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Montag Nr- SS. 8. April 1844. Deutsch- Rllgemeiue Zeitung. r°M «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Ueb-rblick. Deutschland. -Aus Norddeutschland. Katholische und protestantische Gegensätze.— Die königlich bairische Cabinetsordre gegen die Gustav- Adolf-Stiftung. ch München. Convertitenwesen. *Aus Schleswig- Holstein. Die Geschworenengerichte. Die nationalen Streitigkeiten- — Neuentdeckter Hafen, ch Weimar. Der Druck der Protokolle. Oldenburg. Strafgesetzbuch. Kreutzen. U Serlin. Das Osterfest des Protestantismus- Römische und Münchener Mißverhältnisse- — Lurnanstalten- — Hofprcdiger Sydow- Oesterreich. *prcsburg. Das Bergwesen- Die Städtesache. Portugal. * Lissabon. Der Aufstand. Hr. Olozaga. Madeira- Spanien. Das Morning Chronicle über die jetzige Lage von Spanien. Großbritannien. Der Spcctator über Jack-Cadc-Gesetzgebung. Nach richten vom Cap. Frankreich. Das Sklavcnemancipationsgesetz. Die Herabsetzung der Rente. Der Constitutionncl und die Sonntagsfcicrl "°*Som klhcin. DerUltra- montanismus- Niederlande. Die Anleihe. Dänemark. Russische und antirussischc Strebungen- Schweden und Norwegen. Stockholm. Russisches Condolenzschreibcn. Griechenland, ch Athen- Die Verfassunasurkunde mit den vom Könige vorgeschlagenen Aenderungcn. — Die Verfassung- ' Nordamerika. Neuyork. Jahresbericht der deutschen Gesellschaft- — Die ' neue Larifbill- Handel. Hr. Calhoun. Personalnachrichten. Handel und Industrie. Verkehr der deutschen Eisenbahnen im Februar 1844. * Wien. Generalversammlung der Kaiscr-Ferdinands-Nordbahn. — Die Sparkasse zu Hannover.— Berlin. Neueste Nachrichten. Paris. Deputirtcnkammcr. Ankündigungen. Deutschland. *AuS Horddeutschland, 4. April. Gewiß sind wir weit ent fernt, etwa den viel besprochenen Artikel der augsburger Allgemeinen Zei tung in Schutz nehmen zu wollen. Wir wissen, daß er aus grundfalschen Gründen eine sehr ungerechte Anklage erhob und nur deshalb nicht schäd lich wirkte, weil er eben so weit über sein Ziel schoß, so sichtlich falsch und ungerecht war. Wohl aber können mir nicht allen den Urthei len, die über ihn gefällt wurden und seinem Verfasser die irrige Auffassung uns wohl bekannter Verhältnisse fast zum Verbrechen anrcchnetcn, be>- timmen. Denken wir uns auf den Standpunkt des im katholischen Wc- 'en ausgewachsenen süddeutschen Katholiken, so kommen uns seine ganzen lrtheile gar nicht so wunderbar vor, wie sic dem eben so nur an seinen Jdeenkreiö gewöhnten norddeutschen Protestanten erscheinen. Eben weil cs uns Protestanten so schwer fallt, uns in die katholische Anschauung hineinzudenkcn, eben deshalb sollte es uns nicht so sehr befremden, wenn Jene, in ganz anderer Anschauung ausgewachsen und gebildet, in einem ganz andern Jdecnkrcisc befangen, unsere Verhältnisse und Richtungen in irriger Weise bcurthcilen. Bleiben wir gleich bei Gustav Adolf stehen. Von Zuge«- auf hat man uns diesen König als unsern Befreier und Beschützer, als den Helden des Glaubens und seiner Freiheit geschildert, hat uns mit Zügen seiner Großmuth, seiner Tapferkeit, seiner Mensch lichkeit begeistert, hat ihn uns in einer Jdcalisirung vorgcführt, gegen de ren Zurückführung auf den Standpunkt der Wirklichkeit, auch wo sic von einzelnen protestantischen Schriftstellern, denen die Wahrheit höher stand als die Partei, versucht worden, wir uns fast unwillig strauben. Grade umgekehrt wird den österreichischen und bairischen Katholiken der selbe Fürst als Ketzer und Reichsfeind, als Eroberer und Ehrgeiziger, seine Siege werden als unheilvolle für Deutschlands Einheit und für die katholische Kirche dargcstellt, eine Kirche, deren Idee den Katholiken grade eben so hoch steht, wie uns die der Glaubensfreiheit. Jenseits wird min destens eben so übertrieben wie diesseits, und die Ansichten sind auf bei den Seiten so eingewurzelt, daß keine die andere versteht. Auch sonst ist cs wol natürlich, daß man in den katholischen Kreisen über alle die Ge schichten und Verhältnisse und Richtungen der Gustav-Adolf Stiftung in vielen Jrrthümern geschwebt hat, ja daß wol auch hier das bekannte Sprüchwort nicht ohne Geltung blieb: „Was ich denk' und thu', trau' ich Andern zu." Nun, sagt man, sie hätten sich um den wahren Sach verhalt bekümmern sollen, ehe sic urtheilten. Ganz recht, und wir wünsch ten herzlich, daß jederzeit, ehe gcurtheilt würde, das sorgfältigste und un befangenste Untersuchen des wahren Sachverhalts vorausginge. Aber, die Hand aufs Herz, handeln denn wir immer so? Sehen denn wir jede uns über katholische Urptriebe zukommendc schlimme Nachricht anfangs mit Mißtrauen an, das Beste glaubend, so lange wir uns nicht vom Gegen theile fest überzeugt haben, sorgfältig Alles erkundigend und untersuchend, Personen, Verhältnisse, Umstände, niemals leichtsinnig die erste Kunde eifrig aufgreifend und auf sie hin streitend und verdammend, niemals die Sache übler auslegcnd, als sie ist, immer erst fragend, wie der Gegner sie wol gemeint hat und wie sie sich auf seinem Standpunkt auönehmcn mag? Dem Baiern ist begegnet, was jedem Parteimanne widerfährt: er hat Das, was er auf feindlicher Seite vorgchen sah, im feindlichsten Licht aufgefaßt. Aber Dasselbe ist auch Protestanten in ihrer Bcurtheilung katholischer Zustände hundertfach begegnet. Wir'ha- ben mehr Recht zu unserm Mistraucn, sagt man. Möglich, ja wahr scheinlich! aber Jene haben eben so viel Glauben zu ihrem Recht, als wir zu dem unsrigen. Wozu wir Das sagen? Weil es uns das heiligste Bcdürfniß ist, auch dem Gegner gerecht zu sein, weil wir nur da auf den Sieg hoffen, wo auch nicht um ein Haar die Grenze überschritten, auch nicht in der leisesten Schattirung zu viel gethan wird, weil wir dem weit verbreiteten Satze durchaus nicht beipflichten, daß man gegen den Intoleranten nicht tolerant sciy, schlechte Mittel mit schlechten Mitteln bekämpfen dürfe und mit Rom nur durch Repressalien fertig werden könne. Wenn wir diesen Gegner mit seinen eignen Waffen und Künsten bekämpfen wollen, so ha ben wir wenig Aussicht: er hat die Zahl, er hat die entschlossene Gunst seiner weltlichen Machthaber, er hat den feurigen fanatischen Eifer, er hat eine wunderbare, geschlossene und berechnete Organisation voraus, und wir können nicht einmal die ganze Conscgucnz unserer mehr negiren- dcn Richtungen entfalten, damit nicht der Radikalismus sich ihrer bemäch tige und zu viel negire. Wäre es aber auch, daß wir Aussicht auf Er folg durch solche Mittel hätten, so würden wir doch einen Sieg beklagen müssen, den wir auf Kosten unsers Princips, den wir in einer unserer nicht würdigen Weise erkauft hätten. Zwischen dem feigen Dulden des Unrechts und zwischen der Vergeltung desselben mit. Gleichem lie^ noch eine richtige Mitte: die kräftige Abwehr des Unrechts bei festem Behar ren auf der Bahn der strengsten Gerechtigkeit. „DieRache ist mein!" spricht der Herr. Nicht mit den Waffen des Fanatismus und der Into leranz, nicht mit Bedrückung und Verdammung, nicht mit Verfolgen und Lästern, nicht mit Lügen und Umtrieben, Hetzen und Anschüren wird je mals ein ehrlicher, rühmlicher, nützlicher Sieg erfochten. Der Protestan tismus aber darf nicht erzittern, und thäten sich die Pforten der Hölle ge gen ihn auf, so lange er sich schart um die feste Burg seines Gottes, so lange er streitet mit den lichten Waffen der Gerechtigkeit, der Wahrheit, des Glaubens und der Liebe, so lange er aller List und Berechnung des Feindes die ruhige Kraft des Hellen, umfassenden, klar gediegenen Gei stes, sein einfach harmloses Wesen, an dem alle Schlauheit des Jesuitis- muö zu Schanden wird, so lange er allem Toben des Fanatismus daß un bezwingbare Schild der selbstbewußten Mäßigung und Gerechtigkeit, des selten, gleichmüthigen Beharrens entgegensetzt. Die Zeit ist mit ihm, Wahrheit und Recht sind mit ihm, und Gott ist mit ihm. Er kann nur zagen, wenn er sich selbst verläugnet. Endlich wünschen wir milder über den Gegner gcurtheilt, als er viel leicht verdienen mag, weil wir nicht wünschen, daß der Streit den Streit nähre, weil wir einen Streit versöhnt und verglichen wünschen, der nir gend weniger am Ort und an der Zeit ist als in Deutschland. — Die in Darmstadt erscheinende Allgemeine Kirchcnzcitung theilt die königlich bairische Cabinetsordre, wodurch die Gustay-Adolf-Stiftung in Wiaiern verboten wurde, vollständig mit, wie folgt: „Cabinetsordre Sr. Maj- des Königs in Betreff der Gustav-Adolf-Stif tung. Ludwig von Gottes Gnaden König von Baiern, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Baiern, Franken und in Schwaben rc. Wir haben euch bereits vor einiger Zeit eröffnen lassen, daß wir uns nicht bewogen finden können, der Ausdehnung des zu Leipzig gegründeten und seither in Deutschland unter dem Namen Gustav-Adolf-Stiftung weiter verbreiteten Vereins auf unser Königreich stattzugcben, nachdem sich dieser Verein schon durch den Namen, den er angenommen, als Parteivcrbindung ankündigt, dadurch aber ganz ge eignet ist, Gegenvereine hervorzurufen und so den kirchlichen Frieden und die ö wichtige Eintracht in Deutschland zu stören. Noch klarer ist das Walten und Streben dieses Vereins bei einer am 2ü. Nov- v. I- zu Halle gehalte nen Versammlung mehrer Zweigvereinc behufs der Constituirung eines Pro- vinzialvcreins hervorgetrctcn, indem dort nach im Druck erschienenen Be richten offen ausgesprochen worden: «daß die Gustav-Adolf-Stiftung eine rcie, über die Grenzen und Sonderintercsscn der einzelnen Länder hinausgc- -cndc Association aller Protestanten zur Bildung einer allgemeinen protestan tischen Kirche und zur gemeinsamen Vertretung der Interessen und mit Blut erkauften Rechte des Protestantismus gegenüber der katholischen Kirche sei und von dem ehemaligen Oorpu» vvaiigolicorum nur dadurch sich unterschei- nn solle, daß sie nicht mehr in einer Vereinigung der Fürsten und ihrer Gc- ändten, sondern der Völker bestehe.» Nun ist uns aber neuerlich zurKennt- nß gekommen, daß der erwähnte Verein in jüngster Zeit begonnen habe, eine Lhätigkeit auf unsere Lande zu erstrecken und protestantischen Kirchcn- gemcinden daselbst Unterstützungen zuzuwendcn. Es ist uns daher eine neue