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Nr. »77. 26 Junius 1847. Sonnabend WM Deutsch« Allgemein« Zeitung. UM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «eve-rr^ck. Deutschland. Der König von Baiern. Hofrath Albrecht. Frhr. v. Hormayr. K Leipzig. Johannisfest.— Stuttgarter Adresse an den preu ßischen Landtags — Die Gelehrtenschule in Hadersleben. — Erklärung de« Mdvocaten Carsten« in Altona. — Der Herzog von Braunschweig. MrenGen. Berlin. Landtag. »Berlin. Die Schutzzolltendenzen und der Landtag. *Lus der Mark. Die Emancipation der Juden. chAus Schlesien. Die kirchliche Parität. Königsberg. Die freie Gemeinde. — Hr. Krackrügge. Vefterretch. Brünn. Die mährischen Stände. »Krakau. Ueberschwem- mung. Die Roth in Galizien. ^Portugal. Die Junta von Oporto. Ärstzvrftannien. Die Königin. Prinz Albert. Das Morning Chronicle über die portugiesische Frage. Unglücksfall. Sammlung für Irland in Van- diemenSland. z London. Die Intervention in Portugal. Die englische Politik. V«anr*eich. Der CubiereS'sche Proceß. Deputirtenkammer. Der Proceß Girardi». Die Zeitungen. Hr. Moline de St.-Von. Verhaftungen in Lyon. Lustlager bei Cqmpiegne. i- Paris. Die Salzsteuer. Der Proceß Girardi». Italien. Nom. Ministerrath. Nom. Marquis Drogoretti. — Mordthat in Ferrara. SriechetÜa«-. »»Äthen. Die Wahlen. Httrsonalnachrichten. IWtsfenfchaft und «unst. »»Leipzig. Ausstellung auf dem Gewand hause. Sandel und Industrie. »Leipzig. Börsenbericht. — Berlin. — Leipzig. Vknlündigungen. Dentfchka«-. Der Nürnberger Correspondent schreibt aus München vom 22. Jun.; „Der König hat diesen Nachmittag gegen 3 Uhr unsere Stadt verlassen und die Reise nach Brückenau angetreten. — Unserer Universität steht ein neuer und erheblicher Zuwachs in Aussicht, indem, wie verlautet, Drofessor Albrecht in Leipzig, einer der bekannten Göttinger Sieben, «in ausgezeichneter Germanist, den Ruf zur hiesigen juridischen Facultät erhalten hat. — Frhr. v. Hormayr-Hürtenburg, bisheriger Ge sandter bei den Hansestädten, ist dem Vernehmen nach zum Vorstände des Reichsarchivs ernannt worden." K Leipzig, 24. Jun. Der Johannistag ist seit Jahren für un sere Stadt ein Gedenktag für die Todten, denn an diesem Tage werden die Gräber mit Kränzen und Blumen so sorgsam und so sinnig geschmückt, Laß unsere fünf zusammenhängenden Kirchhöfe einem freudeerregenden Garten gleichen und eine allgemeine Wallfahrt zu ihnen stattfindet. Zu dieser schönen Feier kam in den letzten Jahren noch eine Festfcier in dem angrenzenden JohanniSthale, wo aus einer Sandgrube zahlreiche Gärtchen herrorgewachfen find. Sie war auf die Erfreuung armer Kin der berechnet und von den Gartenbesitzern ins Leben gerufen. An die Stelle der letztem ist mit heutigem Tag eine ganz neue ausgesonnen und bereits verwirklicht worden, nämlich ein Kinderfest in dem benachbarten Dorfe Gohlis, veranstaltet vom Schill erv creine zu Leipzig. Der Schil lerverein hatte im vergangenen Herbstx den Beschluß gefaßt, die Freuden, welche er am Geburtstage Schiller'? der Jugend in Gohlis zu bereiten pflegte, insbesondere der rauhen Jahreszeit wegen auf den bedeutungs vollen Johannistag zu verlegen und sie durch Vermehrung in ein allge meines Kinderfest für die Kinder aus Gohlis und der Bereinsmitglieder umzugestalten. Je ärmer die Gegenwart an eigentlichen Volksfesten und somit an Poesie des Lebens geworden ist, um so mehr mußte die Idee eines Kinderfestes grossen Anklang finden. Unsere Stadt insbesondere ist ihrer alten Volksfeste ganz und gar ledig geworden und bewegt sich nur in materiellen und intcllcclucllcn Elementen, leider aber in keinen poetischen. Trotz einer drückenden Hitze begann gleich nach Tische die Wall fahrt der Leipziger durch das im üppigsten Grün prangende Rosenthal nach Gohlis, wo bereits 1'/, Uhr dje Festfeier begann. Sie ward eröff net durch die Excrcirschule eines Hrn. Reichardt, dessen Zöglinge, mili- tairisch gekleidet und cingcübt, mit klingendem Spiel auf eine Wiese hinter Gohlis zogen, um den Spielplan nach Vorschrift zu besetzen. Diesem interessanten militairischen Kinderspiele folgte der eigentliche Festzug, wel cher aus den mit Kränzen, Fahnen und Feststäbcn geschmückten gohliser Kindern, einer Abtheilung jener Excrcirschule, den Festordnern, dem Orts vorstand und Mitgliedern des Schillcrvereins bestand und sich durch Goh liS hindurch bei dem mit Kränzen geschmückten kleinen SchillerhäuSchen vorbei ebenfalls mit Musik nach der Wiese bewegte, wo er mit Ka nonenschlägen empfangen und nach einem gut einstudirten Gesänge der Kinder durch vr. Zille in einer Anrede begrüßt ward. Der Redner wies darauf hin, daß die Freude auch eine ernste sei und Mancher sie in dieser Zeit verargen möchte, aber der Hinblick auf die gesegneten Flu ren mache die Feier auch zu einem Feste süßer Hoffnung. Nach Absin- gung des Herder'schen Liedes: „Freunde, laßt uns fröhlich sein" began nen nun die verschiedenen Spiele auf dem großen Wiesenplan, der mit Rcstaurationszelten reichlich versehen und mit langen Flaggen ge schmückt war. Unter der Aufsicht von Festordnern schossen die Kinder hier nach großen Vögeln, machten sie dort sogenannten Hahnenschlag, hielten sie hier Stechvogelzielen nach Stern und Scheibe, dort Reifen werfen nach bestimmter Höke, hier Bolzenschießen, dort Wettlaufen re.; von allgemeinem Interesse waren insbesondere die mit Tüchern geschmück ten drei hohen Kletterstangen, deren Erklimmung nur Wenigen Vorbe halten war, sowie ein sehr gut steigender Luftballon. Eine Unzahl von Prämien waren im Comitezelt ausgelegt, wo die Kinder auch Er frischungen erhielten und ein zweites Lied von Hammer gesungen ward. Die Kosten sind theils durch Sammlungen, «Heils durch Geschenke, sowie durch ein Eintrittsgeld von 2'/, Neugroschcn von Seilen der Her ren reichlich gedeckt worden. Je näher der Abend heranrückte> desto größer ward das Menschengedränge. Leipzig scheut keinen Weg, gibt es etwas zu sehen. Es war ein Drängen und Wogen bunt durch einander, ohne daß Ruhe und Ordnung irgendwie gestört worden wären. Die Kinder aber hatten sichtbar innige Freude an Allem, was vorging, beson ders aber an Spiel, Gesang und Prämien. Die Schlußrede Rob. Blum's war wie gewöhnlich kernhaft und imponirend für das zahlreiche Publicum. Er machte sehr sinnige und bedeutungsvolle Anspielungen. Der Frühling, welcher Schiller hinwegzog, lebte in ihm. Im Frühjahre dichtete' er in GohliS den „Don Carlos" und das „Lied an die Freude": Er wies dar auf hin, wie Schiller selbst ein Bild des Frühlings sei und welche Äx- deutung der Frühling für die Jugend und für die Männer Deutschlands in der Zukunft erlangen könne. Mit Schiller'S Lied an die Freude ward das Fest um 8 Uhr officiell geschloffen, aber noch Viele blieben bei Spiel, Gesang und Trank auf der Wiese und in den Zelten. Es war ein Fest, für dessen Einrichtung und Anordnung dem überaus thätigen Comite um so mehr großer Dank gebührt, als unsere Jugend, unsere Stadt und die Gegenwart fühlbar arm an unschuldigen kindlichen Freuden sind. Der Eindruck war im Ganzen ein eben so überraschender als wohlthuender. — Aus Stuttgart ist folgende Adresse an den preußischen Landtag abgegangen, welche von Paul Pfizer verfaßt ist und deren Unterzeichner aus Männern aller Farben bestehen sollen: „An die Mitglieder des Bereinigten preußischen Landtags. Was schon seit einem Menschenalter in Deutschland der Gegenstand so vieler Hoffnun gen und Wünsche, so vieler Zweifel und Besorgnisse gewesen ist, daß die Er füllung immer ungewisser zu werden schien, je öfter man dieselbe nahe ge wähnt, bas ist in unsern Tagen unverhofft durch den Entschluß eines Mon archen ins Dasein getreten, der unter den irdischen Lenkern der Geschicke Deutschlands zu der ersten Stelle sich berufen glauben darf. Mit gleicher Spannung sah das Inland und das Ausland dem bedeutungsvollen Lag ent gegen, der zum ersten Male die Stände Preußens aus acht Provinzen zum gemeinsamen Landtage vereinigte, und erwartungsvoll horchte Deutschland auf die ersten Laute jener Stimme, womit ein Volk von 16 Millionen im Mittelpunkt Europas seinen Eintritt in die Verfassungsstaaten unserm Welt- theil verkündigte. Und diese Stimme klang, so jung und neu sie ist, so fest und männlich, in ihrem männlichen Freimuthc so gemäßigt und besonnen, daß sic, unaufgehaltcn von den Schranken, an denen sonst das freie Wort sich stößt, durch die verschlossenen Thüren bis ins Herz des deutschen Vol kes drang und seine Brust in freudigem Vorgefühl bewegt hat. Ohne den Rechten etwas zu vergeben, haben Sie, die Stände und Vertreter dcS zahl reichsten Volkes deutscher Zunge, eine dargebotenc Gabe angenommen, um der Welt zu zeigen, daß eS nirgend in Deutschland an Männern fehlt, die ihres Volkes Ehre würdig zu vertreten, für seine Freiheit und Wohlfahrt zu kämpfen wissen, und daß Preußen heute noch das Preußen der Stein und Hardenberg ist, das mit seiner ruhmvollen Vergangenheit nicht bre chen kann. Hätten Sie cS abgelehnt, dem Rufe, der an Sic ergangen war, zu folgen und des Volkes Sache gleichsam nur in halber Rü stung , auf einem von Hindernissen rings umgebenen Kampfplätze zu ver-