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schellt« über den andern. Als furchtbare Keule schwirrte da» Schemelbein. Schon wollt« sich der Jäger mit jähem Ruck nach hinten wenden, um die Büchs« an sich zu reißen und damit das Freie zu gewinnen, da flog die Tür auf, und herein stürzte, durch den Lärm gelockt, ein neues Rudel Soldaten. Die übersahen kaum den ungleichen Kampf, als sie sich auch schon mit Johlen über den einzelnen warfen und ihn entwaffneten. So wurde der Stülpner preußischer Musketier. Er kam nach Spandau -um Regiment Prinz Heinrich Und wen« er schon über einem Fluchtplan brütete, lag er doch wieder einmal wie der Fuchs im Eisen. * Indessen saß die Mutter Stülpner, wenn kie nicht Reisig sammelte oder ihre gefleckt« Ziege molk, jahrein, jahraus einsam hinter der Tamburiernadel, di« sie mit dem armseli gen Klöppelsack vertauscht hatte. Sie war ein wenig seltsam geworden in ihrer Einspän- nigkeit. Es kam vor, daß sie die ausgestreckt« knöchern« Hand minutenlang in der Luft stehen, schief wie ein Vo gel den Kopf drehte und unverwandt durchs Fenster äugte mit glasigen Augen. Es kam vor, daß in den vielen frühen Fallen ihres Gesichts ein zuckendes Spiel umging, das nichts mit der Tamburiernadel zu tun hatte. Halbe Tage lang saß sie über ihrem alten Gesangbuch, leckte von Zeit zu Zeit den Finger an und schob ihn zwi- schen die Blätter. Und hundertmal buchstabierte sie eine Stelle, wem, irgend etwas in den Zeilen zu den Sorgen ihrer Seele eine Auskunft zu wissen schien: „Wohl dem Menschen, der nicht wandelt in gottloser Leute Rot; wohl dem, der nicht unrecht handelt, noch tritt auf der Sünder Pfad, der der Spötter Freundschaft fleucht und von ihm Gesellen weicht, der hingegen hertzlich ehret, was uns GOtt vom Himmel lehret." Ihren Sohn geleitete sie mit solchen Strophen auf sei nem, wie sie fest glaubte, erneuerten Lebensweg, so un ausdeutbar und rätselhaft für sie der sich aAh^UpelH denn es kam und kam kein Brief und keine Botschaft durch der Leute Mund. Und als einmal, halb durch Zufall, ein Olitätenhändler etwas von dem Reoierförster Stülpner auf Kunersreuth daherbrockte (das Geld, das er hatte abliefem sollen, war ihm aus der Tasche gefallen), war der Auftrag- geber längst nicht mehr im Bayrischen. Einen Kaktus zog die Frau am kleinen Fenster, den ihr einmal der Gärtner vom Schloß geschenkt hatte. Damals war er winzig wie ein Fingerglied gewesen. Heute saß er dick im tönernen Asch wie ein Klungen aus vielen grünen Gürkchen, und an den Gürkchen war viel kleines gelbes Ge- stachel. Sie liebte ihn und pflegte ihn in seiner An spruchslosigkeit. Er dankt« ihr s und wuchs stumm in har- An Der Lebensroman des Raubschützen Karl Stülpner Don - Kurt Arnold Flndeisen Copyright lsrr d, Koehler » Amelan-, S. «, h. Leipjlß. (8. Fortsetzung.» (Nachdruck verboken.) „Warst da im Dienst?" „Beim Herm von Zedtwitz vierzehn Monat. Vorher zwei Jahr auf Kunersreuth, bei dem von Reitzenstein." „Und nun?" Der Jäger mußte wider Willen lachen: „Nun sucht sich der Förster einen neuen Busch." Der Blaue rückt« näher: „Wie wär's mit der preußischen Montur, Bruder? Gute Schützen machen ihr Gluck bei uns. Und gar erst Kerle so lang wie dul Ich hab schon alleweil «in Auge auf dich' Du kriegst acht Louisdor Handgeld, Bru der, acht Louisdor, kannst's glauben!" Er wedelte mit seinen roten Aufschlägen. Der Jäger blinzelte spöttisch und schüttelte -en Kopf: »Kenn die preußische Fuchtel! Und die sächsische dazu. Such dir einen Dümmern, Kamerad!" Der biß sich auf die Lippen und drehte sich um. Zwei Unteroffiziere nickten zu ihm herüber. Da stand er auf und langte nach der Doppelflinte, die über dem Jäger hing: „Eine schöne Büchse!" „Laß sie in Ruh!" „Blox! Ich werde mir das Ding doch mal ansehen dür fen." „Finger weg!" „Du bellst ja wie ein Saupacker! Davor fürchtet sich ein preußischer Musketier noch lange nicht!" Er hatte die Büchse noch nicht vom Nagel, da würgte ihn der Jäger schon an der Gurgel. Im Nu schwieg der übrige Tumult der Stube. Die beiden Unteroffiziere und noch drei, vier Blaue fielen den Grünen an, der wütend um sich schlug, nachdem er den ersten unter den Tisch geschleudert hatte. Der Jäger überragte die großen Burschen immer noch um einen halben Kopf. So stand er wie eine Dogge unter Bracken. Eine kleine Schlange ringelte sich an seiner linken Schläfe. In den Augenwinkeln aber blitzte wilde Laune, als er brüllte: „Hol euch der Teufel, Seelenfänger ihr, elende! Denkt ihr, ich werde nicht fertig mit ein paar lumpigen Acht groschenmännern?" Als einen Augenblick eine Annlänge Raum zwischen ihm und den Angreifern entstand, bürte er sich blitzschnell nach dem gebrochenen Schemelbein und riß es hoch mitsamt dem Stuhle, der sich nun vollends löste und über einen Un teroffizier hereinbrach. Die Oellampe der Balkendecke zer