Wort eine Lüge war, und wenn er von dem Gewicht der Thalsachen sich dennoch er» drückt sah, wollte er von nichts wissen, weil „er nicht immer seine Besinnung richtig im Kopfe habe." Wir glauben ihm Letzteres gern. Der Lhatbestand, um den es sich handelte, war folgender. Er war im Monat November v. I. des Nachts, während seine Frau schlief, vor deren Bette getreten, und hatte ihr mit einem Stiefel einen so fürchterlichen Schlag über das Gesicht gegeben, daß dasselbe am andern Lage in allen Farben spielte. Richter be zeichnet? diese rohe Thätlichkeit mit der ihm sehr geläufigen Be zeichnung, daß er ihr «inen „Schwinderling" beigebracht habe, und entschuldigte seine Handlungsweise damit, daß di« Frau ihn .egal" einen faulen Kerl nenne, ihm auch sonstige Ehrentitel beilege, ja sogar zuweilen prügele. Letzteres wurde ihm bei seiner Körper stärke und der gegrntheiligen Beschaffenheit der Frau als höchst unglaubhaft hingestillt. Durch eine Zeugin erwiesen wurde ferner, daß er eines Tage- gesagt habe: „Erst ermorde ich Euch, dann geh« ich meiner Wege-, ebenso daß er einstmals auf die Frau mit einem Messer eingedrungen war mit dem Zuruf: „Dich L.... muß ich auf di» Seite schaffen!" Auf diesen Vorhalt antwortete er mit einem indignirt hingeworfenen .ha!" und mit dem bei ihm stereotypen .das ist nicht wahr". Nicht minder wurde constatirt, daß er die Frau bei den Haaren geschleift, geprügelt und mit den Füßen vor den Leib gestoßen habe. Eine die ganze Nachbarschaft avarmirende Scene ereignete sich am vergangenen Sylvestertage. Da kommt er in angetrunkenem Zustande von Dresden, woselbst er seinen 15jährigen Sohn vermiethet hatte, nach Hause, und fängt sofort an, seine 11jährige Tochter auf die brutalste Weise zu miß» handeln. Als Ursache davon gab er an, daß sie an ihm eine undelicate Aufforderung crlaffcn habe — um den im Munde der Ge meinheit oft vorkommenden Ausdruck hier nicht wörtlich zu gebrauchen. LS war dieß aber eine ganz unerwicsene Behauptung. Der zufällig an wesende Nachtwächter und Schuhflicker Naumann, der «in an die Richtersche Wohnung unmittelbar angebautes AuSzug-häuSchen mit besonderem Eingang inne hat. mengt sich endlich hinein und hält ihm die unangemessene Behandlung des Kindes vor. Aber damit wurde erst Oel ins Feuer gegossen. Er begegnete dem Manne in