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>i» Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. 882. Freitag den 9. September 1859. «rsch. täal. Morg. 7 U - Inserate die Spalt,eile S Pf. werde» bt« Ab. 7 (Sonnt, v. 11—» U > angenommen. — «bonn. vlerteljahr »0 Ngr. bet unentaeldl. Lieferung in'« Hau«. Dur» die Poft. Viertelt »0 Ngr. Ein«. Nummern 1 Rgr. Erveditionr Iobanne« - Allee« u^Waisenhau«str. L Pt. Dr«-d<n, den 9. September. — (Fortsetzung des gestrigen Berichts über die Ehr- lich'sche Hauptverhandlung) Die ganze Art und Weise, wie Ehrlich sich vertheidigte, namentlich in den Momen ten, wo er seiner angeblich erregten Leidenschaftlichkeit eine Erklärung zu geben bestrebt war, zeigte dem aufmerksamen Auge nur zu deutlich, daß die ganze Erzählung, die er bezüglich seines Rencontres mit dem unglücklichen Opfer seines Verbrechens auftischte, nichts weiter als eine schlecht erfundene Geschichte sei. Dennoch mußte eS schwer sein, im Mängel alles positiven Gegenbeweises von juristischem Startkpänkle aus einen begangenen Mord zu constariren. Die Lhränen, die er von Zeit zu Zeit vergoß, die Aus brüche deS anscheinenden Unwillens über die eigene Lhat trugen zu sehr die Farbe des Gemachten und Erkünstel ten, als daß sie bei der Zuhörerschaft den Eindruck her, vorzubrstrgrn geeignet gewesen wären, den in ähnlicher Lage die Betheurrungen und Schmerztsäußerungen eines wahr- Haft Unschuldigen in ihrem Gefolge haben. Das Gewicht aller Zeugenaussagen brach über seinen moralischen Un- werth und die niederträchtige Gleichgiltigkeit, die er in sei« ner Handlungsweise sowohl während der ruchlosen Lhat, wie nach derselben an den Lag gelegt hatte, den Stab, und es war wohl kaum eine Seele in dem weiten Saale, die sich nicht voll Abscheu von einem Verbrecher abge- wendet hätte, der unter der Hülle eines jugrndl chen und blühenden Aeußern und gleißnerischer Reue eine so schwarze Seele barg. Eine treffliche Schilderung der sittlichen Ver» Wahrlosung und Niedertracht deü Ehrllch'schen Charakters legte Herr Staatsanwalt Metzler in seinem nachfol« genden Schlußvortrage dar- Ausgehend von "dem gräßlichen Boifall mit der verehrt. Schuhmacher Zeischb, die unter ganz gleichen Umständen im Jahre 18S7 einen so schrecklichen Lob fand (man hatte Ehrlich«» nach dem jetzigen Vorfall im Verdacht gehabt, auch diesen Mord vollbracht zu haben, da er zu jener Zeit ganz in der Nähe deS Zrische'ichen HauseS gewohnt hatte, aber bei seinem beharrliche» Leugnen keinen Beweis gegen ihn zu führen vermocht), wies der Herr Staatsanwalt auf di« Brfrirdi« gung hin, mit der jeder gute Staatsbürger die Entdeckung eines so abscheulichen Verbrechens begrüße, während bei Nichtentdeckung sich Angst und Furcht aller Herzen zu be- meistern pflege, ob auch sie früher oder später der Ruch losigkeit eine- so entmenschten Wütherich- zum Opfer fal len würden. Er wies sodann aus der ganzm Sachlage nach, daß hier nicht von einem Lodtschlag, sondrm ledig lich von einem rafsinirten Morde die Rede sein könne. Denn Ehrlich sei an jenem Lage auch nicht im Besitze eines PfmnigS gewesen, woher habe er daher bei der verw. Lorenz Sachen kaufen oder sie inS Lheater führen können? Dazu habe sich die schwer« Bedrängniß gesellt, in die er durch den Wechselbetrug gerathen, und eS sti wohl als bestimmt anzunehmen, daß er Geld bei der, wie ihm wohl bekannt sein mochte, nicht ganz vermögenslosen Frau gesucht habe, um vorzugsweise der ihm anardrohten Anzeige zu entgehen. Darauf deuteten mit Bestimmtheit alle die Vertröstungen hin, mit denen er mehrere seiner Gläubiger gerade auf angeblich am 5. Februäp zu erwar tende Gelder gewiesen habe. Die gräßliche Art, wie daS Verbrechen ausgefährt worden sei, habe bei Jedem, wel- chen sein Beruf damals zu dem fürchterlich enistellten Leichnam geführt, die unumstößl che Ueberzeugung her« vorgebracht, daß hier eine Mordthat geschehen sei, wie sie absich:licher und kannibalischer noch nie mals ausg'sührt worden sei, und da» Verhallen Ehr« lichs nach der Lhat, das gewiß bei jedem Anderen, der zu einem so schnckl chen Verbrechen sich in «ruflodernder Hitze habe hinreißen lasten, ein andercs gewesen sein würde, zeige es nur zu deutlich, daß man eS mit einem vollen deten Bösewicht zu thun habe. AuS jedem Munde er töne einstimmig das Lob, daß die unglückliche Lorenz eine ruhige, gesittete und anständige Frau gewesen sei, deren Cvarakter Ausbrüche derartiger Rohheit, wie sie Ehrlich erlitten haben wolle, gänzlich fremd gewesen seien. Eine solche Frau habe eS nimmermehr über sich gewinnen kön nen, gegen einen krastnollen jungen Mann einen so ge meinen Angriff zu unternehmen. Und wie habe er sich hn Laufe d,S späteren Tage- gezeigt? Erst «olle er den Entschluß gefaßt haben, sich das Leben zu nehmen, aber kein Messer dazu haben finden können. In einer solchen Wirthschaft, w«e di« der verw. Lorenz, würde er, wenn dieß hin Ernst gewesen wäre, nicht lange darnach Habens» flrchrn brauchen (Werkzeuge und Gelegenheiten zum Er hänge» hätten sich wohl auch dargeboten). Dann aber habe er die Flucht beschlossen, nachher wieder erst da» ge- ^ raubte Geld vergeuden und dann in die Elbe gehen wol len — aber nichts von alle Dem sei geschehen! Jemand, der fliehen wolle, versplittere das hiereu gewonnen« Geld nicht im Ankauf ganz unnöthiger Dinge, bezahlte nicht eist unnöthiger Weise am Schulden und führe nicht btt . in die sinkende Nacht hi«,in ein flotte-, schwelgerische- Le- den. Roch triefend vom Blute der erbarmungslos Dahingt-