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Wunsch eine- theueren Heimgegangenen in Erfüllung gebe: kein Oesterreich, kein Preußen — ein einiges Deutschland. Jungnickel warnt vor einem einseitigen Vorgehen, es könnte wieder die Zeit der tiefsten Erniedrigung eintreten. 0. Herrmann spricht sich für ein rasches Vorgehen aus und ist dtm KriegSmünsierium für dessen energische Rü stungen dankbar. Pfretzschner lenkt zunächst die Blicke zurück auf die Entwickelung der von den verbün deten Mächten perfid herariftreschworcnen drohenden Ereignisse, hält Oesterreich für Ergreifung der Offensive gerechtfertigt und ist ebenfalls auch der Meinung, daß Deutschland nicht Gewehr im Arm den kommenden Ereignss sen ruhig zusehen könne, — es möchte sonst zu spät wer, den. Krause glaubt nunmehr, daß, wo der Feind, »ach den neuesten Nachrichten, die Fackel des Krieges über den Ticino getragen, für den deutschen Bund die Zeit zu ener gischem Eingreifen gekommen sei. Staatsm. v. Bcust: In dem Berichte der Deputation sei jedes Wort so, daß es die Regierung zu dem ihrigen machen könne. Die Re gierung ihrerseits habe nichts versäumt, um zu dem von der Kammer angestrebten thatkraftigen Handeln zu gelan gen. Der Abg. Riedel scheine über die Politik der sächs. Regierung in Zweifel zu sein. Diese sei weder eine öster reichische, noch eine preußische, noch eine französische, son dern eine rein deutsche. Bei seinem jüngsten Aufenthalte im Auslande habe man ihm gesagt: „man möge sich in Acht nehmen, daß die allgemeine nach außen gerichtete und von den Regierungen gepflegte Aufregung in Deutsch land nicht in eine innere Umschläge", darauf habe er ge antwortet: „nein, diese sei nur nach außen hin gerichtet und werde in dieser Richtung bleiben!" Möge man da für sorgen, schloß er, daß seine Antwort zur Wahrheit werde. (Bravo in der Kammer und apf den Tribünen.) Rittner: Alle, glaube er, seien einig in dem Gefühle dcut- scher Ehre; für dieses Gefühl sei auch er bereit, alle irdi schen Güter zu opfern. Aber unverträglich mit dem Ge fühle für Deutschlands Ehre halte er die österreichische Pfaffenwirthschaft, unverträglich mit dem Gefühle deut scher Ehre halte er es, wenn deutsche Fürsten den Völkern nach dem Friedensschlüsse nicht hielten, was sie ihnen vor her versprochen. Schließlich wünschte er, wenn wir recht verstanden, daß diese Unverträglichkeit mit dem Gefühle der deutschen Ehre in Einklang gebracht werde. Referent Georgi (zum Schluffe): Er glaube, daß, so nahe der Wunsch einer Bundcsreform auch liege, doch jetzt die Zeit nicht sei, darüber zu rechten Aber er hoffe, daß die Zeit, da dieser Wunsch in Erfüllung gehe, noch kommen werde, denn er liege in dem Bedürfnisse der deutschen Völ ker. Von Preußen hofft er, daß cs die deutsche Sache nicht verlassen werde — sein Interesse sei ja zu innig mit derselben verwachsen. Schließlich forderte er die Kammer auf, dem Deputationsgutachten beizutreten. (C. Z ) — Oeffentliche Gerichtsverhandlungen: Die am vorigen Sonnabend hier abgehaltcne Hauptvcr- handlung bor ein ziemliches Interesse. Des begangenen Meineids waren angeklagt der Schuhmachcrgeselle Carl August Ulbricht aus Radeberg und dessen Mutter, die jetzt verehelichte Fahr ebendaher. Ulbricht hatte un Jahre 1856 ein Liebesverhältniß mit der Dienstmagd Kühne aus Nie- dergersdorf unter halten. Als sie infolge dessen guter Hoff nung geworden, hatte sich ihre Verheirathung nur durch Umstände verzögert, wie sie bei Handwerkern, die eine selbstständige Niederlassung beabsichtigen, oft vorzukommen pflegen. Die Kühne verließ jedoch ihren Dienst an Neu jahr 1857 und bezog bald darauf ein eigenes Logis in Radeberg; Ulbricht bezahlte nicht nur die Miethc, sondern sorgte auch für ihren Lebensunterhalt. Im März 1857 genas sie eines Knäbleins, starb aber wenige Wochen da rauf, und Ulbrichts Mutter nahm sofort bereitwilligst das Kind in ihre Behausung und Erziehung, während auch die von der Kühne hinterlaffenen Effecten von ihr und dem Sohne einstweilen in Verwahrung genommen wur den. Das Radeberger Amt hatte bald darauf den Schwa ger der Verstoßenen, den Gemeindeältesten Zachmann in Niedergersdorf, dem Kinde als Vormund bestätigt. Man erfuhr nun nicht, ob er bei den Genannten Privatanträge wegen Verabfolgung der dem Kinde gehörigen Nachlaß sachen gethan, oder ob er ohne Weiteres unter Einreichung einer Specisication auf Herausgabe derselben geklagt; kurz, das Letztere geschah. Die Effecten wurden abgelieserk, und Ulbricht sowohl als dessen Mutter mußten beschwö ren, daß sie davon nichts weiter besäßen. Man hätte nun glauben sollen, de. Vormund würde bei der Uneigennützig« ^eit, mit welcher sich die beiden Leute des hilflosen Kindes angenommen, für dessen Unterhalt er bis dato weder eiwas selbst beigeslcucrt, noch eine Verwendung bei der Heimath- b.hörde hatte eintreten lassen, selbst bei etwaigem Zweifel Fünft gerade sein lassen sollen, weil, wenn er die Leute unwirsch machte, oder gar außer Stand setzte, die über nommene moralische Pflicht ferner auszuübcn, die ganze Last der Versorgung des Kindes auf ihn als Vormund fallen mußte. Allein er that dies nicht, sondern trat ge gen Ulbricht und die Fahr mit der Anzeige wegen began genen Meineids auf, indem er behauptete, sie hätten ein seiner Schwägerin aus dem väterlichen Erbtheil zugefalle nes Belt, das sich unter jenen Cffecten mit befunden, wi derrechtlich an sich behalten, mithin einen falschen Eid ge leistet. Dessen Beweisführung war nun Gegenstand der vorliegenden Haupiverhandlung. Es siel jedoch die An klage in nichts zusammen. Ulbricht und dessen Muitcr, deren Auslassungen einen sehr guten Eindruck machten und das G> präge her Wahrheit an sich trugen, gaben an, daß ersterer das fragliche Bett von der Kühne noch wäh rend ihrer Dienstzeit käuflich an sich gebracht, da sie Geld zur Beschaffung mehrerer Bedürfnisse gebraucht habe; auch sei das zum Ankauf eines neuen Jndclts und Ucbcrzugs nölhige Geld von ihm hcrgegcbcn worden, was von meh reren Zeugen — es waren 6 Frauenzimmer zugegen — hinreichend bestätigt wurde. Zachmann mußte bei solchw Gelegenheit sich wiederholt von dem gewaltigen Redeflüsse einiger Fraum tüchiig den Pelz waschen lassen, denn sie schienen —wozu allerdings einige Berechtigung vorlag — für den Mann ob seines Gcbahrenö gegen den pflichttreuen Vater seines Mündlings nicht eben rosig gestimmt zu sein. Auch der Verthndigcr, Hr. Adv. Gcilach, hielt Zachman nen vor, daß er ja selbst wegen widerrechtlicher Ansichbe- haltung von Effecten, die dem Kinde gehörten, in Anklage versetzt worden sei, obschon der Beweis dafür nicht habe genügend geführt werden können, ebenso wie Hr Staats anwalt Metzler es scharf hervorhob, daß man zuweilen das Recht zwar in Händen haben könne, aber doch eine höhere sittliche Pflicht! obwalten lassen solle, um von stren ger Verfolgung drfftlben abzusehen. Denn während Zach mann selbst als nächster Verwandter und Vormund deS Kindes nichts und auch gar nichts für dasselbe gethan, hätten dessen Vater und Großmutter sich mit Liebe, und Aufopferung des Hilflosen angenommen, obschon die Leute sich nur kümmerlich von ihrer Hände Arbeit nährten. Der Ankläger selbst habe blos das Verdienst sich erworben, daß er die geringe Habe des Kindes eingeklagt und die Bcdauttnswcrlhen dann eines criminellen Vergehens be- züchtigt habe, in dessen Folge möglicher Weise sein Mün del auch der letzten Stütze beraubt worden sein würde. Besser würde er gehandelt haben, wenn er das Geld, was jetzt für den Prozeß nutzlos geopfert worden, für die christ« ! liche Erziehung des Kindes hätte verwenden lassen. Denn j die Anklage sei nach den staltgefundenen Erörterungen j durchaus unenviesen geblieben, und er seinerseits habe ' nichts weiter zu thnn, als auf dem gestellten Slrasanirage i ferner nicht zu beharren. Der Gerichtshof sprach dein > entsprechend auch dir Angeklagten frei.