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rade die gegenwärtige Zeit die wenigst geeignete sein möchte, den am hiesigen Ort fallen gelassenen Faden wie« der aufzunrhmen. Aus der leidigen RccriminatlonSstim- mung könnte kein reiner Accord gezogen werden, und zu den unvermeidlichen Opfern, welche aus einer ernsthaften Lösung der großen nationalen Aufgabe folgen müßten, würde wohl nirgend die freudige Willigkeit zu finden sein. Nur dann wenn die Dissonanzen zwischen den beiden maßgebenden Genossen im Bund aufgelöst sind, kann ein Weiterschreiten nach dem offenen Ziel möglich werden. Wann erleben wir aber dieses Dann? ES zu zeitigen, muß die Bundespolitik der Mittelstaaten bleiben. — Wir vernehmen nachträglich auS sicherer Quelle, daß wir außer den Mitgliedern unsrer geliebten Königs familie auch noch einen andern hohen Gast, jedoch im tiefsten Jncognito hier auf der Vogelwiese gehabt haben. Es war dieß der jüngste Bruder des Kaisers von Oester reich, Erzherzog Ludwig Victor. Derselbe war, eines Abends von Pillnitz kommend, um von hier aus seine Rückreise anzutreten, im Hotel de Sare abgrstiegen, und hatte sich in Begleitung eines Lohndiernrs, der vielleicht heute noch nicht weiß, wen ec geführt, in gewöhnlicher Kleidung nach der Vogelwiese begeben, und an der Volks belustigung Theil genommen. Nicht nur unsere Schau buden, unter denen selbst die der Th-alerkönigin MagnuS genannt wird, sondern auch verschiedene Reftaurationszelte aller Gattungen genossen, ohne irgend eine Ahnung davon zu haben, die Ehre dieses hohen Besuchs. Von der Vo gelwiese aus hatte der Erzherzog in später Abendstunde noch nach Pillnitz telegraphircn lassen, daß er sich eben auf der Vogelwiese befinde und höchst angenehm amüsire, was in dem dortigen hohen Kreise viel Heiterkeit erweckt haben soll. Das ist in der That acht österreichische Ge- müthlichkeit! — Bei der großen Zahl von Durchbrean- ungsfällen, welche auch dießmal zum Nachtbeil manchen Kellners passirt sind, sei eines Vorkommnisses erwähnt, wovon wir selbst Zeuge zu sein Gelegenheit hatten. In dem Waldschlößchenzelle, dessen Wirth, der cvutante Herr Seiner, mit unausgesetzter Thätigkeit wie ein Windspiel hin und her flog und der sein zahlreiches Heer von Kell nern an allen Enden mit Blicken und kurzen Andeutun gen beherrschte, befand sich an einem Tische ein nobel ge kleideter Herr, und speiste gemüthlich zu Abend. Die feine Küche und der exquisite Wein mundete ihm vortrefflich, und er machte daher, um den Kunstausdruck der Restau« ranten zu gebrauchen, »eine gute Zeche". Ein seltenes Exemplar von einem Kellner, der seine Augen überall hatte und sich nicht nur durch große Rührigkeit sondern auch durch eine sehr angenehme Tournüre bemerkbar machte (sein Name ist, wie wir vernehmen, Schlauch), bediente den vortrefflichen Gast. Endlich ging es zum Bezahlen, aber hilf Himmel! — der Herr war erst ge gen Abend hier angekommen und hatte beim Umkleiden sein Portefeuille im Hotel zurückzelaff.n. Niemand aber kannte ihn. Er eröffnet« seine Verlegenheit dem genann ten Kellner und bat diesen, ihn unterdeß entweder einen Begleiter in das Hotel mitzugeben oder einstweilen seine goldene Uhr als Pfand zu behalten. Aber d.'r Kellner schien ein scharfes Auge zu haben und den Durchbrenner von dem ehrlichen Manne wohl unterscheiden zu können. Mit der größten Zuvorkommenheit bat er ihn nicht nur, sich durchaus in Nichts zu geniren, sondern erbot sich auch, damit der Herr in seinem Vergnügen nicht gestört werde, ihm für weiteren Bedarf auf der Vogelwiese eine namhaft zu machend« Summe vorstrccken zu wollen, waS dieser auch unter der Bedingung annahm, daß der Kellner sich am andern Morgen, ehe er sich wieder in sein Zelt ver- füge, den ganzen Betrag bei ihm im Hotel erhole. Wie wir hinterher erfuhren, ist dieß auch geschehen unter dank barster Zufügung eines erfreulichen Belrags als wohlver diente Erkenntlichkeit, — Gott sei Dank, die Vogelwiese ist vorbei? Gott sei Dank I sagt derjenige, der von der Familie geplagt fast täglich dieselbe besuchen mußte und so eine Leere des Beu tels verspürt; — Gott sei Dank! sagt derjenige, der vor dem immerwährenden Fahren auf den dahin führenden Straßen kaum sein eigenes Wort verstand und kein Auge in der Nacht schließen konnte; — Gott sei Dank! derje nige, der, wenn er das Glas an den Mund setzte, schon die Hand in der Tasche haben mußte, um den unzähligen Bettlern Almosen zu reichen. Ein Volksfest nennt man dieses Treiben auf der staubspendenden Wiese? Man möchte fragen, wie desiairt man das Wort Volksfest? Besteht ein solches Fest im Essen und Trinken, im nächt lichen Herumtreiben, in nichtssagenden Scherzen, im Ja gen nach eitler (viehischer) Lust?! Oder macht eS das freie Concert, von dem nur die Umstehenden etmas hören? Oder vielleicht die Kletterstange, die einmal behängen wird? Oder machen es die ohrenzerreißenden Drehorgel- mclodien? Das Einzige könnte es siin, daß unsere hohe königliche Familie sich den Blicken des Volkes zeigt und unter demselben einige Stunden wandelt und weilt. Das ist der Hauptglanzpunkt. Das Volk soll sich des Daseins freuen. Gut, man eröffnet ihm Tanzsäle, — man giebt ihm Gelegenheit, sein Geld in allerlei Glück zu versuchen, — aber m den Zelten herrscht der steife Ton und eine Stille — oder ein Gemurmel, — oder ein unsinniges Gedränge, alö wenn nur Dieser oder Jener das b ste Bier und die Speisen geschmackhaft hätte. Solche vollgefüllte Zelte sind wohl dem Inhaber erfreulich, — aber eine Er- götzlichkeit kann der Vernünftige nie darin finden, noch suchen Warum halten sich ein bis zwei Zelte nicht rin Musikchor von 6—10 Mann, das Volksmclodien, Tänze spielt, — damit man die Fiedelei und Leicrei nicht so hört. Warum sorgt man nicht für Tausende von Exemplaren, » 1 bis 2 Pf., von Volksliedern, die man in den ver schiedenen Zeltern mit Musikbegleitung singen kann, als z. B. Freut Euch des Lebens rc., Es kann ja nicht im mer rc. Den König segne Gott rc. Mit 2 Pf. ist bei dem immerwährenden Wechsel das Concert und der Text be zahlt, jeder Eintretende erhält einen Text gegen diese kleine Vergütung. Ja, dann dürfte auch 3 bis 5 Pf. Jeder gern geben. Nur durch allgemeine Betheiligung kann bas Fest zu einem wahren Volksfeste werden, und diese Art Betheiligung wird andern lärmenden, pfeifenden und zischenden Unsinn von selbst verdrängen. Es ließe sich noch Manches sagen, allein es sollte nur eine Anregung für denkende Köpfe sein. — — Am Montag und Dienstag (15. und 16. d.) fin det auf dem .Bergkeller" daS alljährlich von dem Pachter desselben, Herrn Volland, veranstaltete Vogelschießen statt. Ladet schon das freundlich gelegene Etablissement mit sei ner reizenden Aussicht zu recht zahlreichem Besuche ein, so fordern hierzu in gleichem Maaße die Veranstaltungen auf, mit denen Herr Volland, wie immer bei solchen Ge legenheiten, auch dieses Mal den Aufenthalt in seinem Etablissement während des Festes und die Unterhaltung an demselben möglichst angenehm zu machen bestrebt ist. Nächst schmackhaften Speisen und Getränken, wird den Besuchern an beiden Lagen gutes Concert, bei einbrechen dem Abende große Illumination und später, von 10 Uhr Abends an, treffliches Feuerwerk geboten. Die am ersten Abende in Brillantfeuer zur Ausführung gelangenden Tableaux: .Die zwei Riesenfontainen vor dem Vatikan zu Rom" und „Der Rheinfall bei Schaffhausen, nach der Natur" sind gewiß vielversprechend. Das großartigste Feuerwerk wird natürlich den Schluß deS Festes am zwei ten Abende bilden. — Gestern Abend gegen 6 Uhr war auf der Bader gaffe ein großer Menschenauflauf. Ein Art brutalster Roh- ! heit war gegen eine arme alte Frau verübt worden. Me-