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Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. 140. Freitag den 20. Mat 1859. Ersch. tägl. Morg. 7 U. — Inserate die Spaltzeile 5 Pf werden bis Ab. 7 (Sonnt, v. 11—2 U ) angenommen. — Abonn. Vierteljahr 20 Ngr. bei unentgeldl. Lieferung in's Haus. Durch die Post. Viertelj.20 Ngr. Einz. Nummern 1 Ngr. Expedition: Johannes - Allee 8 u. Warsenhausstr. 6 pt. Dresden, den 20. Mai. — Wegen erfolgten Ablebens Sr. K. K. H. des Erzherzogs Johann von Oesterreich ist am K Hol eine Trauer auf eine Woche, von gestern bis mit Mittwoch, den 25. Mai, angelegt worden. — I. K H. die Kronprinzessin beehrte vorgestern Bormittag den Thiergarten in der Ostra-Allee mit einem abermaligen Besuche. Ueberhaupt war die Frequenz der interessanten Schaustellung, welche das Directorium durch neuen Zuwachs fort und fort zu vervollkommnen strebt, bei dem günstigen Wetter der letzten Tage ein höchst leb hafter. — Der österreichische Gesandte am hiesigen Hofe, Fürst Richard Metternich, ist vorgestern nach Wien gereist. — Der K. S. Landcö-Lotterie ist für das Herzog thum Koburg die ausschließliche Concession zum Vertriebe ihrer Loose ertheilt worden. — Der Aufsatz im Dresdner Anzeiger vom 13. Mai, das Johanniskirchhofterrain betr., „Fr. Eduard Brauer" unterzeichnet, ist höchst beherzigungswerth und wohl kaum ist daran zu zweifeln, daß die hohe Behörde der neuen Straße auf dem früheren Johanniskirchhofe, wenn derselbe nicht als großer Platz benutzt werden soll, was jedenfalls das Zweckmäßigste wäre, um z. B. einen Lheil des Jahr marktes und den Getreidemarkt dahin verlegen zu können, eine andere Richtung anzunehmen gestatten werde, als nur die geradlinige mit der Moritzstraße, da sich deren Ver längerung über kurz oder lang, als unabweisbar Heraus stellen wird. Dresden-Altstadt, ohnehin so arm an regel rechten Straßen, würde hierdurch eine wahrhaft schöne er- halten und man endlich einmal dem Fremden, der köpf- schüttelnd unsere Gassen betrachtet, eine solche zeigen kön nen, die denen anderer Hauptstädte würdig zur Seite zu setzen sein würde. Man spreche diesem gegenüber nicht von unübersteiglichen Hindernissen, diese sind in der That nicht vorhanden, sondern man bestrebe sich wenigstens jetzt, die Straße planmäßig anzulegen, um sie im günstigen Augenblicke auch würdig und einem allgemeinen Zweck entsprechend vollführen zu können. — Der Vorstand des sächsischen Pestalozzivereins hat an die Lehrer des Vaterlandes eine Bekanntmachung er lassen, deren Hauptinhalt darin besteht, daß der Verein zur inneren Hebung der „Sächsischen Schulzeitung' von Zeit zu Zeit pädagogische Preisaufgaben ausschreiben wird. Als erste Preisaufgabe gilt die Beantwortung der gewiß sehr zeitgemäßen Frage: Auf welche Weise kann die Volks schule ihrer Wirksamkeit einen nachhaltigeren Einfluß sichern? — Oeffentliche Gerichtsverhandlungen: Von dem K. Oberappellationsgerichte allhier wurde an voriger Mittwoch eine Entscheidung über rin von der er sten Instanz abgefaßtcs LodeSurtheil gegeben, wie sie in gleichen Fällen seit Einführung der neuen Strafprozeßord nung noch nicht vorgekommen ist. Die Angelegenheit be traf die unverehelichte Johanne Friederike Schlüßler zu Muckern bei Rötha und deren Mutter, die 66,ährige Lei- chrnwäscherin Johanne Regine Schlüßler. Wie schon frü her mitgetheilt wurde, so hatte die jüngere Schlüßler, der zeit 33 Jahre alt, am 15. Juni v. I. außer der Ehe ein Kind männlichen Geschlechts geboren und dasselbe in der Nacht vom 28. zum 29 desselben Monats im Mühl teiche zu Röthchen, einem von ihrem Wohnorte ungefähr drei Viertelstunden entfernt liegenden Dorfe, nachdem sie es in einem Korbe hingetragen und dort völlig nackt aus- gezogen, ertränkt. Noch unterwegs hatte ihren Angaben zufolge das Kind gelebt, indem es einmal angefangen zu schreien, und sie ihm als Beruhigungsmittel einen Zulp in den Mund gesteckt; auch war es bei der Prozedur des Auskleidens aus dem Schlafe erwacht und hatte die Au gen geöffnet. Zu der That wollte sie theils durch die Hartherzigkeit ihres ganz vermögenslosen Schwängcrers, des Dienstknechts Lange, theils und vornehmlich du.ch Anstiftung ihrer Mutter veranlaßt worden sein, welche ihr den später wirklich ausgesührten Rath zuerst gegeben und ihr noch beim Fortgehen in früher Morgenstunde die Worte nachgerufen habe: „Bringe mir aber das Kind nicht wieder I' In der dortigen Gemeinde gingen schon längst vorher üble Gerüchte über die beiden Leute um; denn die jüngere Schlüßler war schon im Jahre 1854 einmal schwanger gewesen, man hatte aber damals nickus von einer staitgehabten Entbindung erfahren, und als bei Einleitung der Untersuchung die Jnculpaten nach den da maligen Umständen befragt wurden, so legten sie zwar das Geständniß ob, daß die Tochter damals heimlich ein Kind geboren, dasselbe aber nur zwei Tage gelebt habe, eines natürlichen Todes gestorben und von ihnen im Haus gärtchen unter einem Baume begraben worden sei. Bei erfolgter Nachgrabung fand man auch wirklich dort die Ueberreste einer Kindcöleiche, aber in einem so berciis ver westen Zustande, daß eine Erörterung darüber, ob die An gabe eines auf gewöhnliche Weise erfolgten Todes richtig sei, sich durchaus nicht anstellen ließ. Da sonach mögli-