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Mittwoch —— Nr- 202. 21. Julius 1847. Deutsche Allgemeine Zeitung. WM ' . «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesth!» U-berblt». Deutschland. *Aus Mitteldeutschland. Zciterscheinungen. — Den Nuntius in München. — Lola Montez in Bamberg, Von der Pleisse. Gustav-Adolf-Verejn. Die Rekrutirung in Sachsen. — Falscher Droh brief in Stuttgart. — Diebstahl in Stuttgart. — Reuß-Lobenstein. Die Veröffentlichung der SenatSpropositionen in Hamburg. Preußen. (-s) öerlin. Das öffentliche Gerichtsverfahren. Der Polen- proceß. vr. Mcyen. — Adresse aus Unna. — Hr. Camphausen. — Gräfin Hatzfeld. — Handwerkervereine. Neßerreich. Der Herzog Christian von Augustenburg. Hr. Cobden. Portugal. Die Amnestie. Tumult in Villafranca. Einmarsch in Oporto. Die Proclamation des Generals Concha. Brigadier Ortega. Toaste auf die Vereinigung der Halbinsel. Elpanien Die Montemolinisten. Die Geistlichen. Großbritannien. Unterhaus. Das Standbild des Herzogs v. Wel lington. Sir R. Peel. Hr. Pakenham. Auswanderung. Frankreich. Pairshof. Deputirtenkammer. Die Journale. Pellapra. Ge rüchte. Soyer. Der Herzog von Aumale. Eisenbahnkarte. Geistliche Buchdruckerpressen. General Flores. ** Paris. Der Univers über die Corruption. Belgien. Der König. Die National-Industrieausstellung. Landwirthschast- liche Bibliotheken. Basfinbau in Antwerpen. Daö Schiff la Belgique. Rußland und Polen. Gerüchte aus Petersburg. Griechenland. Athen- Die türkische Differenz. Hr. Privilegios. Türkei. Konstantinopel. Französischer Consul in Mekka. Barmherzige Schwestern. Der Tscherkeffenkrieg. Nordamerika. Der Krieg mit Mejico. Präsident Polk. -----Neuyork. Die Einwanderer. Die Schiffahrt im Westen. Der Krieg. Die Aernte. Der Präsident. Wissenschaft und Kunst. Hamburg. Die Universität. — Pension für Sheridan Knowles. Handel und Anvulkrie. * Leipzig. Börsenbericht. — Frequenz der Magdeburg-Leipziger und -Halberstädter Eisenbahn. -- Berlin. Mntzpnbigungen. Deutschs««-. > *Aus Mitteldeutschland 18. Jul. Mancherlei Erscheinun gen, welche jetzt in der Zeit in so offenbarer Weise hervortreten, daß selbst die eiserne Stirn des radikalen Partcigcistcs sic nicht abläugnen kann, sondern sich in verdrossenem Schweigen dazu Verhalten und mit der Hoff nung trösten muß, in ein paar Monaten werde das wieder so weit ver gessen sein, daß man es ignorircn und sein alles Lied wieder anstimmen könne; Erscheinungen wie die in ganzer Nacktheit vorgelretcne Brutalität in manchen untern Schichten der Gesellschaft und die sporadische Ver zweigung dieses Proletariats und seiner Folgen auch in höhere Reihen; die grenzenlosen Vorurtheile und Begriffsverwirrungen über sehr wichtige Lebensfragen, die sich auch über die Mehrzahl der sogenannten Gebildeten hinzichen; die Nichtigkeit aller der schönen, täuschenden Redensarten von Einheit und Gemeinsinn, sobald sie nur irgend auf die Probe gesetzt werden; die an manchem Orte vorgetretene Nathlosigkeit des verwaltenden Mechanismus, wenn es in etwas aus dem gewohnten Gleise herausgeht; die tiefe Corruption, welche sich in den obern Schichten der französischen Gesellschaft, unter diesen Pairs und Deputirten, Wählern und Wahl fähigen, unter dem regierenden Volke von Frankreich bloßgelcgt hat: all diese Erscheinungen stehen in einem gänzlichen Contraste mit den schönen Voraussetzungen von allseitiger Mündigkeit des Volks, von dem veredeln den Einflüsse liberaler Institutionen, von der größern Weisheit und Sitt lichkeit, welche überall im Volke zu finden sei, nur nicht bei den jetzigen Trägern der Macht und ihrem Anhänge, von der vollen Berechtigung aller Tendenzen der Zeit zu Demokratie und absoluter Gleichheit. Lehr reich sind vor Allem diese französischen Erfahrungen, in denen sich die Geldaristokratie in ihrer ganzen Blöße zeigt, in denen sich aber auch dar legt, welch« verderbende Einflüsse aus dem Besitze der Gewalt hervor- gehcn, wenn nicht starke Gegengewichte und zügelnde Einflüsse da sind, deren stärkstes, deren einzig ausreichendes freilich in dem sittlichen Geiste der Gesellschaft und dem Gedanken an Gott und den Zusammenhang mit einer höher» Welt beruht. Gewiß würde man sehr irren, wenn man in jenen Erscheinungen Gründe gegen alles Das, was man „liberale Insti tutionen" nennt, suchen, wenn man fernerhin die Beziehung alles Staats wesens auf die Zwecke des organischen Volks, den Werth der Achtung vor persönlicher Freiheit, eines männlichen Sinnes für Unabhängigkeit und würdiges Bürqerthum, einer kräftigen Thcilnahme gesunder Einsicht und echten Gemcinsinns an öffentlichen Dingen verkennen und über Welt und Mensche», den Stab brechen wollte. Aber dem unbedachten, unbe sonnenen, gedankenlosen Liberalismus sollten jene Erscheinungen allerdings ernste Lehren sein, sollten ihm zeigen, daß seine von der Oberfläche ab- genommenen und in flacher Allgemeinheit und Unbedingtheit gefaßte» Voraussetzungen und Federungen keinerlei Grund und Halt haben, daß es in StaatSsachen vielfacher Unterscheidung, sorgfältigsten Eindringens, gründlichster Erwägung bedarf und daß in so zusammengesetzten und verwickelten Zuständen, wie die unserigen sind, auch nur durch eine reiche Mannichsaltigkeit in einander greifender, sich gegenseitig im Guten för dernder, im Schlimmen hindernder Institute, durch daß vielartigste An fassen der vielartigcn Aufgaben, durch eine mannichfaltige, geistvolle Ver flechtung der Kräfte eine leidliche Ordnung gewonnen werden kann; daß cs hier einer starken Staatsgewalt eben so dringend bedarf wie eines lichten und freien öffentlichen Lebens, daß man hier von aller Einseitig-' keit und Unbedingtheit sich lossagen, nirgendhin ein unbegrenzteß.Walten versetzen, keinerlei Richtung allein und unbedingt vertrauen, keinerlei wirksame Kraft bei Seite werfen soll, weil sie in falscher Anwendung des Misbrauchs fähig ist, am wenigsten aber auf Trennung und Auf lösung statt auf festes und inniges Verschmelzen und Zusammenwirken hinarbeiten darf. — Der Nachricht, daß der päpstliche Nuntius am bairischen Hofe, Monsignore Morichini, sich in Urlaub nach Rom begeben habe (Nr. 1S6), wird von München aus einer Quelle, die für eine wphlunterrich- tete anzusehen sei, erläuternd hinzugefügt, daß der päpstliche Nuntius in Folge einer definitiven Abberufung von München abgercist ist. Dieselbe wäre hiernach mit der durch den Nuntiatursecretair Abbate Lclli bewirk ten und durch Indiskretion mittels der Tagespreise zur Veröffentlichung gelangten italienischen Uebersetzung des königl. Sonetts in Verbindung zu bringen. (Rh. B.) — Mus Franken vom 13. Jul. heißt es in der Weser-Zeitung: „Die Excesse, welche bei der Anwesenheit der Lola Montez in Bam berg staitgefunden haben, sind von unserm Könige sehr ungnädig ausge nommen worden. Der Magistrat der Stadt hatte deshalb für gut ge funden,' eine Ergcbenheitsadreffe an den König nach Brückenau zu senden (Nr. 196), diese aber wurde nicht angenommen, sondern mit dem Bedeu ten zurückgeschickt, daß das darin Ausgedrückte jenen Vorfällen gegenüber nicht als genügend befunden werde. Die Adresse war nämlich ganz all- gemein gehalten, der König will aber, daß jene Excesse speciell vom Ma gistrat und der Bürgerschaft gemisbilligt werden. Zu gleicher Zeit ist eine Untersuchung cingeleitet, um nicht nur die thätlichen Theilnehmer, son dern auch die intellektuellen Urheber, welche der König zu wissen verlangt, zu ermitteln." der Pleisse, IS. Jul. In der Zille'schen Allgemeinen Zei tung für Christenthum und Kirche macht der Pfarrer Kalb in Wechselburg einen Vermittelungsvorschlag in Sachen des Gu stav - Ad olf-Vereins in folgender Weise: „Droht dem schönen kirchlichen Liebeövercin von Seiten der Ultraprotcstanten, denen das Evangelium zu viel, und von Seiten der Ultraevangelischen, denen das Evangelium zu wenig ist, die Gefahr der Zersplitterung, und hält man mit Recht Statutcnverändcrung für zu schwierig und umfänglich, eine eigne authentische Interpretation von «evangelisch-protestantischer Kirche» in h. I im ungünstigsten Falle für subjektiv und verfänglich, so vereinige man sich zu einer bloßen aus drücklichen Verweisung auf Art. V1I. der Augsburgischen Konfession, wo wir eine so erschöpfende und freisinnige Definition von unserer Kirche ha ben, daß sie jeder Auffassung innerhalb der protestantischen Christenheit genügen muß und doch die römisch-katholische Kirche und jede anti-evan gelische Sekte ausschließt. Dort wird nämlich die Kirche beschrieben als «die Gemeinschaft aller Derjenigen, bei welchen das Evangelium rein ge predigt und die heiligen Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden». Die Entscheidung, worin die reine Predigt des Evangeliums und die ihm ent sprechende Verwaltung der Sakramente bestehe, bleibt dann jeder Kirchcnge- meinschaft überlassen; jedem Hauptoercine genüge cs, wenn ihre ausgesproche nen Tendenzen darauf gehen und seine Mitglieder in diesem BcgriffdaS Wesen ihrer Kirche wicderfinden. Die Römisch-Katholiken, welche Papstthum und Hierarchie zur Definition ihrer Kirche brauchen, Scktirer wie Quä- "cr, die keine Sakramente anerkennen, und solche sogenannte freie Gemein den, denen das Evangelium nicht Hauptsache ist und die es nicht in sei nem sich selbst bestimmenden Sinne lehren, die höchstens die heilige Schrift nur als historische Quelle oder Grundlage des Monotheismus betrachten und nicht mindestens die beiden Hauptsacramcnte mit den Einsehungswor- ten behalten, schließen sich selbst aus. Jene Erklärung bedarf nicht erst