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Dienstag Nr. 17V. 18. Junius 1844. WM Dmtfche Allgemeine Zeitung.-ML «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» N-be-bH». Deutschland. "Aus Norddeutschland. Organisation der Arbeit- — Die Karlsruher Tumultuanten. * Kassel. Ein Erkenntniß in Preßangelegen- beiten. ch Frankfurt a. M. Die israelitische Gemeinde- DaS israelitische Versorgungshaus. Preußen. * "Berlin. Die Sonntagsbörse. Creditmaßregeln. Verwarnung der Offiziere. Colonisationsplan. Verfügung in Betreff consiliirter und relegirter Studenten. UeberweisungSberichte an Strafanstalten, s Mün ster- Die dialogische Methode auf Universitäten. * Posen. Die Erzbi schofswahl.— Die Reise des russischen Kaisers. Deskerreich. "Wien- Erzherzog Karl. Slawische Zeitung. Portugal. * Lissabon. Die Presse. Die portugiesischen Emigrirtcn in Spanien, die spanischen in Portugal. Spanien. * Paris. Die schwebende Schuld. Die Finanzwirthschaft. Po litische Proccsse- Die baskischen Provinzen. Die Carlisten. Marokko. Großbritannien. Der Kaiser von Rußland. "London- Der Polenball- Frankreich. Das Rekrutirungsgesetz- Orkan auf der Insel Bourbon. Der Krieg mit Marokko. Schweiz. Die Jesuitenfrage in Lessin. Italien. "Rom. Lemperaturwechsel. Der Staatshaushalt. Griechenland, (Athen. Rundschreiben des Kriegsministeriums in Be treff des politischen Verhaltens der Offiziere, des Waffentragens und der Militairabschiede- — Ministcrwechsel. Personalnachrichten. Wissenschaft und Kunst. "Berlin. Akademie der Künsten "Mün chen- Gedichte von F. Beck. "Darmstadt- Statue Ludwig's I- "Wien. Der juridisch-politische Verein. "Posen. Lhcater- Handel und Industrie. "Frankfurt a. M. Dampfschiffahrt und Ei senbahnen. "München. Brand in der Maschinenfabrik von Maffei. "Leip zig. Magdeburg - Halberstädter Bahn- "Posen- Die Eisenbahndeputation. Triest. Die Bahn von Lreviglio nach Mailand. — Frequenz der Leipzig- Dresdner Eisenbahn. "Posen. Wolle. — Englische Eiseneinfuhr. — Lot terie. — Leipzig. Neueste Nachrichten. Paris. Das Ministerium. Der Prinz von Joinville. Ankündigungen. Delttfchllklld. *A.US Norddeutschlan-, l5. Jun. (Vergl. Nr. ISS.) „Organi sirt die Arbeit!" ruft man. Nein, sagen wir, ums Himmels willen or- ganisirt sie nicht, sondern laßt lsie sich organisiren. Behörden, Schulen und Universitäten mögt ihr organisiren; auch da wird nichts Geschcidtes herauskommen, wenn ihr cs nicht glücklich genug getroffen habt) daß im Innern auch solcher Anstalten die rechte, im wahrern und höhern Sinn organische Kraft sich cinstellt und Das leistet, was ihr bezweckt, Das gutmacht, was ihr verfehlt habt. In jenen weiten und freien Kreisen des Volkslebens aber, wo man es nicht mit gemachten Anstalten und Ein richtungen zu thun hat, sondern mit der unendlichen, unübersehbaren Man- nichfaltlykett der Kräfte und Strebungen, läßt sich durch alles mechanische Organisiren — man stoße sich nicht an den Widerspruch in den Worten, er liegt in der Sache, und der Ausdruck Organisiren ist im gewöhnlichen Sinne grundfalsch —, durch alles künstliche Einrichtcn nichts bewirken als — Verschlimmerung des Uebels oder Hervorrufen eines neuen und grö ßern Uebels. Nur zu viel ist schon in diesen Dingen durch eine die Kraft und Bestimmung der Staatsgewalt übergreifende Einmischung geschadet worden, und wo immer man Pauperismus bemerkt, da kann mau dreist versichern, daß Verkünstelung vorhcrgegangen. Das möchten sich die Her ren von der Industrie, die zu ihrem Schutz und in ihrem Interesse ein solches Einschreiten begehren, beiläufig gesagt sein lassen, daß, wenn man einmal darauf cingehen will, die Consequenz gar leicht darauf führen könnte, es auch zum Schutz und im Interesse der Arbeiter gegen die Her ren zu versuchen, sodaß sie zuletzt auf die Lange bei . einem (natürlich recht verstandenen) luis-ivr kurv selbst am besten fahren dürften — wie auch die größten und solidesten Jndustrieunternehmer, die sich im Schoose der Freiheit erhoben, längst wissen und sich nicht in die Schuhagitation mischen. Organisirt nicht die Arbeit, sondern laßt sie sich selbst organisiren! Als sie der ersten Begründung technischer Gewerbe, der ersten Verbrei tung ihrer Kunstgriffe und Verbesserungen, des Schutzes gegen äußere Gewalttkat durch ein tüchtiges Zusammenhalten bedurfte, hat sie sich selbst, im Einklänge mit den in jenen Zeiten waltenden Principien und Formen, zu dem Jnnungöwcsen organisirt, und keine schlechte Organisation war cs, die dem Handwerke seinen güldenen Boden gab. Als es darauf anzukom men schien, mit gewaltiger Kraft in den Welthandel cinzutreten, auf dem inncrn Markte die Mitbewcrbung des Auslandes zu bestehen, die großen Vorschritte der Wissenschaft fruchtbar zu machen für das materielle Leben und mächtige Mittel zu dem Allen zu verwenden, in Hoffnung auf ent sprechenden reichen Gewinn, hat sich, wieder im Einklänge mit den in neuern Zeiten waltenden Principien und Formen, die Jndustriephase des Fabrikwcsens organisirt, und wenn uns auch die frühere in Vielem lieber war und, minder glänzend, aber auch minder gefährlich und gefährdet dünkte, so mag es doch eine nothwendige Phase gewesen sein, so ist cs doch staunenswerth, was sie geleistet hat und leistet, wie sie die Materie dem Geiste unterthan macht, wie sie Tausende von Arbeitern ernährt und beschäftigt, wie sic in Landbau und Handel befruchtend eingreift, wie sie unzählbare Massen nützlicher Güter zu den billigsten Preisen liefert. Ihre Hauptübel liegen theils eben darin, daß sie mit der ungemeinen Verwohl feilerung der Genußmittcl auch die Genußsucht und den Luxus ungemein verbreitet und dadurch einen guten Theil ihrer wohlthätiaen Folgen vor der Hand wieder aufgehoben und, trotz der größern Wohlfeilheit vieler Dinge, doch das Auskommen erschwert hat. Das ist ein Uebelstand, der sich nicht durch Kleidcrordnungen und dergleichen mechanische Mittel, son dern lediglich durch vermehrten Erwerb und gehobene Einsicht und sitt liche Kraft beseitigen läßt, wonach erst die Wohlthätigkeit der Sache an sich in ungetrübter Stärke wirken wird. Theils liegen sie darin, daß jene Jndustriephase verhältnißmäßig Wenige, aber mit großen Mitteln und Kräften Ausgerüstete mit sehr Vielen, die ohne alle pecuniaire Mittel und mit der dürftigsten inncrn Befähigung eintreten, zusammenwirken läßt, folglich eine nicht ungerechte, aber doch sehr mislichc große Ungleich heit in der Vertheiluna des Gewinns und in der ganzen Lage der Bc- theiligten erzeugt; daß sie ein Geschlecht von Fabrikprolctariern hervorruft, erhält und vermehrt, welche nur von der Hand in den Mund leben, kei nerlei Bildung besitzen als die zu einer einseitigen, mechanischen Fertigkeit, und keinerlei Aussicht haben, sich auf höhere Stufen zu schwingen. Das Letztere namentlich macht dann auch die erster» Umstände so bleibend, schwächt den sittlichen Halt und verschlimmert die Folgen der ohnedies in dieser Jndustriephase unvermeidlichen und auch eine Schattenseite der selben bildenden Schwankungen und Krisen. Man hat oft gesagt, die Arbeiter seien an ihrer Noth selbst schuld, weil sie in guten Tagen nicht auf die schlimmen sparten; aber man hat dabei die Natur der Menschen nicht genug beachtet. Gebet dem Menschen eine Aussicht, eine einigerma ßen nahe Wahrscheinlichkeit, daß er sich durch Einsicht, Fleiß, Sparsam keit und Sittlichkeit auf eine ihm wesentlich höher erscheinende Lebens stufe, zu einem ihm wichtig scheinenden Ziele erheben könne, und er wird Jahre lang große Opfer und Anstrengungen und -Entbehrungen willig und heiter tragen; er wird auch nicht auf Die sehen, welche neben ihm das Ziel verfehlen, sondern auf die Mehren nur, die cs erreichen. Die dloße Rücksicht auf einen Sparpfennig für die Tage der Noth zieht nicht stark genug, und wer ein langes Leben der gleichen abhängigen Arbeit vor sich sieht, in welchem nur etwas höherer oder niederer Lohn die einzige Abwechselung bildet, der kommt leicht dazu, die guten Tage mitnehmcir und der schlechten nicht denken zu wollen. Eine neue und glücklichere Jndustriephase muß aus vermehrten Mit teln, vermehrten Aussichten, erhöhter geistiger und sittlicher Kraft der zahl reichern Industriearbeiter aufgehcn. Sind diese Elemente gewonnen, ist der Geist in der Sache, der jetzt mangelt, so wird sich von selbst das Bcsscte organisiren, so wird jedenfalls die Arbeit und die Lage der Ar beiter sich heben und adeln. Es handelt sich nicht darum, Alle reich zu machen, alle die unendlichen Abstufungen des Vermögens und seiner Vor theile aufzuhcben, so wenig wie absolute Gleichheit der Bildung, des Cha rakters u. s. w. jemals den irdischen Zuständen eigen werden kann, ja auch nur zu wünschen wäre. Jeder Versuch, das Erstere zu bewirken, würde nur das Gegcnthcil von Dem erreichen, was er bezweckt, würde die Nationalkraft lähmen und, ohne den Armen zu helfen, ihre Zahl, ihre Hülflosigkcit noch mehren. Aber es handelt sich um die Beseitigung deS Proletariats (Nr. 155), über welchem noch Zustände genug sind, welche keinen Reichthum zu beneiden brauchen; eS handelt sich um Besserung und Hebung der Lage und des Wesens und um Eröffnung von Aussichten. Für diesen Zweck greifen jene Momente in jener mannichfaltigcn Wechsel wirkung in einander, welche all die verflochtenen Momente des irdischen Lebens bezeichnet. Geistige und sittliche Kraft sind die sichersten Grund lagen eröffneter Aussichten, vermehrter Mittel, und wieder die Aussicht zu wirksamer Verbesserung der äußern Lage, der erste Vorgeschmack ge besserter Zustände, sind die stärksten Impulse, geistige und sittliche Kraft zu erwerben und wcrth zu halten. Ebenso kräftigt die Einsicht im sitt lichen Verhalten, und gibt wieder die Sittlichkeit und der Charakter, daS ganze Gemüthswescn erst der Bildung den wahren Werth- Sehr schla gende Belege von dem ganz gewaltigen Einflüsse der Bildung und Sitt lichkeit auf die Zustände der Fabrikprolctaricr können wir dem größern Publicum in einem auch ihm zugänglichen Buche nächwciscn. In Kohl's „Reise durch England" finden sich Auszüge aus den Untersuchungen engli- jcher Parlamentscommissionen, welche auf Vas schlagendste die eminente Bedeutung guten Schulunterrichts und sittlichen Wesens für die Zustände und Aussichten auch der Fabrikarbeiter darthun und der Betrachtung und