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Dessen, was der neue Papst gcthan und vielleicht thun wird, und enthält so viel des Interessanten und Belehrenden, daß sie Allen, welche die Zeitbcwegungen mit Aufmerksamkeit verfolgen, empfohlen zu werden verdient. Allerdings bespricht sie bloS die politischen Reformen und^kann über die kirchlichen, namentlich auf Grund des bekannten Päpstlichen Rundschreibens, nur An deutungen geben, und der Verfasser bemerkt: „Wer von Pius IX. die ersehnt« Reformation des katholischen Dogmas erwartet, Hal sich einer leeren Täuschung hingegebcn." Dessenungeachtet erwarten wir Reformen, wenn auch nicht gerade Reformen des Dogmas,^ da wir überzeugt sind, daß. den politischen Reformen die kirchlichen werden Nachfolgen müssen. Aber nicht das Dogma, nicht gewisse Lehren sind ja der Krebsschaden der katholischen Kirche, sondern die Hierarchie, und es ist vorauszusehen, daß ein politisch freies Volk im Genüsse politischer Rechte auch nicht länger die Fesseln der Hierarchie wird tragen wollen, welche, wie zu Luther'ö Zeit, so jetzt und immer nur aus selbstsüchtigen Absichten der erklärte Feind alles und jedes geistigen Fortschritts war. „Viele Katholiken, sagt rin katholischer Korrespondent vom Mittclrhcin in einem höchst beachtens- werthen Aussatze dieser Zeitung (Nr. 362), sehnen sich nach jener Frei heit, die nicht die Dogmen antastct, sondern dem Streben einer obscu- ranten herrschsüchtigen Partei entgegentrcten möchte, die alle Mittel, die auf die Sinne und daS Gemüth der Menschen wirken, in Bewegung setzt, um die Menschen unter dem Deckmantel der Religion geistig zu knechten, wie sie denn selbst geistig geknechtet ist." Trägt doch Niemand als die Hierarchie die Schuld des selbst in Deutschland überhand nehmenden Ob skurantismus, des Cercmoniendienstes und Werkheiligkcitskrams, der Wun dermedaillen, Brüderschaften, Ablaß- und Reliqüicnmisbräuche; predigt doch Niemand als diese herrschsüchtige Priesterpartei, die statt Gott sich selbst nur dient, für den alleinseligmachenden Glauben eifert und doch selbst nichts mehr glaubt, Confcssiöns- und Ketzerhaß! Hier thun Re formen noch; aber keine von Einzelnen ausgehende, eigenmächtige Rc- formcm. und überhaupt keine Resormcn des Dogmas. Es muß gewiß von Protestanten wie Katholiken beklagt werden, daß die Nonge'schc deutsch-katholische Bewegung, statt durch Bekämpfung der Hierarchie und Wiederherstellung des urchristlichcn Gemeinde-Elements eine Wiederbelebung der Kirche und des praktischen positiven Christcnthums zu vermitteln, nach Art des alten Nationalismus in unnütze Streite über Dogma und Glau bensbekenntnisse sich verloren hat, an welche leider schon die erste Refor mation vor 30Ü Jahren ihre besten Kräfte verschwendete. Soll Papst Pius IX. als Reformator des Dogmas, etwa wie Luther, seine Auffas sung des Christenthums statt der auf der allgemeinen Kirchcnversammlung zu Trient angenommenen als Grundgesetz der katholischen Kirche hinstellcw? Wenn die Reformatoren dcS sechzehnten Jahrhunderts, wie sic gesollt und wie Luther anfangs auch wollte, vor Allem Disciplin und Verfas sung der Kirche reformirt, die Kirche von der Hierarchie befreit und das Kirchcnregiment sowie die Abstellung alter und neuer Mißbräuche der Ge meinde und ihren Vertretern überlassen hätten, statt, wie sie leider ge- than, neue absolute geistliche und weltliche Kirchengcwalten zu schaffen, statt, aus Neberschätzung des Dogmas und der Rechtgläubigkeit, bei Feststellung neuer Glaubensbekenntnisse einen ähnlichen Glaubenszwang auszuüben, wie er nur eben im Papstthum abgeworfen: was könnte jetzt die protestantische Kirche sein! So aber verfiel die protestantische Kirche in den Hauptfehler der alleinseligmachenden katholischen, indem sic selbst einen alleinseligmachenden Glauben aufstellte und von der Annahme ge wisser spekulativer Dogmen, z. B. über die Trinität, die Seligkeit ab hängig machte, ja selbst einen Ungläubigen, den Servet, bloß weil er die Dreieinigkeit läugnete, verbrannte! Während man um das Dogma eiferte, blieb die Hauptsache, die Kirchcnverfassungsfrage, unentschieden; die Lan- dcSfürsten nahmen das Kirchcnregiment in die Hände und reformirten in Verbindung mit neugeschaffenen geistlichen Behörden die Kirche! So ward mit der größten Jnconscaucnz nach bloßem subjektiven Ermessen der Reformatoren oder nach ihrer Schriftauslegung hier Katholisches verwor fen, dort beibchalten, und z. B. auch an die Stelle des schönen, poesie reichen, der Mcnschennatur vielfach angemessenen katholischen Cultus, weil der lange Mißbrauch und der todte, von der Hierarchie begünstigte For- mcndicnst das wahre Verständniß und den Werth des Aeußern, als Mit tel zum Zwecke, ganz übersehen ließen — in der protestantischen Kirche ein Zwitterding gesetzt, das auf die Dauer nicht genügen konnte. So ward selbst das Gotteswort der heiligen Schrift häufig nur als Mittel angesehen, sich von der Wahrheit der rechtgläubigen protestantischen Kir- chcnlehre und den Jrrlhümern der katholischen Kirche zu überzeugen, und um dieses Princips willen, ohne Anstößiges, Unverständliches und Un- yützt^guözuschriden, zu Millionen durch die Bibelgesellschaften verbreitet, ohne^äß das protestantische Volk, die Schuljugend ausgenommen, die ganze Bibel viel gelesen, Lust und Fähigkeit zu solchen dogmatischen For schungen besessen oder überhaupt den rechten Nutzen fürs Leben davon hätte haben können. Der protestantische rechtgläubige Eifer übersah, daß es doch weder Hauptaufgabe der Kirche noch Zweck der heil. Schrift sei, einen vermeint lich rechten Glauben zü verbreiten, daß beide vielmehr durch Verbrei tung religiös-sittlicher Grundsätze — nicht aber dogmatischer Ansichten — eine Anleitung zu gottseligem Leben geben sollen und daß dazu am Ende Das, was das katholische Volk aus der Schrift in den Händen hat: die Evangelien, Episteln, der Psalter, die biblischen Geschichten (welche Kirche und Schule dem Volke auch zu erklären im Stande sind) vollständig ausrcicht, abgesehen davon, daß cs keinem gebildeten Katholiken gewehrt ist, die deutschen Bibelübersetzungen von Eß und Allioli zu benutzen; ab gesehen davon, daß, wenn wir Protestanten die kirchlich autorisirte aner kannt hier und da fehlerhafte, wenn auch in ihrem Kerne vortreffliche lu therische Uebersetzung, ohne die Fehler verbessern zu wollen, verbreiten, wenn selbst ein großer Theil der Protestanten der Ansicht ist, jdaß statt der Vertheilung ganzer Bibeln ein Bibclauszug für Kinder und Volk dringend noth thut, die Erklärung Pius' ix. gegen die Bibelgesellschaften wenigstens nicht ganz grundlos erscheint. Niemand aber als eine falsche Richtung der Theologie trägt die Schuld dieser Neberschätzung des Dog mas ; nichts als das eigenmächtige Rcformircn Einzelner war Grund vie ler Mißgriffe. Wäre die Reformation des 16. Jahrhunderts keine dog matische'gewesen, wäre sie nicht von Einzelnen ausgcgangen, hätte sie vielmehr das christliche GemeindeprincH, welches auch den Richtgeistlichen gleiche Rechte gibt, wie sie es theoretisch annahm, ebenso m praxi aus- aeführt, und auch den Nichtgcistlichcn durch eine freie repräsentative Ver fassung Einfluß auf die Gestaltung der Kirche gewährt (und. gewähren können — denn freilich lag das repräsentative Princip noch nicht in jener Zeit—), wir würden keinen protestantischen Klerus, keine protestantische halb weltliche, halb geistliche Hierarchie erhalten haben, die Kirche würde nicht fast eine Polizeianstalt des Staats, das Christcnthum nicht so vor herrschend Theologie und Dogmatik geworden sein, und selbst die confes- sicnclle Trennung würde längst aufgehört haben! Leider aber haben al ter und neuer geistlicher Zeloten dogmatisch befangene Urchcile über die katholische Kirche, welche zumeist nur die misbräuchliche Außenseite tref fen, eben so wie die von Seiten der Ultramontanen gegen den Protestan tismus ausgcstoßcncn Schmähungen, dessen innerliche Herrlichkeit sic nicht kennen, auf beiden Seiten daß Urtheil so verrückt und die dogmatischen MM Deutsche Allgemeine Zeitung. MM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!»