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Tageblatt stK Unterhaltung und Geschäftsverkehr. W3. Dienstag den 23. August 1859. Srjch. täal. Morg. 7 U- — Inserate die Spaltzetle S Pf. werden bi« Ab unentgeldl. Liefemngi^<^u«. ^r Rummem 1 Rar. Expe'dttton: Johanne«.AlleeSu.Watsenhau«str7« 7 (Eonnr. v. t t—r U) angenommen. — Monn. Vierteljahr »0 Ngr. bet Dresden, den 23. August. — Se. Excellenz der Herr Minister deS LultuS und öffentlichen Unterrichts, StaatSminister v. v. Falkenstein hat eine mehrwöchentlichr Urlaubsreife angetreten. — Oeffentliche Gerichtsverhandlungen: Für Diejeuigen, welche gern Gerichtsverhandlungen lesen, beginnt nunmehr nach längerer Pause wieder eine bessere Zeit. Denn eS liegen nicht nur eine ziemliche Anzahl von Sachen zur Erledigung vor, sondern eS werden mehrere derselben dem Bernehmen nach auch von größerem In teresse sein. Der vorige Sonnabend sah einen schon oft (IS Mal) bestraften Spitzbuben auf der Anklagebank, den Lagearbeuer I. C. G. Wiesner aus Schmiedeberg. Er harre am *15. Juli) da er in seinem Wohnorte zu gekannt sein mag, sein Netz einmal in Dippoldiswalde auSzuwer- fen versucht und war in etwas von genossenen Spirituo sen angrreKem Zustande in den Gasthof »zur Stadt Dres den" daselbst gekommen. Dort erholt er sich von einem am Hause stehenden Wagen eine hübsche Peitsche und ist so frech, sofort damit in den Stall zu gehen und sie beim Hausknecht feilzubieten. Dann verfügt er sich in des Letzteren Stube, woselbst ein mit seinem Herrn angekom mener Diener deS Letzteren Reisetasche abgelegt hat, und steckt dieselbe wohlgemuth in «inen, wie es scheint, zu der gleichen Berschwindungsscenen eigens mitgenommenen Sack, über die Rachegöttin ereilt ihn bald. Roch «he er sich mit seinem Raube in Sicherheit bringen kann, kehrt dtr auf kurze Zeit außerhalb gewesene Duner zurück, vermißt sogleich seine Lasche und veranlaßt Nachforschungen, di« sich sehr bald auf WieSnerS verdächtige Person lenken. Die Reisetasche wird aus ihrer bescheidenen Hülle wieder entwickelt, Wiröner aber will «S nicht gewesen sein und erhebt einen Mordspektakel. Dem herbeigerufenen OrtS- polizeidienrr spielt er höchst übel mit und „sackt" ihn unter Anderem so an den Ofen, daß dieser zu wanken beginnt, das Ofenrohr aber aus seiner Höh« zur Erdrntiefe herab, stürzt. Jetzt wird der Gerichtswachtmeister requirirt. Aber auch diesem im Verein mit dem Polizeidiener und einem zufällig anwesenden Feldwebel gelingt eS nur erst nach ei niger Zeit, WieSnern zu bändigen und einstweilen mit Stricken zu knebeln. Nicht nur während dieser Procedur spektakelt, schimpft und schlägt er um sich herum, sondern setzt dies auch auf dem Transporte fort, wo er z. B. mitten auf dem Markte anfängt, auS vollen Kräften .Feuer!" zu schreien und dadurch nicht geringen Schrecken unter der Bewohnerschaft verbreitet. Im Gefängniß tobt er wiederum fürchterlich und muß angeschloffen werden. Aber nicht lange währt eS, so hat er daS Schloß aufge sprengt und desto toller geht'S nun. DaS ganz« Gerichts- Personal, erzählte der Wachtmeister, sei in der Zelle gewe sen. WieSner will nun jetzt von der ganzen Geschichte gar nichts mehr wissen; er habe, so sagt er, sich bei sei nem Erwachen am andern Morgen höchlichst verwundert, sich im Gefängnisse zu sehen und erst sich gar nicht ent- räthseln können, wie er dorthin gekommen sei. WaS er gemacht haben solle, sei ihm dann erst im Verhör kund geworden, weil er so betrunken gewesen, daß er seinen Verstand völlig verloren gehabt. Die Zeugen gaben nun zwar zu, WieSner sei etwas .angeräuchert" gewesen, aber keineswegs in der von ihm behaupteten Weise. So habe er z. B. den Feldwebel, mit dem er noch als Soldat ge dient, recht wohl gekannt und diesem sich als ehemaligen Kameraden documentirt, was ein in Folge von Trunken heit seiner Sinne gänzlich Beraubter unmöglich hätte thun können. Im Uebrigrn hatte er bei der Scene im Gast hofe dir sonderbare Leußerung gethan, er habe sich mit der Wegnahme der Reisetasche bloS .einen Spaß machen wollen". Bekanntlich ist das aber ein sehr häufig vor- kommrnder .Spaß", der, wenn er gelingt, zum bittersten Ernste wird. Da- Gericht glaubte denn auch weher an dir übermäßige Lrunkenheit, noch an den Spaß, und ver« urtheilte WieSnern zu 1 Jahr Arbeitshaus. — Der hiesige Lurnverein hielt vorgestern Nach mittag zwischen 4—6 Uhr ein Prüfungöturnen auf seinem Lurnplatze, dem ein höchst zahlreicher ZuschauerkreiS bei- wohnte, denn eS waren dem Vernehmen nach 2500 Ein trittskarten auSgegtben worden. Unter den besonders ein- geladenen Gästen bemerkten wir auch den Director der König!. Lurnlehrerbildungöanstalt, Hm. 0. M. Kloß. Leider hatte die Festlichkeit etwas von der Ungunst des Wetters zu leiden. Zwar störten die bedrohlichen Wolken die Prüfung selbst nicht, aber durch den vorherigen stun- denlangen Gewitterregen war der Boden so erweicht, daß für manche Hebungen der feste Stand beeinträchtigt wurde. Um vier Uhr fand der Auszug der circa 120Kurner aus der Halle statt, welche mit Fahnen uno Laubgewinden geschmückt war. Hr. Lehrer Held als Vorturner eröff net« die Prüfung durch eine sehr passende Ansprache, welche die Gäste begrüßte und Zweck und Nutzen geordneter Lei besübungen auöeinandersrtzte, sowie zur Lhrilnahme an solchen heilsamen Bestrebungen aufforderte. Hierauf be gannen die OrdnungS-, Frei- und Geräthübungen, wäh« .'I :1 N, 8 i