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Dienstag. Leipzig. DI« Zeitung er scheint täglich jede! mal und wird «»«gegeben in »«tpgig Vormittag« l I Uhr, Abend« » Uhr j tu »«»de« Abend« i Uhr, Vormittag« 8 Uhr. Drei« für d»« Vierteljahr I Lhlr.j jede einzeln« Num mer I Ngr. Mite Ausgabe. Abends 8 Uhr. 28. Juli L8SL Nr. 385. Deutsche Mgemiiic Zeitung. Zu beziehen durch alle Pog« amter de« In- und Au«lande«, sowie durch die thipedittonen in Leipzig (Vuerstraße Nr. 8) und »r«»d«« (bei L. Hückuer, Neustadt, An der Brücke, Nr. I). »Wahrheit «ud Recht, Freiheit und Gesetz!» Insertionbgetühr für den Raum einer Zeile > Ngr. Aktenstücke zur neuesten schleswig-holsteinischen Geschichte. — ES ist ungefähr ein Jahr her, daß Preußen im Namen des Deut schen Bundes mit Dänemark jenen Frieden schloß, welcher zwar die Rechte der Herzogthümer, für die der Bund, nach den feierlichen Er klärungen und Beschlüssen seines officiellen Organs des Bundestags, vom 4. und 12. April 1848, den Krieg begonnen hatte, nicht vertrags mäßig feststellte, wol aber deren thatsächliche Wahrung und Durchführung denzHerzogthümern selbst vorbehielt. Diese Auffassung deS Friedens vom 2. Juli 1850 findet ihre volle Bekräftigung in dem Circularschreiben des preußischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten vom 6. Juli 1850 und der dem FriedenStractat beigefügten Denkschrift; auch ist, nach dem die Statthalterschaft sich dieselbe in ihrem Schreiben an sämmtliche Deutsche Regierungen zu eigen gemacht hatte, von keiner dieser letzter» Widerspruch dagegen eingelegt worden. Erst zu Ende deS October rich tete die preußische Regierung an die Statthalterschaft die Auffoderung, den infolge jenes Friedens mit den eigenen Kräften der Herzogthümer zur Aufrechthaltung ihrer Rechte unternommenen Kampf einzustellen, und ungefähr gleichzeitig erging dasselbe Verlangen von Seiten der in Frank furt versammelten Regierungen, zugleich mit der Androhung der Erecu- tion im Weigerungsfälle. Es ist noch wohl erinnerlich-wie damals dieses Beginnen von den betreffenden Regierungen in dem Lichte dargestellt ward, als sei eS dabei lediglich darauf abgesehen, die Fortsetzung eines erfolg losen, die Kräfte der Herzogthümer aufreibenden, die Ruhe Deutschlands und dessen völkerrechtliche Beziehungen gefährdenden Kampfes zu verhü ten, das Object dieses Kampfes aber, die Rechte der Herzogthümer, durch die Dazwischenkunft des Bundes vollständig sicherzustellen. Na mentlich ward dabei wiederholt «uf hen Bundesbeschluß von 1846 als die Grundlage der Verhandlungen hierüber hingewiesen. Die Statthalterschaft wies die an sie ergangenen Foderungen zu rück, sich darauf beziehend, daß das in dem FriedenSschluß vom 2. Juli den Herzogthümern eingeräumte Recht des eigenen AuStragS ihrer Strei tigkeiten mit Dänemark nur durch eine vollberechtigte allseits anerkannte höchste Bundesgewalt Deutschlands ihnen wieder entzogen werden könne, eine solche aber dermalen nicht bestehe. Einer Erecution namens der sogenannten Bundesversammlung hatte Preußen früher sich entschieden widersetzen zu wollen erklärt (Note deS Ministers v.- Radowitz an den preußischen Gesandten zu Kopenhagen vom 17. Oct. 1850); ja Hr. v. Radowitz hatte mündlich der Statthalterschaft die wirksamste Unter stützung Preußens zugesagt, „wenn- sie der sogenannten Bundesversamm- leng in Frankfurt ihre Anerkennung versage". Dies änderte sich frei lich nach-der in der preußischen Politik eingetretenen Wendung Anfang Novembers. Jetzt erklärte das preußische Cabinet: es werde der Aus führung jcneSBundeSbeschlusseS kein Hinderniß in den Weg legen. In zwischen gab - doch - Hr. vj-Manteuffel noch um dieselbe Zeit in seinem und seiner Collegen Namen dem Bevollmächtigten Braunschweigs, vr. Liebe, die mündliche Zusicherung r: Braunschweig, könne auf Preußens Unterstützung zur bewaffneten Abwehr deö Durchmarsches einer ErecutionSarmee nach Holstein rechnen.*) i Aber-in Olmütz versprach derselbe Hr. v. Man teuffel im Namen Preußens dessen Betheiligung an der Erecution gegen Holstein. > An die Erfüllung des Art. IV des von Preußen abgeschlosse nen Friedens, wonach eine Pacification. der Herzogthümer von Bundes wegen nur dann zulässig sein sollte, wenn zuvor der König von Däne mark seinerseits befriedigende Vorschläge zur Einigung gemacht haben würde, ward nicht mehr gedacht. > Wie sehr man selbst an höchster Stelle in Berlin daS Beschämende dieser Verleugnung der ^eigenen Vergangen heit in die-feierlich-gegebenen Zusagen fühlte, geht daraus hervor, daß am 23. Jan. 1851 der König dem Hrn. v. Manteuffel durch General v. Gerlach befehlen ließ, „dafür Sorge zu tragen, daß die ministeriel len Blätter die- preußisch-österreichische Intervention künftig als gegen Dänemark und nicht mehr als gegen die Herzogthümer gerichtet dar stellten". Genug aber- die Commiffar« von Oesterreich und Preußen, angeblich die Gesammtheit der deutschen Bundesregierungen vertretend, gingen nach Holstein ab; ihnen folgte ein österreichisches ErecutionSheer, dem sich an der mecklenburgischen Grenze ein preußisches Corps anschloß und zu dessen Ueberführung über die Elbe preußische Pontoniere beor dert wurden. *) Bekanntlich gab Braunschweig seinen erst beabsichtigten Widerspruch ge gen diesen Durchmarsch späterhin selbst auf. Dagegen hielt Oldenburg einen sol chen hinsichtlich seines FürstenthumS Eutin aufrecht und — setzte ihn durch! Bis hierher sind alle diese Vorgänge offenkundig und vielfach in Zeitungen,: Kammerreden und Broschüren besprochen und bestätigt. Daran nochmals zu erinnern, schien aber nothwendig, um die rechte Unterlage für die Auffaffung der Mitthtilungen zu gewinnen, welche über den wei tern Verlauf jener von allen deutschen Patrioten mit'so tief-schmerzlichem Interesse .verfolgten Angelegenheit zum ersten mal im Zusammenhang« ausführlich bis in alle Einzelheiten und durchaus mit authentischen Be legen, die unter dem Titel: „Aktenstücke zur neuesten schleSwig-holsteini- schen Geschichte"*), erschienene Schrift unS bringt und aus denen wir einiges besonders Wichtige hier wiedergeben wollen. Neu und interessant dürfte eS den meisten Lesern der Deutschen Allgemeinen Zeitung sein, die Gründe authentisch kennen zu lernen, welche vom militairischen Ge sichtspunkte aus die Majorität deS schleswig-holsteinischen StaatörechtS, nämlich den Statthalter Grafen Reventlow und die sämmtlichen Mini ster bewog, von dem Gedanken an einen Widerstand gegen die im Na men deS Bundes gestellten Foderungen und angedrohten Maßregeln ab zustehen. ES lag dem StaatSrath eine von einer Conferenz höherer MilitairS auf ausdrückliches Verlangen der Statthalterschaft abgefaßte, von Heinrich v. Gagern aufgenommene Erklärung folgenden Inhalts vor: „Ueber die Frage, ob ein Widerstand der Armee zugleich gegen die Dänen und eine vom Süden nahende ErecutionSarmee von etwa 50,000 Mann vom militairischen Gesichtspunkte auS möglich oder rath- sam sei, waren die Ansichten im Wesentlichen übereinstimmend: 1) daß eine größere Operation gegen die Dänen mit entscheidendem Erfolge in diesem Augenblicke, der Witterungsverhältnisse wegen, unausführbar sei; 2) daß zwar, während gegen die Dänen Rendsburg vertheidigt werde, eine Position gegen die von Süden herannahende ErecutionSarmee, etwa bei OldeSloe, mit 20-000 Mann genommen und längere Zeit selbst ge gen einen überlegenen Feind behauptet, dabei im glücklichen Falle auch zur activen Defensive übergegangen werden könne, daß .sich aber keine Aussicht auf Erfolg-darbiete, wenn eine Cooperation der Dänen vom Norden her mit dem von Süden her drohenden Heere stattfinden sollte; 3) daß überdies in der Armee Elemente, namentlich unter den Offizie ren, sich befänden, die nicht geneigt sein würden, gegen eine im Auf trage der deutschen Mächte Oesterreich und Preußen oder namens deS Bundes handelnde JnterventionSarmee sich zu schlagen." Auf diese Er klärung sowie auf das Gutachten deS Finanzministers, daß ohne neue Steuern der Krieg nicht fortzuführen sei, namentlich aber im Vertrauen auf die Erfüllung der bei den Verhandlungen mit den Commiffaren von Letztem gemachten bestimmten Zusagen und in der Erwartung, „durch besonnenes Nachgeben den deutschen Großmächten einen moralischen An trieb zu geben, die deutschen Rechte der Herzogthümer zur Geltung zu bringen, zugleich auf diese Weise die Armee und daS Vermögen des Landes, also dessen Hoffnung, zu erhalten", entschloß sich die Majorität des Staatsraths zur Annahme der gestellten Bedingungen; nur Beseler erklärte: „da nur eine bereits ordnungsmäßig constituirte Cfnt-kalgewalt Deutschlands berechtigt sein würde, die Verhältnisse der Herzogthümer zu Dänemark zu ordnen, Oesterreich und Preußen aber, selbst wenn sie, was bekanntlich nicht der Fall sei, von sämmtlichen. übrigen Regierun gen dazu beauftragt wären **), nach bekannten StaatSgrundsätzen nicht legitimirt sein würden, sich mit Anordnungen in der schleswig-holsteini schen Sache zu befassen, so sei es Pflicht, schon aus Princip die gestell ten Foderungen abzulehnen; überdies fehle es an jeder Garantie für die Erfüllung der ertheilten Zusagen; das Recht selbst aber, wofür die Her zogthümer sich erhoben, könne, wenn man im ehrenvollen Kampfe un terliege, wol für längere Zeit unterdrückt, aber nicht, wie man bei frei williger Unterwerfung Gefahr laufe, vernichtet werden". Bekanntlich legte Beseler sein Amt als Statthalter nieder, weil die LandeSversamm- lung sich für die Ansichten der Mehrheit des Staatsraths erklärte, und die Unterwerfung der Herzogthümer erfolgte gegen folgende förmliche Zu sagen der BundeScommisston: 1) Daß der Deutsche Bund die Rechte des HerzogthumS Holstein und daS altherkömmlich berechtigte Verhäktniß zwischen Holstein und Schleswig auf Grundlage deS Status snto Kellum wahren werde; 2) daß die dänische Armee sich gleichzeitig mit der schleswig-holsteinischen auS SüdschleSwig zurückziehen und nur die *) Erstes Heft: „Die Verhandlungen zwischen der Statthalterschaft und der von Oesterreich und Preußen namens des Deutschen Bundes ernannten Commissa- rien im Januar 1851." Leipzig, Engelmann. 1851. **) Daß insbesondere Preußen die Vollmacht, welche eß von „seinen Verbün deten", d. h. den bisher zur sogenannten Union gehörigen Staaten erhalten zu haben behauptet, weder damals besaß, noch auch nachträglich, als es sie ausdrücklich verlangte, erhalten hat, wird hier aufS neue bestätigt.