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— Nr 1'3 22. April 1844 Montag WM Deutsche Allgemeine Zeitung. -HM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Uebrrblick. Deutschland. — Leipzig. Die kirchlichen Nachrichten aus Oesterreich. * München. Rußland m der griechischen Religionsfrage. Der Vorfall im Museum. * Leipzig. Der Großfürst-Lhronfolgcr- — Ein ständischer Bericht der badischen II. Kammer, Preußen. Ä Äertin. Graf Gurowski- * * Kerlin. Gutachten in der Schel- ling-Paulus'schen Rechtssache. Hofball. Die Kaiserin von Rußland. Müh lenbau. Hr. Benda- Die Rabbinerwahl. — Die Eisenbahnspeculktioncn. ivefterreich. -Wien. Der ungarische Reichstag. Duell, chWien- Ein schwedischer Abgesandter. Der Prinz von Hohenzollern-Hechingcn- Spanien. * Paris. Das große militairische Musikfcst- Nachrichten von Almeida und Havana. Großbritannien. Das Morning Chronicle über den Proceß O'Conncll's- Die Bank- Uebcrtritt zum Katholicismus. Frankreich. Kammerverhandlungen. Der Globc über die Otaheitisache. Kirchliche Intoleranz, st Paris Haiti. Italien. Urtel über die Ruhestörer in Sologna. Mußland und Polen. Die Reisen ins Ausland. — Der Cartelvcrtrag. — Der Lschcrkessenkrieg. Klügen von Klugcnau. — Die Rcnegatenfrage. Griechenland, st Äthen- Die londonerEonferenz über die Religionsfrage. Türkei. -Konstantinopel. Die Armee. Syrien. Albanien. Handelstrac- tat mit Rußland. Die sardinische Angelegenheit. Die Lscherkcssen. sÄon- stantinopet. Die Ereignisse von Latakia. Hussein-Pascha- Nordamerika. Der Princeton. Mejiro. Zwist mit Frankreich. Personalnachricht««. Wissenschaft und Kunst. -kom. Gelegenheitsgedichte. * Stockholm. Theater. — Prinz Albert. — Professor Bauerband. Handel und Industrie. * Äthen- Die Nationalbank. -Lübeck. Schwe disches Eisen. Dampfschiffahrt. -Sonn. Bonn-Kölner Eisenbahn. «Dan zig. Getreidehandcl. -Leipzig. Meßbericht. — Berlin. Neueste Nachrichten. London. Sitzung des Unterhauses. Ankündigungen. Deutschland. ** Leipzig, 20. April. Höchst betrübend sind die kirchlichen Nachrich ten aus Oesterreich (Nr. tvv), nach welchen, insofern bei gemischten Paaren alle gottesdienstlichen Handlungen im protestantischen Bcthause (Kirchen haben dort bekanntlich die Protestanten nicht!) verboten bleiben und es dabei bewendet, daß solche Paare vom katholischen Priester „un ter passiver Assistenz" getraut werden, die gemischte Che für den Prote stanten in gewisser Hinsicht zum Concubinatc herabsinkt, wofür ja auch die römisch-katholische Kirche selbst die gemischten Ehen an und für sich «rklärt hat. Will man wirklich so etwas; will man — abgehend von dem Grundsätze: ubi sponsa, ibi oopula, und zwar abgehend im einseitigen Interesse der katholischen Kirche und in übertriebener Nachgiebigkeit gegen dieselbe, weil sie nicht nachtraucn will — jede gemischte Che nur in der katholischen Kirche einsegncn lassen vom katholischen Priester „unter pas siver Assistenz" (?), und dem protestantischen Theil in keinem Fall auch nicht einmal das Recht zugcstehen, sich nochmals in seiner eignen Kirche trauen zu lassen, so ist das fast so gut als ein Verbot der gemischten Ehen überhaupt. Allerdings wäre auch ein solches Verbot in gewisser Beziehung, und wenn man hierbei den Gesichtspunkt der persönlichen Frei heit des Einzelnen ganz aufgibt, vielmehr nur den kirchlichen Gesichts punkt festhält, wie ihn der exclusive Charakter der römisch-katholischen Kirche an die Hand gibt, in der That das Beste, was geschehen könnte, AM auf der einen Seite den Prätensionen der katholischen Kirche zu be gegnen, aus der andern der protestantischen die Dcmüthigungen zu erspa ren, die man ihr widerfahren läßt, indem man jene Pratcnsionen unter stützt. Die protestantische Kirche, die ihrem Geist und Charakter nach nur mit den Wassen des Geistes für ihre Grundsätze kämpft, kann dabei micht verlieren, sondern nur gewinnen; die katholische aber, die mit Ge walt oder mit List, durch Verbote oder sonstige äußere Beschränkungen ihre Gegnerin bekämpft, würde dabei mit ihrer Proftlytenmacherei gar schlecht wegkommen. Ihre natürlichen, wennschon dessen ungeachtet erst nach langen Kämpfen erlangten Gerechtsame kann und darf die protestan tische Kirche nicht aufgcben, aber sie verläugnet auch eben so wenig den Charakter der christlichen Liebe und christlichen Duldung: sic verlangt für sich nur die Rechte der Parität, die ihr verbrieft sind, und der Geist des ly. Jahrhunderts, auch wenn er sich in manchen Erscheinungen vielmehr als ein finsteres Gespenst des Mittelalters kund gegeben hat und kund gibt, wird, diese Rechte nicht nochmals in Frage stellen und in Zweifel ziehen wollen! -München, 17. April. Da uns die Post vom 4. oder 6. April aus Athen offenbar Neuigkeiten von Belang bringen muß, vor Allem Näheres über die öffentliche Beschwörung und factischc Einführung der Constitution (Nr. 112), so sieht man hier ihrem Eintreffen mit vieler Spannung entgegen. Bis zu diesem Augenblicke haben wir aber vergeb lich gewartet, was natürlich ist, wenn das Dampfboot den Piräus erst am tt. April verlassen hat. Unterdessen hat die augßburger Allgemeine Zeitung aus Paris wieder Mittheilungen über das dortige Wirken dcS Fürsten v. Wallerstein erhalten, und nebenbei auch erfahren, daß der selbe in einigen Tagen nach London gehen werde, um mit Hrn. v. Ärun- now zu unterhandeln. Der letztere Zusatz gibt der ganzen Neuigkeit allein einigen Werth; denn daß der schon ost gemeldete Abstecher nach London von dem Fürsten endlich doch noch gemacht werden dürfte, ist sehr wahr scheinlich, aber an sich sehr wenig bedeutend. Wenn es aber wahr ist, was sich die augsburger Allgemeine Zeitung bezüglich der Absicht dieser Reise des Fürsten v. Wallerstein nach London schreiben läßt, dann er hält gar Manches, was man hier bis jetzt für unbedeutend gehalten hatte, eine kaum geahnte Wichtigkeit. Der Kaiser von Rußland soll nicht nur gegen die beabsichtigte Nachfolge von Töchtern König Otto's auf dem griechischen Throne, sondern auch gegen jeden Versuch feierlich protcstirt haben, welcher etwa von dem König in Athen oder von hier aus gemacht werden wollte, um den Beschluß der Nationalversammlung über die Religion des Thronerben aufzuhebcn. Es ist diese Behauptung zwar nicht neu, aber von einem bedeutenden Blatte hatte sie bis jetzt noch keine Würdigung gefunden. Wird sie durch die Unterhandlungen des Fürsten v. Wallerstein mit Hrn. v. Brunnow Bestätigung erhalten? Ich kann cs nicht wissen, glaube aber nicht verschweigen zu Vollen, was dem pariser Korrespondenten der augsburger Allgemeinen Zeitung unterstützend zur Seite steht. Nachdem Fürst Ludwig v. Wallerstein schon geraume Zeit in Paris anwesend war, sendete er die ersten Depeschen an das Ministe- xium des Aeußcrn hier auf außerordentlichem Weg, und gleichzeitig that er von der Sendung eines Kuriers mit unmittelbaren Mittheilungen von ihm nach Petersburg Meldung. Aus dieser Angabe, welche man hier (von dem Fürsten nahestehenden Personen) zu oft hat machen hören, als daß man an ihrer Wahrheit zweifeln könnte, scheint zunächst aller dings hervorzuaehcn, daß der Fürst sich in Paris allerdings in der Lage sicht, seinen Verhandlungen über diejenigen Punkte der griechischen Ver fassung, welche seine Mission überhaupt veranlaßt haben, die weiteste Aus dehnung zu geben. Aber nachdem die Dinge in Athen dahin gediehen sind, wo wir sic nach den Meldungen vom 27. März angelangt sehen, nachdem König Otto fclbst seinem Nachfolger gewahrt hat, was man die- em von hier aus gewahrt wissen will, nachdem endlich die londoner Con- ercnz unserer Regierung unzweideutigst zugesichert hat, daß die griechische Verfassung keine gegen die Verträge lautende Bestimmungen enthalten werde, wie sic denn auch in der That solche nicht mehr zu enthalten scheint, so ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß plötzlich die größten Hinder nisse von einer Seite her erhoben werden sollen, von welcher aus, wenn nicht in Griechenland selbst, so doch bei der Konferenz in London, sich weit mehr passiv als actio verhalten worden ist. Dazu kommt noch lue nach einem kurzen Mißverständnisse leicht und hoffentlich dauernd herbcss geführte Verständigung zwischen unserm Hof und dem russischen über Das, was man hier das Scverin-Katakazithum zu nennen pflegte. Be kanntlich wird die von mir schon früher als bevorstehend bezeichnete Rück kehr des Hrn. v. Severin auf seinen Gesandtschaftspostcn hier schon in der nächsten Zukunft erfolgen. Fürwahr, entweder ist eine gewisse nor dische Politik wirklich die allcrpolitischestc von der Welt, d. h. voll der Tücke und Falschheit vom Kopf bis zum Fuß, oder wir haben weder an die fraglichen Protcstationen des russischen Kaisers zu glauben noch an die Verhandlungen mit Hrn. v. Brunnow, zu deren Anknüpfung und Betreibung im Interesse BaicrnS man den Fürsten v. Wallerstein so eben nach London zu gehen entschlossen sein läßt. Selbst wenn der Fürst nach London geht, wird man demnach aus dieser Reise keinen Grund zu Besorgnissen zu entnehmen haben; aber cs geht hier das Gerücht von dcs- 'cn baldiger Rückkehr nach München so allgemein, daß Manche nicht ein mal recht an die fragliche Reise überhaupt glauben. Der Wahrheit glaube ich cs schuldig zu sein, zu bemerken, daß der von mir rügend erwähnte Vorgang in einem Lesezimmer unserer Mu- eumsgcsellschaft (Nr. HO) von vielen achtbaren Männern auch in üner solchen Weise erzählt wird, daß man sich zu der Annahme versucht ühlt, es dürfte von beiden bethciligten Personen in ganz gleicher Weife Das verletzt werden sein, was man unter guter Lebensart zu verstehen zflcgt. In der That sollen denn auch die Vorstandsvorschläge dahin zehen, beide Mitglieder durch die Generalversammlung zum Austritte zu wthigen. Ich werde wol Ursache haben, auf diesen unangenehmen Vor all, der noch immer lebhafte Besprechung findet, noch einmal zurückzu- pmmen. -Leipzig, 21. April. Der Großfürst-Thronfolger nebst Gc mahlin trafen gestern Nacht hier ein und reisten heute Vormittag IO Uhr nach Dresden weiter.