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beschäftigt, ihm die letzten Liebesdienste zü erweisen; einer wirst ihm den Strick zu, ein anderer dient ihm alt Kuß gestell, und wiederum ander« zerren ihn am Ast der Bau me» empor. Dann öffnet sich zum Ergötzen de- Publi kum« der ganze Höllenschlund; e- erscheint unter Colo- phonium-Blitzen der Generalissimus der Teufel, ein infer nalischer Gesang ertönt, und endlich wird de« Juda« Leich« dem Schlund überliefert, den ein Dutzend Teufel umkauern. Unbeschreiblich widrig ist der Moment, wo die Henkers knechte, welch« Christus auf barbarisch« Weise geißeln, das Blut von seinem Körper streifen und eS der Mutter Ma ria unter rohen Schimpfreden ins Gesicht schleudern. Chri stus wird bei jedesmaligem Erscheinen auf der Bühne so brutal umhrrgrstoßen, mit Kaustschlägen und Fußtritten tractirt, daß man rin tiefsinniges Erbarmen mit dem ar men Schneider empfinden muß, welcher sich zu dieser Mär- tyrerrolle hrrgegrbrn hat. In der Scene am Oelberg, wo EhristuS gefangen genommen wird, stürzen etwa SO Häscher bei den Worten: „Ich bin es-, auf «einen Schlag zusammen und präsentiren dem erstaunten Publikum plötz lich die Sohlen von 60 nägelbeschlagenen GebirgSschuhen, so daß man Mühe hat, ein lautes Lachen zu unterdrücken. Ergötzlich ist daS Gespräch der Wächter am Trabe, wo der eine sich „nach einem Schoppen Branntwein- sehnt, um die aufsteigende Furcht zu bewältigen. Bei der auf unästhetische Weise in die Länge gezogenen Abendmahls- stene spielt Judas insofern ganz vortrefflich, als er die Angst carrikirt, eS könne ihm sein Beutel mit Silberlingen gestohlen werden, und sich durch allzuhäusigen Genuß de« LbendmahlweinS gleichsam in einen leichten Rausch ver setzt u. ss w. Jndeffrn lacht und weint, jubelt und seufzt da« zahlreich versammelte Publikum abwechselnd, und auf Erregung solcher heterogenen Stimmungen scheint «S vor zugsweise abgesehen. Die Frage, ob die geschilderten Dar stellungen zur Erbauung, zur Bildung und zur Förderung der Moral nützlich sind, kann hier gänzlich unentschieden gelassen werden. Bern, L8. Sept. Obgleich sich das Gerücht von einer Zusammenkunft der beiden Kaiser auf dem Schlosst Arenenberg noch immer erhält, so wird doch in hiesigen wohlunterrichteten Kreisen auf daS Bestimmteste versichert, daß diese Zusammenkunft nicht stattfinden werde. Turin, 14 Sept. DaS Taribaldische Corps, wel ches noch am Stilfser Joch und im Veltlin steht, geht sei ner gänzlichen Auflösung entgegen. Alle Diejenigen, welche di« Erlaubniß erhalten können, in die Heimath zurückzu- kehren, machen davon Gebrauch. Die Wenigen, die blei ben müssen, sind gebeugten Muthe«, theilS über daö Schei den »hreS vergötterten Führers, theilS über daS Fallenlas sen ihres geliebten Venedigs, vor Allem aber wegen der Vernachlässigung und Zurücksetzung, die ihnen bei Aus- theilung der Belohnungen zu Lheil wurde, sowie des wirk lichen Mangels halber, dem das Corps die letzte Zeit über auSgesetzt war. Paris, 19. Sept. In dem Garten der Luilerien wurde am l6. d. um dir Mittagszeit ein Kind, ein Knabe von 2 Monaten, geraubt. Der Vater, Hr. Hua, Richter am Tribunale erster Instanz, bietet eine Belohnnng von 10,000 KrS. Dem, der ihm sein Kind zurückbringen würde. Eine elegant gekleidete Frau hat den Raub ver übt. Die Behörden haben die eifrigsten Nachforschungen angeordnet. — Viele Departements des südlichen Frank- reich- sind bei der Regierung darum eingekommen, die Kabrikation und den Verbrauch der Zündstreichhölzchen zu verbieten. Sie stützen die- Gesuch darauf, daß seit Ein führung derselben die Brandunglücksfälle sich fortschreitend bis zu ein» enormen Höhe in Frankreich vermehrt hätten und in den meisten Fällen nachweislich der Brand durch Aündstreichhölzrr entstanden sei. Nordamerika In Cincinnati im Staate Ohio wird auch eine Schillerfeier vorbereitet. Da« Concke« ist nach reiflicher Ueberlegung zu der Unsicht gekommen, daß kein andere« Drama b«s dem Kiste oufgesöhrt «erden könne, als „die Räuber*. Der Turnverein ^vorwärts- wird in den Pausm zwtschen den verschiedenen Aufführun gen der Keststücke — .Pyramiden bauen*. (?) Königlicher Hoftheater. Wenn ein» Direktion in so reichem Maße wir dir hiesig, königlich« Grnrral-Dircctlon brmüht ist, durch neu» Besetzungen, n«urS Einstudiren und Novitäten demRepertoir eine wohlthuend, Abwechselung und somit einem kunstliebenden Publ'cu« einen erhöhten Genuß zu verschaffen, so ist e« Pflicht der Kritik, die» laut und dankbar anzuerkennen. Am 21. September ging „Mazeppa-, geschichtliche» Trauerspiel in 4 Acten, von R. Gottschall zum ersten Male hier über dir Bühne. Die kräftige, hohe Richtung, welcher R. Gott schall in seiner vortrefflichen .deutschen Nationalliteratur'so warm da» Wort redet, hat er als Dichter nun auch durch die That vertreten. »Mazeppa- Ist ein Werk von wahrhaft poe tischer Sprache (im jambischen Ouinariu»), gewaltiger Leiden schaft und einem kühnen männlichen Geist« geschaffen — und da» ist in unserer schlaffen Zeit wahrlich hoch avzuschlagen, da bei dürfen wir jedoch nicht bergen, daß diese Dichtung — wie alle» menschliche Schaffen — nicht frei von Mängeln ist. Mazeppa, Hetman der Kosaken, will mit Schweden ge« mein» Sache machen, um die vom Lzaren selbst in ihren alten Rechten gekränkte Ukraine vom Russischen Reich» loSzurrißen und sich zum Herrscher di»se« neuzuschaffenden Reiche« aufzu- werfen. Hierin wird er nur noch angespornt durch Matrena, dir Tochter des Obristen JSkra, die er dem Vater geraubt. Ma trena, ein harter, unwetblichrr Frauencharaktrr, liebt in Mazeppa nicht den Helden, den Mann schlechthin, sondern den (vermeint lichen) zukünftigen König. J-kra rächt sich am Entführer da durch, daß er ihn beim Lzaren de« Hochvrrrathe« anklagt. Der Lzar aber, im Vertrauen auf Mazeppa'« Treu» noch bestärkt durch die alleökennende Seherin Harphna (deren Erscheinen — nebenbei bemerkt — da« ganze Drama nahe an dir Grenze der SchicksalStragödie rückt), sendet den Anklägrr dem Mazeppa selbst zur Bestrafung zu. Maz-ppa, dessen Plan nicht blo», sondern dessen Kopf sogar nunmehr auf dem Spiel« steht, läßt den Vater seiner Matrena erschießen. Dieser Mord, sowie da» sichtliche Untrrgehen von Mazeppa'« Glücksstern sind «», welch» Matrena'« fragliche Liebe in Haß verwandeln. Sie geht hin zur Harphna, von der sie — unbegreiflicher Weise — da« er betene Gift erhält, reizt noch den in glühender Lieb« ihr nahen den Gordienko, Ataman der Saporogner, zum Abfall von Ma zeppa auf und vergiftet sich sammt Mazeppa. — Mit viel dra matischem Geschick ist dem Drama einverleibt die Liebesgeschichte deS Casimir SoldanSky, auS dem Hause Sapieha stammend, mit Mazeppa'S Tochter Lodoißka. Casimir tritt als Schwedi scher Vermittler in Mazeppa'- Hau«, steht und liebt LodoiSka und wird im Gespräch mit ihr draußen im Walde — (wie kommt übrigens das schüchterne Mädchen in den Wald hinaus, wo — wie sie selbst sagt — ihr Leben durch Wölf» gefährdet ist?) — vom Vater überrascht. Mazeppa, da er im Freier seiner Tochter einen Sapieha erkennt, lodert in wildem Zorne auf; denn Eysimir'S Vater war r», der «inst den Mazeppa als den Entführer seiner Gattin auSpeltschen, auf ein wilde« Roß b!nden und so in die Wildniß jagen ließ. Nur die geheiligt« Person de» Ge sandten schützt Casimir vor einem sofortigen gleichen Schick sal. Später, da Casimir ohne diesen sacrosancten Charakter dem Mazeppa wieder naht, hält Diesen nicht« mehr ab, seiner wilden Rach« die Zügel schießen zu lassen. Cr, der Schuldige, dem der alte Sapieha nicht mehr und nicht minder al« gerecht« Rache angedelhea ließ, will nun den unschuldigen Sohn de« Ge kränkten au« purer teuflischer Lust auch auSpeltschen und auf «in wilde- Roß gebunden den Wölfen de« Walde« zu« Fraßt las sen. Dies» maßlose, sinnlose Grausamkeit »ntstellt die ganz»