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Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. 96. Mittwoch den 6 April 1859. Ersch. tägl. Morg- 7 U. — Inserate die Spaltzeile 5 Pf, werden bis Ab. 7 (Sonnt, v. 11—2 U ) angenommen. — Abonn. Vierteljahr 20 Ngr. bet unentgeldl. Lieferung in's Haus. Durch die Post. Viertelj. 20 Ngr. Einz. Nummern 1 Ngr. Expedition: Johannes-Allee 6 u. Waisenhausstr. 6 pt. — Oeffentliche Gerichtsverhandlungen: Aus voriger Woche berichten wir noch über eine kurze in den Abendstunden stattgeftmdene Hauptverhandlung, betr. die zeither unbescholtene Sophie Trunk, Stubenmädchen im Hotel zur Stadt Leipzig allhier. Wie sie im Gesicht aussieht, konnte Niemand ergründen, denn sie hielt sowohl beim Hinein- und Herausgehen, als auch während der Berhandlung gegen die Zuhörer hin mit auffallender Ge schicklichkeit ihr Schnupftuch stets so vor'S Gesicht, daß kein Mensch im Stande war, etwas von ihren Zügen zu erkennen. Wenn das ein Zeichen von Scham sein sollte, - so bedauern wir, daß diese freilich jktzt' zn spät kam. Sie war eines an ihrer zeitherigen Herrschaft verübten Dieb stahls vön Wäsche bezüchtigt. Bei ihrem im November v. I. erfolgten Dienstantritte hatte sie nämlich zur Ver sorgung der ersten und zweiten Etage von ihrer Herrin 30 Mal überzuzietzen nebst 50 Handtüchern überkommen, die sie in gleicher Quantität beim künftig erfolgenden Ab züge wiedrr zurückzuliefern hatte? Nun aber waren an je nem Antrittstage eine ziemliche Anzahl von Betten bereits weiß überzogen und die betr. Zimmer auch mit Handtü chern versehen gewesen, und Sophie mochte im Laufe der Zeit die Bemerkung gemacht haben, daß ihre Herrin dies«' natürlich jetzt auch mit in ihre Jnhabung übrrgegangene Wäsche gänzlich außer Acht gelassen habe. Als sie daher aus unbekannt gebliebenen Ursachen schon am 1. März d. I. den Dienst wieder verließ, glaubte sie sich diese Ver- nachlässigung auf ihre Weise zu Nutze machen zu können. Sie übergab nämlich zwar richtig wieder die zur Verwen dung empfangene Wäsche, erklärte aber jene zum Ueber- fluß vorhanden gewesene Quantität für gute Prise und ließ sie beim Abzug« nebst ihren eigenen Habselig keiten in einem besonderen Korbe fortschaffen. Man kann sich denken, baß dieselbe einen nicht unbedeutenden Werth gegenstand bildete, wenn man erfährt, daß die in der Re gel sehr vorsichtig verfahrende gerichtliche Taxation sie auf beinahe 30 Lhlr. veranschlagt hatte, und die Qualität sol cher Wäsche in einem Hotel gewöhnlich auch nicht Ohne zu sein pflegt. Sie mochte denn auch manchem der auf der Tribüne anwesenden sachkundigen Frauenzimmer recht freundlich vom Gerichtstische aus, wo sie «inen ziemlich compacten Haufen bildete, in die Augen stechen, nur der Jnculpatin nicht mehr, für die sie eine Quelle des Un glücks geworden war. Bel dieser Gelegenheit erkannte man wieder einmal recht deutlich, welch' eine Wohlthat in einer Stadt wie Dresden eine gut organistrte Polizei ist. Penn Local- und Provinzial-Nachrichten. Dresden, den 6. April. — Der Privatdocent 0. Theodor Möbius ist zum außerordentlichen Professor in der philosophischen Facultät der Universität Leipzig ernannt worden. — Der »A. A. Z." schreibt man aus dem Königreich Sachsen, 31. März: „Das neunte BundcsarmeecorpS (Königreich Sachsen, Kurhessen, Nassau und Luxemburg) umfaßt so verschiedenartige und durch weite örtliche Ent fernungen von einander getrennte Contingente, daß diese im Frieden noch niemals miteinander manövrirt haben, und auch im Krieg schwerlich in einem Corps zusammen- kämpfen werden. Man hofft daher hier jetzt allgemein, daß hierin eine Abänderung geschehen, und für den et waigen Ausbruch des Kriegs eine Vereinigung der wei- marschen, alten burgischen, meiningschen, sachsen-coburg-go- thaischen und reußtschen Contingente mit den Truppen des Königreichs Sachsen stattsinden wird. Die Contingente aller dieser sächsischen Herzogthümer, welche jetzt die söge- nannte Reservedivision bilden, werden mit ungefähr 10,000 gut ausgerüsteten Infanteristen, utiter denen sich besonders sehr viele treffliche Scharfschützen auS dem Thüringer Wald befinden, in das Feld rücken, und da das Königreich Sachsen augenblicklich 25,000 Mann in den Krieg senden kann, darunter eine gute Division von vier leichten Rei terregimentern und eine zahlreiche und gutgeübte Artillerie, so giebt dies ein eigenes sächsisches CorpS von etwa 35,000 Mann, das alle verschiedenen Waffengattungen in geeig neter Weise besitzt. Der Kronprinz von Sachsen, der sich schon vor zehn Jahren in Schleswig-Holstein die Feuer taufe holte, würde den Oberbefehl über dieses sächsische CorpS führen, der Erbprinz von Sachsen-Meiningen aber eine Division befehligen, da der regierende Herzog von Coburg-Gotha als preußischer General der Cavallerie ein sehr bedeutendes Commando im preußischen Heere einneh men soll. Nach andern ist er designirter Bundesfeldherr, eine Stellung, zu welcher er ganz besonders berufen sein dürfte. Er ist regierender Fürst, was wegen der übrigen Kriegsherren von hohem Werth, allgemein gekannt und geliebt durch sein ritterliches Benehmen in Schleswig-Hol stein, von wahrhaft patriotischem Sinn, und ein Mann von großer Entschlossenheit, dazu der Schwager der Kö nigin von England, sehr reich und eine glänzende Persön lichkeit. Wir wüßten kaum Jemand, in dem sich so viele glückliche Eigenschaften in ähnlicher Weise vereinigten,"