Volltext Seite (XML)
Rr 227 28. September 1854 Deutsche MjMMt Zkitmg »Wahrheit usd Recht, Freiheit »nd Sesehl» Zu beziehen durch alle Postämter des In- uni» Ausland««, sowie durch di« ^SrpedUioa in Leipzig (Querste- «r. 8). für denR-um einer Zet!« 2 Ngr. Donnerstag. LEtpzßg. Die Zeitung erscheint um Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr «u«» gegete». Wgeich für »a» vierte!. s»hr l>/. !Wr^ ftd. .in. zelne Stummer 2 N^r. Deutschland. O Arunsfurt a. M., 25. Sept. .Es ist bereits wiederholt von uns darauf hingewiesen worden, daß einer weitern Beschlußfassung der Bun- deSversammlung in Betreff der orientalischen Angelegenheit noth wendig eine Verständigung zwischen den Cabineten von Wien und Berlin voraufgehen müsse. Daß diese bisher noch nicht erzielt war, wird auch durch das Rundschreiben constatirt, welches Graf Buol unterm 14. Sept, an die diplomatischen Agenten Oesterreichs im Auslande erlassen hat. Indessen soll sich seitdem in Wien der Wunsch nach einer Ausgleichung der bisher ob waltenden Differenzen in einer Weise geltend gemacht haben, daß Sangui niker die Unterordnung Oesterreichs unter die Foderungen Preußens bereits als eine Thatsache betrachten. Acußerungen von Personen, die vermöge ihrer Stellung allerdings zu den Unterrichteten gezählt werden können, lra- gen Nicht wenig dazu bei, die Ansicht von dem Rückzüge Oesterreichs zu stühen. Nach ihrer Behauptung wäre es Oesterreich niemals Ernst gewe sen, gegen Rußland andere Lanzen zu brechen als in Noten und Zeitungs- arlikeln, und auch jetzt läge Oesterreich nichts mehr fern als die Absicht, Rußland mit Krieg zu überziehen. Solche Phrasen sind zwar nicht neu, aber neu ist diesmal an ihnen der Umstand, daß sie aus dem eigenen Lager kommen, während man früher aus dem entgegenstehenden Oesterreich den (nach österreichischen Blättern ungerechten) Vorwurf einer doppelzüngigen Politik machte. Jedoch wird die Zeit bald lehren, was an diesen Gerüchten Währes ist; denn in Wirklichkeit ist Hoffnung vorhanden, daß die Sache in Berlin bald zum Abschluß gelangen und dann am Bundestage zur wei tern Verhandlung kommen wird. — Was die Rückantwort betrifft, welche das Ministerium Lütkcn in Betreff der Beschwcrdcsache der hannover schen Ritterschaften infolge der Auffoderung der Bundesversammlung in deden letzten Sitzung ertheilt hat, so soll dieselbe eine dem bestehenden Zustande des Königreichs keineswegs günstige, sondern dem Einschreiten der Bundesversammlung förderlich sein. Bcmerkenswerlh ist übrigens noch, daß dje Bundesversammlung am 21. Sept, sich wiederum eines Opfers der schleswig-holsteinischen Sache angenommen hat, indem sie der Witwe eines Offiziers der ehemaligen schleswig-holsteinischen Armee eine Pension im Betrage von etwa 180 Fl. bewilligte. Preußen, t Berlin, 26. Sept. Heute sind bereits viele Reser visten der hiesigen Gardercgimentcr in ihre Heimat abgegangen. Mit der Entlassung der Reservisten soll nun bis zum 30. Sept, täglich fortgefahren werden. Es ist bekannt, daß vor nicht langer Zeit die Regimentskomman deure darauf aufmerksam gemacht wurden, daß Verhältnisse eintreten könn- teu, welche eine Entlassung der Reservisten nicht zulässig erscheinen ließen. Man habe sich demnach auf eine mögliche Nichtentlassung der Reservisten in Allem cinzurichtcn. Die gegenwärtig eintretende Entlassung ist der deut lichste Beweis, daß Preußen das Schutz- und Trutzbündniß vym 20. April in- Bezug auf den Zusatzartikel zu Art. II thatsächlich als erloschen erachtet. Der Beginn der Entlassung der Reservisten ist insofern auch von politischer Bedeutung, als er über die gegenwärtige Stellung Preußens keinen Zweifel mehr stäßt, das bekanntlich in der Circulardepesche vom 3. Sept, schon er klärt hat, daß die bestimmte Erklärung Rußlands die Bcsorgniß vor einem russischen Angriff überhaupt und insbesondere auf Oesterreich völlig ausge schlossen habe. — Wie man in hiesigen diplomatischen Kreisen hört, ist von dem diesseitigen Gesandten in Konstantinopel, Baron v. Wildcnbruch, ein genauer Bericht über den als türkischer Oberst verstorbenen Preußen Grach, den Helden von SIlistria, beim hiesigen Ministerium der auswärtigen An gelegenheiten cingegangen. Der Bericht soll viele interessante Einzelheiten enthalten, die geeignet sind, dem Dahingeschiedenen das ehrenvollste Anden ken zu sichern, namentlich aber in seinem preußischen Vatcrlande. Eine Veröffentlichung des in Rede stehenden Berichts dürfte wol von Seiten des hiesigen Kriegsministeriums, welchem derselbe natürlich mitgetheilt wor den ist, zu erwarten sein. In den hiesigen militärischen Kreisen wird dem Gegenstände viel Aufmerksamkeit geschenkt. — Der Minister des Innern hat dem hier tagenden Provinziallandtage der Provinz Brandenburg gestern den Entwurf zu einer bedeutsamen Aenderung der Städteordnung der sechs östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 vorgelegt, wonach der Bürgermeister fortan auf Lebenszeit von den Stadtverordneten unter den drei vvm Magistrat vorgeschlagene» Candidaten gewählt werden soll. Dieser Entwurf, welcher auch noch andere Aenderungen der bezeichneten Städte- ordnnng enthält, wird in den Kreisen der Mitglieder des Provinzialland- tags auf das lebhafteste besprochen. Derselbe Entwurf wird auch de» Pro vinziallandtagen der sechs östlichen Provinzen vorgelegt werden. — Die Kasseler Zeitung ließ sich aus Frankfurt a. M. schreiben, „daß das berliner Cabinet seine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben habe, Oester reich, insofern dasselbe gegen Rußland nicht aggressiv verfahre und in krie gerischer Weise die russische Grenze überschreite, in der Behauptung der Donausürstenthümcr gegen jedweden russischen Angriff mit der ganzen preu ßischen Wehrkraft zu unterstützen". (Nr. 224,) Das Frankfurter Journal ist aus bester Quelle zu der Mittheilung in Stand gesetzt, daß diese Nach richt jeder Begründung entbehrt. — Aus Berlin vom 24. Sept, schreibt man der Kölnischen Zeitung: „Man versichert uns, daß am 21. Sept, eine neue preußische Circu- lardcpesche an unsere Vertreter bei den deutschen Höfen abgegangen ist, die als Erwiderung auf die österreichische vom 14. Sept, dienen soll. Ihr Inhalt ist noch unbekannt." In Bezug auf das fortdauernde Bestehen des Verbots der Durch- fuhr von Waffen und Kriegsmunition hat der Finanzminister uu- term 17. Sept, an sämmliche Provinzialsteuerdirektoren sowie an die Re gierungen zu Potsdam und Frankfurt ein Circular erlassen. * Von der Oder, 25. Sept. Wie sehr die materiellen Interessen Preußens mit den Zuständen der Donaufürstenthümer in Ver- bindung stehe», das sehen wir jetzt. Solange der Russe dort hauste, lag unser Handel dorthin völlig danieder und unsere Manufakturen haben seit Jahr und Tag dadurch bedeutend gelitten. Denn »»erachtet der Ruffen- freundlichkeit unserer Kreuzritter, deren Uneigennützigkeit in dieser Hinsicht wirklich «inen unübertrefflichen Grad erreicht hat, sperrte derselbe uns die Walachei, Moldau, Donau, wie er uns feine ganze Westgrenze schon längst gesperrt hat. Kaum aber hat Rußland jetzt die besagten Länder räumen müssen, als auch unsere Manufakturen, ^besonders die Tuchfabrikation, so- gleich den regsten Aufschwung genommen haben. Möchten sich doch unsere ruffenfreundlichen Politiker daraus eine Lehre nehmen! Schon längst hat es der altpreußische Patriot, trotz aller neupreußischer Insinuationen undDe- clamalianen, ausgesprochen und durch unwiderlegbare Thatsachen bewiesen, daß von Rußland für Preußen kein Heil, sondern nur Gefahr, Schmach und Schaden komme. Daß eine Beschränkung des russischen UebergewichtS Preußen Nutzen bringe, sehen wir jetzt in der Walachei. Bei einer mehr antirussischen Politik würden wir ähnliche Vorthcile für unsern Handel an unserer Ostgrenze bald eintreten sehen. Warum benutzen wir diese günstigen Conjuncturen nicht? Warum wollen wir nicht einmal die Nealisirung der vier Friedensvorschläge, welche unserm Handel die jetzt zeitweilig erlangten Vor theile sichern würden, ernstlich, nüthigenfalls zum Vortheile des Vaterlan des mit den Waffen statt durch unwirksame Noten unterstützen? Kein ver nünftiger Mensch kann in dieser Hinsicht auf Rußlands Großmuch, wenn seine Macht uneingeschränkt bleibt, rechnen. Denn wenn es Preußen selbst jetzt, wo es im Gedränge ist, nicht Concessionen macht, wo werden diese!- den später zu erwarten sein! Baiern. Aus München vom 22. Sept, schreibt man der Kölnischen Zeitung: „Was die bairische Politik in der obschwcbcnden europäischen Frage betrifft, so dürste die wiederholte Angabe, daß Baiern in der letzten Zeit sich der österreichischen Auffassung genähert habe, in das Reich der mehr oder weniger absichtlichen Selbsttäuschungen zu verweisen sein. Man kann sich in solchen Dingen hier zu Lande nicht auf sogenannte halboffi» ciclle Acußerungen beziehen; unser ministerillcs Organ, die Neue Münchener Zeitung, schweigt beharrlich; aber gewisse Auslassungen, die man aus wärts vielleicht übersieht, welche jedoch von uns, der speciellen Verhältnisse Kundigern, wohl gewürdigt werden, sprechen deutlich genug. So z. B. ein dieser Tage veröffentlichter Leitartikel der augsburger Allgemeinen Zeituna, der «die öffentliche Meinung in Deutschland über di« Ansichten der Cabi- nete aufzuktärcn» unternimmt und auf «russische Erklärungen in Ber lin, Wien und München» Bezug nehmen kann. Dieser Artikel nun ist in Betreff der bekannten Garantiefoderungen entschieden gegen die österreichische Anschauung gerichtet, so zwar, daß er sich sehr deutliche Insinuationen, wie die folgenden, gestattet: «Dies hat vor allem gegenwärtig Oesterreich zu bedenken, und die Zukunft wird derjenige Staatsmann zu verantworten ha ben, der jetzt den vorzüglichsten Rath seinem Kaiser ertheilt.» ...«So viel ist gewiß, daß die Staaten nicht immer durch Genies erster Größe regiert werden, und daß in Petersburg gerade die Art und Weise der österreichi schen Empfehlung das Meiste zur Ablehnung (der Garantien) bcigetragen haben soll.»" Baden. Karlsruhe, 24. Sept. Es gewinnt nun allen Anschein, daß der leidige Kirchcnconflict vorerst beendigt ist. Was kaum zu er warten war, ist geschehen: auch der römische Hof hat sich zu Concessionen verstanden, die immerhin erheblich genannt werden können. Darum auch sicht die ultramontane Partei innerlich mit großem Misbchagen auf den Ausgang des Streits; im Aeußcrn erhebt sie ein Triumphgeschrci. Auf den greisen Erzbischof hat, wie man hört, die Vereinbarung mit Nom einen sehr ungünstigen Eindruck gemacht; freilich ist sein Verfahren damit einer scharfen Rüge unterworfen. (Schwäb. M.)