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Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. M24S. Montag «en 6 September 18S8. Erich. tägl.Morg. 7.— Inserate die Spaltzeile »Pf. werden bl« Ad. 7 (Eonnt.v.11—2) angenommen. — »bonn. Vierteljahr 15 Rgr.jbet «n« entgeldl. Liefemng in'« Hau«. Durch die Post Viertels. 18 Ngr. Linz. Nummern 1 Agr. Expedition: Johannes-Aller k «. Walsenhau«ftr.« pt. Local- «ud Proviarial-Aachrichten. Dretdeu, den 6 September. — Dem für die Feierlichkeiten bei Einholung und Einweihung der Neustädter Kirchenglocken wesentlich thätig gewesenen Hrn. Seifensiedermstr. Gcbler ward am Sonn abend eine nachträgliche wohlverdiente Anerkennung zu Theil. Mehrere angesehene Neustädter Bürger überreichten dem selben einen kostbaren goldenen Siegelung mit großem Stein, in welchen eine Glocke und der Datum (20. Mai 1858) gravirt ist. Das Geschenk ward begleitet von einem Ge dicht, in Glas und Rahmen sehr schön kalligraphisch auS- gesührt, verfaßt vom Hrn. Archidiaconus Behr, und wir ergreifen die zufällig uns gebotene Gelegenheit, dasselbe nachstehend wiederzugeben. TS galt des Danket warme Sprache Von Vielen uns am frohen Tage Und später noch mit vollem Ton; Sie zollte dem vereinten Streben Das Fest zu ordnen und zu heben Der freud'gen Anerkennung Lohn. Wir denken selbst mit stiller Freude An « schöne, festliche Geleite, Das uns'rer Glocken Zug geführt, Es hat da« herzliche Willkommen, Das die Ersehnten ausgenommen, Tief in der Seele uns gerührt. Doch was wir fühlten und empfanden. Was wir an Dank bei Andern fanden, Stimmt uns zum Danke gegen Sie! In Ihnen hat das Fest begonnen, Da hat « zuerst Gestalt gewonnen, Sie weihten ihm die meiste Müh'I So nehmen Sie des Dankes Zeichen, Das wir in Liebe Ihnen reichen. So wie wir'S bieten freundlich an! Der Glocke Bildniß in dem Steine Bezeugt, was Sie für die Gemeine An unserm Glockenfest grthan. TS brach beim ersten Tlockenklange Da« Herz in frohem, heil'gen Drange In lauten Dank und Jubel aus: So mag der Glocken Helle« Läuten Freud' und Frieden nur bedeuten Für Sie und für Ihr ganze« Hau«! — Vor ein paar Tagen feierte der Feldwebel Klemm, dem der Prinz Napoleon im vorigen Jahre bei seiner An wesenheit hier einen kostbaren Brillantring verehrte, daS seltene Jubelfest seines siebzigjährigen Militairdienstes in größter Stille unter seinen nächsten Freunden und Kame raden. Wie rüstig der noch an keine Winterquartiere des Lebens denkende Greis ist, geht daraus hervor, daß er so eben wieder als Stellvertreter eingetreten ist. Wer einst die K. Fähre bei Pillnitz passirt hat, wird sich deS hüb schen Greises im Silberschmuck deS Haares erinnern, der die dortigen Pionnirre commandirt. — Dem K. KreiSphysikuS v. Walter in Hoyers werda ist für seine Verdienstlichkeit um die Schutzpocken- Impfung die silberne Jmpfmedaille verliehen worden. — Am 3 Sept. fand beim Bezirksgericht in Pirna die Hauptverhandlung gegen die Dirnstmagd Käßner auS Lercha bei Meißen statt, welche bekanntlich vor einiger Zeit ihr außereheliches Kind bei Fischbach in einen Ameisenhau fen gesetzt hatte, um es so dem gewissen Lode zu weihen. DaS von Pilze suchenden Weibern aufgesundene Kind be findet sich, obwohl schwächlich, doch leidlich wohl. — DaS Urtheil des Gerichtshofes lautete auf 5 Jahre Zuchthaus. — Aus Böhmen schreibt man dem »Ehemn. Lgbl.*: Vor wenigen Tagen ereignete sich bei den Lunnrlbauten der süd-norddeutschen Verbindungsbahn ein Unglücksfall, bei welchem 2 Ingenieure verschüttet wurden. Sofortigen Nachgrabungen gelang eS, die Verschütteten hervorzuziehen, worauf sie in dem kläglichsten Zustande in daS benachbarte Dorf gebracht wurden. Da der Arzt die Verunglückten für unrettbar erklärte, so wurde nach dem Geistlichen ge schickt, damit er den Sterbenden die Sakramente reiche. Indessen stellte eS sich heraus, daß einer der beiden ein Jude sei. Der Geistliche nahm von dieser Benachrichtig ung keine Notiz und that bei beiden, was bei dem einen seines Amtes war. Die christliche Umgebung nahm indes sen den Vorgang nicht gleichgiltig auf und stellte den Geistlichen zur Rede, wie er einem Juden die Sterbesakra mente reichen könne, da man ihm doch gesagt habe, daß es ein Jude sei; kurz, der Geistliche glaubte sich nicht an ders als durch die Laufe des bewußtlos daliegenden Ju den auS der Klemme Helsen zu können. Diese nahm er nun auch, wahrscheinlich in der Meinung, daß dieser bald den Geist aufgeben werde, in der üblichen Weise vor und verließ das HauS deS Kranken mit dem süßen Bewußt sein, einem Sterbenden zu seinem jenseitigen Heil und der alleinseligmachenden Kirche zu einer Seele verholfm zu haben. Aber der Mensch denkt, Gott lenkt! Am andern Morgen starb der eine der Verunglückten, der andere, -dir- Jude, erholte sich zur Freude deS Geistlichen, der die lAr- ttesung als Wirkung der Sakramente dem gläubige« Landvolke darzustellen sich bemühte. Erst nach ei-