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Ersch. tägl. Mora. 7 U. Inserat«, s Spaltzeile 5 Ps, werden b. Ab. 7 (Tonnt. vtS 2 U ) angenommen in der Expedition: Johanner-Allee u. WaisenhauSstr. S. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Nitredacteur: Theodor DrodislH. Freitag, dm 3. Februar Abonn. vierteljährlich 20 Rar. bei unentgeldl. Ltefemng in'S Hau». Durch die Kgl. Post vierteljährlich 22Ngr. Einzelne Nummern iNgr 18607 Dresden, d«n 3. Februar. — Oeffentliche Gerichtsverhandlungen: Es war am 10. März 1857, als die Gebrüder Albert Emil und Ernst Otto Schneider wegen Bedrohung mit Brandstiftung, die sie gegen den Bäckermeister Hrn, Haase allhier auSgestoßen hatten, zu resp. 1 Jahr 3 Mon. und 1 Jahr Arbeitshaus verurtheilt wurden. An voriger Mitt woch standen sie wegen desselben Verbrechens abermals vor dem öffentlichen Gericht. Man lernte hier «in Paar Menschen kennen, die allen Ehrgefühls und jeglicher sittli chen Grundlage baar, in ihrer moralischen Verworfenheit doch eine Energie des Charakters entwickelten, die gerech tes Erstaunen hervorrief. Beide hatten sich nach ihrer Rückkehr aus dem Arbeitshause, wahrscheinlich in Erman gelung eines schützenden Obdachs und nährender Arbeit, freiwillig als Insassen der hiesigen städtischen CorrectionS- anstatt angemeldet und waren darin ausgenommen wor den. Schon in früheren Berichten haben wir wiederholt Gelegenheit gehabt, die Aeußerungen der Unzufriedenheit mitzuthetlen, welche derartige Correctioner gegen diese An stalt hegen, die sogar zu einem mörderischen Angriffe ge gen den derzeitigen Jnspector in dem einen Falle führte, der den betreffenden Unhold ins Zuchthaus brachte, wo selbst er seitdem, man möchte sagen glücklicher Weise, mit Lode abgegangen ist. Auch die wegen Arbeitsscheu rc. mehrfach mit polizeilichen und criminellen Strafen beleg- ten Gebrüder Schneider hatten daö Leben in jener Anstalt gründlich satt und in Gemeinschaft den Entschluß gefaßt, sich selbst um den Preis einer abermaligen Zucht- ober ArbeitöhauSstrafe dem Bereiche jenes bummlerfeindlichen JnstitufS zu entziehen. Sie verschwanden daher am 2. Jan. d. I. aus demselben und stahlen aus irgend einem ihnen zugänglichen Schuppen oder Hofe einen Handwa gen, dessen Werth sich etwa auf 30 Lhlr. belaufen haben soll. Mit diesem fuhren sie an diesem und den folgenden Tagen ungenirt in der Stadt umher und boten ihn da und dort zum Verkauf aus. Aber welcher vorsichtige Mensch kauft derartigen, das Gepräge der vollendetsten Bummlerschaft an sich tragenden Subjekten einen solchen Gegenstand ab? DaS Geschäft war nicht zu realisiren, zu ihrem großen Leidwesen hielt sie auch Niemand an, obschon sie in förmlich ostensibler Weise sich den Organen der öffentlichen Sicherheit mehrfach mit dem gestohlenen Gute zu zeigen bemüht gewesen waren. Aber sie blieben unbelästigt, weil der Diebstahl Seiten des Besitzers noch gar nicht bemerkt und keine Anzeige erstattet worden war. Endlich kriegten sie die Geschichte statt; Sie fuhren daher am 4. Jan. spornstreichs mit dem Wagen in das Poli- zeihauS und denuncirten sich selbst als Spitzbuben. Na türlich wurden sie nun festgrnommen, verhört und an das Bezirksgericht zur behufigen Bestrafung abgeliefert. Die k. Staatsanwaltschaft aber erkannt« in Rücksicht der betr. gesetzlichen Bestimmungen, daß der Fall straflos sei, weil die Selbstanklag« noch vor Entdeckung des Diebstahls geschehen und vollständiger Ersatz geleistet war. DaS Brüderpaar wurde deshalb der Obhut der Polizei zu rückgegeben. Beide Brüder erklärten nun aber an Poli zeistelle wie aus einem Münder .das das eine himmel schreiende Ungerechtigkeit sei; andere Rückfällige wären wegen eines Werthbrtrags von «in paar Neugroschrn mit einem Jahre Arbeitshaus bestraft worden; sie hätten für 30 Thalcr gestohlen und sie wolle man nicht bestra fen? Das wollten sie wohl sehen! Es müsse doch noch Gerechtigkeit in Sachsen fein, und daS ließen sie sich nicht gefallen!* DaS half ihnen nun freilich nichts, und es wurde ihnen erklärt, daß sie wieder in die Correc- tion-anstalt zurück müßten. In daS .Ludernest", hieß «S, gingen sie nicht wieder, da würden sie unterwegs da rrst« beste Schaufenster einschlagen und mausen, so viel ihnen unter dir Hände käme, und wenn man sie daran verhindern wollte, so würden sie die ganze .Bude" noch diesen Abend in Brand stecken. Bei ihrer früheren Drohung mit Brandstiftung sei es blos Spaß gewesen, dasmal aber solle man erfahren, daß es ihnen Ernst da mit sei; denn das Nest müsse von Grund aus vernich tet werden! Der an sie gethanen Frage, ob sie wüßten, wie tief sie sich hineinredeten, stellten sie entgegen: .sie wären alt genug, um zu wissen, was sie sirrächen, sie wüßten aber auch, was sie zu thun fähig wären! S>< möchten sich dort nicht länger schinden lassen" u. s. w- In Folge dieser Drohungen war es ihnen nun allerdings gelungen, die Criminaluntersuchung gegen sich eingeleitet zu sehen, und die jetzige Hauptverhandlung bildete davon den Schlußstein. Referent kann nichts Anderes sagen, als daß ihr Erscheinen vor den Schranken der Oeffent- lichkeit den Eindruck machte, daß man eS mit ein Paar richtigen dummen Jungen zu thun hatte. Mit der größ ten Kaltblütigkeit und der raffinirtesten Frechheit gestan den sie alles ihnen Beigemeffrne zu. ES war erkennbar, daß ihr einziges Bestreben darauf gerichtet war, nuix