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um so abenteuerlicher, als er di« sonderbare Erklärung von sich gab, er habe bei jenen Uebungen nur sehen wollen, „wie hoch die Kugeln gingen." Herr ApprllationSrath v. Criegern, alS Vorsitzender, hielt ihm nun freilich daS Unglaubhafte dieser Armaden vor, und erkannte einen um so höhrrn Grad von Bösartigkeit in dem Umstande, daß er eine derartige Drohung in den Kreis einer ruhigen Fa» milie schleudere, und Rache an ganz unschuldigen Perso nen nehmen zu wollen erklärt habe. Bon einer geringe ren geistigen Zurechnungsfähigkeit könne aber bei ihm auch nicht die Rede sein, da die von dem Herrn Bezirksarzt 0. Giebenhaar vorgenommene Untersuchung seines körperlichen und geistigen Zustandes auch das geringste Körper- oder Seelenleiden oder irgend eine Störung des Selbstbejtim- mungSvermögenS erwiesen habe. Nachdem Herr Staats anwalt Metzler hierauf in eben so fulminanten alS ergrei fenden Worten dargelegt, daß die Staatsanwaltschaft aller dings zu dem traurigen Geschick berufen scheine, den gan zen Haß, den einzelne Individuen, möchten sie nun Gla« csehandschuhe tragen oder in Holzpantoffeln einhergehen, auf die neue Strafrechtspflege zu werfen sich berechtigt glaubten, auf ihre Schultern zu nehmen, bedauerte er es tief, daß unsre Zeit noch nicht reif für die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit zu sein scheine. Denn während man zu einer gewissen Periode für sie geschwärmt, europäische Reden gehalten und ganze RieS Papier in ihrem Interesse verschrieben habe, fange man jetzt schon allenthalben an, sie zu verketzern, ja es gäbe eine Unzahl, denen selbst die Ablegung eines Zeugnisses vor öf fentlichem Gericht ein Greuel sei, und die erklärt hätten, lieber auswandern zu wollen, als sich hierher in solcher Angelegenheit bringen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft aber werde sich durch solche Vorkommnisse, wie jetzt, durch aus nicht abhaltrn lassen, ihre Pflicht zu ihun, und wenn sie noch so viel Pasquille und banditenmäßige Angriffe auf ihr Leben zu befürchten haben sollte. Der Gerichts hof verurtheilte den Angeklagten mit Rücksicht auf sein ju gendliches Alter zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängniß. — Zum Vermögen des hiesigen Kaufmanns Herrn Albert Woldemar v. Milckau ist Seiten des Gerichts der Coneursprozeß eröffnet worden. — Hr. Lichatscheck ist in Rostock bereits als Cortez, Masaniello und Robert aufgetreten und ward jedesmal von dem gedrängt vollen Hause mit Jubel empfangen und mit endlosem Beifall überschüttet. Nächste Partieen sind Lannhäuser und Eleazar. — Hr. Emil Devrient setzt sein Gastspiel unter ge wohnten Beifallsspenden und Ehrenbezeugungen, so wie pecuniären sehr bedeutenden Erfolgen in Pcsth fort. — Det Tenorist Wrixlstorfer ist in Meiningen zum Kammersänger ernannt. — Der Calligraph Bunzel, der berühmte Professor der Kalligraphie zu Prag, ist hier angekommen, um seine, überall als die beste und von dem überraschendsten Erfolge begleitete Methode zur Erlernung des Schönschreibens in nerhalb 15 Stunden auch hier in Anwendung zu bringen. Der gute Ruf, welcher diesem Künstler vorausgeht, ver anlaßt uns, die Aufmerksamkeit des hiesigen Publikums, besonders derer, die den Wunsch hegen, sich eine schöne Handschrift anzueignen, auf Hrn. Prof. Bunzel birzulm- 1»n, der in mehreren Hauptstädten Deutschlands die merk würdigsten Erfolge erzielt und deshalb sich den Dank und die Anerkennung nicht dloS seiner Schüler, sondern auch vieler Behörden und gekrönter Häupter erworben hat. ES ist hier der Ort nicht, auf die Details seiner neuen Me thode zur Erlernung des Schönschreibens einzugehen. Nur so viel bemerken wir, daß dieselbe nicht basirt ist aus das Nachmalen »orgelegtrr Probeschriften, sondern auf einem Eomplex von Grundsätzen beruht, die sich alS untrüglich perversen, und die dee Schüler beim Schreiben, währenh der Lehrer dictirt, mit Leichtigkeit ln Anwendung setzt'und so, ehe rr'S ahnt, sich im Besitze einer ganz neuen, schönen Handschrift sieht. Auch in der höheren Tchreibkunst, man möchte sagen »Federmalkunst", hat derselbe es zu einer bewunderungSwüidigen Meisterschaft gebracht, wie die aus« gehängten prächtigen Arbeiten des genialen Künstlers zur Genüge nachweisin. — Am letztverflossenen Freitag trat in das 6»lv äv I'kuropo «in in den besten Jahren stehender Weinreisen- der und verlangte rin GlaS Wasser. Nachdem er dasselbe getrunken, sank er Plötzlich im Stuhle zurück, röchelte und war in wenigen Augenblicken todt. Es laßt sich anneh men, daß sofort die möglichsten Wiederbelebungsversuche vorgenommen wurden, wie wir hören, aber ohne Erfolg. — Angenehm „säuselnde'Weste" mit dem unver meidlichen Reim „im Neste" sind in fast jedem Früh- lingsliede angebracht. Wenn aber besagter West sich so unmanierlich wie am gestrigen Lage aufführt, macht er sich doch höchlichst unangenehm und statt des gefälligen Reimes paart er sich mit Dissonanzen, als da sind zer brochene Fensterscheiben, herabgestürzte Ziegel, Staubwol ken und andere Delikatessen. Sein vorjähriges Kunststück lein, die Zerschmetterung deS großen Eandelabers auf dem Theatrrplatze, hat Epoche gemacht, denn wie seit Kurzem hier die Sage geht, ist ein barocker Sohn AlbionS dieses Frühiahr eigens nach Dresden gekommen, um sich bei ein- trrtendem Sturme am Lheaterplatze aufzustellen und den Einsturz der beiden anderen Laternen-Pyramiden abzuwar ten. Ebenso soll dieser sonderbare Kauz einen Plan aüs- arbeiten, die „Maremnen von Elbflorenz", so nennt er die fürchterlich kothige Gegend zwischen Oberseergasse,. Räcknitz« und Struvesche Straße, trocken zu legen und bei Regenwetter passirbar zu machen Bei seiner Liebhaberei an Sonderbarkeiten können wir ihm empfehlen, auch das „Schindeldach" auf der großen Oberseergasse in nähe ren Betracht zu ziehen. — Gestern Nachmittag stürzte der Wind eineü Ziegel von einem Hause der Webergaffe auf einen leerstehenden Schiebebock und ein großes Stück der einen Handhabe wurde abgeschlagen. W>r geben geflissent lich davon Novitäten sammelnden Engländern Notiz; viel leicht gelingt ihnen die Acquisition dieses wunderbaren Schirbebockes. Auch stürzte im Laufe des gestrigen Nach mittags vom Hause des Hotel de Taxe die Hälfte eines Dachfensters, glücklicher Weife ohne Schaden, auf die Straße. — Ein reicher Engländer, welcher kürzlich hier durch- passirte und in einem Gasthofe einige Lage sich aufhielt, hatte, um gegen Diebstahl sicher zu sein, seine Werthpa- pirre, als: Wechsel, englische Noten, auch Goldstücke, in den Knöpfen des Rocke«, den er am Leibe trug, «inge näht. Der Lohndiener staunte nicht wenig, als der Eng länder eines Morgens «inen Knopf von dem Rocke ab löste und ihm mit der Weisung übergab, die Hundrrt- pfundnche einzuwechseln. Erst als der Knopf von der Hülle befreit war, löste sich auch der räthselhafte Auftrag. — In den ersten Wochen deS Monats Februar ist die Familiengruft des Herrn Kammerherrn Grafen von Hohenthal zu Püchau und in derselben zwei Särge ge waltsam erbrochen und an einem dieser Särge eine 1H Zoll breite zinnerne Kantenverzierung entwendet worden. 100 Thlr. sind von dem Herrn Grafen als Belohnung für Ermittelung der Verbrecher ausgesetzt worden. — Am 9. d. fand in Rochlitz gegen Joh. Caroline Naumann gen. Stephan aus Nicollschwitz in öffentlicher Sitzung Havptverhandlung statt, welche »ahlreich besucht war. Den Gegenstand derselben bildete die von der An geklagten zugestandene Lödtung ihres am 25. Juni 1858 in Nicollschwitz geborenen Kindes, welches sie etwa zehn Minuten nach der Geburt, in ein Hemd eingewickelt, auf rin auf ihrer Bettstelle liegendes Bret gelegt und nachdem