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lundgegebenen Interessen gar nicht den Versuch gemacht hatten, zu spezieller Geltung zu kommen. (D. A. Z.) — Gestern hat hier die erste Sitzung des ersten Kongresses von Deputirtcu der sämmtlichen Tbicrschutzvercinc stattgefunden. Es waren dabei anwesend: von Berlin: Major v. Platcn, Krcisge- richtsrirector Odebrecht; Schloßpredigcr Frege; von Breslau: I)r. Thiel (der auch Oppeln und Warmbrunn vertritt), Kaufmann König (zugleich für Trebnitz); von Budissin: Bürgermeister Löhr, Oberleutnant v. Wilcke; von Dresden: der Präsident des Ober appellationsgerichts wirkt. Geh. Rath I). v. Langen» Exc., Lcga- tionsrath v. Ehrcnstein; von Frankfurt a. M. : W. Kilzer; von Görlitz: Obcramtmann Rostock, Archidiaconus Haupt; von Ham burg : 0. Lührs, I). Marburg (die zugleich Hamburg und Lübeck vertreten; von Hannover: Senior Stadtpfarrcr Boedickcr; von London: Jobn Curling, Adams Smith, Sir John Scott-Lllle; von München: Hofrath 0. Pcrner, Polizei-Veterinär I). Sonder- mann; von Prag: I). v. Hönigsberg; von Stettin: Stadtrath Becker; von Stricgau: Kaufmann Zchgc; von Triest: Ritter von Pillepich; von Wien: Ritter v. Castelli; von Zürich: Pfarrer Wolfs. Von Paris werden die Dcputirtcn Des Röster« und Vi comte de Ham cintreffen. — Zum Präsidenten wurde Ritter I). Castelli, zu dessen Stellvertretern II. Pcrner und Lcgationsrath v. Ehrcnstein gewählt; SchriflführcrHsind I). Thiel und I) Marburg. — Aus Zwickau wird dem „Dr. I." telegraphisch ge meldet, daß Se. Maj. der König, über Schnceberg und Kilch berg von Eibenstock kommend, vorgestern Abend halb 7 Uhr da selbst wieder eingetroffcn ist. Die Stadt war festlich geschmückt und für den Abend eine Illumination veranstaltet, die aber durch fortdauernden Regen und Sturm getrübt wurde. Gestern Morgen 7 Uhr ist Sc. Majestät von Zwickau nach Lichten stein abgereist. — Seit zwei Tagen haben wir hier ununterbrochen Regen. Nach Nachrichten aus dem Erzgebirge herrscht leider dort dasselbe ungünstige Wetter, so daß, wenn der Regen nicht bald aufhört — wozu gegenwärtig noch wenig Aussicht vorhanden ist — in einigen Gegenden ein Austreten der Flüsse zu fürchten steht. Hier hat die Weißcritz heute schon einen Wasserstand erreicht, der den vom 13. v. M. bereits überschreiiet und auch die Elbe ist seit gestern um eine Elle gestiegen. Für die im Gange befindliche Ernte ist diese fortwährende nasse Witterung von großem Schaden, wie denn auch unser Volksfest, das große Vogelschießen, von derselben sehr hart getroffen wird. — Vor einigen Tagen brachte die in Berlin erscheinende „Correspondenz Stern" folgenden Artikel: „Eine große Gefahr hat über Preußen geschwebt; eine Beust'sche Drohnote hat unsre Politiker in Schrecken versetzt und nur durch reuige Entschuldi gung sind wir den Gräueln dcS Bruderkrieges entronnen. Man höre: Bei der letzthin stattgehablen Dislocirung der Truppen traf cs sich, da- auf irgend welche Weise 2 Mann und l Unteroffizier — cs mögen auch ein paar Bayonncte mehr gewesen sein — von der königlich preußischen Infanterie ihren Weg durch das König reich Sachsen nahmen, mit Sack und Pack und Sch>eß- und Spieß- und Seitengewehr in Dresden ankamen, dort verweilten und — ob an demselben, ob am andern Tage, ist uns nicht mitgethcilt worden — ihren Weg auf der Eisenbahn weiter forisetzten. Da rob geriethen die Sachsen in große Aufregung — sie mochten die Durchzügler für dicAvantgarde eines preußischen Oceupationscorps halten, das Sachsen wie Anno 1750 überfallen wollte Die hoch weisen Herren steckten die Köpfe zusammen, fanden aus den mit Preußen abgeschlossenen Conventionen heraus, daß der Durchmarsch preußischer Truppen den sächsischen Behörden vorher angezcigt wer den müsse, daß dies hier unterlassen worden sei. — Kurz, so schreibt man uns aus Dresden, die Sache wurde zu solcher Höhe hinaufgcschraubt, daß Herr v. Neust die Friedenspfeife bei Seite stellte, die Stirn runzelte, die spitzigste Feder herbciholen ließ und 48 Stunden lang an einer Note schrieb, welcher die Note an Rußland nicht das Wasser reichen soll. Es war richtig; — der Commandeur des Regiments, welchem die 3 oder 5 preußischen Bayonncte angehörten, hatte die pflichtschuldige Anzeige unterlassen. Da hat denn Preußen zu Kreuze kriechen müssen, es hat höflichst um Entschuldigung gebeten und in Dresden glaubt man, daß im Ministerconseil beschlossen werden wird, Preußen das erbetene Ver zeihungsmandat gnädigst auszufertigen." Zu diesem Artikel hat das Dr. I. nur Folgendes zu bemerken. Unterm 12. Juni d. I. ist allerdings aus dem Ministerium der auswärtigen Angelegen- hcitcn auf Antrag des Kriegsministeriums ein Erlaß an die kö nigliche Gesandtschaft zu Berlin ergangen, welcher wörtlich folgen dermaßen lautete: „Am 30 Mai o. sind zwei Unteroffiziere und ein Gemeiner vom königl. preußischen 10. und I I. Jnfantcrie- Ncgimente in voller Ausrüstung in Dresden -eingetroffen, haben auf eigene Rechnung daselbst übernachtet und find Tags darauf mittelst der Eisenbahn auf Commando nach Sömmerda abgegan- gen. Dieses Commando hat sich — vom Dresden-Leipziger Eisen bahn-Billeteur bei Vorzeigung einer Legitimation zur Erlangung einer Fahrgclder-Ermüßigung dazu veranlaßt — beim Stadt-Com- mando vorgestellt, wogegen ein anderes dergleichen Commando, welches, dem Vernehmen nach, am 29. Mai o. ebenfalls in voller Bewaffnung in Dresden eingetroffen ist und sich daselbst aufge halten hat, gar nicht ««gemeldet worden ist. Da solche Durch züge bewaffneter Mannschaften ohne Ankündigung bekanntlich nicht stattfinden dürfen, so ist die Vermittelung des königl. preuß. Mi nisters der auswärtigen Angelegenheiten — unter Erwähnung des im Juli v. I. vorgekommcnen ähnlichen Beschwerdefalles — da für erneuert zu erbitten, daß die betreffenden königl. preußischen Militärbehörden deren Wiederholung vermeiden mögen. Ich ersuche die königl. Gesandtschaft, sich dessen mittelst Note und in rücksichts vollster Form zu unterziehen." Dieses ist der einzige in der Sache von hier aus ergangene Erlaß, auf Grund dessen die „Correspon denz Stern" in den Stand gesetzt worden ist, der Welt die obige Geschmacklosigkeit aufzutischen. — Also auch hier wieder wie an derwärts: große Zwecke, kleine Mittel. — Der Apollo-Salon auf der Vogelwiese erfreute sich vor gestern eines ausgezeichneten Besuches, die Halle wimmelte von Be suchern, welche während der rauschenden Walzer und Hopser auch den Gaben des Bacchus und Gambrinus zusprachen, selbst noch in den Stunden, wo der Regenschirm seine Function antrat. Apollo, der Zwillingsbruder der Jagdgöttin Artemis, Apollo, dessen Region der Wahrheit und des Hellen geweiht, Apollo, der mit seiner Leier in den Händen das Geheimnißvolle offenbar macht und das Verborgene durchleuchtet, er ahnte wohl nicht, daß gegen 11 Uhr etwas derbe Disharmonie in seine ihm geweihte Halle kom men sollte. Durch Mißverständniß mit einem Kellner kam es da hin, daß ein Gast ein Bierkrügel für eine Wurfmaschine ansah und sich nun Streitigkeiten entfalteten, die durchaus die syrische Frage oder den Suez-Kanal betrafen. Im Apollo-Salon, unend- lick verschieden von dem Tempel zu Delphi, war der Orakelspruch gefallen und dieser hieß „Keilerei." Etliche Diener der Gerech tigkeit riefen zur Ruhe, mahnten zur Sühne. Die Julitage sind in der Weltgeschichte immer als hitzige bekannt und so auch der vorletzte, die Sache war einmal im Gange und so regnete cs denn Püffe, bis kräftige befugte Arme eingriffcn und Etliche der Kra- kehler arretirten. — Aus dem Walde mit einem Fuder Reißig zurückkeh- rcnd, setzte der Gutsbesitzer W. aus Oberwiera bei Waldenburg seinen 6 Jahr 9 Monate alten Sohn in die Schoßkellc. Bei der Fahrt Lurch das Dorf stürzt jedoch der Knabe herab, kommt unter den Wagen und das eine Vorderrad, das über ihn hin- wcgging, obgleich der Vater sofort hielt, brachte ihm doch solche Verletzungen am Rückgrat bei, daß er nach Verlauf einer hal ben Stunde verstarb. — Ein heiteres Fest vereinte vorgestern in den Räumen des Bcrgkellers eine fröhliche Gesellschaft bis spät in die Nacht. Die Herren Bürkner L Siebmann, Besitzer einer Cigarrenfabrik am hiesigen Platze, hatten wie alljährlich auch diesmal ihrem circa 150 Köpfe starken Arbeiterpersonal ein Vogelschießen mit nachfol gendem Souper und Ball gegeben. Das höchst anständige, dabei ungezwungen heitere Benehmen der Arbeiter, die von denselben ihren Prinzipalen ausgebrachten Toaste, ihre sehr gelungenen Ge- sangsvorträge, zeugten von der Verehrung der Arbeiter für ihre Brodherren, welche ihrerseits durch Hinzuziehung von Gästen aus ihrem Bekanntenkreise ihre eigene Freude mit der der Arbeiter be- thätigten. Der Frohsinn war ein so allgemeiner, daß auf dem Nachhausewege selbst der herabströmende Nachtregen demselben kei nen Eintrag zu thun vermochte.