Volltext Seite (XML)
Wt und jjOMre Frlimternngen zur n-moli Me. Die Messe in ll-moli non Johann Sebastian Bach, mitunter auch dessen „hohe Messe" genannt, hat, wie überhaupt alle lateinischen Mcßkompositivnen, altkirchlichen Texte zur Grundlage, welche auch in der evangelischen Kirche, da ihr Gottesdienst überhaupt eine vollständige Liturgie besitzt, noch heutzutage die Bestandteile der letzteren bilden, nämlich: 1) das X/ri«, d. h. die Bitte um Ver gebung der Sünde«: 2) das Qloris, die Lobpreisung des dreieinigen Gottes für die Erlösung und Bitte um deren Zueignung: 3) das Lrscto, d. h. das christ liche Glaubensbekenntnis: 4) das Sanctus oder „Heilig"; 5) das ^gnus Os! oder „O Lamm Gottes", Die R-moU-Messe ist geschrieben für 4—8stimmigen Chor, 5 Solostimmen (oder nur 4, wenn, wie bei unsrer Ausführung, die zweite Sopranpartie mit der Altpartie verbundeu wird), Orchester und Orgel. Der Chor ist in der Mehr zahl der Nummern, in 7 nämlich, ^ür 5 Stimmen gesetzt (mit 2 Sopranen), in 6 Nummern für die gewöhnlichen 4 Stimmen, im Lsuetus tzstimmig (mit 2 Sopran- und 2 Altstimmen), im Osanns, 8stimmig als Doppelchor. Die Soli bestehen in je einer Arie für Sopran und für Tenor, in je zwei für Alt und für Bass und in drei Duetten, von denen zwei für Sopran und Alt oder zweiten Sopra», eines für Sopran nnd Tenor gesetzt ist. Das Orchester beschäftigt, neben den gewöhnlichen Streichinstrumenten, an Holzbläsern: Flöten, Oboen und Fagotte, und zwar von den Oboen teils die heutzutage gewöhnliche Art, teils eine jetzt nicht mehr gebräuchliche von tieferer Lage und weicherem Ton, sogenannte Oboi ä'smore; ausserdem sind noch 3 Trompeten und Pauken verwendet. Unsere Auf führung wird sich streng an das Original halten. Dies gilt besonders bezüglich der alten jetzt ungebräuchlichen Oboi ä'smor« (anderwärts durch ersetzt) und der alten hochliegendcn außerordentlich schwer zu blasenden Für beide Arten von Instrumenten sind hervorragende Künstler gewonnen worden. Zur Begleitung und Ausfüllung der Harmonie der Sologesänge hat Bach ein Positiv (kleineres Orgelwerk) verwendet. Durch die Güte der Herren Ad. W. Reiche ist es gelungen eine solche kleinere Orgel zu erhalten, sodass auch in dieser Beziehung die Aufführung dem Originale entsprechen wird. Die grosse Orgel wird nur bei den Chören in entsprechender Weise Mitwirken. Es ist anerkannt, dass sich in der Li-moU-Messe die unübertroffene Meister schaft Bach's in der Kunst des Tonsatzes, wie seine tiefgeistige Auffassung und seine großartige, ergreifende Darstellung des Stoffs so mächtig offenbart, wie kaum in irgend einem andern seiner Werke. Der hochverdiente Biograph Bach's, Philipp Spitta, stellt dieselbe sogarÄber alle andern Werke des Meisters. Er sagt: „Mehr als jedes andre Werk, ist dieses der freie "Ausdruck seiner mächtigen Individualität, aber einer Individualität, die aus dem kirchlichen Leben bis von dessen Urgründe her ihr« Nahrung gesogen hatte. Die Il-moll-Messe erweist am überzeugendsten nnd in den größten Formen die Tiefe des kirchlich-christlichen Empfindens ihres